Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Knapp SPD: Die sind wegen eines konkreten Stör- falls entstanden! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Ich belege meinen Verdacht schon noch etwas genauer. So pauschal mache ich es nicht; davon können Sie ausgehen.

(Lachen der Abg. Thomas Knapp und Peter Hofelich SPD)

Zu beliebigen Zeitpunkten ziehen Sie, meine Damen und Herren von den Roten und den Grünen, weiße Kaninchen aus den Zylindern. Das eine Kaninchen heißt: Ältere Kernkraftwerke sind grundsätzlich unsicher, unsicherer als neue. Und zweitens: Es gibt eine Terrorismusgefahr.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Das tun Sie zu beliebigen Zeitpunkten und heute, ohne Anlass.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Wir hatten am 11. Sep- tember 2001 Fraktionsklausur in Ulm und haben das mitbekommen! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Okay. Der 11. September 2001 liegt jetzt über sechs Jahre zurück. Man kann sich schon fragen, weshalb wir eigentlich gerade heute darüber debattieren. Aber sei’s drum. Ich will nur sagen: Sie instrumentalisieren das zu beliebigen Zeitpunkten.

Die beiden Thesen, nämlich dass die alten Anlagen unsicher seien und dass es eine Terrorismusgefahr gebe, müssten Sie, wenn Sie sie vortragen wollen, eigentlich im Deutschen Bundestag vortragen. Denn wenn es sich erstens wirklich um Probleme handelt, muss der Bund abschalten.

Zweitens: Speziell die Laufzeitverlängerung ist nicht eine Sache der Atomaufsicht des Landes, sondern obliegt ausschließlich der Bundesregierung.

Zunächst einige ganz kurze Bemerkungen zum Thema Terrorismus. Ich verweise pauschal auf die gute Stellungnahme der Landesregierung zu dem betreffenden Antrag und will von meiner Seite aus unterstreichen: Terrorismusbekämpfung ist die richtige Antwort auf Terrorismusgefahren. Terrorismusbekämpfung hat auf vielen Feldern zu geschehen – mit den Instrumentarien des Verfassungsschutzes, der Polizei usw. usf. Dazu können wir alle einen Beitrag leisten. Die Terrorismusbekämpfung ist heute sicher besser, als sie es in der Vergangenheit war. Das gilt vor allem für jene terroristischen Gefahren, die von Flugzeugen, die als Waffe eingesetzt werden, ausgehen. Es hat sich hier in den letzten Jahren einiges getan. Vielleicht muss man noch mehr tun. Aber auch das ist Sache des Bundes.

Zweitens: Das Bundesumweltministerium hat seinerzeit sehr schnell – Trittin war das damals; er war ja auch gern dabei, Gefahren zu instrumentalisieren – gesagt, da müsse etwas geschehen, hat dieses Thema aufgegriffen und alsbald fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.

Ich kann mich erinnern, dass ich selbst als Umweltminister als einer der Ersten die Idee mit der Vernebelung von Kernkraftwerken eingebracht habe – unter allgemeinem Protest der Opposition dieses Hauses. Später hat sich das Bundesumweltministerium dann genau dieser Strategie bedient, ist von ihr aber wieder abgerückt, behandelt sie dilatorisch und hat bis heute keine Alternativkonzeption vorgelegt. Das heißt, der, der handeln müsste, wenn es eine Gefahr gibt – und völlig in Abrede stellen würde ich die Gefahr gar nicht –, sitzt in Berlin und nicht in Stuttgart. Gabriel statt Gönner, kann ich nur sagen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Und tut es nicht!)

Und tut es nicht. So ist es.

Das gilt natürlich vor allem auch für die Konsequenz der Laufzeitverkürzung oder gar der Abschaltung.

Drittens, „Alt schlechter als neu“: Weil alte Kernkraftwerke unsicherer seien als neue – das ist ja Ihre These –, müsse man jetzt die Laufzeiten von alten Kernkraftwerken auf neue übertragen.

(Abg. Thomas Knapp SPD: So war es einmal vorge- sehen!)

Dazu nur zwei ganz abstrakte Bemerkungen.

Wenn es richtig wäre, dass alte Kernkraftwerke unsicherer sind als neue, dann müssten Sie eigentlich an einer möglichst gleichmäßigen Laufzeit interessiert sein. Denn wir haben ja heute im Atomgesetz die Regelung: 32 Jahre Laufzeit im Schnitt. Wenn Sie jetzt die Laufzeit eines heute alten Kernkraftwerks durch Übertragung auf ein heute noch neueres Kernkraftwerk verkürzen wollen, dann heißt das, dass irgendein Kernkraftwerk beispielweise 32 minus vier Jahre läuft. Aber das heißt umgekehrt, dass ein anderes 32 plus vier Jahre läuft.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Plus drei, wenn es grö- ßer ist!)

Wenn es also das Problem gibt, dass die älteren Kraftwerke unsicherer werden, dann müssten Sie ein Interesse daran haben, dass Kraftwerke nicht länger als 32 Jahre laufen. Das zeigt offenkundig, dass dieses Argument wirklich instrumentalisiert ist.

Aber ich spitze es noch zu und verweise Sie auf einen anderen Tatbestand im Atomgesetz. Wenn ein Kernkraftwerk, und zwar ein neues, abgeschaltet würde, könnte die gesamte Strom menge ohne Genehmigung des Bundes auf ein altes übertragen werden.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das stimmt nicht!)

Das muss man sich jetzt einmal am Beispiel von Baden-Würt temberg vorstellen. Wenn Neckarwestheim II, das neuere Kernkraftwerk, heute abgeschaltet würde, dann könnte man die Strommenge auf GKN I, auf das alte Kernkraftwerk, übertragen, und dieses GKN I würde bis zum Jahr 2040 laufen. Das geht ohne eine Genehmigung des Bundes. Das ist doch grotesk!

Man sieht daran, dass man seinerzeit beim Atomgesetz eines gewollt hat: einen Skalp. Man wollte abgeschaltete Kernkraftwerke, und Sicherheit hat keine Rolle gespielt. Deswegen ist das Sicherheitsargument, man müsse alte Kernkraftwerke eher abschalten als neue, ein vorgeschobener Grund.

(Zurufe der Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP und Winfried Scheuermann CDU)

Nun einige kurze Bemerkungen zu dem Antrag der SPD. Die SPD hat da ja alles zusammengekratzt, was man an Einwänden bringen kann.

Da heißt es beispielweise: Ereignisse in den Kernkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel als auslösende Faktoren; Sie haben es ja vorhin noch einmal erwähnt. Ich kann dazu nur sagen: Das waren Meldungen von Ereignissen der INES-Stufe 0, Normalmeldung. Es war ein Störfall in Sachen Kommunikation, aber es war kein wirklicher Störfall. Es war ein ganz stinknormales meldepflichtiges Ereignis.

Zweitens: Erdbeben. Unsere Anlagen sind auf die uns heute bekannten und maximal zu vermutenden Erdbeben ausgelegt.

Drittens: Hinweise auf Fessenheim und die Schweiz. Was soll das beim Thema „Laufzeit in Deutschland“? Wenn es so wä

re, dass wir abschalten, dann werden diese Kraftwerke logischerweise länger laufen als unsere.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Vermutlich!)

Viertens: meldepflichtige Ereignisse. Ich stelle fest, dass die Zahl der meldepflichtigen Ereignisse u. a. durch Verbesserungen bei den Kernkraftwerken und vielleicht auch durch Verbesserungen aufseiten der Atomaufsicht – damit hatte ich ja einige Erfahrung – im Laufe der Jahre eine rückläufige Tendenz aufweist. Die Zahl der meldepflichtigen Ereignisse hat sich verringert.

Was das Nachrüsten anbelangt, so muss man sich folgende Zahl auf der Zunge zergehen lassen: Pro Jahr werden in baden-württembergischen Kernkraftwerken zwischen 350 Millionen und 400 Millionen € zur technischen Ertüchtigung ausgegeben.

Meine Damen und Herren, deswegen ist die Schlussfolgerung für mich: Sie wollen, dass Mitte 2009 GKN I abgeschaltet wird, und Sie versuchen, die Öffentlichkeit mit immer wieder neuen Szenarien auf diese Demontage vorzubereiten. Sie suchen Probleme, statt Probleme zu lösen. Ich will Ihnen auch das in ganz wenigen Strichen vor Augen führen. Sie suchen Probleme, ohne Probleme zu lösen, das heißt konkret:

Erstens: Der Ausstieg aus der Kernkraft ist ein Ausstieg aus unserer weltweiten Benchmarkrolle, die wir gehabt haben, und das in einer Zeit der weltweiten Renaissance der Kernkraft – mit Ausnahme der Bundesrepublik.

Zweitens: Sie sind ausgestiegen aus der Sicherheits- und Alterungsforschung.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Müller, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Jawohl, sofort. – Zum Dritten: Sie haben gezielt die Lösung der Endlagerfrage behindert, u. a. durch das Moratorium.

Viertens: Sie betreiben eine gezielte Verunsicherungsstrategie. Sie sprechen beispielsweise über die Kinderkrebsstudie, aber über die Tatsache, dass es durch natürliche Radonemissionen – das wäre die einzige Radioaktivitätsgefahr, die wir wirklich haben – in Deutschland mehrere Tausend Tote gibt, wird komischerweise nie gesprochen.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Fünftens: Sie beeinträchtigen den Energiestandort Deutschland und Baden-Württemberg und tragen damit dazu bei, dass wir unsere CO2-Minderungsziele nicht erreichen.

Meine Damen und Herren von der SPD, ich sage ganz einfach einmal: Sie können Herrn Clement wegen seines atomfreundlichen Kurses aus der SPD ausschließen. Aber Sie können nicht auf Dauer die Fakten aus der SPD ausschließen. Sie werden sich diesen Fakten stellen müssen.

Ich bedanke mich vielmals.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Ulrich Lusche CDU: Bravo! – Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Frau Abg. Chef das Wort.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Chefsache! – Ge- genruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ihr wärt froh, ihr hättet so einen Chef!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte für die FDP/DVP-Landtagsfraktion zunächst feststellen, dass die Sicherheit der Kernkraftwerke in Baden-Württemberg so ausgelegt ist, dass sowohl ältere als auch neuere Kraftwerke gleiche sicherheitstechnische Standards haben. Auch SPD und Grüne sollten bei ihrer generellen Ablehnung der Kernkraft nicht Fakten unterschlagen. Herr Müller hat das gerade auch schon sehr gut dargelegt.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Wir haben nichts unter- schlagen!)