Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Ich kann Ihnen eines sagen: Ich gehe regelmäßig in die Schulen. Ich nehme allerdings im Gegensatz zu Ihnen die Klagen der Eltern sehr ernst.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wir auch! Das brau- chen Sie uns nicht vorzuwerfen!)

Ich kümmere mich auch darum. Die Klagen sind einfach da. Die können Sie nicht wegreden.

(Beifall bei der SPD – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Das sind jetzt wieder einmal Unterstellungen, die überhaupt nicht begründet sind! Aber null begrün- det!)

Natürlich. Da müssten Sie ja glauben, dass die Verbände alle lügen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Sie sagen, ich hätte Klagen von Eltern nicht ernst genommen!)

Sie sollten, wenn Sie die Klagen von Eltern ernst nehmen, Taten folgen lassen. Wo ist das Konzept des Kultusministers zum fachfremden Unterricht?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Er heißt nicht Ber- roth!)

Wo ist das Konzept, mit dem dafür gesorgt wird, dass der Sportunterricht nicht weiter ausfällt? Jetzt gucke ich gerade Sie an, aber ich könnte auch genauso gut auf die andere Seite schauen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Bei persönlichen Anwürfen sollten Sie sich überlegen, was Sie sa- gen!)

Ich möchte unsere Forderung, die wir schon vor einem Jahr gestellt haben, erneuern. Wir fordern ein Konzept des Kultusministeriums, nach dem weniger fachfremder Unterricht stattfindet und der Sportunterricht nicht so oft ausfällt. Ich habe große Hochachtung vor den Lehrern und Lehrerinnen, die fachfremd Sportunterricht geben. Aber es kann nicht sein, dass der Kultusminister diese Lehrer und Lehrerinnen einfach im Regen stehen lässt. Da ist ein Konzept dringend erforderlich. Das mahnen wir an.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen)

Aus der Stellungnahme des Kultusministeriums zu unserem Antrag „Schwimmunterricht an Schulen im Land“ – das können Sie unter der Drucksache 14/2238 noch einmal nachlesen – geht für mich sehr klar hervor, dass der Herr Minister nicht so richtig weiß, was Tag für Tag an baden-württembergischen Schulen eigentlich so vor sich geht. Er kann uns nicht sagen, wie viel Schwimmunterricht angeboten wird, an welchen Grundschulen er überhaupt angeboten wird. Er kann nicht sagen, ob Schwimmunterricht ausfällt, wie viel Lehrer für Schwimmunterricht eingesetzt werden. Seine Bilanz lautet im

Grunde genommen: „Ich weiß einfach gar nichts.“ Das halte ich für höchst bedenklich.

(Abg. Elke Brunnemer CDU: Darüber haben wir doch im Ausschuss diskutiert!)

Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert, aber ich denke, es gehört genauso gut in die Öffentlichkeit. Jeden Sommer wieder sind wir sehr erschrocken – und das kann ich bestimmt für alle von uns sagen –, wenn wir immer wieder lesen müssen, dass Kinder bei Badeunfällen tödlich verunglücken. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass der Schwimmunterricht häufig zu kurz kommt. Im Regierungsbezirk Freiburg etwa bieten 50 % der Grundschulen gar keinen Schwimmunterricht an.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Weil die Kom- munen die Schwimmbäder schließen!)

Nicht nur deswegen. Wir wissen, dass Schwimmunterricht teilweise nicht mehr angeboten wird, dass Kinder häufig nicht mehr schwimmen lernen. Daher haben wir die Verantwortung, nicht zu warten, bis das Kind tatsächlich im Wortsinn mit dem Bade ausgeschüttet ist, sondern bereits jetzt auf diese Tatsachen zu reagieren. Ich denke, das gehört sich auch.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt, über den wir gestern ebenfalls sehr lange diskutiert haben, ist die Ganztagsschule. Ich denke, dass noch immer bei sehr vielen von Ihnen und insbesondere auch im Kultusministerium der Eindruck besteht, die Ganztagsschule könnte man fast zum Nulltarif haben. Da gibt es die Auffassung: „Wir brauchen nur die Ehrenamtlichen, und dann wird es schon reichen.“ Ich denke jedoch, die Sportvereine, die sich schon jetzt engagieren und die sich gern noch weit mehr engagieren würden, brauchen hierzu auch eine finanzielle Unterstützung. Man kann nicht einfach sagen: „Okay, die kommen und machen das.“ Zum Nulltarif kann so etwas einfach nicht funktionieren.

Bei der letzten Debatte habe ich bereits darauf hingewiesen, dass die Schulen finanziell in die Lage versetzt werden müssen, sich ihr pädagogisches Personal selbst einzukaufen. Hierzu gehören beispielsweise auch Kooperationen mit Sportvereinen, damit die Sportvereine die Chance wahrnehmen können, die Kinder anzusprechen, die bislang noch nicht am Vereinsleben teilgenommen haben, und sie hierfür zu begeis tern.

Ein weiterer Punkt ärgert mich als Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für bürgerschaftliches Engagement ganz besonders: Ich persönlich sehe es als eine ungeheure Geringschätzung der ehrenamtlichen Arbeit in unserem Land an, wenn Sie die ehrenamtlich Tätigen als Hilfslehrer missbrauchen wollen. Das kann nicht funktionieren. Wenn Sie Ganztagsschulen einführen, dann müssen Sie auch die entsprechenden Bedingungen schaffen, und zwar sowohl räumlich als auch personell. Das geht nicht zum Nulltarif.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist ja richtig, aber das andere kann doch trotzdem gut sein! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es gibt auch Leute, die das freiwillig machen!)

Das andere kann sicherlich ebenfalls gut sein, aber eine Öffnung allein auf freiwilliger Basis kann nicht funktionieren. Wenn Sie in unserer Bildungslandschaft etwas ändern wollen, dann müssen Sie auch Geld in die Hand nehmen. Das gilt für Ganztagsschulen ebenso wie für das achtjährige Gymnasium.

Über das G 8 haben wir gestern auch schon sehr lange diskutiert. Ich weiß nicht, ob auch bei Ihnen die Klagen von Eltern ankommen, deren Kinder im G 8 sind. Diese Eltern klagen zum einen über den extremen Leistungsdruck und zum anderen über die mangelnde Freizeit. Sie stellen fest, dass der Sport wirklich auf der Strecke bleibt. Mich persönlich – das muss ich Ihnen sagen – hat es sehr betroffen gemacht, als ich von Eltern gehört habe, dass Schüler sich vom Kreisskijugendtag abgemeldet haben, weil sie Angst haben, zu viel Schulunterricht zu versäumen und hinterher nicht mehr mitzukommen. Das kann es mit dem G 8 doch wohl nicht gewesen sein!

(Abg. Werner Raab CDU: Ach! Lächerlich ist das!)

Das ist die Realität.

(Abg. Werner Raab CDU: Ach komm!)

Wir bekommen auch die Rückmeldung von den Vereinen, dass sich Schüler und Schülerinnen vermehrt abmelden, weil sie meinen, sie bekommen die Dinge sonst nicht mehr auf die Reihe. Da, denke ich, sind Nachbesserungen von Ihnen nötig. Ich habe bislang ein paar deutliche Worte hierzu vermisst.

Ein ganz besonderer Aspekt, den Sie im Grunde permanent verdrängen und der auch dem Kultusminister in der Stellungnahme zu unserem Antrag nur eine kleine Anmerkung wert war, ist das Mauerblümchendasein, das die beruflichen Schulen im Sportbereich führen. Da wird seit Jahren nichts getan. Seit Jahren kennen wir die Klagen. Damit Sie wissen, dass meine Informationen hierzu ebenfalls stimmen: Der Deutsche Sportlehrerverband, Landesverband Baden-Württemberg, hat im Dezember 2007 nochmals moniert, dass die beruflichen Schulen in Baden-Württemberg seit Jahren, was den Sport betrifft, ein Mauerblümchendasein führen. Da wäre eine Konzeption notwendig, und es wäre wichtig, dass Sie sich auch für die Interessen der beruflichen Schüler einsetzen.

Ein weiterer Punkt, den wir angesprochen haben, sind die Klagen über fehlende oder zu kleine Sporthallen beim Vereinssportstättenbau. Wir wissen, dass der entsprechende Antrag stau 30 bis 40 Millionen € beträgt. Es wäre dringend erforderlich, gerade im Hinblick darauf, dass wir dem Sport einen größeren Stellenwert einräumen – – Ich bin gerade ein wenig irritiert, weil ich sehe, dass meine Redezeit bald zu Ende ist.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ja! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber Sie haben sie gut ge- nutzt! Sie haben schnell und zügig geredet!)

Solche Komplimente finde ich immer sehr zwiespältig.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Es ist wichtig, dass das Land genau hier tätig wird und sich endlich daranmacht, diesen Antragstau abzubauen – nicht nur im Interesse der Jugendlichen in unserem Land; denn wir wissen, dass bedingt durch den demografischen Wandel die Vereine inzwischen auch für die älteren Mitbürgerinnen und Mit

bürger verstärkt Angebote machen. Genau dafür brauchen wir ebenfalls neue Sportanlagen und brauchen Räumlichkeiten, die hierfür geeignet sind.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abg. Brunnemer das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Liebe Frau Queitsch, Ihrem Rundumschlag zum Trotz: Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Baden-Württemberg ist ein Land des Sports. Da kann man noch so lange daran herumkritisieren. Wir in Baden-Württemberg halten mit unserer Sportpolitik jedem Vergleich stand.

Wir haben in Baden-Württemberg bei gleichbleibender Bevölkerungszahl eine steigende Mitgliederzahl in den Sportvereinen. Über 3,7 Millionen Menschen zählen die 11 300 Sportvereine.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Senioren!)

Nimmt man dazu noch die vielen Freizeitsportler, die nicht vereinsmäßig organisiert sind, können wir mit großem Stolz behaupten: Jeder zweite Baden-Württemberger treibt aktiv Sport. Das gilt für Jung und Alt, für Frau und Mann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Alfred Winkler SPD: Jetzt geht es um Kinder!)

Meine Damen und Herren, für uns alle ist klar: Sport und Bewegung verbunden mit einer gesunden Ernährung sind in allen Lebensbereichen und in jedem Lebensalter von herausragender Bedeutung. Dabei gilt: Je früher Kinder an Sport und Bewegung herangeführt werden, desto nachhaltiger sind die Auswirkungen auf die künftige Lebensführung, desto stärker wird das Bewusstsein für Sport und Bewegung gefördert und desto größer sind die Chancen für ein lebenslanges Sporttreiben und Bewegungsaktivitäten bis ins hohe Alter.

Daher ist es nur richtig, dass wir schon im Kindergarten einen Schwerpunkt in der Bewegungserziehung setzen. Das haben wir im Orientierungsplan für den Kindergarten gemacht. Das wird auch sehr gewissenhaft in den Kindertageseinrichtungen durchgeführt.

Ebenso richtig ist es, dass wir die überschäumende Bewegungsfreude der Grundschüler aufnehmen und in den Schulalltag integrieren. Gerade mit dem Ausbau der Grundschulen mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt werden Bewegung, Sport und Spiel über den Sportunterricht hinaus gefördert. Inzwischen machen ca. 500 Grundschulen mit.

Wir haben auch die große Chance, im Bereich der Ganztagsschule und bei der Ausbildung besonderer Sportprofile zusammen mit den Sportvereinen Sportangebote einzurichten und auszubauen. In der Kooperation von Schule und Verein, von Lehrern und Übungsleitern haben wir eine Symbiose, die junge Menschen für den Sport begeistert.

In diesem Zusammenhang verweise ich gern auf die Ergebnisse aus der Evaluation des Jugendbegleiterprogramms, die

vor ein paar Tagen veröffentlicht wurden. Da hat sich gezeigt, dass gerade der Sport mit einer Vielzahl von Jugendbegleitern den Schulalltag erfolgreich bereichert.

Meine Damen und Herren, so bringen wir Sport und Bewegung in den Schulen voran. Dabei spreche ich auch aus eigener Erfahrung. Ich war über 20 Jahre lang Sportlehrer an einer Schule und kenne die Sporthalle auch sehr gut von innen.

Allerdings – das sage ich auch – nehmen wir Berichte über ausgefallene Sportstunden ernst. Wir brauchen genügend gut ausgebildete Sportlehrer an den jeweiligen Schulen.