Protokoll der Sitzung vom 30.04.2008

Deshalb möchte auch ich allen Dank sagen – wirklich allen –, die in den offiziellen Verhandlungsrunden, den Hintergrundgesprächen, aber auch auf der Arbeitsebene die Positionen immer wieder neu ausgelotet und auch um Verständnis für die Positionen der anderen gerungen haben und hierdurch das Ergebnis, das wir heute mit breiter Mehrheit – davon gehe ich aus – verabschieden werden, erreicht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Wir können, meine Damen und Herren, nach dem heutigen Tag erhobenen Hauptes vor die Menschen im Land treten und sagen: Mit dem Ende dieser Zweiten Beratung des Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes beginnt, wenn man so will, ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Landtags von Baden-Württemberg. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes können unsere Bürger erwarten – ich meine, zu Recht –, dass zukünftig die Ausübung eines Landtagsmandats die Haupttätigkeit eines Abgeordneten und einer Abgeordneten sein wird.

Mit der Inkompatibilität setzen wir ein klares Zeichen der Gewaltenteilung. Die Wahrnehmung von Exekutivaufgaben und einer legislativen Funktion passt nun einmal nicht zusammen.

Wünschen würde ich mir, meine Damen und Herren – dies will ich schon hervorheben –, dass den Bürgern verdeutlicht wird, dass wir bei der Altersversorgung von Abgeordneten einen deutlichen Schnitt vornehmen – und dies zu einem nicht geringen Teil bei denen, die schon heute Landtagsabgeordnete sind – und dass Mandatsträger des Landtags von BadenWürttemberg bereit sind, von vermeintlichen Privilegien Abschied zu nehmen. Wundern würde ich mich, wenn dies bei anderen, die eine mindestens vergleichbar gute Altersversorgung haben, zur Nachahmung führen würde.

Meine Damen und Herren, Seneca hat einmal gesagt: „Der Lohn eines guten Vorhabens ist, dass man es vollendet.“ Ich denke, wir sind uns einig: Unser gemeinsames Vorhaben, die Änderung der genannten Punkte in ein neues Abgeordnetengesetz münden zu lassen, war und ist gut. Aber vollendet ist damit unsere umfassende Parlamentsreform noch nicht. Was noch ansteht, sind die sogenannte innere Parlamentsreform sowie die Wahlkreisreform und die Änderung des Auszählverfahrens bei der Landtagswahl.

Ich verhehle nicht, dass meine Fraktion bei der inneren Parlamentsreform mehr erreichen wollte, als wir in den bisherigen Gesprächen und Verhandlungen letztlich – zumindest bislang – erreicht haben. Ich will deutlich sagen: Hinter diesen Stand können wir nach der heutigen Zustimmung zur Änderung des Abgeordnetengesetzes nicht mehr zurückgehen.

Diesem zweiten Teil unserer umfassenden Parlamentsreform, meine Damen und Herren, messen wir – ich hoffe, wir alle – mindestens dieselbe Bedeutung bei wie der Änderung des Abgeordnetengesetzes selbst. Es geht hierbei nämlich um die Wahrnehmung unserer Arbeit. Deshalb gilt es, den guten Geist aus den bisherigen Verhandlungen auch in die praktische Arbeit, in unser praktisches Tun und Handeln hier im Parlament hineinzutragen.

Mit der Direktintervention, der Neuregelung der Aktuellen Debatte und der Ausweitung der Redemöglichkeiten der Fraktionen im Verhältnis zur Regierung haben wir, denke ich, zumindest weitestgehend geeignete Instrumente gefunden. Wir bauen da auch auf Sie, Herr Kollege Mappus, dass die kurzzeitige Aussetzung der noch laufenden Gespräche nicht ein Negativsignal für die weitere Umsetzung der Parlamentsreform sein wird.

An uns allen aber wird es liegen, meine Damen und Herren – ich sage dies durchaus auch mit einer Portion Selbstkritik –, dass die Menschen erkennen, dass wir im Plenum und in den Ausschüssen nicht den Streit um des Streitens willen suchen oder in kleinlicher Weise parteipolitische Geländegewinne erzielen wollen, sondern zur bestmöglichen Sachlösung im Sinne des Landes und seiner Bevölkerung kommen wollen. Schön wäre es – das will ich auch sagen –, wenn dies gelegentlich auch medial so transportiert werden würde.

Ich wünsche mir jedenfalls, meine Damen und Herren, dass wir uns auf ein solches Ziel verständigen können und dass alles Weitere, was jetzt noch folgt – bis hin zur Wahlkreisreform –, von diesem guten Geist getragen wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Beschluss vollzieht unser Parlament drei große Schritte zu seiner Selbsterneuerung.

Wir sind dabei, das Parlament grundlegend zu sanieren – um das Bild unserer Baustelle zu bemühen, was ja im Blick auf das Haus der Abgeordneten naheliegend ist. Wie es drüben im Haus der Abgeordneten geschieht, bauen wir unser Parlament im laufenden Betrieb um. Drüben im Haus der Abgeordneten haben wir ja einige Erfahrungen gesammelt, aber anders als bei der dortigen Baustelle sind wir, die Fraktion GRÜNE, davon überzeugt, dass sich die Mühen dieses Umbaus des Parlaments wirklich gelohnt haben, auch wenn es uns als Frak tion GRÜNE manchmal zu langsam ging.

Für unseren Geschmack hätte die Reform ruhig schneller fertiggestellt sein dürfen, nicht erst im Jahr 2016. Gern hätten wir bei der Reform auch einige größere Bausteine benutzt. In der Gesamtbilanz dessen, was heute verabschiedet wird, sagen aber auch wir: Was wir heute auf den Weg bringen, ist nicht nur eine Fassadenerneuerung, sondern geht an die Substanz, und wir begrüßen das sehr.

In drei großen Punkten verändert sich dieses Parlament mit dem heutigen Beschluss:

Erstens werden wir im baden-württembergischen Landtag künftig sehr viel strenger trennen zwischen den Menschen, die die Regierung kontrollieren sollen, und denen, die in ihrem Dienst stehen. Ein Mensch, der als Beamter tätig ist, kann nicht gleichzeitig seine eigene Tätigkeit kontrollieren. Die Funktionstrennung zwischen Amt und Mandat ist daher richtig und notwendig.

Ich möchte auch sagen: Bei allem Respekt, den ich für die Kollegen Bürgermeister und Landräte, die es hier im Haus gibt, habe – einige von ihnen schätze ich auch persönlich sehr –, sind der Funktionswechsel und die Trennung der Funktionen dennoch notwendig zu vollziehen. Es ist eine Errungenschaft der Demokratie, die Gewaltenteilung zu vollziehen. Deshalb ist es richtig, dass wir das endlich auch in BadenWürttemberg tun.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der zweite Reformbaustein: Unser Landtag wird sich künftig nicht mehr als Teilzeitparlament verstehen. Man muss ja sagen: De facto war er das für die meisten von uns auch bislang nicht. Wir nehmen also in gewisser Weise Abschied von der Illusion, Parlamentarier könnte ein „Job nebenbei“ sein, sozusagen im Nebenerwerb.

Ich denke, ich spreche für alle im Haus, wenn ich sage: Schon jetzt haben wir keinen Achtstundentag. Unsere Aufgaben sind zeitaufwendig und vielfältig. Vielleicht kann ein Stadtstaat wie Hamburg ein „Feierabendparlament“ betreiben, aber die Ausmaße Baden-Württembergs lassen das wirklich nicht zu. Daher ist es richtig, ehrlich zu werden und den Übergang zum Vollzeitparlament zu vollziehen.

Mit dem Begriff Teilzeitparlament war immer die Vorstellung verbunden, wir hätten hier Abgeordnete, die ein zweites Standbein in der freien Wirtschaft haben. De facto war das aber auch bislang eher selten der Fall. Wir haben hier keinen höheren Anteil von Menschen, die noch in der Wirtschaft tätig sind, sondern einen höheren Anteil an Beamten und anderen Menschen aus dem öffentlichen Dienst, die dies mit ihrer parlamentarischen Tätigkeit kombiniert haben. Das aufzulösen ist ein richtiger Schritt: weg von einem Beamtenparlament hin zu einem echten Vollzeitparlament.

Drittens: Wir verabschieden uns aus dem beamtenähnlichen Altersversorgungssystem, das nicht nur die falsche Systematik hatte, sondern einfach auch zu üppig war. Wie schon meine Vorredner möchte auch ich betonen: Ein Betrag von 1 500 € monatlich für die eigenverantwortliche Altersvorsorge ist ein erheblicher Einschnitt im Vergleich zu den bisherigen Kosten der Altersversorgung für Abgeordnete. Die Zahl lag bis vor Kurzem nicht wirklich auf dem Tisch. De facto und im Durchschnitt zahlen wir für die Altersversorgung unserer Abgeordneten im Land zurzeit rund 3 000 € pro Person. Somit ist das eine glatte Halbierung. Ich finde, das kann sich sehen lassen, und wir sollten stolz darauf sein.

Dennoch ist diese Parlamentsreform nicht billig. Wir werden danach nicht so etwas wie ein „Schnäppchenparlament“ haben. Das wollten wir auch nie schaffen. Wir hatten nie das

Ziel, ein billiges Parlament zu werden, sondern wir wollen ein starkes Parlament werden: ein selbstbewussteres, ein moderneres und auch ein transparenteres. Dazu haben wir jetzt die richtigen Weichen gestellt.

Das ist auch nötig, damit wir der Landesregierung auf Augenhöhe gegenübertreten können und die Funktion der Regierungskontrolle wahrnehmen können. Es ist auch deshalb erforderlich, damit wir mit dem Tempo der Mediendemokratie mithalten können.

Dennoch: Bislang haben wir einige weitere Bausteine der Parlamentsreform miteinander andiskutiert, die noch nicht abgeschlossen sind, aber dringend auf den Weg gebracht werden müssen.

Erstens geht es darum, in unserer Geschäftsordnung eine neue Debattenkultur festzulegen. Wir müssen weg von der steifen, oft auch etwas langsamen und schwerfälligen Strukturierung unserer Plenardebatten. Manche in der Presse haben das mit dem Begriff „Organisierte Langeweile“ kommentiert. Wir müssen schneller, kontroverser und spannender werden und deswegen die Geschäftsordnung reformieren.

Zweitens: Wir müssen dringend die Funktionszulagen in einen Zustand bringen, der 2011 mit dem Übergang zum Vollzeitparlament auch wirklich verfassungskonform ist. Die Funktionszulagen sind intransparent, sind zu üppig und haben nicht die nötige gesetzliche Grundlage, die sie brauchen. Wir haben uns darauf verständigt, das in dieser Legislaturperiode zu regeln. Ich hoffe, und ich wünsche mir, dass diese Verabredungen auch eingehalten werden.

(Beifall bei den Grünen)

Weiterhin steht die Anpassung der Anrechnungsregelung für Ministerbezüge im Zusammenhang mit ihren Abgeordnetendiäten aus. Auch das Stichwort Wahlkreisreform wurde eben schon erwähnt.

Meine Damen und Herren, ich glaube, mit dieser fraktions übergreifenden Arbeit, die wir über die letzten Jahre hinweg geleistet haben, ist es uns wirklich gelungen, einen tragfähigen Kompromiss zu entwickeln. Ich wünsche mir von dieser Art der Arbeit mehr. Mehr davon tut unserer parlamentarischen Kultur gut, und ich hoffe und wünsche mir auch, dass die weiteren noch offenen Baustellen zu den Themen Wahlkreisreform, Wahlrechtsreform und Geschäftsordnung ebenso frak tionsübergreifend im gesamten Haus verabredet werden. Ich glaube, auch das ist ein Beitrag zur Stärkung des Parlaments.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! In jeder Organisation muss man gelegentlich schauen, ob die über Jahrzehnte hinweg historisch gewachsene Struktur denn noch sinnvoll ist. Wenn nicht, muss man auch einmal grundlegende Anpassungen vornehmen. Wir unternehmen heute einen wichtigen Schritt, um die für unser Parlament geltenden

Regeln zukunftsfähig zu novellieren. Insofern stimmt es, wenn die „Pforzheimer Zeitung“ von einer historischen Reform in eigener Sache spricht.

Auch mein Dank und unser Dank gilt allen an dieser Neuregelung Beteiligten. Sie haben viele und harte Sitzungen ge habt, und sie haben Lösungen erarbeitet, die zwar von etlichen Kollegen aus unterschiedlichen und nachvollziehbaren Gründen abgelehnt werden, die aber von der überwiegenden Mehrheit auch unserer Fraktion akzeptiert werden und denen sie zustimmen wird.

Herr Kollege Hitzler, auch unser Fraktionsvorsitzender Dr. Noll war übrigens in der Fraktion hart gefordert.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Deshalb gilt auch ihm unser besonderer Dank. Ich glaube, auch er hat seinen Teil dazu beigetragen, dass in der Gruppe kompromissfähige Formulierungen gefunden wurden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Worum geht es heute im Einzelnen? Wir stellen die Altersversorgung um. Wir haben für die Bediensteten des Landes in einer ersten Stufe ja schon damit angefangen, dass wir nicht mehr Hypotheken auf die Zukunft aufnehmen, sondern dass wir zeitgerecht Geld zurückstellen. Genau das Gleiche machen wir jetzt auch mit den Abgeordnetenpensionen: Wir sagen eben nicht mehr, das werde in Zukunft bezahlt, sondern das Geld wird – Generationengerechtigkeit ist uns wichtig – heute ausgezahlt, und jeder gestaltet für sich selbst, wie er damit seine Altersversorgung regelt. Im Gegenzug erfolgt eine Erhöhung der Diäten für die aktive Tätigkeit auf einen Betrag, der in vergleichbaren Volksvertretungen gilt, wobei dort übrigens teilweise noch Pensionen gewährt werden. Auch das muss man einmal sehen.

Wir haben uns auf eine sachgerechte Lösung verständigt. Frau Kollegin Bauer, Sie haben angesprochen, es sei eine Halbierung der Altersversorgung. Eigentlich ist es das nicht. Denn die Diäten werden um die eine Hälfte des bisherigen Wertes erhöht, und die andere Hälfte wird als Quasi-Arbeitgeberbeitrag zusätzlich ausgezahlt. Damit haben wir eine Gleichstellung, aber keine Besserstellung. Das ist mir wichtig: Es erfolgt letztlich die neutrale Umstellung auf eine zukunftsfähige Form, die künftige Generationen nicht weiter belastet.

Gleichzeitig erfolgt das Bekenntnis zum Vollzeitparlament. Seien wir doch ehrlich – wer von uns hier drin hat denn bisher unter 40 Stunden in der Woche für seine Parlamentsarbeit aufgewendet? Das werden nicht viele sein. Es gab nur manchmal die Meinung – und die habe früher auch ich einmal vertreten –, in einem Vollzeitparlament müsste man seine ganze Arbeitszeit für das Parlament aufwenden, und hier drin sind viele, die mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten. Dass man einen Teil seiner Arbeitszeit dafür aufwendet, um z. B. in seinem Beruf auf dem Laufenden zu bleiben, muss nach wie vor möglich sein, weil das Abgeordnetenmandat eine auf Zeit vergebene Aufgabe ist und es nicht sein kann, dass man danach in der Luft hängt. Deswegen muss die Möglichkeit, im Beruf zu bleiben und ihn aufrechtzuerhalten, gegeben sein. Das gilt auch weiterhin.

Die Föderalismusreform hat den Landtagen weitere Aufgaben zugeordnet. Auch dafür braucht man mehr Engagement und das Vollzeitparlament.

Die Inkompatibilität für Beamte – von der FDP/DVP seit Langem gefordert, in einem zweiten Schritt übrigens auch in der Koalitionsvereinbarung verankert und durch die Verwaltungsstrukturreform notwendiger denn je – begrüßen wir. Auch die Pauschalen wurden auf praktikable und nachvollziehbare Formen umgestellt.

In der nächsten Stufe – es wurde schon angesprochen – müssen wir entlang dem gemeinsam beschlossenen Entschließungsantrag noch ein paar Dinge regeln. Die Wahlkreisreform steht an. Wir wollen – das haben wir alle miteinander beschlossen – möglichst gleich große Wahlkreise. Wir wollen eine Auszählung der Landtagswahl künftig nach Prozenten. – Das ist hier einstimmiger Beschluss gewesen, Frau Kollegin Bauer, auch wenn Sie jetzt den Kopf schütteln.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP zu Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Nachlesen! – Gegenruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Der Widerspruch unserer Fraktion ist im Protokoll festgehalten! Nachlesen!)