Protokoll der Sitzung vom 30.04.2008

Da habe ich vielleicht etwas zu viel gedacht und gewünscht. Ich danke jedenfalls dafür, und ich will im Gegenzug einfach mit einer kürzeren Ministereinlassung antworten.

(Abg. Ingo Rust SPD: Sehr gut! – Beifall des Abg. Ingo Rust SPD – Zurufe von der SPD, u. a.: Bra- vo!)

Eine Sache vorneweg – ich glaube, wir können das gemeinsam zufrieden feststellen –: Der Europaausschuss hat sich bewährt. Er bildet das Vorfeld der Parlamentsdebatte und ist nicht mehr wegzudenken. Er erleichtert uns auch ein bisschen, zu sortieren, wo man gemeinsam für das Land europapolitische Interessen formulieren kann. Der Europaausschuss hat sich bewährt. Ich sage als einer, der vor 15 Jahren noch skeptisch war, dass ich mittlerweile zutiefst von der Richtigkeit dieses Europaausschusses überzeugt bin. Ich danke dafür, dass wir da zu 100 % übereinstimmen.

(Beifall des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Dort, wo es ein Lob für die Regierung gibt, muss ich sagen, nehme ich es doppelt gern entgegen. Aber, lieber Kollege Hofelich, auch dies ist eine Form des Respekts: Man darf in der Konkretheit der Antwort die Konkretheit der Anfrage im Respekt vor dem Anfragenden nie übertreffen.

(Heiterkeit des Abg. Peter Hofelich SPD)

Deswegen ist diese Relativität auch hier angebracht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will wirklich nur kursorisch etwas dazu sagen. „Einheit in Vielfalt“ war ein Stichwort, das Herr Kollege Hofelich gebraucht hat. Im Grunde ist das ein Spiegelbild für die innere Verfasstheit, denn beides gehört zusammen. Man kann nur dann eine Vielfalt praktizieren und plural sein, wenn man gleichzeitig auch das Gestänge sichert, das das Ganze zusammenhält. In diesem Sinne denke ich, dass dieser Vertrag ein wichtiger Fortschritt ist.

Es geht einmal um das Parlament. Wenn man es richtig sieht, ist das Parlament mit diesem Vertrag erst jetzt so richtig auf Augenhöhe mit den anderen Institutionen angekommen. Mit Ausnahme der Steuern gibt es jetzt fast überall Mitwirkungskompetenzen des Parlaments. Das ist ganz wichtig. Im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament ist das eine ganz wichtige Aussage. Wir sollten, gerade wenn wir die Sitzung heute vielleicht ein wenig früher beenden und dann hinausgehen, mit der Bevölkerung darüber reden, dass man diese Wahl zum Europäischen Parlament in einem neuen Licht sehen darf.

Ich war bass erstaunt, als ich in Umfragen jüngeren Datums gelesen habe, dass es einerseits eine ganz große Zustimmung zum Parlament gibt, aber andererseits nur 31 % der Bevölkerung glauben, dass das Parlament ihnen wirklich zuhört. Das heißt also, wahrscheinlich müssen wir mithelfen. Ein Abgeordneter ist zuständig für mehrere Hunderttausend oder eine Million oder mehr Bürger. Das heißt, auch wir als Landtagsabgeordnete müssen mithelfen, dass man sieht: Hier ist eine Volksvertretung, hier ist jetzt eine Bürgerkammer neben der – so will ich den Rat einmal bezeichnen – Staatenkammer. Aber jetzt geht es darum, eine Legitimation zu schaffen.

Ich habe gerade gestern den Rücklauf der Anhörung zur Zusammenlegung der Europawahl mit den Kommunalwahlen und zur Verschiebung des Termins angeschaut. Es ist wirklich ein berechtigtes Anliegen, dass wir sagen: Wir legen den Termin so, dass er denen, die für die Kommunen oder für Europa kandidieren, gerecht wird, damit eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zustande kommen kann. Ich war ein wenig enttäuscht über die vielen ablehnenden Kommentare. Da sollten wir ein bisschen mitdenken und sagen: Im Interesse der Kommunalwahlen, aber auch im Interesse der Europawahlen sollten wir alles so bereiten, dass auch eine hohe Wahlbeteiligung entstehen kann. Das hätte ich mir doch mehr gewünscht. Es gibt viele Landesgremien, die einfach Ablehnung signalisieren, aber wir sollten es trotzdem tun. Das sind wir gerade den Kollegen des Europäischen Parlaments schuldig.

Nun komme ich zu den Mitwirkungsrechten, die wir jetzt nutzen müssen. Alle haben appelliert, dass wir jetzt in die Tasten greifen. Die Subsidiarität ist jetzt in der Tat so geregelt, dass man etwas damit anfangen kann. Zumindest sollte man es bis an die Grenze des Möglichen ausprobieren.

Wir haben auch ein bisschen gewonnen. Zuerst gab es eine Frist von sechs Wochen, dann waren es acht Wochen. Jetzt haben wir erreicht – ich glaube, über die COSAC, in der wir das eingebracht haben –: Es beginnt erst mit der Veröffentlichung in den Amtssprachen der EU. Meine Mitarbeiter haben mir gesagt, das seien jetzt mindestens zehn Wochen. Das ist das eine.

Was ich aber für viel wichtiger erachte, ist, dass wir im Grunde Unterrichtung oder Einbeziehung nicht nur dort erhalten, wo es den gesetzgeberischen Weg angeht, sondern auch dort, wo es vorbereitete Texte sind – Grünbuch, Weißbuch – oder wo es um eine Mitteilung geht. Das ist wichtig. Denn wenn ich an Bord bleiben will, wenn ich wirklich zeitgerecht einsteigen möchte, dann muss ich ganz am Anfang stehen, am Besten schon zu einem Zeitpunkt, an dem es noch in der Röhre ist. Es ist eine alte Erfahrung – das ist auf Bundesebene genauso –: Wenn du den Referenten kennst, der es schreibt, dann ist das die beste Einwirkungsmöglichkeit,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! Der versteht etwas davon!)

denn wenn der es dem Minister, der politischen Ebene vorlegt, dann ist es meist so zementiert, dass man rundum kaum mehr etwas verändern kann. Deswegen ist der Appell, dass wir unsere Saugnäpfe vor Ort stärken, schon wichtig.

Ich kann Ihnen hier auch sagen – das stand zu Recht in der Zeitung –: Wir sind im Moment im Gespräch mit dem Bund über die neben der Landesvertretung befindliche Liegenschaft. Das ist eine Bundesliegenschaft. Derzeit ist darin das GoetheInstitut. Da gibt es einen Veränderungswillen. Ob das GoetheInstitut dort bleibt oder nicht, ist noch offen. Jedenfalls ist die Verkaufsabsicht konkret geworden. Da ist es die allerhöchste Pflicht, dass man in die Gespräche eintritt. Ob gekauft wird, ob umgebaut wird und ob daraus ein Baden-WürttembergCenter wird, das sind Folgeentscheidungen. Zum Einstieg ist die Frage: Was hätte der Bund gern? Dann muss man noch einmal überlegen, wenn man das kauft – offensichtlich ist der Kaufpreis relativ ordentlich –, was man dann umbauen oder investieren muss. Das ist geboten unter dem Gesichtspunkt: Wie können wir in Brüssel optimal aufgestellt sein?

Ich sage ganz konkret: Wirtschaftsverbände, Unternehmen und auch kommunale Stellen fragen an, ob wir nicht geschlossen auftreten könnten. Ich sage seit Jahren: Man kann in Brüssel nur mit Synergieeffekten arbeiten, wenn man zusammenarbeitet. Ich füge sogar provokant an: Es wird die Zeit kommen, wo sich auch Länder zusammentun, um wirklich jede Synergiemöglichkeit auszunutzen.

Das Zweite: Lesen Sie, wenn Sie die Möglichkeit haben, die Entschließung, die unter der Federführung Baden-Württembergs in der letzten Sitzung des Bundesrats beraten wurde. Es geht hier um Entbürokratisierung, also zunächst um das geltende Recht. Wir sind weiter gegangen, und die Bundesregierung hat es ehrlich und aufrichtig als wichtige Hilfestellung akzeptiert, was die 16 Bundesländer miteinander beschlossen haben. Wir haben gesagt: Schafft auch einen Normenkontrollrat wie in Deutschland. In Klammern füge ich hinzu: Edmund Stoiber könnte dies mit beiden Händen zu greifen wissen. Kurzum: Da muss es weiter gehen. Ich bin noch nicht zufrieden mit dem, was jetzt schon konkret überprüft wird.

Das Dritte ist: Wir haben – ich habe im Ausschuss schon darüber berichtet – tatsächlich ganz überraschend viel Einsicht bei der Bundesregierung in der Frage der Zusammenwirkung mit den Ländern erhalten. Der strittige Vorhabensbegriff ist geklärt, und zwar nicht nur, wenn es um gesetzgeberische Dinge geht, sondern umfassend. Auch viele andere Dinge sind geklärt.

Ich muss Ihnen sagen, ich hätte nie geglaubt, dass irgendwann die große Wende kommt. Schon vor Pfingsten kam die gute glückliche Einsicht von oben. Deswegen ist das, was abgeschlossen ist und was wir Ihnen zur Verfügung stellen, jetzt optimal. Die Länder können mitwirken. Aber sie müssen bis an die Grenze dessen gehen, was möglich ist, um auszutesten, ob es so abschließend geregelt ist.

Meine Damen und Herren, an dem Stichwort Daseinsvorsorge müssen wir dranbleiben. Wir haben zwar im Vertrag jetzt – übrigens erstmals in dieser Form – das ausdrückliche Bekenntnis zu regionalen Strukturen. Damit ist ein Stück weit inkludent, dass diese etwas Unterschiedliches regeln und solche Strukturen dann unterschiedlich aufgestellt werden dürfen, aber es ist noch nicht d e r Erfolg. Denn gleichzeitig – das ist der Streit in der europäischen Kultur – gibt man der Kommission den Auftrag, diese ganzen Themen der Daseinsvorsorge im Wege einer EU-Verordnung zu regeln. Ich kann nur dringendst empfehlen, da genau hinzuschauen. Ich will Ihnen noch sagen, dass wir da in unseren gefassten Netzwerken zusammenarbeiten.

Ich will zum Schluss – aber nicht als Vermächtnis – in Ihr Herz legen: Auch wenn wir heute über den Vertrag, also über das ganz große Europa reden – übrigens spürt man beim Thema Daseinsvorsorge in besonderer Weise, wie es sofort tief hinuntergeht –,

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

sollten wir immer wieder daran denken: Die Europapolitik des Landes hat drei Baustellen. Einmal ist es die Mitwirkung im Bundesrat. Dann ist es jetzt der Vertrag. Darüber hinaus ist Baden-Württemberg eigenständig als Region unterwegs, ist in gemischten Kommissionen und überall als Wirtschaftsstandort aktiv. Zum Dritten lesen Sie einmal die Nachrichten

über die Verhandlungen in Bern: Das Dritte ist unsere kleine grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die kleine Außenpolitik, die bei den zu lösenden Themen manchmal vielleicht sogar noch schwieriger sein kann als das ganz große Konzert. Das sei in diesem Sinne gesagt.

All die anderen wichtigen Dinge, die ich schon zu Europa gesagt habe, gelten natürlich weiterhin fort.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Abschnitt I des Antrags ist ein Berichtsantrag. Er ist mit der Aussprache erledigt. – Das wird so akzeptiert.

Abschnitt II beinhaltet ein Handlungsersuchen und erfordert Abstimmung. Wer Abschnitt II des Antrags Drucksache 14/2573 zustimmt, der möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Abschnitt II einstimmig angenommen worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Nachdem ich eine Menge Anfragen bekommen habe – wegen Maibaumaufstellen, Maibaumgießen oder Maibaumüberspringen –,

(Vereinzelt Heiterkeit)

würde ich jetzt einfach festlegen, dass wir die Sitzung bis 13:30 Uhr unterbrechen. – Vielen Dank.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Mittagessen.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

(Unterbrechung der Sitzung: 12:36 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 13:31 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 5:

Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) – Drucksache 14/2176

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Besprechung der Großen Anfrage fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten, und für das Schlusswort fünf Minuten.

Ich darf für die CDU-Fraktion Herrn Abg. Locherer das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute ein Thema auf der Tagesordnung, das aktueller nicht sein könnte. In der letzten Woche haben die Discounter eine weitere Runde im Kampf um die Milchpreise eingeläutet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Leider!)

Lassen Sie es mich so unverblümt sagen, wie ich es meine: Wir brauchen keinen unseriösen und ruinösen Preiskampf. Wir brauchen eine faire Partnerschaft zwischen Produzenten, Händlern und Verbrauchern und keine Politik der Discounter, die unsere Bauern kaputt macht. Das sage ich klar und deutlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zuruf des Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU)

Zweite Vorbemerkung: Alle Medien haben im Gegenzug die Hungerproblematik im Portfolio. Wer glaubt, meine Damen und Herren, die Armutsdebatte zulasten unserer Landwirte führen zu können, handelt unverantwortlich. Da mache ich auch eine klare Ansage, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Baden-Württemberg ist „Kinderland“, Baden-Württemberg ist „Maschinenbauland“, ist „Genießerland“, und – ich sage es voller Stolz – Baden-Württemberg ist auch ein wunderschönes „Winzer- und Bauernland“.

(Abg. Ingo Rust SPD: Und Bäuerinnen!)

Jede offene Stalltür in unserem Land bedeutet Arbeitsplätze vor Ort in den Gemeinden und Wirtschaftskraft, und dies nicht nur im Primärsektor. Ich darf auch voller Stolz und Genugtuung sagen, dass z. B. die Region Oberschwaben erst kürzlich den Kulturlandschaftspreis dafür erhalten hat, dass gerade auch unsere Landwirtschaft so gut aufgestellt ist und die Region Arbeitsplätze sowie Landschaftspflege par excellence anbietet. Zu diesem Preis, den wir eben auch den Landwirten zu verdanken haben, darf ich herzlich gratulieren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.