Protokoll der Sitzung vom 03.04.2008

Ein großer Automobilverband ist ebenfalls schon angesprochen worden. Wir haben bei dieser Thematik zwangsläufig Zielkonflikte – auch das haben wir schon im Mai 2007 erörtert. Wir haben Zielkonflikte zwischen der Biomassenutzung und dem CO2, das bei der Verfeuerung entsteht. Wir haben Zielkonflikte zwischen Mobilitätserfordernissen und dem, was durch Aufwirbelung und Auspuffe an Feinstaub entsteht. Letztlich läuft die Diskussion darauf hinaus, wie man solche Zielkonflikte auflösen kann.

Ärgerlich ist nun, wenn große Verbände den Eindruck erwecken, wir könnten einfach nichts tun. Dieser Eindruck ist z. B. gestern wieder in der Presse erweckt worden.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Man muss in Anlehnung an einen Werbespruch zunächst vielleicht einmal fragen: „Wer hat’s erfunden?“ Es waren nicht die Schweizer – wie dort –, und es war auch nicht die Umweltministerin, sondern es war die EU. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange.

(Zustimmung der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP)

Wenn wir im Moment 35 Überschreitungstage und einen Jahresschnitt von 40 μg haben, so wird sich das bis 2010 voraussichtlich auf sieben Tage und 20 μg reduzieren.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

In Kombination damit, was Sie zu Recht angesprochen haben – dass es einklagbare Ansprüche auf Einhaltung dieser Grenzwerte gibt –, besteht nach dem Urteil aus Leipzig nun eindeutig ein Problem. München hat den Irrtum begangen, zu meinen, man könne durch die eine oder andere Maßnahme letztlich vermeiden, dass individuelle Ansprüche der Straßenanlieger auf Sperrungen oder Geschwindigkeitsreduktionen entstünden.

Deshalb ist es etwas schwierig, wenn man jetzt bei den Betroffenen den Eindruck erweckt, man könne nach dem, was die EU vorgegeben hat, in den nächsten Jahren mit dem bestehenden Fuhrpark einfach so weitermachen.

Genauso gefährlich ist es, zu sagen, das tauge alles nichts, was gemacht werde, und habe keine Wirkung. Dann muss sich der, der das tut, nämlich einmal die Frage stellen – wiederum vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung –: Was passiert denn dann? Müssen dann nicht noch viel einschneidendere, punktuell zu veranlassende und vielleicht weniger ausgewogene

Maßnahmen getroffen werden, als die Landesregierung sie im Moment im Konzept hat?

Zur Frage der Wirkung muss ich sagen – das ärgert mich ein bisschen –: Sie haben vorhin von den Kanonen und den Spatzen gesprochen. Seien Sie versichert: Die betroffenen Unternehmer hier im Großraum sind für uns keine „Spatzen“, sondern ernst zu nehmende Leute, auf die wir nicht mit Kanonen schießen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Bernd Mur- schel GRÜNE – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP schüttelt den Kopf.)

Nur hat es keinen Sinn, die Augen vor der Realität zu verschließen. Diese Einsicht versuchen wir mit dem Konzept, das das Umweltministerium – im Übrigen nach langen Vorbereitungen, nach vielen Gesprächen und auch noch zeitlich verzögert, weil das Bundesumweltministerium nicht hinterhergekommen ist – erstellt hat, nun in langsamen Schritten und mit viel Kommunikation zu entwickeln.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Auch Sie sollten einmal bei den Schwarzen in Berlin vorstellig werden!)

Jene, die behaupten, das Ganze tauge nichts, muss ich auf die Stellungnahme des Ministeriums verweisen. Für betroffene Straßenanlieger sind z. B. 17 % mehr oder weniger Rußpartikel durchaus ein Wort.

Seien Sie also vorsichtig bei Ihrer Argumentation, das sei alles nichts wert. Ich glaube, wir haben ein ganz vernünftiges Konzept entwickelt, und wir lassen uns ungern in die Position drängen, wir würden mit Kanonen auf irgendwie geartete Spatzen schießen.

Zur Frage, um wie viele Fahrzeuge es eigentlich geht: Man muss, glaube ich, noch einmal festhalten: Wir haben hier Maßnahmenbündel. Es sind 240 Maßnahmen, die in diesen Luftreinhalte- und Aktionsplänen enthalten sind. Das ist eben nicht nur das Fahrverbot. Das Fahrverbot betrifft die Schadstoffklasse 1. Schauen wir jetzt einmal auf Stuttgart. Wie viele Fahrzeuge sind denn davon betroffen? Das sind 11 500 Fahrzeuge in Stuttgart, und das sind die Stinker. Das sind 3,5 % der Stuttgarter Fahrzeuge.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Wenn man deshalb nur einigermaßen auf Sicht arbeitet und sich überlegt, dass die Anforderungen steigen werden, dann ist es relativ fahrlässig, jetzt den Eindruck zu erwecken, man könne einfach so weitermachen. Vielmehr ist der Grundsatz „Nachrüstung vor Ausnahme“, der der ganzen Geschichte zugrunde liegt, sehr sinnvoll, gerade auch im Sinne der betroffenen Firmen.

Um noch einmal zum Thema Ausnahmen zu kommen: Schon die Kennzeichnungsverordnung sieht bei Krankenwagen und Ähnlichem Ausnahmen vor. Es ist sehr sinnvoll gewesen, dass das Umweltministerium über einheitliche Ausnahmetatbestände, über Allgemeinverfügungen dafür gesorgt hat, dass hier eine einheitliche Praxis möglich ist. Auch für den unmittelbaren Härtefall, ich sage einmal, den Dialysepatienten, der nicht mit dem ÖPNV zu seinem Arzt fahren kann, sind Ausnahmen kein Problem.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Klären Sie Ihren Ko- alitionspartner einmal auf!)

Langer Rede kurzer Sinn: Für mich gilt auch hier das, was ich als das Scheuermann’sche Gesetz bezeichnen möchte.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Das Scheuermann’sche Gesetz?)

Es lautet in Anlehnung an das Struck’sche Gesetz:

Ein Umweltschutz, der nichts kostet und den man nicht merkt, den gibt es nicht.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Das ist wahre Altersweis- heit! – Beifall der Abg. Winfried Scheuermann und Dr. Stefan Scheffold CDU)

Das ist genau der Punkt, um den es sich hier dreht.

Jetzt komme ich noch zu den Kollegen von der SPD. Wir glauben schon, dass die lokale Lösung, die ortsnahe Lösung die sinnvolle Lösung ist. Die Antwort der Regierung ist ja eindeutig: Ein Landesfeinstaubplan, der nichts anderes anbietet, als dass man sagt: „Wir machen jetzt besser landesweit das Gleiche“, ist nicht wirklich ein qualitativer Verbesserungsvorschlag. Deswegen werden wir dem Antrag, den Sie gestellt haben, sicher nicht zustimmen.

Herr Wölfle, es ist einfach so: Man kann zwar davon sprechen, dass wir dicke Bretter bohren müssen. Wenn wir im Moment nationale und europäische Regelungen haben, die dem entgegenstehen, dann bohren wir doch einmal. Aber wir müssen die se Rechtslage zur Kenntnis nehmen. Deswegen sehen wir das auch nicht als sinnvoll an, was Sie hier vorgeschlagen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Umweltministerin Gönner das Wort.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Jetzt aber eloquent! – Abg. Thomas Knapp SPD: Rhetorisch versiert, aber undemokratisch! – Vereinzelt Heiterkeit)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst vorweg, bevor ich auf die einzelnen Punkte eingehe: Ich glaube, es ist wichtig, in der Diskussion immer wieder darauf zurückzukommen, weshalb wir das gemacht haben. Das ist nicht deshalb geschehen, weil das Umweltministerium oder gar die Umweltminis terin unter mangelnder Arbeit leiden würden. Vielmehr gibt es europaweit geltende Grenzwerte für PM10-Feinstaub, und im Übrigen wurde – das klang bei dem einen oder anderen schon an – in dieselbe Richtlinie auch aufgenommen, dass es ab 2010 Regelungen für Stickstoffdioxid geben wird. Wir können uns also all die Reden, die wir derzeit halten, und die, die wir in den vergangenen Jahren gehalten haben, eigentlich für das Jahr 2010 aufheben, weil zu erwarten ist, dass dieselben Diskussionen alle wiederkommen. Ich hoffe allerdings, dass man sich vorher etwas damit beschäftigt haben wird und dass das dazu führt, dass man das eine oder andere Element der

Beschäftigung, auch was die wissenschaftliche Argumentation betrifft, verinnerlicht.

Es geht letzten Endes darum, dass wir in zahlreichen straßennah gelegenen Belastungsbereichen die Grenzwerte, die seit dem 1. Januar 2005 gelten, überschreiten, in Teilen deutlich überschreiten und in Teilen weniger deutlich überschreiten. Aber es gibt – das gebe ich offen zu – Tabellen, bei denen ich uns ungern an der Spitze liegen sehe. Die Tabellen mit Daten zur Überschreitung der Feinstaubwerte sind nun allerdings die Tabellen, bei denen wir leider an der Spitze liegen. Ich gebe offen zu, dass es mir lieber wäre, wenn München vorn liegen würde. Beim Fußball wäre es mir andersherum lieber.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Aber damit müssen wir leben.

Dann müssen wir uns mit der Frage beschäftigen: Wie gehen wir damit um?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Beim Fußball lässt es sich noch regeln!)

Stimmt. Es ist zwar schwierig, das an den letzten paar Spieltagen noch zu erreichen, aber wir können es zumindest probieren.

Fakt ist allerdings, dass die europäische Richtlinie auch vorgibt, dass die betroffenen Städte Luftreinhalte- und Aktionspläne mit Maßnahmen erstellen müssen, die zur Entlastung der Anwohner beitragen. Im Übrigen war genau diese Frage der Entlastung der Anwohner der Inhalt des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts. Die Stadt München hat sich für besonders klug gehalten und gesagt: „Jetzt gucken wir einmal, was andere machen, und wir stellen uns tot.“ Die Quittung hat sie erhalten. Diese Quittung bekommen auch alle anderen Städte, wenn sie nicht handeln. Das kann im Übrigen, wenn ein Einzelner Ansprüche hat, deutlich schmerzhafter sein, als wenn man wie wir die Dinge sehr konsequent abarbeitet. Ich spreche jetzt noch gar nicht darüber, was wäre, wenn wir nichts täten und dann ein Vertragsverletzungsverfahren mit entsprechenden Strafgeldern eingeleitet würde. Das lasse ich einmal völlig außen vor. Denn auch da gibt es, glaube ich, entsprechende Maßnahmen.

Fakt ist, dass ein Teil der Luftreinhalte- und Aktionspläne der unterschiedlichen Städte die Umweltzonen mit entsprechenden Fahrverboten sind. Das ist eine Maßnahme von vielen. In der Stadt Stuttgart ist das eine von 32 Maßnahmen. Im Übrigen wurde der größte Teil dieser 32 Maßnahmen in Stuttgart mit Wirksamwerden des Luftreinhalte- und Aktionsplans, der bereits im Jahr 2006 in Kraft trat, umgesetzt, von der Ampelschaltung über die Verflüssigung des Verkehrs bis hin zur Einführung einer Umweltkarte etc.

Wir haben nach einigen Diskussionen zum 1. März dieses Jahres gemeinsam in acht Städten die entsprechenden Umweltzonen eingeführt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns einmal überlegen, worum es dabei geht. Es geht um den Gesundheitsschutz derer, die dort wohnen. Es geht um den Gesundheitsschutz derer, die sich dort täglich aufhalten, etwa weil sie dort arbeiten, weil sie dort zur Schule gehen etc. Ich finde, dass wir das schon ernst nehmen sollten. Ich sage auch: Jeder vermiedene Todesfall wegen

Feinstaub ist ein Grund, weswegen es sich lohnt, darum zu kämpfen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Gunter Kaufmann SPD)

Liebe Frau Berroth, zu Ihrem Vorwurf, wir hätten Pressemitteilungen herausgegeben: Wissen Sie, im vergangenen Jahr haben wir eine Vielzahl von Pressemitteilungen zum Thema Feinstaub herausgegeben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nein, Sie haben sich Zeit gelassen mit der Beantwortung des Antrags! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Man meint gerade, die FDP/DVP wäre in der Opposition!)

Das ist völlig normal. Das gehört zu meiner ganz normalen Arbeit. Insofern bin ich verwundert, wie man solche Diskussionen hier anfangen kann – das muss ich jetzt in dieser Deutlichkeit sagen –,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Pressemit- teilung stört mich nicht!)