Wen, Herr Ministerpräsident, wollen Sie davon überzeugen? Da es so ein schwaches Argument ist, hoffen wir alle, dass das auch bald fällt.
Herr Kollege Kretschmann, gestehen Sie mir zu, dass an den Krankenhäusern da, wo dies dringend notwendig war, ein Notdienst eingerichtet wurde, dass ich mir aber nicht vorstellen kann, dass Lehrer,
(Lachen bei der SPD und den Grünen – Abg. Rein- hold Gall SPD: Jesses! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Herr Kretschmann, das brauchen Sie nicht zu beantworten!)
und dass das Land es zu organisieren hat, wenn die Eltern nicht zur Arbeit kommen, weil an Schulen gestreikt wird?
Oh Jesses Gott! Frau Kollegin Berroth, Streiks sind für diejenigen, die das betrifft, immer unerquicklich,
egal ob das den Müll betrifft oder die große Strafe, dass ein Schüler dann keine Klassenarbeit mehr schreiben darf.
Das ist natürlich alles unerquicklich. Aber das gehört nun einmal zum Sinn des Streikrechts. Sonst hätte es nämlich gar keinen Sinn, dass Streiken irgendwie auch Stress macht.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Müll kann ich stehen lassen, aber Kinder kann ich nicht abstellen! Eben drum!)
(Heiterkeit bei den Grünen und der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: So ist es! Dann würde es ja je- der machen! – Gegenruf der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Sie kapieren nicht, worum es geht!)
Frau Kollegin Berroth, was Sie gesagt haben, war einfach nicht sehr logisch. Ich glaube, ein Streik an Schulen ist wirklich nicht schlimmer als ein Streik an einem Krankenhaus.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Gun- dolf Fleischer CDU: So weit kommt es noch, dass der Kretschmann streiken darf!)
Lassen Sie mich zum Schluss noch, Herr Ministerpräsident, etwas zur Atomkraft sagen. Zunächst einmal sind Sie im Bund an einer Regierung beteiligt, bei der Ihr Koalitionspartner am Ausstieg festhält. Dazu ist ein Vertrag mit der Industrie abgeschlossen worden,
in dem sich die Industrie verpflichtet hat, das umzusetzen. Es gibt gar keinen Grund, ihn zu ändern.
Wer das tut, nimmt den Druck aus der Umgestaltung unserer Energielandschaft – das möchte ich besonders Ihnen einmal ans Herz legen, Herr Ministerpräsident – hin zu einer mittelständisch orientierten Energiewirtschaft, weg von den großen Monopolen, und zweitens auch hin zu einer dezentralen Energiewirtschaft mit den drei E als Säulen, die Sie ja freundlicherweise in Ihrer Regierungserklärung ausgebreitet haben.
Was die Energiekonzerne machen, wenn sie übriges Geld haben, haben wir bei Eon gesehen: Dort gab es den Versuch, sich bei anderen Energieversorgern in Europa einzukaufen. Wozu wird das führen? Dazu, dass der Wettbewerb auf unserem Energiesektor noch mehr untergraben wird, anstatt dass er gestärkt wird.
Wenn Sie wirklich etwas für unseren Mittelstand in diesem Bereich tun wollen, dann setzen Sie sich kraftvoll dafür ein, dass die Regulierungsbehörde endlich faire Bedingungen für alle anderen Netzanbieter schafft.
Sie hatten Mut und haben die Effizienzrevolution, die wir vorgeschlagen haben, für die baden-württembergische Industrie übernommen, allerdings noch nicht die Instrumente benannt, mit denen Sie das erreichen können. Aber die werden wir Ihnen nennen und Sie auffordern, dies dann umzusetzen. Dann können wir bis zum Abschaltzeitpunkt von Neckarwestheim I einsparen; da besteht für mich gar kein Zweifel.
Im Wahlkampf habe ich das „Hohenloher Modell“ besucht. Da haben sich 150 mittelständische Unternehmer zusammengeschlossen, um in ihren Bereichen kraftvoll Energie einzusparen. Das ist auch sehr gut gelungen. Solche Modelle für Handwerk und Mittelstand auf das gesamte Land zu übertragen ist das Gebot der Stunde. So tun wir direkt etwas für die Wertschöpfung in unserem Land und schaffen Arbeitsplätze in allen Regionen des Landes. Das ist der richtige Weg – aber sicher nicht, stattdessen an Altindustrien und deren Verlängerung festzuhalten. Wer das tut, gerät ins Hintertreffen, wie die Kohlesubventionen in NRW gezeigt haben. Wir aber wollen Motor auf den Weltmärkten sein. Das ist die richtige Linie.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war zum Teil durchaus spannend, was wir in den letzten Stunden zu hören bekommen haben.
Mit Verlaub, Frau Vogt: Wenn ich vor allem das Revue passieren lasse, was Sie heute Morgen gesagt haben, dann gewinnt der Begriff Morgengrauen für mich eine ganz neue Bedeutung.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Rein- hold Gall SPD: Stehen Sie so spät auf?)
Ich möchte schon einmal auf ein paar Punkte eingehen. Sie haben viel von Zaudern und Zögern geredet, von Mut und Vorschlägen.
Und von bremsenden Beifahrern. Zu diesem schönen Bild komme ich auch noch; dieser ganze Vergleich gefällt mir nämlich sehr gut.
Meine Damen und Herren, die entscheidende Frage muss doch lauten: Wer steht eigentlich zu welchem Zeitpunkt zu welchen Inhalten? Vor allem: Wie vermittelt er diese? Dazu möchte ich jetzt einfach einmal einige Punkte durchdeklinieren: Was macht die Regierung? Was machen die sie tragenden Fraktionen? Was macht die Opposition?
Das Thema Studiengebühren ist vorhin mehrfach angesprochen worden. Ich will dies in einem Punkt einmal erweitern. Es ist schon so, Frau Vogt, dass wir zu etwas früheren Zeiten gar nicht so weit auseinander waren. Ich zitiere einmal aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 17. Oktober 2003:
Man muss Solidarität auch einfordern, nicht nur von Stärkeren, sondern auch von denen, die unterstützt wurden und denen es dann wieder besser geht. Das gilt ganz allgemein. Warum sollte es zum Beispiel nicht möglich sein, Leuten, die nach einem Studium im Beruf erfolgreich sind, rückwirkend eine Leistung für ihren gebührenfreien Besuch der Universität abzufordern?
(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Reinhold Gall: Das müssen Sie doch auswendig können! Das ha- ben Sie schon so oft zitiert!)
Für mich ist eine solche Überlegung kein Schreckgespenst mehr. Damit könnte man der Gesellschaft etwas von dem zurückgeben, was man von ihr erhalten hat.