Protokoll der Sitzung vom 03.04.2008

Sie geht mit ihren Einsatzbefugnissen verantwortungsbewusst um.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Sie berücksichtigt bei ihrer Aufgabenerfüllung gesellschaftliche Entwicklungen. Sie ist korrekt, hilfsbereit, zuverlässig und offen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ja, das stimmt!)

Sie ist Garant für die innere Sicherheit und genießt das Vertrauen der Bürgerschaft. Dieses Vertrauen, meine Damen und Herren von der Opposition, sollte niemand durch üble Unterstellungen, falsche Verdächtigungen

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

und haltlose Angriffe zerstören.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Richtig! Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Innenminister Rech.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt kommt das Kontrastprogramm!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Zunächst möchte ich mich für die Ernsthaftigkeit und für die weitgehend und von nahezu allen Rednern sachlich geführte Diskussion bedanken. Das Thema „Innere Sicherheit“ ist natürlich ein Thema, das jeden angehen und jede Fraktion hier berühren muss. Es ist eines der Kernthemen eines jeden Staates. Deswegen tun wir gut daran, bei allen Gegensätzen zwischen den einzelnen Standpunkten eine gewisse Grundplattform nicht zu verlassen. Das ist heute auch nicht geschehen. Deswegen mein Dank.

Jetzt gibt es einiges, das ich, wenn Sie mir das gestatten, in Stichworten noch einmal wiederholen will.

Ich weiß sehr wohl, meine Damen und Herren, dass die Polizei insbesondere in den Bereichen islamistischer Terrorismus, Jugendgewaltkriminalität sowie Internet- und Computerkriminalität vor großen Herausforderungen steht, vor Herausforderungen, die sich teilweise erst in den letzten Jahren in dieser Dramatik dargestellt haben. Nehmen Sie den Bereich Internetkriminalität; dort gibt es gerade in den Bereichen schrecklichster Verbrechen exponentielle Zuwächse. Ich will gar nicht im Einzelnen darauf eingehen.

Mir muss auch niemand sagen, dass die Polizei in BadenWürttemberg im bundesweiten Vergleich mit einer sehr dünnen Personaldecke dasteht – das habe ich nämlich selbst immer und bei jeder Gelegenheit gesagt –, aber dennoch hervorragende Arbeit leistet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Dennoch muss auch die Polizei den notwendigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten und hierzu Stellen abbauen, und zwar in dem Rahmen, den wir hier beschlossen haben. Kollege Sckerl hat in einer, wie ich sagen darf, bemerkenswert sachlich-analytischen Rede schon daran erinnert,

(Beifall bei den Grünen – Abg. Bärbl Mielich GRÜ- NE: Bravo!)

wie wir dies damals miteinander beschlossen haben.

Den Umfang des Stellenabbaus und auch die Hintergründe habe ich in meiner Stellungnahme zum Antrag der SPD ja dargelegt. Deswegen will ich es nicht wiederholen. Zu den Kernthesen will ich nachher kommen.

Ich will in diesem Zusammenhang aber noch einmal deutlich klarstellen – weil dies in der Öffentlichkeit häufig immer noch nicht so wahrgenommen wird –: Den 610 Stellen, die im Zuge der im Herbst 2003 realisierten Verlängerung der Wochenarbeitszeit ab dem Jahr 2008 abzubauen sind, steht real ein entsprechend höheres Arbeitszeitpotenzial der Polizeibeamten gegenüber. Das war in früheren Jahren auch schon einmal umgekehrt. Da sind wir mit der Arbeitszeit heruntergegangen und haben im gleichen Umfang und mit dem gleichen Berechnungsschlüssel wie jetzt die Anzahl der Stellen bei der Polizei vermehrt. Da haben andere Landesinnenminister schönere Botschaften zu verkünden gehabt. Aber jetzt geht es einmal andersherum. Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen, und der stelle ich mich. Ich komme gleich dazu. Das waren also die 610 Stellen.

Mir ist aber natürlich auch bewusst, dass das bis 2007 noch nicht abgebaute Potenzial zwischenzeitlich von der Polizei für drängende operative Aufgaben eingesetzt wird.

Dann kommen wir zu den 236 Stellen: Da müsste eigentlich längst alles gesagt sein. Der Stellenabbau geschieht infolge der Übertragung der Lebensmittelüberwachung auf die Stadt- und Landkreise. Dem steht in gleichem Umfang ein Aufgabenabbau gegenüber. Der Stellenabbau ist daher völlig folgerichtig. Die Stellen folgen der Aufgabe. In dem Maße, Herr Kollege Stickelberger, wie die Aufgabe abgeht, aber nur in dem Maße, werden auch die Stellen abgebaut. Die abgeordneten WKD-Leute kommen ja teilweise wieder zurück, und damit parallel laufend vollziehen wir den Stellenabbau, nicht von heute auf morgen.

Unterm Strich steht demnach dem Stellenabbau im Polizeivollzugsdienst entweder ein gleichwertiger Aufgabenabbau oder ein entsprechender Zugewinn an Personalkapazitäten – sprich Arbeitszeit – gegenüber.

Angesichts der aktuellen Herausforderungen sehen meine Kollegen aus der Landesregierung und ich natürlich die Probleme, die mit der Umsetzung verbunden sind. Ich will noch einmal betonen – der Kollege Sckerl und auch der Kollege Blenke haben dezidiert darauf hingewiesen –: Die Umsetzung des Beschlusses hat sich als Problem erwiesen, nicht der eigentliche Beschluss selbst. Dafür müssen wir Lösungen finden. Dazu werde ich nachher auch etwas sagen.

Vor allem deshalb haben wir vor wenigen Wochen die Realisierung des Einstellungskorridors für den Polizeivollzugsdienst ab 2008 beschlossen. Das ist keine Kleinigkeit. Der Kollege Blenke hat darauf hingewiesen, was dies für ein Kos tenvolumen auslöst.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Mehr als 300 Millio- nen €!)

Damit können bereits ab diesem Jahr über den reinen Nachersatzbedarf hinaus jährlich bis zu 350 zusätzliche Bewerber eingestellt werden. Wenn wir den Einstellungskorridor so

durchhalten, haben wir zeitweise 1 270 ausgebildete Beamte mehr als im Stellenplan vorgesehen. 1 270 Nachwuchskräfte! Der beschlossene Stellenabbau im Polizeivollzugsdienst wird damit nicht nur schrittweise vollständig ausgeglichen, sondern die Polizei wird darüber hinaus verstärkt und – das will ich betonen – auch verjüngt.

Das ist ein Quantensprung in der Personalpolitik der Polizei. Erinnern Sie sich an die Jahre seit 1968, an die Siebzigerjahre: Da hat der Staat auf eine bis dahin in dieser Form noch nie dagewesene Herausforderung – ich will es nicht werten, aber man könnte es schon so bezeichnen – hektisch geantwortet mit einer massenhaften Einstellung von jungen Polizeibeamten, die teilweise sehr verkürzt ausgebildet und dann auf die Straße geschickt wurden. Angesichts der Dimension der damaligen Herausforderung ist dies durchaus nachvollziehbar. Aber dies hat halt, nachdem jetzt 40 Jahre um sind und die Polizeibeamten nach wie vor mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen, dazu geführt, dass wir eine unglaubliche Wellenbewegung bei der Einstellungspolitik hatten. Die einstellungsstarken Jahrgänge, die jetzt an das Lebensalter von 60 Jahren heranrücken, haben bewirkt, dass wir jetzt eine Überalterung bei der Polizei zu befürchten hätten, wenn wir da nicht korrigierten.

(Zuruf des Abg. Hans Georg Junginger SPD)

Noch bricht die Sintflut nicht über uns herein. Die Beamten, die draußen im Vollzugsdienst eingesetzt werden, sind etwa 40 Jahre alt und jünger. Insgesamt liegt das Durchschnittsalter bei 42,5 Jahren. Wir haben es also nicht mit „Methusalems“ zu tun. Aber in zehn Jahren würde dies anders aussehen, wenn wir die Einstellungspolitik so in Wellenbewegungen fortsetzen würden. Deswegen schneiden wir jetzt die Sinuskurven durch.

Wenn wir dabei bleiben, jährlich 800 Einstellungen vorzunehmen – was ein Kraftakt sondergleichen ist –, dann kommen wir zu einer Verstetigung des Altersaufbaus bei der Polizei auf allen Ebenen – mit den positiven Folgen, die ich jetzt nicht weiter im Einzelnen erläutern muss.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt kommen wir zu dem Punkt, der hier zu Recht von allen Rednern angesprochen wurde: Durch die Ausbildung bedingt – die Ausbildungsdauer von drei Jahren wurde genannt – stehen die zusätzlichen Nachwuchskräfte ab dem Frühjahr 2011 zur Verfügung. Jetzt müssen wir schauen, was wir in der Übergangszeit machen. Da nenne ich Ihnen folgende Sofortmaßnahme: Wir werden die Arbeitszeiten der Polizei noch stärker lageorientiert und flexibel ausgestalten und zusätzliche Potenziale beispielsweise – das ist ein großes Thema – durch eine präsenzschonende Aus- und Fortbildung erschließen. Wir müssen junge Polizeibeamte und -anwärter nicht ausgerechnet dann zur Ausbildung, Fortbildung und Qualifizierung bis hin zu der berühmten O-Klasse zum Erwerb der fachgebundenen Hochschulreife, die der Kollege Blenke vor Kurzem in einem Antrag thematisiert hat, schicken, wenn sie draußen gebraucht werden.

Die andere Frage ist, ob wir den Anteil der Polizeikommissar anwärter erhöhen und damit natürlich den großen Übergang vom mittleren in den gehobenen Dienst schonen und für Präsenzen gewinnen. All diese Dinge werden wir im Detail re

geln und miteinander besprechen. Da gibt es große Potenziale.

Um nur einmal eine Zahl zu nennen, damit ich nicht im Allgemeinen bleibe: Wir haben jährlich etwa 300 bis 350 Beamte aus dem mittleren Dienst

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Villingen- Schwenningen!)

in Villingen-Schwenningen, die dann natürlich, wenn sie den Lehrgang besuchen, draußen fehlen. Da müssen wir ausbalancieren, und da müssen wir schauen, was an Potenzial noch zu erschließen ist. Eine Möglichkeit wäre, die Zahl der Polizeikommissaranwärter hochzufahren.

Für mich, meine Damen und Herren, steht insbesondere die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Streifen- und Ermittlungsdienste im Fokus. Beim Stellenabbau ist deswegen für mich von größter Bedeutung, dass die Personalstärke der unmittelbar operativ tätigen Bereiche möglichst erhalten bleibt, damit die Polizei auch künftig schnell eingreifen kann.

In diesem Zusammenhang – Stichwort Stuttgart – stehe ich einer punktuellen Optimierung der Aufbauorganisation, also der Strukturen innerhalb der Polizeipräsidien und -direktionen, durchaus aufgeschlossen gegenüber, soweit solche Maßnahmen im Konsens mit den kommunalpolitisch Verantwortlichen umgesetzt werden können.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Können Sie einmal auf Deutsch erklären, was das heißt – ganz konkret für Stuttgart!)

Das heißt, Herr Kollege Schmiedel, ganz konkret Folgendes: Sie werden sich erinnern, dass die Polizeipostenstrukturreform genauso umstritten war wie das, was jetzt in Stuttgart passiert. Wir haben damals aus 570 Polizeiposten draußen auf dem Land, in der Fläche – das ist übrigens auch eine Besonderheit von Baden-Württemberg: Zweimann-, Dreimann-, Viermann-, Sechsmannposten – 350 gemacht, und nicht vom grünen Tisch aus, sondern ich habe gesagt: Die Polizeidirektionen sollen ein maßgeschneidertes Konzept für ihre Polizeipostendienststellen erarbeiten und dieses mit den Verantwortlichen auf kommunaler Ebene abstimmen, weil ich natürlich weiß, dass jeder Bürgermeister um jeden einzelnen Polizeiposten kämpft. Es soll sogar Fälle gegeben haben, da wurden für – –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist aber Geschich- te!)

Aber aus dieser Geschichte können Sie lernen, wie man es macht

(Abg. Thomas Blenke CDU: Und wie es sich aus- wirkt!)

und wie es sich auswirkt. Mittlerweile ist das draußen in der Fläche absolut akzeptiert. Das hat zu einer Effizienzsteigerung geführt. 60 % aller Straftaten ereigneten sich nämlich außerhalb der Dienstzeit dieser Polizeiposten, die von morgens 8 Uhr bis nachmittags 16:30 Uhr da waren, am Freitag, Samstag, Sonntag überhaupt nicht. Jetzt gibt es größere Einheiten. Die Flexibilität ist größer, die Öffnungszeiten sind länger, die Ansprechpartner für die Bürger sind zahlreicher vertreten.

Jetzt kommt der Unterschied, und deswegen sage ich: „punktuell zu Optimierungen bereit“. Es macht einen Unterschied, ob in einem Ballungsraum beispielsweise aus 14 Revieren elf gemacht werden. Die Konzepte schaue ich mir dann an, wenn sie mit den kommunal Verantwortlichen besprochen sind. Im Übrigen habe ich überhaupt nichts anderes dem Oberbürgermeister von Stuttgart gesagt. Ich stehe voll zu der Linie, aber ich stehe auch voll dazu, dass draußen vor Ort maßgeschneiderte Lösungen gefunden werden.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das bringt doch kei- nen Polizeibeamten mehr!)

Jetzt macht es einen Unterschied, ob ich in einem Ballungsraum bin oder in einem großen flächenhaften Raum. Da können Sie Reviere, die 70 km auseinanderliegen, natürlich nicht zusammenlegen, weil damit das operative Geschäft leidet und die Anfahrtszeiten zu lang sind. In einem Raum wie Stuttgart – nehmen Sie zum Vergleich Nürnberg, wo es nur fünf Reviere, und Freiburg, wo es nur zwei Reviere gibt – bestehen ganz andere Verhältnisse. Mir kommt es darauf an – ich betone das noch einmal –, dass diese Konzepte, erarbeitet von den Polizeidirektionen und -präsidien, mit den kommunal Verantwortlichen besprochen werden, dass sie in Bezug auf ihre Folgewirkungen exakt geprüft werden, und dass das operative Geschäft darunter nicht leidet.

Damit bin ich bei den Polizeiposten. Wir hatten vorher 2 300 Mann auf den Polizeiposten, und wir haben nachher 2 300 Mann. Aber sie werden optimal eingesetzt, und das bringt den Präsenzgewinn.