Protokoll der Sitzung vom 03.04.2008

In beiden Firmen ist uns eindrucksvoll gezeigt worden, dass für den Erfolg auch auf dem Weltmarkt entscheidend ist, dass man technologisch auf dem neuesten Stand ist, dass man in seiner Forschungs- und Entwicklungsabteilung gute Arbeit leistet. Das ist die einzige Gewähr dafür, dass sich diese Unternehmen weiterhin gut am Markt positionieren können.

Beide Unternehmen haben uns erklärt, dass sie eine Menge freier Stellen im Ingenieurbereich haben, dass sie mehr solche Stellen besetzen wollen, sie aber nicht besetzen können. Sie haben uns verdeutlicht: Das Szenario vom Ingenieurmangel ist nicht irgendein düsteres Zukunftsszenario, sondern Realität von heute. Diese Realität trifft Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern in der Tat mit überdurchschnittlicher Härte, weil Baden-Württemberg ein Standort ist, der über Branchen verfügt, die durch traditionelle und ingenieurdominierte Technologie gekennzeichnet sind. Bei uns in Baden-Württemberg wird der Ingenieurmangel als besonders starke Konjunkturbremse wirken, wenn wir dem nicht entgegenwirken.

Die Zahlen sind von meinen beiden Vorrednern genannt worden. Ich brauche sie nicht zu wiederholen. Sie werden durch Studien belegt. Sie werden von der „Financial Times“ belegt und natürlich auch von den Unternehmen im Einzelnen. Darüber, dass wir hier dringend etwas tun müssen, herrscht offensichtlich Konsens im Haus.

Ich möchte auf eines hinweisen, was die Unternehmen im Gespräch auch gar nicht in Abrede gestellt haben. Es rächt sich jetzt natürlich schon auch, dass in den Neunzigerjahren Ingenieure auf die Straße gesetzt wurden und man auf Ingenieure ab einem bestimmten Alter verzichtet hat. Die Leute sind jetzt arbeitslos, und es ist schwierig, sie in den Arbeitsmarkt zurückzuführen. Ich glaube, diese kurzfristige Politik der Unternehmen war nicht nur damals falsch und ungerecht, sondern sie hat auch dem Image des Ingenieurberufs geschadet, weil sein Image als krisensicherer Beruf Schaden genommen hat.

Auf einen weiteren Umstand möchte ich noch hinweisen. Die arbeitslosen Ingenieure von heute sind wiederum zu einem überdurchschnittlich hohen Teil Frauen. Wir haben nicht viele Frauen, die den Ingenieurberuf wählen, aber von den wenigen, die das machen, sind wiederum überdurchschnittlich viele arbeitslos. Das heißt, wir müssen auch im Gespräch mit den Unternehmen darüber reden, dass man die Potenziale von Frauen nicht heben kann, wenn danach in der Praxis offensichtlich sehr große Hürden für Frauen bestehen, diesen Beruf auch auszuüben.

(Beifall bei den Grünen)

Der Antrag der SPD fokussiert auf die richtige Frage. Der Ingenieurmangel ist ein besonderes Problem. Der Antrag fokussiert darüber hinaus auf die Frage: Was kann im Bereich der Weiterbildung für die arbeitslosen Ingenieure getan werden? Das ist ein Teilaspekt, der wichtig ist.

Es ist auch richtig, die Frage zu stellen: Was tun die Hochschulen im Weiterbildungsbereich? Ich stimme nicht mit dem Kollegen Löffler darin überein, dass da schon alles Notwen

dige gemacht wird. Ich finde in der Tat, dass man den Hochschulen dringend empfehlen muss, sich sehr schnell stärker zu engagieren, sich systematischer in diesem Bereich zu engagieren, denn der Bildungsmarkt wächst, vor allem im privaten Bereich, und es gibt keinen Grund, davon abzusehen, hoch qualifizierte wissenschaftliche Weiterbildung systematisch auszubauen. Das ist nicht zuletzt auch ein lukratives Geschäft für die Hochschulen. Wenn da die Hochschulen selbst nicht schnell genug vorankommen, ist es in der Tat eine Verpflichtung der Landesregierung, dafür zu sorgen, dass sie hier schneller Fortschritte erzielen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Nicht überzeugt hat mich allerdings der Vorschlag in dem SPD-Antrag, so wie ich ihn verstanden habe, eine landesweite Konstruktion zu wählen und irgendeine gemeinsame Veranstaltung daraus zu machen. Ich finde, das klingt bürokratisch und wenig flexibel. Sie haben es aber auch nur in Umrissen angedeutet. Ich glaube, ein flexibler und dezentraler Weg wäre der richtige. Aber das Land steht in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass hier Fortschritte schnell erzielt werden.

Ich möchte noch gern einen anderen Teil der Problematik ansprechen. Denn die Weiterbildung der schon vorhandenen Ingenieure ist das eine. Das andere aber ist die Frage, ob wir in der Erstausbildung genügend junge Menschen für das Ingenieurstudium ausbilden. Da sieht die Bilanz im Land auch wieder nicht wirklich positiv aus.

Wir haben als Grünen-Landtagsfraktion vor Kurzem eine Große Anfrage zum Thema „Studienplätze und Studienanfängerzahlen“ eingebracht. Die Antwort der Landesregierung zeigt, dass in den vergangenen fünf Jahren hier im Land insbesondere an den Universitäten sehr viele Kapazitäten abgebaut worden sind. In vielen Bereichen konnten weniger Studienanfänger ein Studium aufnehmen. Das trifft nicht nur die Sprachwissenschaften, die Betriebswirtschaftslehre oder die Geisteswissenschaften, sondern verblüffenderweise trifft das auch Mathematik, Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften. Wenn man die Jahre 2004 und 2007 miteinander vergleicht, sieht man, dass da fast 1 000 Anfängerplätze abgebaut wurden, und zwar in dem Bereich, der – von allen betont – wachsen sollte.

Da besteht dringender Handlungsbedarf. Die Landesregierung ist dringend aufgefordert, gegenzusteuern. Diese Entwicklung darf man nicht so laufen lassen: Sonntags schöne Reden gegen den Ingenieurmangel halten und montags zulassen, dass die Universitäten ihr Angebot in diesem Bereich zurückfahren.

(Beifall bei den Grünen)

Einen letzten Satz, um das zu untermauern: Ich habe mir einmal die Zahlen der Universität Stuttgart in drei wichtigen Studiengängen angeschaut. Im Studienfach Fahrzeug- und Motorentechnik haben 2004 360 Personen mit dem Studium beginnen können; 2007 waren es gerade noch 154. Im Maschinenwesen nahmen 2004 350 Personen ihr Studium auf; 2007 waren es 242. Luft- und Raumfahrttechnik verzeichnete 2004 322 Studienanfänger und 2007 – man kann es schier nicht glauben – nur 217. Das ist eine Entwicklung, die sofort

gestoppt werden muss, wenn wir etwas dafür tun wollen, unseren Standort zukunftsfähig aufzustellen und dem Ingenieurmangel zu begegnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Bachmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP/DVP-Fraktion insgesamt und ich speziell sind Ihnen, lieber Kollege Rivoir, und Ihrer Fraktion dankbar für diesen Antrag.

Wie oft haben wir hier im Plenum und auch im Ausschuss darüber diskutiert, ob die Regierungskoalition die Ausbildung an unseren Hochschulen zu Recht stärker auf den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereich fokussiert hat. Ich darf dem Tenor Ihres Antrags entnehmen, dass endlich auch Sie diese Prioritätensetzung für richtig halten.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Schon immer!)

Umso besser. Ich hoffe eben auch, dass wir in Zukunft dann nicht mehr über die Schaffung von Studienplätzen in irgendwelchen geisteswissenschaftlichen Orchideenfächern sprechen müssen – ein Thema, das Kollegen von Ihnen immer wieder einmal vorgebracht haben.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Das ist jetzt wirklich Blöd- sinn, was er sagt!)

Auf eine offene Stelle für Geisteswissenschaftler – das sind Zahlen der Bundesagentur für Arbeit – kommen deutschlandweit 13,9 Bewerber. Auf eine offene Stelle für Maschinen- und Fahrzeugbauingenieure entfallen deutschlandweit 0,9 Bewerber – also weniger als ein Einziger. Die Lage ist, wie Kollege Löffler zu Recht sagte, dramatisch und wird sich nach den Einschätzungen aller einschlägigen Institute in den nächs ten Jahren weiter verschärfen. Wir sind einig mit Ihnen, dass diesbezüglich größter Handlungsbedarf besteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist zu tun? Die SPDFraktion setzt auf Weiterbildung und Umschulung. Ohne Zweifel sind Weiterbildung und Umschulung gerade im technischen Bereich unverzichtbar.

(Abg. Werner Raab CDU: So ist es!)

Technische Innovationen folgen in immer kürzeren Abständen aufeinander. Wer hier mithalten will, muss den neuesten Stand der Technik kennen. Der VDI fordert deshalb, 5 % der Arbeitszeit von Ingenieuren für Weiterbildung aufzuwenden; derzeit sind es nur 2,1 %.

Dies ist eine große Aufgabe, die Wirtschaft und öffentliche Hand nur gemeinsam schultern können. Kollege Löffler und auch Kollege Rivoir haben zu diesem Thema schon sehr viel Richtiges gesagt und die Möglichkeiten der Weiterbildung aufgezeigt.

Ein Problem wird dadurch aber nicht behoben: der Ingenieurmangel. So richtig und so wichtig Weiterbildung ist, so wenig hilft sie gegen den Ingenieurmangel. Bundesweit und in Baden-Württemberg haben wir nämlich nicht nur einen Inge

nieurmangel, sondern einen Fachkräftemangel über alle Qualifikationsstufen hinweg.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

In Baden-Württemberg kommen auf eine offene Stelle 0,32 arbeitslose Maschinenbauingenieure. Selbst wenn wir alle arbeitslosen Maschinenbauingenieurinnen und Maschinenbauingenieure vermitteln könnten, könnten wir nur jede dritte Stelle besetzen.

In Baden-Württemberg kommen aber eben auch auf eine offene Stelle für Maschinenbautechniker nur 0,37 arbeitslose Maschinenbautechniker. Auch hier könnten wir selbst bei optimaler Vermittlung nur etwa jede dritte Stelle besetzen.

Der Mangel an Maschinenbauingenieuren und Maschinenbautechnikern ist also etwa gleich groß. Wenn wir jetzt Maschinenbautechniker über Weiterbildungsangebote an den Hochschulen zu Maschinenbauingenieuren machen, haben wir zwar mehr Häuptlinge, aber weniger Indianer. Der Stamm wird dadurch nicht größer.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Sagen Sie einmal etwas Erhellendes!)

Die Lage ist ähnlich wie bei einem Fluss bei Hochwasser: Wenn Sie, lieber Kollege, den Damm flussaufwärts flicken wollen, indem Sie flussabwärts etwas abtragen, haben Sie hinterher ganz sicher ein Loch. Es nützt also nichts, vorhandene Ressourcen umzuschaufeln. Was wir brauchen, sind – um im Bild zu bleiben – zusätzliche Sandsäcke, und zwar dringend.

Deshalb setzen wir von der Koalition in den Landesfarben Schwarz-Gelb seit Jahren konsequent auf die Schaffung zusätzlicher Studienplätze für Studienanfänger;

(Abg. Alfred Winkler SPD: Mit größter Erfolglosig- keit!)

denn da ist der Mangel im natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereich.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Leider werden diese Studienplätze – das ist ja schon gesagt worden – zu wenig nachgefragt. Von 1995 bis 2007 sank die Zahl der Absolventen ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge in ganz Deutschland von 50 000 auf nur noch 40 000 jährlich. In Deutschland kommen auf 1 000 Beschäftigte nur ca. 1,9 Jungakademiker mit ingenieur- oder naturwissenschaftlichem Hintergrund. In Finnland sind es 4,9. Wenn Sie uns also in der Bildungspolitik so gern das Beispiel Finnland vorhalten, dann tun Sie es doch bitte hier und nicht in der Schulpolitik.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Die meisten Ingenieure sind einmal in die Schule gegangen!)

Wir sollten über alle Fraktionen in diesem Landtag den Schulterschluss üben und gemeinsam das Interesse der jungen Menschen für den Ingenieurberuf und für die anderen technischen Berufe wecken. Denn da liegt das Problem.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Wir von der Koalition in den Landesfarben Schwarz-Gelb tun unser Möglichstes. Helfen Sie in Zukunft mit, und dann werden wir des Problems mit gemeinsamer Anstrengung Herr.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Ojemine!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Wissenschaftsminister Dr. Frankenberg das Wort.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Jetzt kommt etwas Neues! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt wird wieder zur Sache gesprochen!)