Protokoll der Sitzung vom 03.04.2008

Eine Strategie zur Eindämmung des Ingenieurmangels ist sicher die Fort- und Weiterbildung an unseren Hochschulen. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt.

Was ist nun die Stellungnahme der Landesregierung auf unseren Antrag? Es wird ein Flickenteppich aufgezeigt, ein Flickenteppich ohne Visionen und ohne politischen Gestaltungswillen, ein Flickenteppich von Angeboten unterschiedlichster Formen, unterschiedlichster Träger, unterschiedlichster Inhalte und leider auch unterschiedlichster Qualität. Was ich besonders beachtenswert finde, ist der Umstand, dass ingenieurwissenschaftliche Masterangebote in der Stellungnahme der Landesregierung einfach zu Weiterbildungsangeboten deklariert werden.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Machen Sie es doch online!)

Ein Masterstudium ist aber, meine Kolleginnen und Kollegen – daran muss ich jetzt doch einmal erinnern –, in der Logik des Bologna-Prozesses zunächst einmal ein Erststudium, das als Präsenzstudium zur nächsten Qualifizierungsstufe nach dem Bachelor führt. Ich finde, wir sollten Masterstudiengänge nicht umdeuten, nur weil es gilt, eine Frage nach der Weiterbildung von Ingenieuren hier im Landtag zu beantworten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Bologna-Prozess an sich bot ja eigentlich eine geradezu ideale Möglichkeit, das Studienangebot im Erststudium für die Weiterbildung zu nutzen. Denn die baukastenförmige Studienstruktur ließe sich leicht zu einem Weiterbildungsangebot addieren und konfigurieren, das z. B. für arbeitslose Ingenieure oder berufsbegleitend für beschäftigte Ingenieure zur Verfügung stehen könnte.

Hier sehe ich übrigens einen Aspekt, der über die Weiterbildungsfrage und das Thema „Lebenslanges Lernen“ hinausgeht. Solange es uns nicht gelingt, ein zuverlässiges, systematisiertes Weiterbildungsangebot an den Hochschulen aufzubauen, so lange werden wir es mit riesigen Übergangszahlen vom Bachelor in die Masterstudiengänge zu tun haben. Denn worauf sollten sich die Bachelors denn stützen, die in die Firmen gehen und dann später berufsbegleitend draufsatteln und sich weiterbilden wollen? Das Bestehen eines funktionie

renden, breit angelegten Weiterbildungsangebots an den Hochschulen ist also eine Voraussetzung für den Erfolg des Bologna-Prozesses.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Bologna-Struktur ist deshalb untrennbar mit dem Thema „Fort- und Weiterbildung“ verbunden. Erst wenn man diesen Prozess wirklich ernst nimmt, bietet sich die neue Chance, einen neuen Impuls für die Verankerung der Weiterbildung und der Fortbildung an den Hochschulen zu bekommen. Da wir das gerade umstellen, haben wir jetzt die Chance, dies zu tun. Wenn es jetzt nicht geschieht, dann wird weiter durchgewurschtelt, wie es in den letzten Jahren auch geschehen ist.

Meine Damen und Herren, es sollte der politische Wille der Landesregierung sein, zusammen mit den Hochschulen ein systematisiertes Weiterbildungskonzept zu entwickeln. Dies bedeutet natürlich auch, dass entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Aus dem Bestand heraus können die Hochschulen solch ein Angebot nicht mehr aufbauen. Hier ist nun wirklich das Handeln der Landesregierung gefordert. Es geht nicht, wie Sie es in Ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag schreiben, dass Sie sich praktisch hinter der Autonomie der Hochschule verstecken und sagen, die sollten das alles selbst organisieren und selbst machen. Sie halten die Hochschulen auch sonst durchaus an der kurzen Leine. Hier ist politisches Handeln wirklich erforderlich.

Ich will noch auf einen zweiten Punkt eingehen, der grundsätzlich mit der Frage, wie wir junge Menschen für das Ingenieurstudium gewinnen können, zu tun hat. Wir haben den Zustand, dass wir im Verlauf des Studiums ungefähr ein Drittel derjenigen verlieren, die dieses Studium angefangen hatten. Das heißt, ein Drittel der Studienanfänger im Ingenieurstudium bleiben auf der Strecke. Ich bin selbst Ingenieur und mit meinem Berufsfeld durchaus noch sehr eng verbunden. Aufgrund meiner Erfahrungen bezweifle ich entschieden, dass für diesen Schwund ausschließlich mangelnde Eignung oder Befähigung verantwortlich sind. Auch werden die geplanten Eignungstests, Herr Minister, nichts nützen. Denn wir wollen nicht mehr junge Menschen von diesem Studium fernhalten, sondern wir wollen mehr junge Menschen zu einem Abschluss führen.

Ich sehe da vielmehr ein Phänomen, das ich jetzt einmal als „doppeltes Akademisierungsdilemma“ bezeichnen würde: Die angehenden Ingenieure an den Universitäten werden im Studium nämlich einem immer höheren Niveau ausgesetzt, um ihnen klarzumachen, dass sie an einer Universität oder gar an einer Technischen Universität oder vielleicht sogar an einer Eliteuniversität studieren. An den Fachhochschulen, die jetzt Hochschulen heißen und früher Ingenieurschulen waren, wird das akademische Niveau ebenfall schrittweise erhöht und an die Universitäten herangeführt, weil es dort zur Selbstdarstellung notwendig ist, dass ein Nachweis erbracht wird, dass die Ingenieure an den Fachhochschulen mindestens so ausgebildet werden wie an den Universitäten.

Die Folge dieses Wettbewerbs innerhalb dieser Hochschularten ist eine unselige Theoretisierung und Mathematisierung der Ingenieurstudiengänge. Herr Minister, das ist eine Form des Wettbewerbs zwischen den Hochschulformen, die wir eigentlich nicht haben wollen. Dieser Wettbewerb geht an den

Bedürfnissen des Arbeitsmarkts immer weiter vorbei und demotiviert junge Menschen. Diese Form von Wettbewerb sorgt dafür, dass den Firmen noch mehr Ingenieure fehlen als sowieso jetzt schon, und es entsteht ein Signal an Schülerinnen und Schüler, das ungefähr so lautet: Auch wenn euer Interesse am Ingenieurstudium groß ist, lasst euch nicht darauf ein, denn ihr werdet „rausgeprüft“ mit Anforderungen, die praxisfern und unvernünftig sind.

Vor einer solchen Drohkulisse – das ist jeden Tag zu sehen – kapitulieren insbesondere junge Frauen. Gerade bei den jungen Frauen, bei den Abiturientinnen ist das Potenzial zu heben. Da können die zukünftigen Ingenieurinnen sozusagen generiert werden. Sie müssen wir für das Studium interessieren. Aber durch eine solche Theoretisierung und Mathematisierung werden sie von diesem Studium abgeschreckt.

Herr Minister, auch hier – das soll mein letzter Satz sein – ist ein politischer Handlungswille, ein politischer Gestaltungswille gefragt. Auch hier müssen Sie Ihren Einfluss geltend machen, um die sinnlose Mathematisierung und Theoretisierung dieser Studiengänge nicht weiter um sich greifen zu lassen.

So weit meine Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße jetzt auf der Zuhörertribüne eine Delegation hochrangiger Verfassungsrechtler aus Bulgarien, Indonesien, Israel, Kolumbien, Costa Rica und Südafrika, die derzeit im Rahmen des Rechtsstaatsprogramms der Konrad-Adenauer-Stiftung unser Land besuchen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Verehrte Gäste, ich heiße Sie im Landtag von Baden-Würt temberg herzlich willkommen und wünsche Ihnen weiterhin erfolgreiche Gespräche und einen informativen Aufenthalt in unserem Land und anschließend in Berlin.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für die CDU-Fraktion darf ich jetzt Herrn Abg. Dr. Reinhard Löffler das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! „Der Markt ist leergefegt“ – diesen Satz hören Personalchefs häufig, zu häufig. Bundesweit sind 48 000 Ingenieurstellen unbesetzt, weil geeignete Bewerber fehlen. Fachkräfte und Nachwuchs sind rar. Die gute Konjunktur, der Strukturwandel hin zu einer forschungs- und wissensbasierten Gesellschaft, aber auch die älter werdenden Arbeitnehmer sind Gründe, dass unsere Unternehmen verstärkt nach hoch qualifizierten Fachkräften Ausschau halten. Es fehlen Ingenieure in allen traditionellen Branchen, in denen wir in Baden-Württemberg besonders stark sind.

Ganz besonders hart trifft es den Maschinenbau und die Elektroindustrie. Dort hätten allein im letzten Jahr 10 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können. Stattdessen

mussten die Betriebe teure Überstunden zukaufen und Aufträge ablehnen. Der volkswirtschaftliche Schaden dieser unterlassenen Wertschöpfung liegt bei 3,5 Milliarden €. Das können wir uns nicht leisten. Da stimme ich mit meinem Vorredner völlig überein.

Die demografische Entwicklung droht diese Engpässe noch zu verschärfen. Besserung ist nicht in Sicht, bescheinigt uns der Bildungsbericht der OECD. Dort ist nachzulesen, dass Deutschland nicht in der Lage sei, alle aus Altersgründen frei werdenden Arbeitsplätze für Ingenieure mit eigenem akademischem Nachwuchs zu besetzen, geschweige denn auf den Trend zu höherer Qualifikation zu reagieren.

Das ist in der Tat besorgniserregend. In unseren Schulen muss das Interesse für Technik und Naturwissenschaften noch stärker gefördert werden. Noch immer haben wir das Fachkräftepotenzial von Frauen nicht ausgeschöpft. Weibliche Ingenieure sind eher selten. Ändern wird sich das nur, wenn sich Beruf und Familie noch besser vereinbaren lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wollen wir keine Wohlstandseinbußen hinnehmen, muss es nicht nur gelingen, die Zahl der Naturwissenschaftler und Ingenieure zu erhöhen. Die zukünftigen Beschäftigten müssen produktiver sein und benötigen deshalb eine höhere Qualifikation. Weiterbildung ist ein Schlüssel für wirtschaftliches Wachstum. Ingenieure, die älter als 50 Jahre sind, haben es dabei besonders schwer. Ihr Arbeitsplatz ist in Gefahr, wenn das Unternehmen ins Ausland verlagert wird oder wenn ihre Tätigkeit in einer Nische nicht mehr gefragt ist. Häufig ist ihr Kenntnisstand nicht mehr auf der Höhe der technischen Entwicklung. Betriebliche Weiterbildung ist leider noch immer nicht Standard und lebenslanges Lernen noch immer nicht selbstverständlich.

Berufliche Fortbildung wird gerade für ältere Arbeitnehmer eine immer wichtigere Herausforderung. Wir erleben rasante Veränderungen im technologischen Bereich, aber auch in der Organisation der Arbeit. Maßnahmen, welche die Weiterentwicklung von Ingenieuren in der zweiten Berufshälfte unterstützen und einem Leistungsabfall vorbeugen, sind zu wenig verbreitet. Lebensarbeitszeitmodelle, Jobrotation und Vorkehrung durch berufliche Neuorientierung: Solche Möglichkeiten werden kaum genutzt. Möglichkeiten für eine horizontale Karriere bestehen nur eingeschränkt.

Die Mehrheit der Unternehmen glaubt, mit gezielter Anwerbung den Bedarf an Fachkräften decken zu können, anstatt in die Weiterbildung zu investieren. Allein im letzten Jahr sind, gemessen an den Arbeitskosten, die direkten Weiterbildungskosten um 20 % zurückgegangen. Das ist kein Ruhmesblatt. Im europäischen Vergleich liegen wir an viertletzter Stelle.

Das Land hat das Heft in die Hand genommen. Wir stemmen uns gegen eine drohende Strukturkrise. Es gibt kaum eine Hochschule im Land, die nicht Qualifizierungsmöglichkeiten für berufserfahrene Ingenieure anbietet, sei es durch Aufbaustudiengänge, sei es durch Seminare oder Weiterbildungsprogramme – ein Markenzeichen unserer Hochschulpolitik.

Herr Kollege Rivoir, wenn Sie hier von einem Flickenteppich sprechen, dann ist das höherer Unsinn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Der Wissenschaftsminister hat dazu ausführlich Stellung genommen, und die Programme werden weiter ausgebaut.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Das Land unterstützt finanziell Studiengänge und spezielle Projekte. Ich verweise beispielsweise auf die Master-OnlineStudiengänge oder das Projekt CATIA. Bei diesem Projekt ließ das Land Arbeitsuchende und Wiedereinsteiger auf die Konstruktionssoftware CATIA kostenlos schulen. Kleine und mittlere Unternehmen wurden so wettbewerbsfähiger. Auch Techniker und Meister werden ermutigt, sich für Ingenieurstudiengänge zu qualifizieren. Kammern und Weiterbildungsinstitute flankieren diese Maßnahmen. Ein Blick in das Portal „Weiterbildung in Baden-Württemberg“ – Sie haben offenbar noch keinen Blick hineingeworfen – zeigt, welche Anstrengungen im Land unternommen werden.

Unternehmen müssen mitziehen und Weiterbildung als Unternehmensstrategie begreifen. Weiterbildungsangebote steigern die Mitarbeiterzufriedenheit und damit deren Bindung an das Unternehmen. Der Aufwand, einen Mitarbeiter zu fördern, ist geringer als der, einen neuen Mitarbeiter zu gewinnen und einzuarbeiten. Gerade jetzt, wo qualifiziertes Personal auf dem Arbeitsmarkt Mangelware ist, besitzt die Kompetenz der eigenen Mitarbeiter ein hohes strategisches Potenzial. Kein Unternehmen kann sich Ingenieure leisten, die technisch nicht auf dem aktuellen Stand sind oder den Anforderungen nicht gewachsen sind. Auch kein Ingenieur kann sich Stillstand leisten, denn nur lebenslanges Lernen sichert eine lebenslange Beschäftigung.

Unsere Hochschulen helfen dabei. Auf dem Campus der Universität Stuttgart formiert sich zurzeit eine Kooperation mit der Industrie für anspruchsvolle IT-Anwendungen für dienstorientierte Architekturen. Auch in dieser Kooperation ist Weiterbildung ein Baustein.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Löffler, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Die Weiterbildung an unseren Hochschulen und Berufsakademien ist e i n Instrument gegen den Ingenieurmangel. Aber ein Instrument macht noch kein Orchester. Unsere Unternehmen und die Mitarbeiter müssen in Sachen Weiterbildung mitspielen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Guter Mann, der Löffler!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Bauer das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die grüne Landtagsfraktion war in der letzten Woche im Land unterwegs und hat zwei große mittelständische Unternehmen im Bereich Maschinenbau besucht. Wahrscheinlich kennen die meisten von Ihnen sie auch:

Es handelt sich um die Firmen Stihl und Kärcher. Sie sind ja nicht weit von hier beheimatet. Die eine Firma produziert Motorsägen, die andere Hochdruckreinigungsgeräte.

In beiden Firmen ist uns eindrucksvoll gezeigt worden, dass für den Erfolg auch auf dem Weltmarkt entscheidend ist, dass man technologisch auf dem neuesten Stand ist, dass man in seiner Forschungs- und Entwicklungsabteilung gute Arbeit leistet. Das ist die einzige Gewähr dafür, dass sich diese Unternehmen weiterhin gut am Markt positionieren können.