Protokoll der Sitzung vom 23.07.2008

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Ihnen heute einen Entschließungsantrag vorgelegt, mit dem wir Sie bitten, den Stufenplan, den Sie ja im Grunde schon seit Jahrzehnten versprochen haben, endlich umzusetzen. Wir schlagen vor, dass dieser Stufenplan zur Anhebung der Zuschüsse an die Schulen in freier Trägerschaft in zwei Stufen umgesetzt werden soll. Im Jahr 2009 soll die Anhebung nach dem Bruttokostenmodell auf 75 % erfolgen, und im Jahr 2010 schließlich soll die Anhebung auf 80 % erfolgen.

Mit diesem Stufenplan, mit dieser Anhebung auf 80 % der Kosten eines Schülers an staatlichen Schulen wollen wir den Schulen in freier Trägerschaft ja schließlich keine besondere Vergünstigung oder gar Luxus ermöglichen, sondern hier geht es um ein verfassungsrechtliches Gebot. Das Grundgesetz schreibt ganz klar ein Sonderungsverbot für die Schulen in freier Trägerschaft vor. Das heißt, die Schulen in freier Trägerschaft dürfen die Schülerinnen und Schüler nicht nach den Besitzverhältnissen der Eltern aufnehmen. Deshalb ist es geboten, dass eine Finanzierung erfolgt, die es Kindern aus allen Familien ermöglicht, alternativ zu den öffentlichen Schulen eine Schule in freier Trägerschaft zu besuchen. Das ist das verfassungsrechtliche Gebot, und das muss jetzt endlich, nach Jahrzehnten der ungenügenden Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft, schnell erreicht werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, würden wir auch den Schulen in freier Trägerschaft ermöglichen, an der von Ihnen jetzt, wie Sie sagen, in die Wege geleiteten Bildungsoffensive teilzunehmen. Wenn Sie sagen, Sie nehmen 500 Millionen €, eine halbe Milliarde Euro, in die Hand, um die Schulen besser zu versorgen, dann ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, auch die Schulen in freier Trägerschaft jetzt zeitnah an dieser Bildungsoffensive zu beteiligen,

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

zumal sie eben chronisch unterfinanziert sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin seit zwölf Jahren im Landtag. Schon damals gab es jahrelang Versprechungen der heutigen Regierungsfraktion FDP/DVP. Schon damals hat der seinerzeitige bildungspolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion Pfister gesagt, dass das Bruttokostenmodell schnell kommen muss. Er hatte schon damals, vor 15, 16 Jahren, versprochen,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

dass damit auch der Stufenplan in die Wege geleitet wird. Deshalb gibt es jetzt aus unserer Sicht keine Entschuldigung mehr dafür, dass Sie nicht heute mit diesem Gesetzentwurf gleichzeitig diesen Stufenplan mitbeschließen. Wie gesagt – Kollege Mentrup hat ja schon darauf hingewiesen –, liegen Ihnen heute zwei entsprechende Änderungsanträge vor.

Ich möchte hier, auch wenn es sich bei unserem Antrag um einen Entschließungsantrag handelt, klarstellen, dass wir Grünen, wenn es nach uns gegangen wäre, schon längst die Anhebung auf 80 % erreicht hätten; denn ab dem Jahr 2005 haben wir immer, bei allen Haushaltsberatungen, die Einstellung von um jährlich 5 Millionen € steigenden Anhebungsbeträgen gefordert. Das heißt, wir wären heute, wenn dies in den beiden vergangenen Haushalten umgesetzt worden wäre, schon auf 20 Millionen €, und wir wären demnach bis zum Jahr 2010 – wie auch in unserem Änderungsantrag vorgesehen – auf 30 Millionen €. So haben wir jetzt diese zwei Stufen vorgesehen und hoffen, dass Sie, Frau Berroth, die Sie ja mit Frau Lazarus dankenswerterweise auch an der Entwicklung des Bruttokostenmodells beteiligt waren, das endlich ein transparentes System ermöglicht hat, hier auch ein klares Signal setzen. Natürlich würde ich mich sehr freuen, wenn die FDP/ DVP-Fraktion heute zustimmen würde.

Lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zu den Schulen in freier Trägerschaft sagen. Wir Grünen stehen für den gesunden Wettbewerb zwischen den öffentlichen Schulen und den Schulen in freier Trägerschaft. Wir haben die Schulen in freier Trägerschaft immer als wichtiges, als belebendes Element in unserer Bildungslandschaft gesehen und gewertet. Viele der Innovationen, die heute an den allgemeinbildenden öffentlichen Schulen und auch an den beruflichen Schulen Eingang gefunden haben, sind in den Schulen in freier Trägerschaft entwickelt worden. Von daher stehen wir auch für eine solche vielfältige Bildungslandschaft in Baden-Württemberg ein.

Ich sage dazu aber auch, was ich bereits bei der ersten Lesung gesagt habe – dies geht in die Richtung, die auch Kollege Mentrup heute dargelegt hat –: Wir wollen zugleich erreichen, dass Eltern in diesem gesunden Wettbewerb zwischen freien Schulen und öffentlichen Schulen auch zwischen Profilen wählen können und sie ihre Kinder nicht deshalb in eine Privatschule überwechseln lassen, weil in öffentlichen Schulen Probleme oder Missstände vorhanden sind. Eltern haben einen Anspruch darauf, dass solche Missstände beseitigt werden. Das ist unser Prinzip, wenn es um Schulen in freier Trägerschaft geht. Daran halten wir fest.

Ich möchte noch ein Wort an Sie richten – –

(Glocke der Präsidentin)

Frau Kollegin, kom men Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Ich möchte noch in Wort an Sie richten, Frau Berroth, weil Sie in der ersten Lesung gesagt haben: Lassen Sie uns nach Holland schauen, wo 80 % der Schulen Schulen in freier Trägerschaft sind und der Staat sparen kann, wenn er nur 80 % der Kosten eines Schülers an einer staatlichen Schule bezahlt. Der Vollständigkeit halber möchte ich dazu sagen: In Holland bekommen die Schulen in freier Trägerschaft 100 %, das heißt, sie werden genauso finanziert wie die öffentlichen Schulen, und die Autonomie der Schulen ist bei staatlichen und privaten Schulen völlig identisch. Wenn das also Ihr Ziel ist, müssen Sie heute umso mehr ein Signal setzen und die Mindestquote von 80 % zusichern.

Insofern hoffe ich auf Ihre Unterstützung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth für die Fraktion der FDP/DVP.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt kommt die Rol- le rückwärts! – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Vorwärts geht’s jetzt!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Mentrup, ich hoffe, Sie nehmen wahr, dass ich nicht die bildungspolitische Sprecherin unserer Fraktion, sondern die finanzpolitische Sprecherin bin. Ich bin sehr bewusst in dieser Funktion hier; denn das, was wir heute besprechen, kann nicht das Kultusministerium allein durchziehen, sondern das Finanzministerium hat zu Recht ein gewichtiges Wort mitzureden.

Aber nun zum Thema. Die Überschrift meines heutigen Beitrags lautet: Wir halten Wort.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Vielleicht Kurs, aber nicht Wort!)

Was wir heute machen, ist die erste Stufe der Umsetzung dessen, was wir beraten und versprochen haben. Die Schulen in freier Trägerschaft leisten sehr wohl das, was in § 1 des Privatschulgesetzes steht: Sie bereichern das Schulwesen, sie er

gänzen das Angebot im Rahmen der freien Schulwahl und fördern das Schulwesen durch besondere Inhalte und Formen der Erziehung und des Unterrichts. Allerdings, Herr Mentrup, ist es doch ein starkes Stück, dies allein als Seismograf zu betrachten.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ja!)

Nein, wir bringen den Schulen in freier Trägerschaft große Wertschätzung und Anerkennung für das entgegen, was sie leisten. Ihnen gilt unser Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Zuhören!)

Sie haben gesagt, Sie brauchten sie als Seismograf. Ähnlich haben Sie sich auch in den letzten Wochen des Öfteren geäußert. Sie haben es als Menetekel, als große Gefahr an die Wand gemalt, dass die Schülerzahl an den Schulen in freier Trägerschaft steigt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP zur SPD: Ja was wol len Sie jetzt?)

Sie nehmen dabei eine ganz zwiespältige Position ein, und dazu sollten Sie sich auch bekennen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir haben den ersten Schritt – es ist zugegebenermaßen ein zäher Prozess – am 11. November 2004 gemacht, als wir im Landtag die stufenweise Anhebung auf 80 % beschlossen haben. Am 22. Februar 2006 haben wir die Definition des Bruttokostenmodells im Gesetz verankert – ein ganz wichtiger Schritt, wie Sie noch merken werden –, und wir haben – deswegen brauchen wir heute Ihre Anträge nicht zu beschließen, Herr Mentrup und Frau Kollegin Rastätter – das, was Sie wollen, schon im Koalitionsvertrag beschlossen. Dort steht:

Wir werden ab dem Jahr 2008 die stufenweise Erhöhung des Kostendeckungsgrades auf 80 % umsetzen…

Wir müssen das heute doch nicht noch einmal beschließen. Wir machen das.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Bis wann?)

Bis 2011. So lange läuft unser Koalitionsvertrag. Das ist auch klar.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Schwätzen, schwät- zen, schwätzen!)

Jetzt muss man eines hinzufügen: Wir sind auf einem guten Weg, auch hinsichtlich des Bundesthemas der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Schulgebühren, das im Ausschuss besprochen wurde. Glücklicherweise wurden – wie von Ihnen zu Recht angemahnt – in dem inzwischen vorliegenden Beschluss des Bundeskabinetts dem Referentenentwurf die Giftzähne gezogen, die darin in der Tat enthalten gewesen sind.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Kommen Sie zum The- ma!)

Inzwischen ist das aus meiner Sicht völlig in Ordnung, und die eingezogene Obergrenze ist absolut sozialverträglich.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das hat aber mit dem The- ma nichts zu tun!)

Heute Morgen hatten wir eine Debatte zur Bildungsoffensive. Es wurde mehrfach deutlich gesagt, dass wir richtig kräftig Geld in die Hand nehmen. Dann muss man an der jetzigen Stelle sagen: Jetzt stehen wir an einem Punkt, wo das Bruttokostenmodell zum ersten Mal richtig deftig durchschlägt. In dieser Vereinbarung zur Bildungsoffensive steht nämlich auch deutlich:

Folgen für die Privatschulförderung ergeben sich aus dem Privatschulgesetz

siehe § 18 a –

und werden in den Haushalten 2009 ff. umgesetzt.

Das ist die nächstbeste Möglichkeit, Herr Mentrup.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Das heißt, wir haben jetzt genau das beantragt, was auch Sie wollen! – Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Dann dürfen Sie ja un- seren Antrag nicht ablehnen!)

Die sukzessive Absenkung des Klassenteilers auf 28 Schüler wird sich ganz deutlich bemerkbar machen.