Protokoll der Sitzung vom 30.04.2008

Das Wort in der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Wolf.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Korrekturen der Landesverfassung sollte man tunlichst sparsam umgehen. Aber wenn – und dies dann auch in großer und parteiübergreifender Übereinstimmung – Korrekturbedarf gesehen wird, darüber gründlich diskutiert wird und entsprechende Initiativen gemeinsam auf den Weg gebracht werden, dann müssen wir uns der damit verbundenen Herausforderung auch stellen.

Wir tun dies, meine Damen und Herren, in zweierlei Hinsicht. Es geht mit den vorgelegten Verfassungsänderungen zum einen darum, an der Schnittstelle zwischen zwei aufeinanderfolgenden Landtagen eine Doppelstruktur zu minimieren. Erinnern wir uns an die letzte Landtagswahl. Die Wahl fand am 26. März 2006 statt und die konstituierende Sitzung am 13. Juni. Wenn Sie so wollen, ist auch dieser Schritt der Minimierung von Doppelstrukturen Teil einer umfassenden Parlamentsreform, die wir unter dem letzten Tagesordnungspunkt auf den Weg gebracht haben und die das Ziel hat, mehr Effizienz, weniger Leerlauf und geringere Kosten zu erbringen.

In der Tat, meine Damen und Herren, ist nicht einzusehen, dass für die Zeit von zweieinhalb Monaten zwischen dem Wahltag und dem Zusammentritt des neuen Landtags vielfach doppelte Kosten entstehen, obwohl die ehemaligen Abgeordneten bereits auf dem Absprung und die neuen noch nicht wirklich am Start sind.

Wir wollen effiziente Strukturen, klare Kompetenzen und Zuständigkeiten und weniger Kosten. Genau dieser Zielsetzung ist die mit dem Gesetzentwurf Drucksache 14/2490 vorgelegte Verfassungsänderung geschuldet.

Ein Zweites, meine Damen und Herren: Es geht heute auch um die verfassungsmäßige Verankerung des Konnexitätsprinzips. Wir werden bei der Beratung des nächsten Tagesordnungspunkts Gelegenheit haben, über das Thema Konnexitätsprinzip im Detail nochmals zu diskutieren. Aber ich möchte an dieser Stelle, wo es darum geht, die Verfassung diesem verstärkten Konnexitätsprinzip entsprechend zu verändern, einige wenige Grundsätze darstellen.

Erstens: Die Stärkung des Konnexitätsprinzips bedeutet für uns einen Pakt des fairen Miteinanders zwischen Land und Kommunen. Ich möchte deswegen auch den Vertretern der kommunalen Landesverbände sehr herzlich für die Gespräche und die Verhandlungen in dieser Frage danken, und ich möchte ihnen dafür danken, dass es gelungen ist, einen gemeinsamen Kompromiss zu finden.

Die Stärkung des Konnexitätsprinzips bedeutet für uns die Zusammenführung von Finanzträgerschaft und Aufgabenträgerschaft in dem Sinne, dass derjenige, der kostenwirksame Gesetze auf den Weg bringt, letztlich auch für die Folgen einstehen muss. Wer eine Rechnung verursacht, soll sie auch bezahlen, meine Damen und Herren. Es war unser Ministerpräsident Günther Oettinger, der im Dezember 2006 diesen breiten Schulterschluss mit den kommunalen Landesverbänden eingefädelt und betrieben hat. Auch dies ist eine Form des

fairen Miteinanders von Land und Kommunen. Dafür möchte ich dem Ministerpräsidenten herzlich danken.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist schön und wohltuend, in diesem Hohen Haus auch einmal eine fraktionsübergreifende Einigkeit zu erzielen und hierzu bei einzelnen wichtigen Fragen imstande zu sein. Lassen Sie uns diesen Schulterschluss im Sinne eines fairen, offenen Umgangs des Landes mit den Kommunen gemeinsam erproben und vollziehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stickelberger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir beschließen heute gleich zwei Verfassungsänderungen. Herr Kollege Wolf, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass man mit Verfassungsänderungen sparsam umgehen sollte. Das hat der Verfassungsgesetzgeber in der Vergangenheit auch so praktiziert. Soweit ich mich erinnere, liegt die letzte Verfassungsänderung fast acht Jahre zurück.

Zudem können Verfassungsänderungen nur in großem Einvernehmen des Parlaments durchgesetzt werden. Ich freue mich über den großen Konsens in diesem Haus, der zu beiden Verfassungsänderungen besteht, die wir heute beschließen sollen. Das ist zum einen die Festsetzung des künftigen Beginns der Wahlperiode des Landtags von Baden-Württemberg, und zum anderen sind das die Regelungen zum Konnexitätsprinzip. Sie stellen eine wichtige Verfassungsänderung dar, wobei, Herr Kollege Wolf, wir damit nicht Neuland betreten, da das Konnexitätsprinzip schon bisher in der Verfassung verankert war. Wir werden das Konnexitätsprinzip präzisieren und erweitern.

Lassen Sie mich erstens zur Neuregelung bezüglich der Wahlperiode einige Sätze sagen. Diese Neuregelung bringt ja mit sich, dass wir die Wahlperiode dieses Landtags um einen Monat verkürzen, und zwar von 60 Monaten auf 59 Monate. Das wäre nicht schlimm. Gleichwohl ist es natürlich immer problematisch, wenn ein Parlament seine eigene Wahlperiode verändert, wenn es sie verkürzt oder auch verlängert. In diesem Fall wird die Wahlperiode verkürzt. Dem steht zunächst das Demokratieprinzip entgegen, und es gilt sorgsam abzuwägen, ob man von der Länge der Wahlperiode abweicht, für die ein Parlament nun einmal gewählt ist.

Ich glaube, in diesem Fall gibt es keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Verkürzung der Wahlperiode um einen Monat nur eine kurze Zeitspanne darstellt, die hinzunehmen ist. Sie ermöglicht es den neuen Abgeordneten, früher ihr Mandat wahrzunehmen. Wir erwecken in der Öffentlichkeit auch nicht den Eindruck, als würden wir zwischen dem Wahltag und dem Zusammentritt des neuen Landtags zu viel Zeit vergehen lassen. Die sitzungsfreie Zeit wird verkürzt. Das sind gewichtige Gründe für eine Neuregelung, und ich glaube, die Rechtsprechung würde diese auch ohne Weiteres tolerieren.

Der Staatsgerichtshof hat zur Verlängerung des Mandats der Gemeinderäte Entscheidungen getroffen und dort geringfügige Abweichungen von der ursprünglich vorgesehenen Wahlperiode für verfassungsgemäß gehalten. So dürfte es auch in diesem Fall sein. Wir begrüßen ausdrücklich diese Verfassungsänderung.

Zum Konnexitätsprinzip: Nach einem langwierigen Prozess kommt es nun zu dieser Verfassungsänderung. Auch ich möchte an dieser Stelle den kommunalen Landesverbänden danken. Ohne deren Beharrungsvermögen und ohne deren Druck

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Oh, oh! Na!)

hätten sich dieses Parlament und insbesondere auch die Regierung sicher nicht bewegt, und wir hätten nicht diese Regelung bekommen, wie sie jetzt auf dem Tisch liegt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Die Neuregelung präzisiert und erweitert das schon bisher verankerte Konnexitätsprinzip und räumt natürlich auch Kritik an den Rechtsprechungen des Staatsgerichtshofs und anderer Gerichte aus, die nicht immer leicht zu lesen waren und die auch bei den Kommunen nicht immer auf Wohlwollen gestoßen sind. Es sind schon sehr bedeutsame Regelungen. Es ist, glaube ich, eine der längsten Verfassungsbestimmungen überhaupt. Es sind Regelungen, die in einem Absatz zusammengeführt werden. Sie zeigen die Komplexität und Kompliziertheit der Materie bei gewachsenen Aufgaben, bei sich verändernden Aufgaben und bei den komplizierten Finanzbeziehungen, wie sie sich zwischen dem Land und den Kommunen entwickelt haben. Diese Finanzbeziehungen werden sich in Zukunft, insbesondere vor dem Hintergrund der Konsolidierung der Haushalte und angesichts des knappen Geldes, nicht leichter gestalten.

Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir die bisher vorliegende Rechtsprechung mit diesen Verfassungsbestimmungen im Einzelnen präzisieren, was die Erweiterung der Tatbestände des Konnexitätsprinzips angeht, aber auch die Präzisierung insbesondere dann, wenn ein Aufgabenzuschnitt geändert wird, wenn Pflichtaufgaben nach Weisung betroffen sind, wenn es um völlig neue Aufgaben geht oder wenn der Landesgesetzgeber Standards vorgibt, die sich letztlich wieder zulasten der Gemeinden auswirken.

Ich glaube, dass wir mit dieser Verfassungsänderung insgesamt auf einem guten Weg sind. Sie muss natürlich, wie die Parlamentsreform insgesamt auch, gelebt werden. Es wird in Zukunft von den Beteiligten abhängen, wie sie mit den Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen umgehen und diese gestalten. Die Verfassung des Landes bietet hierfür für die Zukunft, so glauben wir Sozialdemokraten, eine tragfähige Grundlage. Wir werden deshalb den vorgesehenen Verfassungsänderungen zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Sckerl.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Es liegen uns zwei Gesetzentwürfe zur Änderung der Landesverfassung vor, die beide aus unserer Sicht notwendig, wohlbegründet und zu beschließen sind – auch von uns. Da gibt es keine Frage.

(Beifall des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Die Verkürzung der Wahlperiode des Landtags halten wir verfassungsrechtlich für unbedenklich. Sie bringt uns ein Stück weit wieder näher an das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zurück. Wenn wir ehrlich sind, gestehen wir alle zu, dass uns die Erläuterung, warum es bisher diese Doppelstrukturen und diese langen Übergänge gegeben hat und warum sie heute noch notwendig sein sollen, zunehmend schwerfällt. Ich glaube, die Verkürzung ist für niemanden ein Beinbruch. Der Wechsel kommt schneller. Es entspricht eher den Lebenserfahrungen der Bürgerinnen und Bürger: Wenn im Berufsleben eine neue Periode angetreten wird, sind auch keine enorm langen Übergänge vorhanden, die zu organisieren wären.

Beim Konnexitätsprinzip ist es natürlich eine gute Frage: Wem gebührt der Dank für die Neuregelung, Herr Kollege Wolf? Selbstverständlich erkennen wir schon, dass sich der Stil unter der Regierung von Günther Oettinger etwas geändert hat,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Positiv!)

dass mehr Dialog stattfindet und nicht mehr nur brüsk von oben regiert wird. An diesem Punkt muss man allerdings auch deutlich festhalten: Die Hartnäckigkeit der Kommunen und der kommunalen Landesverbände war schon ausschlaggebend, Herr Kollege Zimmermann. Diese hatten leidvolle Erfahrungen gemacht. Die Stichworte sind gefallen: Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs und viele, viele gescheiterte Verhandlungen über eine moderne und flexible Anwendung des Konnexitätsprinzips bei Entscheidungen, die einfach in einem neuen Licht zu beurteilen waren.

Aus diesem Grunde verstehen und akzeptieren wir auch die sperrige, neue Verfassungsformulierung, die schon etwas ungewöhnlich ist. Aber sie hat ihre Historie und wird deshalb von uns mitgetragen. Wir hoffen, dass damit eine Grundlage geschaffen worden ist, durch die für künftige Finanzverhandlungen zwischen dem Land und den Kommunen alle denkbaren Anwendungsfälle verfassungsrechtlich erfasst sind und den Kommunen damit die Sorge, sie könnten für Aufgaben, die ihnen von Landesseite übertragen worden sind, wieder einmal auf den Kosten sitzen bleiben, dauerhaft genommen wird. Über Einzelheiten der Ausführung reden wir in einer weiteren Runde.

Für diese Änderung der Landesverfassung darf ich seitens unserer Fraktion Zustimmung signalisieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich nun Herrn Abg. Theurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Änderung der Verfassung,

was die Verkürzung der Wahlperiode betrifft, haben die Kolleginnen und Kollegen schon alles ausgeführt. Wir stimmen der Verkürzung ebenfalls zu. Hierfür gibt es gute Gründe.

Der zweite Punkt, die Erweiterung und Präzisierung des in Artikel 71 Abs. 3 unserer Landesverfassung verankerten Konnexitätsprinzips, ist für uns als FDP/DVP-Fraktion der entscheidende Punkt. Ich möchte an dieser Stelle feststellen, dass diese Verfassungsänderung aus Sicht der FDP/DVP-Landtagsfraktion ein großer Tag für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung im Land Baden-Württemberg ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Der erste Ministerpräsident unseres gemeinsamen Bundeslandes Baden-Württemberg, Reinhold Maier, der übrigens der FDP/DVP-Landtagsfraktion angehört hat, hat in einer Rede am 28. November 1959 die „Remstal-Politik“ erläutert.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Er sagte dazu – ich zitiere –:

Remstal-Politik anerkennt unter gar keinen Umständen die Reihenfolge von oben nach unten: Bund, Bundesland, Gemeinden. Zuerst muss unten alles gesund sein, die Gemeinden in Ordnung sein, dann können diese auch das Bundesland auf ihren Schultern tragen und die Bundesländer in dieser Weise fest gegründet ihrerseits wieder den Bund.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Da hat er recht!)

So weit Reinhold Maier im Jahr 1959.

Die kommunale Selbstverwaltung war für unsere Fraktion immer von entscheidender Bedeutung. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, dass in Baden-Württemberg, anders als in anderen Bundesländern, bereits in den ersten Verfassungen das Konnexitätsprinzip enthalten war. Seit 1953 ist dieses Konnexitätsprinzip auch in der Verfassung nicht geändert worden.