Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

(Abg. Thomas Knapp SPD: Wenn sie es uns halt vor- machen!)

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist ein starkes Wirtschaftsland, weil wir glücklicherweise Leute haben, die fleißig arbeiten. Wir sind ein Kultur- und ein Genießerland. Entweder lebe ich nicht in Baden-Württemberg oder Sie nicht. Aber ich darf Ihnen versichern, wir sind sogar großzügig. Wenn in der Festhalle, die ungefähr 100 m Luftlinie von mei nem Haus entfernt ist, ein Popkonzert der Jugend stattfindet, brauche ich bis morgens zwei Uhr kein Radio einzuschalten. Da habe ich beste Unterhaltung.

Deshalb möchte ich die Aussage von Frau Sitzmann aufgreifen: Wo sich das Land nicht einzumischen braucht, sollte es sich heraushalten. Das sagen wir auch immer in Richtung EU.

(Abg. Walter Heiler SPD: Sie verstehen nicht, um was es geht!)

Ich verstehe ganz genau, um was es geht.

(Abg. Walter Heiler SPD: Nein, ich erkläre es Ihnen noch einmal!)

Ich bin der Meinung: Sie haben da vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen. Wir haben heute in Stuttgart – das wurde mir vom DEHOGA noch einmal bestätigt – Öffnungszeiten im Freien bis 24 Uhr.

(Abg. Walter Heiler SPD: Da gibt es übrigens Son- dermodelle!)

Wissen Sie, es gibt auch Leute, die tatsächlich schichten, es gibt Familien mit Kleinkindern, die man früh ins Bett bringt, es gibt ältere Herrschaften, die gern ihre Nachtruhe genießen würden. Es ist einfach so, dass sie, wenn andere Leute mit Autotüren schlagen, nun einmal Probleme haben. Deshalb möchte ich den Satz aus Schillers „Wallenstein“ betonen:

Leicht beieinander wohnen die Gedanken. Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.

Hier ganz besonders.

Meine Damen und Herren, dass die Dienstleistungsbranche und dabei insbesondere der Tourismus für uns im Land außerordentlich wichtig sind und dass wir diese wichtige Branche brauchen und stützen wollen, ist keine Frage. Deshalb haben wir schon heute in Außenbereichen für gastronomische Betriebe die Möglichkeit, die Sperrzeiten so festzulegen, dass sie auskömmlich sind. Ich darf Ihnen versichern, dass keine Polizei mit dem Messgerät vor der Tür steht und das sofort zur Anzeige bringt.

(Abg. Walter Heiler SPD: Oh, oh!)

Aus diesem Grund haben wir hier sehr viele Möglichkeiten, um dem Freizeitbedürfnis unserer Bürger und Bürgerinnen,

laue Sommernächte – so wir denn welche haben wie im Jahre 2003 – auszunutzen, zu entsprechen.

Meine Damen und Herren, mir wäre es sehr viel wichtiger, dass sich die SPD einmal Gedanken darüber macht, wie wir die Gastronomie und die Tourismusbranche sonst noch entlas ten könnten. Ich höre sehr wenig, wenn es darum geht, die Mehrwertsteuer abzusenken, die für die Gastronomie überproportional hoch ist. Wir haben explodierende Preise. Wir haben überzogene Vorschriften. Wir bewirken mit den Rundfunkgebühren erhebliche Belastungen für die Gastronomie und Hotellerie.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Welcher Antrag war das jetzt noch einmal?)

Wir haben hier Kosten aufgrund von Urheberrechten, die europaweit völlig überhöht sind. Es gibt wesentlich wichtigere Dinge in diesem Bereich zu besprechen, als den in den späten Abendstunden zulässigen Lärmpegel um 15 dB(A) anzuheben.

Meine Damen und Herren, überlassen wir diese Sache in Zukunft weiterhin den Gemeinden. Wirken wir als Abgeordnete – Sie sind doch auch noch in Gemeinderäten oder im Kreistag vertreten – darauf hin, dass immer dort, wo es möglich ist, einer Außenbewirtschaftung ein Mehr an Möglichkeiten gegeben wird. Dann, denke ich, ist die ganze Angelegenheit zu unser aller Zufriedenheit geregelt.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Walter Heiler SPD: Mit Sperrzeiten hat das so viel zu tun wie Brustschwimmen mit Fuß- ball!)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Gönner das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will darauf eingehen, dass – das wurde vorhin schon vom Kollegen Lusche in einer Zwischenfrage klargestellt – der Antrag, über den wir heute diskutieren, das Ziel verfolgt, eine Immissionsschutzverordnung für alle Außengaststätten im Land zu erlassen, also eine Art baden-württembergische Biergartenverordnung – vorhin haben wir gelernt, eigentlich wäre eine Weinlaubenverordnung sinnvoller –,

(Abg. Walter Heiler SPD: Oi, oi, oi! In Nordbaden si- cher nicht!)

mit der dann die Lärmgrenzwerte für die Nachtzeit generell eine Stunde später, also ab 23 Uhr, gelten sollen. Jetzt haben Sie, Herr Kollege Heiler, ganz geschickt argumentiert, indem Sie gesagt haben: „Man braucht eine Ruhezeit von acht Stunden. Deswegen legen wir eine Nachtzeit von 23 Uhr bis 7 Uhr fest.“

(Abg. Walter Heiler SPD: Ha, logisch!)

Da kann ich nur sagen – Frau Fauser hat darauf hingewiesen –: Ich glaube, dass derjenige, der neben einer solchen Außengaststätte lebt und wohnt und ungeschickterweise morgens

um fünf aufstehen muss, weil vielleicht um halb sechs seine Schicht anfängt, dazu sagt: „Tolle Idee! Das habt ihr aber gut gelöst. Das hat uns viel geholfen. Schlafen kann ich jetzt halt nicht mehr.“

Ich finde schon, dass man einmal überlegen muss, warum wir neben den Bestimmungen des Gaststättenrechts zusätzlich immissionsrechtliche Genehmigungen haben. Ich halte es nicht für notwendig, neue Regelungen zu treffen. Das ist weder notwendig noch sinnvoll. Es gibt Sperrzeitenregelungen im Gaststättenrecht – das ist klar geworden –, die die Schließungszeiten von Gaststätten und damit auch die möglichen Öffnungszeiten festlegen. Diese werden – das kam auch schon klar heraus – im Land voraussichtlich bald gelockert. Und es gibt diese immissionsschutzrechtlichen Regelungen, um die es hier geht, die festlegen, wie laut es im Außenbereich einer Gaststätte, also z. B. im Biergarten, sein darf. Beide Regelungen bestehen nebeneinander.

Um es zu verdeutlichen: Ein Biergarten mit 300 Plätzen könn te theoretisch unter Lärmgesichtspunkten 24 Stunden am Tag betrieben werden,

(Abg. Walter Heiler SPD: Wenn alle die Gosch hal- ten!)

wenn er sich z. B. im Außenbereich befindet und es keine Anwohner gibt. Ein solcher Biergarten wird allerdings im Wohngebiet bereits tagsüber ein Problem haben, die Richtwerte einzuhalten. Die Immission an dem Ort selbst entscheidet. Entscheidend ist aus Sicht des Lärmschutzes in erster Linie der konkrete Biergarten an seinem konkreten Standort. Es wäre allgemein dahingeredet, wenn man sagt: „Nun verlegen wir die Schließungszeiten eine Stunde nach hinten. Dann sollen die Anwohner halt morgens eine Stunde länger schlafen. Die werden das schon irgendwie einrichten können.“

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir haben im Übrigen das Instrumentarium, um einen Ausgleich zwischen Freizeitinteressen, die Sie mit „Lebensfreude“ umschrieben haben – allerdings will ich zugestehen: ich gewinne den Eindruck, dass Lebensfreude weit über den Besuch eines Biergartens und einer Gaststätte hinausgeht; ich habe zumindest die Hoffnung, dass es so ist;

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

ich kann Ihnen sagen, dass ich auch sonst Lebensfreude habe, ohne dass ich jeden Tag bis 24 Uhr im Biergarten sitze;

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber es ist schon etwas Schönes! So ist es nicht!)

es ist etwas Schönes, es kann zur Lebensfreude dienen, aber nicht ausschließlich; man kann Lebensfreude auch noch woanders beziehen –,

(Abg. Walter Heiler SPD: Im Winter!)

und dem Interesse an einem wirksamen Lärmschutz zu erreichen. Es gibt mit der TA Lärm eine Regelung, die zur Beurteilung von Außengaststätten herangezogen wird. Mit dieser Regelung können unsere Behörden vor Ort im jeweiligen Einzelfall entscheiden, ob der Lärm einer konkreten Außengast

stätte für die Anwohner unproblematisch ist oder nicht. Ihrer Forderung, die örtliche Gegebenheit solle entscheiden, ist also bereits entsprochen. Es gibt die Möglichkeit, hier die entsprechende Regelung zu treffen.

Auf dieser Grundlage werden im Übrigen beide Seiten berücksichtigt, nämlich die Betreiber und die Gaststättenbesucher ebenso wie die Anwohner. Dabei kann im konkreten Einzelfall – und damit dort, wo es vertretbar ist – die Nachtzeit – z. B. die Anwendung der strengeren Werte für die Nacht – bereits jetzt auf 23 Uhr verschoben werden.

(Abg. Walter Heiler SPD: Fünf unbestimmte Rechts- begriffe sind da drin!)

Deswegen sage ich: Wir brauchen keine neue Verordnung. Wir reden auch gern über Bürokratieabbau. Zu Bürokratieabbau gehört auch, dass Regelungen, die nicht notwendig sind, erst gar nicht erlassen werden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Rich- tig!)

Was ich etwas problematisch finde, ist die Begründung des Antrags mit der steigenden Beliebtheit der Außengastronomie. Wenn man das fortsetzt, wäre nämlich die Frage, ob das dazu führt, dass die steigende Beliebtheit der Außengastronomie letzten Endes auch mit einem geringeren Ruhebedürfnis der Anwohner korrespondiert. Das, glaube ich, ist mitnichten der Fall.

Es gilt insbesondere auf eines hinzuweisen – weil immer wieder gesagt wird, Gespräche und durch Gläser verursachte Geräusche seien nicht so schlimm wie Verkehrslärm –: Wer einmal neben einer Gaststätte gewohnt hat, weiß, wie schwer es ist, bei Gläserklirren, Gesprächen und Gelächter einzuschlafen. Die Lärmwirkungsforschung nennt dies die Informationshaltigkeit der Geräusche. Solche Geräusche werden deshalb im Übrigen auch nach einem strengeren Maßstab beurteilt als etwa gleichmäßige Maschinengeräusche. Das hat seinen Grund.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das spürst du so- fort!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte einen weiteren Aspekt ansprechen. Mit der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie werden wir in den nächsten Jahren oder sogar Jahrzehnten den Verkehrslärm schrittweise verringern; das ist sehr aufwendig und teuer. Wollen Sie wirklich, dass wir auf der Verkehrsseite diesen Aufwand zur Lärmminderung betreiben und gleichzeitig im Freizeitbereich neue Lärmprobleme schaffen? Ist das die Art und Weise, wie wir Politik machen? Ich will mich jetzt nicht darüber auslassen, wer sich bei welchen Themenbereichen wofür einsetzt – etwa wenn wir auf die Filder schauen. Aber wir sollten uns schon einmal fragen, ob das eine noch mit dem anderen zusammenpasst.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr wahre Worte! Sehr gut!)

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich deutlich sagen: Natürlich ist es wunderbar, an einem warmen Sommerabend im Biergarten zu sitzen und den Tag