Protokoll der Sitzung vom 18.12.2007

Die FDP/DVP-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Wacker das Wort mit der Bitte – nachdem fast alle Fraktionen erheblich weniger gere

det haben, als sie Redezeit hatten, und im Hinblick darauf, dass die CDU-Fraktion heute Abend ihre Weihnachtsfeier hat –, sich etwas kürzer zu fassen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Landesbischof Dr. Fischer, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sie glauben nicht, wie lange die Landesregierung gerade zu einem solch wichtigen Thema sprechen kann.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Stunden! – Zuruf von der SPD: Tage! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oh- ne etwas zu sagen, da haben Sie recht!)

Ich freue mich darüber, dass wir hier im Haus einen großen Konsens im Grundsatz und in weiten Teilen sowohl bei der ersten Lesung als auch bei der zweiten Lesung erzielt haben. Ich persönlich und auch die beiden großen Kirchen waren darüber erfreut, welch große Einigkeit wir hier erzielt haben. Ich bedanke mich auch dafür, dass wir im Schulausschuss, im Finanzausschuss und im Ständigen Ausschuss eine große Zustimmung zu diesem Gesetzeswerk erfahren durften. Bevor ich nochmals in aller Kürze auf die Verträge und den dazugehörigen Gesetzentwurf eingehe, scheinen mir doch noch einige Anmerkungen zum Verhältnis zwischen Staat und Religion in Baden-Württemberg und zu unserer Landesverfassung hilfreich.

Staat und Kirche sind seit 1919 getrennt. Der Staat ist religiös neutral. Wie schon am 29. November 2007 bei der Ersten Beratung und auch heute von allen Rednern betont wurde, haben wir in Deutschland glücklicherweise kein System des Lai zismus. Vielmehr gebieten unsere Verfassungen aus guten his torischen, soziologischen und rechtlichen Gründen eine Kooperation des Staates mit den Religionsgemeinschaften, soweit sie dies wünschen und soweit sie dazu geeignet sind.

Gute Kooperationen gibt es auf vielen Feldern: bei der Seelsorge, beim Religionsunterricht, auf der Ebene der Finanzen. Dies gilt aber nicht nur für die großen christlichen Kirchen, sondern auch für andere Religionsgemeinschaften. Diese müssen – wenn wir über Werte sprechen – ebenfalls gleichwertig erwähnt werden. Ich nenne in diesem Zusammenhang die jüdischen Religionsgemeinschaften oder auch die Aleviten.

Dass die Beziehungen zu den großen christlichen Kirchen im Land – den beiden evangelischen Landeskirchen und den beiden römisch-katholischen Diözesen – besonders vielfältig sind, liegt nicht einmal so sehr an der langen gemeinsamen Geschichte als an der schieren Größe dieser Kirchen, denen einmal zusammen über 90 % der Einwohner unseres Landes angehörten.

Grundsätzlich ist das Land allen Religionsgemeinschaften gegenüber gleich offen und bereit zum Ausbau und zur Stabi lisierung der Zusammenarbeit, sofern sich diese uneingeschränkt zu unserer Rechts- und Werteordnung bekennen. Dabei bleibt das Land selbstverständlich neutral und verpflichtet sich keinem religiösen Bekenntnis.

Etwas anderes aber ist das Bekenntnis des Landes und seiner Verfassung zu Werten, die hier gewachsen und in der Bevölkerung verwurzelt sind. Das sind Werte, die unser blühendes Gemeinwesen erst ermöglichen und die im Christentum und seiner abendländischen Geschichte – übrigens einschließlich

der Aufklärung – wurzeln. Hierzu bekennt sich unsere Verfassung ganz offen und zu Recht. Dieses Bekenntnis ist nach wie vor hochaktuell, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es ist also kein religiös-konfessionelles Bekenntnis, wenn in diesem Zusammenhang, wie bereits vom Kollegen Dr. Schüle zitiert wurde, in Artikel 12 der Landesverfassung vom „Geis te der christlichen Nächstenliebe“ die Rede ist. Das ist zugleich auch im Kontext mit dem Feiertagsschutz und der christlichen Überlieferung insgesamt zu sehen. Es geht um die Bewahrung von Werten, die sich in einem jahrhundertelang christlich geprägten Land als gut, wichtig und allen Menschen nützlich erwiesen haben.

Weil die Bürgerinnen und Bürger des Landes dies genauso – und somit richtig – verstehen, hatten bislang weder agnostische noch jüdische oder islamische Lehrkräfte oder andere Beamte jemals Schwierigkeiten, ihren Eid auf diese unsere Verfassung zu leisten.

Der kooperierten Trennung von Staat und Kirche entspricht genau diese Dialektik der einerseits strikten religiösen Neutralität des Landes bei gleichzeitiger bewusster und ausdrücklicher Rückbindung an Werte und Berufung auf Werte, die – ohne die griechisch-römische Antike zu vernachlässigen – jüdisch-christlichen Ursprungs sind und sich über Jahrhunderte zum Wohl der Menschen und ihres Zusammenlebens bewährt haben.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Die neuen Verträge respektieren beides, meine Damen und Herren: Trennung und Kooperation, Neutralität des Landes und seine Bindung an im christlichen Abendland gewachsene Werte. Sie bringen für das Land keine neuen Verpflichtungen; sie bündeln lediglich bereits bestehende Rechte und Pflichten beider Seiten. Dadurch schaffen sie ein neues Höchstmaß an Rechtssicherheit auch für das Land. Hierfür möchte ich nur noch einige wenige Beispiele anführen.

Die Rechtsverhältnisse der theologischen Fakultäten sind hier erwähnt worden. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht weiter darauf eingehen. Auch der von kirchlichen Kräften erteilte Religionsunterricht erhält nun eine eigene Regelung, in der auch das Thema der Ersatzleistungen des Landes für diesen Unterricht behandelt wird.

Wenn man in diesem Zusammenhang, Herr Kollege Rust, über einen Kostendeckungsgrad spricht, so sollten Sie als Vorsitzender des Finanzausschusses sehr wohl wissen, dass genau diese Berechnung zu diesem Zeitpunkt eben nicht präzise vorzunehmen ist. Auch vor dem Hintergrund der sich verändernden Schülerzahlen ändert sich natürlich der Kostendeckungsgrad.

Um es auf eine Rechnung zu bringen: Wenn die Schülerzahlen rückläufig sind und das Land die Ersatzleistungen in der bisherigen Höhe aufrechterhält und diese gar dynamisiert, bedeutet dies, dass sich der Kostendeckungsgrad dementsprechend erhöht. Wenn Sie am Ende, beispielsweise im Jahr 2010 oder im Jahr 2015 oder im Jahr 2020, den Kostendeckungsgrad mit dem Kostendeckungsgrad aus der heutigen Zeit vergleichen, werden Sie feststellen, dass sich dieser in erheblichem Maß erhöht hat. Das, meine Damen und Herren, ist ei

ne Zukunftsperspektive, was die Ersatzleistungen für den Religionsunterricht betrifft, und insofern bedeutet das auch eine nachhaltige Verbesserung der Finanzierung der Kirchen.

Ihnen ist vielleicht auch entgangen: Das Land Baden-Würt temberg steht zu den Verpflichtungen. Denn der überwiegende Teil der Lehrkräfte des Religionsunterrichts sind staatliche Lehrkräfte, für die wir unsere Finanzierungsverantwortung voll und ganz wahrnehmen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das wären dann 100 %!)

Bei diesem Verhandlungspunkt, auf den man sich mit den Kirchen geeinigt hat, spricht man etwa von einem Drittel des Personals. Auch hier muss man die Relationen sehen: auf der einen Seite die grundsätzliche Verpflichtung des Landes durch das öffentliche Dienstrecht, das Beamtenrecht, und auf der anderen Seite die vertragliche Verpflichtung, die das Land Baden-Württemberg eingegangen ist.

Die im Lichte des Subsidiaritätsprinzips für die Gesamtgemeinschaft so wichtige Arbeit kirchlicher Bildungseinrichtungen und der Diakonie wird ebenso garantiert wie das Seelsorgegeheimnis. Es fehlen also nicht die in allen Kirchenverträgen üblichen Regelungen über die Körperschaftsrechte und das Eigentum der Kirchen sowie zur Kirchensteuer.

Ein zentraler Verhandlungspart waren natürlich die Staatsleis tungen. Ich möchte das, was im Gesetzestext steht und was auch alle Redner hier aufgeführt haben, nicht wiederholen. Tatsache ist aber: Der Begriff „Frechheit“ ist kein vorweihnachtlicher Begriff, und ich möchte den von Ihnen verwendeten Begriff „Frechheit“ durch den Begriff „Wahrheit“ ersetzen. Wahrheit ist, dass wir für die Staatsleistungen in BadenWürttemberg für alle Kirchen insgesamt nahezu 100 Millionen € jährlich ausgeben. Das ist der höchste Betrag, den ein Land im gesamten Bundesgebiet als Ersatz staatlicher Leis tungen für die Kirchen ausgibt. Das, meine Damen und Her ren, ist Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Weil die Länder Baden und Württemberg in großem Umfang Kirchengut enteigneten, ist dieser Betrag angemessen und auch ein vernünftiges Ergebnis der Verhandlungen, zumal ja auch hier eine Dynamisierung wesentlicher Bestandteil des Vertragstextes ist.

Am Ende enthalten die Verträge neben den üblichen Artikeln zum freundschaftlichen Zusammenwirken auch eine sogenannte Sprechklausel für den Fall, dass gewichtige Veränderungen der Gesamtumstände eintreten, die einer der beiden Seiten ein Festhalten an diesen Regelungen unzumutbar machen.

Insgesamt stellen alle diese Regelungen das traditionell gute Verhältnis zu den beiden großen Kirchen im Land auf eine rechtlich solide Grundlage, auf der beide Seiten dann mit einem Höchstmaß an Sicherheit weiter eine gute Zukunft bauen können.

Noch eine kurze Bemerkung zu Bad Wimpfen, Herr Kollege Dr. Lasotta. Die Erzdiözese Freiburg und die Diözese Rottenburg-Stuttgart haben dabei auch für die Diözese Mainz gehandelt, zu der die ehemalige Reichsstadt Bad Wimpfen gehört.

Ich kann Sie also beruhigen: Es gibt keine weißen Flecken auf unserer Vertragslandkarte.

Im Namen der Landesregierung danke ich allen, die in der kurzen Zeit von etwa einem halben Jahr die Verhandlungen über die Vertragstexte zu einem guten Ende gebracht haben. Dieses rasche und gute Ergebnis war möglich, weil auf den verschiedenen Verhandlungsebenen durchgängig das gute und freundschaftliche Verhältnis zwischen Land und Kirchen spürbar, ja greifbar war. Dieses gute Verhandlungsergebnis in dieser kurzen Zeit zu erreichen war auch nur möglich, weil ein Vertrauensfundament vorhanden war, und auf dieser Basis des gegenseitigen Vertrauens wurden dann auch relativ rasch die se konkreten Ergebnisse erzielt. Insofern dürfen wir, darf ich sagen, gemeinsam stolz sein auf dieses Vertragswerk. In diesem Sinne bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

In der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 14/1940. Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 14/2118. Der Ständige Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen.

Ich rufe auf

Artikel 1

Zustimmung zum Evangelischen Kirchenvertrag Ba

den-Württemberg

Wer dem Artikel 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Somit ist Artikel 1 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf

Artikel 2

Zustimmung zur Römisch-katholischen Kirchenvereinbarung Baden-Württemberg

Wer dem Artikel 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Somit ist auch Artikel 2 einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf

Artikel 3

Änderung des Kirchensteuergesetzes

Wer dem Artikel 3 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf