Protokoll der Sitzung vom 02.04.2008

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Prewo, so gern ich Ihnen weiter zuhören würde, weil es eine sehr ausgewogene und lustige Rede ist: Sie haben nun schon eineinhalb Minuten überzogen. Ich muss Sie bitten, allmählich zum Ende zu kommen.

Die IHK hat unlängst wunderbare Vorschläge gemacht.

(Heiterkeit – Zuruf von der CDU: Wir sind nicht im Gemeinderat! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Herr Präsident, seien Sie doch unbürokratisch!)

Spielregeln müssen trotzdem sein, trotz allen Bürokratieabbaus.

Die IHK hat kürzlich wunderbare Vorschläge gemacht und angeregt, den gesamten Förderdschungel infrage zu stellen und das Geld doch besser in die Bildung zu stecken. Das ist ein wunderbarer Vorschlag. In der Politik ist es aber so, dass man immer noch etwas Schönes und Gutes machen will, besonders in den Haushaltsjahren vor Wahlterminen. Dann holt man sich die Ressourcen.

Ein Kaufmann hingegen würde die Fixkosten seines eigenen Unternehmens in die Kalkulation einbeziehen. Genau das tun wir nicht. Das ist des Pudels Kern bei der Bürokratie: Die eigenen Kosten des Staates werden bei allen unseren Wohltaten nicht berücksichtigt.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Es gibt noch vieles zu sagen; das ist nur ein Anfang. Die Messlatte beim Bürokratieabbau liegt hoch, Herr Kollege Kretschmann. Wir wollen Sie ermutigen, an dieser Stelle fortzufahren. Wir machen dabei mit.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Frau Abg. Fauser das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Herrn Oberbürgermeister und Kollegen Prewo glaube ich sogar, dass er das, was er sagt, auch ernst nimmt. Sonst habe ich bei der SPD und bei manchen anderen, z. B. bei den Grünen, die immer sehr bemüht sind, kaum diesen Eindruck.

Die VOB ist heute schon sehr umfangreich, und Sie müssen ungefähr 32 Seiten ausfüllen, um einen Auftrag über 8 000 €

zu bekommen. In jeder Sitzung höre ich dann noch die Stichworte Mindestlohn, Entsendegesetz, Frauenquote usw.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wer hat denn die Gren- ze für die Direktvergabe erhöht? Das war die SPD! Wir haben sie erhöht!)

Lieber Herr Schmiedel, wenn ich an den lieben Wirtschaftsminister Clement denke, der mir sehr sympathisch ist, wie Sie sicherlich annehmen können,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja was jetzt?)

dann kann ich auch Herrn Prewo daran erinnern: Wir haben überall Modellregionen entworfen. Die Region Nordschwarzwald, die IHK Nordschwarzwald und der Kreis Calw haben sich bemüht, als Modellregion mitarbeiten zu dürfen, wie es im Gespräch war. Das wurde dann leider sang- und klanglos abgebügelt, und man hörte wenig von diesem Thema. Wenn die Grünen von Entbürokratisierung reden – so nett ich Frau Sitzmann finde –,

(Zuruf von der CDU: Ich auch!)

dann kommt mir das so vor, wie wenn ein Vegetarier von den Vorzügen eines Fleischfondues spricht.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wir hatten kürzlich eine Anhörung zum Landesplanungsgesetz. Zu diesem Landesplanungsgesetz wurden uns verschiedene Stellungnahmen geschickt. Ich möchte aus einer dieser Stellungnahmen zitieren. Da wurde mitgeteilt:

Leider ist die europarechtliche Vorgabe landesrechtlich nicht mehr zu diskutieren, obwohl dazu unter dem Ge sichtspunkt einer politisch angeblich angestrebten Dere gulierung viel zu sagen wäre. Der Landesentwicklungs plan und die Regionalpläne lesen sich jetzt schon wie re alsatirische Emanationen eines Flaschengeistes, und nun kommt ein kropfunnötiger Umweltbericht hinzu. Wir ver brauchen viel zu viele Ressourcen, also Steuergelder, für diesen Unfug, der außer einer gigantischen Selbstbe schäftigungsmaschinerie noch nichts bewegt hat.

Meine Damen und Herren, diesen Ausführungen kann man nur folgen. Bürokratie verursacht hohe Kosten. Sie ist eine Fehlallokation von Kapital und Arbeit, und ich muss sagen: Die Verwaltungsreform war ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall der Abg. Thomas Blenke und Klaus Herr- mann CDU – Abg. Thomas Blenke und Abg. Klaus Herrmann CDU: Sehr gut!)

Ferner bin ich der Meinung, dass das Konnexitätsprinzip nicht nur im Verhältnis von Städten und Gemeinden zum Land beachtet werden muss, sondern im Grunde auch auf die Wirtschaft und insbesondere auf Berlin und Brüssel ausgeweitet werden müsste, meine Damen und Herren.

Es ist erfreulich, dass wir in den letzten Jahren in BadenWürttemberg umfangreiche Analysen vorgenommen haben: Bürokratiekosten-TÜV, Standardpranger. Das Wirtschaftsministerium hat unlängst einen Bürokratiealarm für kleine und

mittelständische Unternehmen eingeführt. Aber man muss feststellen – das hat auch Kollege Prewo schon gesagt –: Der ganz große Wurf ist noch nicht gelungen, außer vielleicht im Zusammenhang mit der früheren Novellierung der Landesbauordnung, als man erstmals das Kenntnisgabeverfahren ermöglicht hat, was das Bauen wirklich erleichtert hat.

Meine Damen und Herren, das Thema Bürokratieabbau ist international ein Topthema. In Holland wird mit sehr viel Energie versucht, die Belastungen für Wirtschaft und Gesellschaft zu reduzieren. Unser Fraktionsvorsitzender hat bereits einen Antrag formuliert, um ermitteln zu lassen, wie denn beispielsweise die Belastungen für Familien mit behinderten Kindern sind. Denn der Staat setzt ja überall dort, wo er kann, etwas drauf.

(Zustimmung des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Man muss ganz deutlich sagen, dass wir als Politik in dem Glauben, etwas Gutes zu tun, zu viel machen und jedem Gesetz noch einmal ein Gesetz hinterherwerfen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig!)

Deshalb müssten wir uns vielleicht einmal vornehmen, in einer Legislaturperiode nicht 130 Gesetze, sondern maximal 65 Gesetze zu verabschieden.

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Und in Zukunft überlegen wir uns jedes Gesetz, Herr Kretschmann, so genau, wie wir es gemeinsam bei der Parlamentsreform getan haben. Wenn wir jedes Gesetz so umfangreich, nachhaltig und differenziert besprechen würden – und zwar, wenn möglich, durch alle Instanzen –, hätten wir mit Sicherheit wunderbare Gesetze. Denn wir haben ja einen Aktionismus von der EU über Berlin.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie wissen schon, dass Sie an der Regierung sind?)

Also wir tun hier, was möglich ist. Da dürfen Sie sicher sein.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie gucken mich so scharf an, aber an der Regierung sind Sie!)

Meine Damen und Herren, wir haben das komplizierteste Steuerrecht, aber im Moment möchte dies irgendwie niemand ändern. Auch Rot-Grün hat in dieser Richtung überhaupt noch nichts zustande gebracht.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Bereits 1970 hat Ludwig Erhard gesagt:

Was sind das für Reformen, die uns Wände voll neuer Ge setze, Novellen und Durchführungsverordnungen brin gen? Liberale Reformen sind es jedenfalls nicht.

Meine Damen und Herren, dem Mann kann man nur zustimmen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir haben uns heute in einem Netz von Bürokratie verfangen, und dies behindert Existenzgründungen. Dazu kommt ja dem

nächst ein großer Antrag von den Grünen. Die Firmen wandern ab, und das Schlimme daran ist, dass die Großen gar nicht mehr darüber sprechen, sondern einfach gehen. Nur die Kleinen, die hierbleiben müssen, haben natürlich Pech.

Frau Sitzmann hat richtigerweise den BDS zitiert. Dessen Mitglieder klagen zu Recht über die Probleme, die sie mit unserem Standort haben. Die Wirtschaft ist bereits wieder im Abschwung. Also können wir es uns eigentlich nicht erlauben, unsere Zeit und unser Geld mit Bürokratie zu verdummen, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Hans Heinz CDU)

Mir sagte unlängst ein Unternehmer, er könne entweder seine Leute gut bezahlen und Innovation und Marketing vorantreiben oder die ganzen bürokratischen Auflagen, an deren Bearbeitung inzwischen seine Frau mit einer Mitarbeiterin sitzt, erledigen.

Wie sehr die Vorschriften überzogen sind, meine Damen und Herren, erkennt man an dem „Wunderwerk“ Cross Compliance. Die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses haben damit sicher ihre Erfahrungen. Wir konnten – das ist das Glück an der Verwaltungsreform – auf kurzem Wege die Leute vom Vermessungsamt ins Landwirtschaftsamt überführen, um diesen ganzen Wust, den man hier geschaffen hat, irgendwie in den Griff zu bekommen. Die Bearbeitung der Unterlagen braucht sehr viel Zeit. 67 Seiten müssen studiert werden. Anträge im Umfang von 17 Seiten müssen gestellt werden, geprüft werden, zurückgeschickt werden und dann wieder geprüft werden.