Protokoll der Sitzung vom 28.06.2006

Das allgemeine und das kommunale CO2-Minderungsprogramm werden sehr stark nachgefragt. Die vorliegenden Anträge werden die Fördermittel voraussichtlich ausschöpfen. Bitte stellen Sie keine weiteren Anträge.

So kommt man gewiss nicht auf Spitzenpositionen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Beim Thema Flächenverbrauch, Herr Ministerpräsident, kann man sich gar keine radikaleren Ansagen vorstellen. Wo sind die Instrumente? Fehlanzeige! Wir haben sie genannt: handelbare Flächenzertifikate, Mengenziele in den Regionalplänen, Berücksichtigung im Landes-Städtebauprogramm. All das wurde von Ihnen abgelehnt!

Dann kommt: Unsere Autos verbrauchen zu viel Sprit. Sie sagen, hier hätten wir als Exportland eine besondere Chance. Wenn wir die Innovation schafften, komme sie weltweit an, weil die Technik durch den Export automatisch die Welt erreiche. Das habe ich hundert Mal in fast den gleichen Worten im Wahlkampf erzählt. Koalitionsvereinbarung? Nichts steht dazu drin.

Herr Oettinger, wenn das mehr als grünes Feuilleton sein soll,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: „Grünes Feuille- ton“! Interessante Formulierung!)

dann müssen Sie dazu einen substanziellen Vorschlag machen. Da die Selbstverpflichtung der europäischen Automobilindustrie diese Ziele offenbar nicht erreicht, geht es nur, indem man ganz klare Verbrauchsobergrenzen für Fahrzeugklassen festlegt. Ohne dass Sie das vorschlagen und im Bundesrat durchsetzen, wird dieses hehre Ziel nicht erreicht werden.

(Beifall bei den Grünen)

Da sind wir einmal sehr gespannt.

Wir müssen – das möchte ich am Schluss des Ökologieteils meiner Rede noch sagen – natürlich auch Kontrapunkte zur Globalisierung setzen. Wir wollen unsere Heimat ja schließlich auch bewahren. Wir haben eine reiche Kulturlandschaft, und die können wir nur erhalten, indem wir das Dreieck Landwirtschaft, Tourismus und Naturschutz in den Mittelpunkt der Politik für den ländlichen Raum stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Minister Pe- ter Hauk: Ja, genau! – Unruhe bei den Grünen)

Jeder weiß, dass im Tourismus in Baden-Württemberg genauso viele Leute wie in der Automobilindustrie beschäftigt sind. Das müssen wir stärken. Tourismus gibt es nur mit schönen Landschaften, also brauchen wir Naturschutz. Der Naturschutz ist auf die Landwirtschaft angewiesen; denn nur sie erhält die Landschaften offen. Dazu kommt der Landwirt als Energiewirt. Das ist genau das Dreieck, aus dem in Zukunft die Wertschöpfung im ländlichen Raum erfolgen wird. Ich fordere Sie, Herr Ministerpräsident, und die CDU-Fraktion auf, dafür zu sorgen, dass der Kampf zwischen Landwirten und Naturschützern endlich aufhört und wir da zu einem kooperativen Miteinander kommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Ministers Peter Hauk)

Kontraproduktiv ist es natürlich in diesem Zusammenhang, wenn man sich, Herr Landwirtschaftsminister, nicht ganz klar gegen die Agrogentechnik stellt. Die Agrogentechnik ist genau das Mittel, um dieses magische Dreieck zu zerstören. Wir können nicht mit den Billigprodukten aus anderen Ländern konkurrieren. Das wollen wir auch gar nicht. Deswegen muss die Agrogentechnik heraus aus Baden-Württemberg. Die Verbraucher wollen sie nicht. Es ist unverantwortlich, gentechnisch veränderte Pflanzen freizusetzen; denn wir können nach einer Freisetzung in BadenWürttemberg nicht verhindern, dass es zu Auskreuzungen kommt. Also brauchen wir endlich ein klares Bekenntnis von Ihnen gegen die Agrogentechnik.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Ich muss in der ersten Runde zum Schluss kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Ute Vogt SPD: Was ist denn das für ein Stil?)

Ihr dialogischer Stil, Herr Ministerpräsident – auch der, den Sie, Herr Mappus, angeboten haben –, ist richtig. Wir nehmen diesen Stil ernst. Aber wir nehmen Sie auch beim Wort. Wir machen hier keine Mäkelopposition, sondern wir machen hier eine konstruktive Opposition, die Vorschläge macht. Ich habe Ihnen gerade in einer langen Rede gezeigt, dass wir sie schon immer gemacht haben und Sie sie meist abgelehnt haben. Die erste Adresse für einen Dialog aber, Herr Ministerpräsident, sind nicht Verbände, sondern ist der Landtag von Baden-Württemberg mit seinen Ausschüssen.

Jetzt kommt die Nagelprobe, ob Ihr Dialogangebot ernsthaft ist. Die Nagelprobe ist ganz einfach: Werden Sie auch in Zukunft wichtige Anträge der Opposition in den Ausschüssen ohne Begründung ablehnen, oder werden Sie in Zukunft auf jeden wichtigen Antrag von uns insbesondere auch bei den Haushaltsberatungen qualifiziert eingehen und, wenn Sie ihn ablehnen, darlegen, warum? Das wird die entscheidende Nagelprobe sein, ob sich in diesem Parlament etwas ändert. Nur dieser sachorientierte Streit wird das Parlament auch interessant und attraktiv machen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Nur eine ernsthafte Auseinandersetzung um die richtigen Ziele und Konzepte sowie die Mittel, wie wir sie erreichen, ist die Grundlage dafür, dass die Leute auch in Zukunft etwas zu lachen haben.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was?)

Denn nur der Streit in der Sache kann dazu führen, dass wir keine Schulden mehr machen und dass wir eine grundlegende Parlamentsreform durchführen, nach der wir diese Ziele dann auch so erreichen können, dass unsere Debatten attraktiv sind. Wenn wir das gemacht haben, können wir auch über einen Neubau des Landtags nachdenken. Ich persönlich schlage als Variante – weil mir dieser Landtag eigentlich gut gefällt – vor, dass wir, falls es denn tatsächlich zu einem Umbau kommen sollte, hier ein lichtes Dach

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Lichthof!)

einbauen lassen, damit ich dann, wenn ich wieder einmal verzweifelt auf der Oppositionsbank sitze, weil Sie stur und uneinsichtig sind, wenigstens einen Blick zum Himmel richten kann und das Stoßgebet

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Das nützt aber nichts!)

sagen kann: Herr, schmeiß Hirn ra!

(Anhaltender Beifall bei den Grünen – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit)

Das Wort erteile ich dem Vorsitzenden der Fraktion der FDP/DVP, Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! CDU und FDP/DVP – ich meine nicht die Koalition, sondern die zwei Parteien – haben in der Tat von den Wählerinnen und Wählern dieses Landes im vergangenen März einen klaren Auftrag zur Fortsetzung ihrer erfolgreichen Politik und damit ihrer Koalition erhalten. Wenn man einmal einigermaßen objektiv versucht, andere Alternativen zu betrachten, und nun gehört hat, was die Fraktionsvorsitzenden von Rot und Grün gesagt haben, und zudem nach Berlin schaut und dort sieht, was es bedeutet, wenn zwei Parteien mit völlig unterschiedlicher Denkweise versuchen müssen, gemeinsame Regierungsarbeit zu leisten, dann kann man das Ergebnis derzeit in Berlin wunderbar nachvollziehen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie wollten doch objek- tiv bleiben! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nichts gegen Frau Merkel!)

Herr Kollege Kretschmann, ich empfehle Ihnen, einfach immer alle Wahlprogramme zu lesen, wenn Sie glauben, dass manche Sätze – die durchaus richtig sind –, die bei Ihnen stehen, bei niemand anderem stünden. Sie stehen teilweise in den Programmen der SPD, teilweise in denen der CDU und teilweise auch in denen der FDP/DVP. Dann zu sagen, das hätten diese Parteien bei Ihnen abgeschrieben, ist schon sehr merkwürdig.

Frau Vogt, nun zu Ihnen und zu der Frage, was Sie denn dem Ministerpräsidenten an Rahmenbedingungen empfehlen. Ich höre da Sätze im Zusammenhang mit der Forde

rung, Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen, die deutlich machen, dass Ihnen nichts Besseres einfällt, als zu sagen: „Treten Sie der Wirtschaft einmal auf die Füße!“ Diese Aufforderung haben wir gerade gebraucht, denen, die Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen sollen – also den kleinen und mittleren Unternehmen und den freien Berufen –,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Von denen reden wir nicht! Wir reden von anderen!)

erst einmal auf die Füße zu treten.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das ist nicht unsere Aufgabe. In der Tat besteht eine gemeinsame Grundüberzeugung der beiden Regierungsfraktionen, dass das nicht der Weg sein kann.

Ein weiteres Beispiel ist Ihre Äußerung von der „verkommenen Privatisierung“. Habe ich das richtig verstanden? Falls ich das nicht richtig verstanden haben sollte, müssten Sie mir noch einmal erläutern, was Sie gemeint haben. Jedenfalls zeigt sich doch auch da offensichtlich, dass Sie nicht verstanden haben, dass der grundsätzliche Ansatz „Privat vor Staat“ nichts mit „verkommenen“ Überlegungen in Bezug auf eine Sanierung des Haushalts zu tun hat, sondern dass es eine ordnungspolitische Grundüberzeugung ist, dass der Staat sich künftig auf seine Kernaufgaben zu beschränken hat, und dass wir dies genau deswegen hier jetzt noch viel konkreter als bisher, auch unter Zuhilfenahme konkreten externen Sachverstands, einmal definieren wollen.

Kollege Kretschmann, in der Tat: Was den echten hoheitlichen Kernbereich angeht, lasse ich mich gerne von Ihnen beschimpfen. Wir stehen jedoch dazu, dass wir dort nach wie vor auf das Beamtentum setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich glaube, dass das Signal, das von unserer Koalitionsvereinbarung und auch von der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten ausgeht, wirklich das sein muss, den Menschen nicht Angst vor mehr Verantwortung und vor mehr Eigeninitiative zu machen, sondern ihnen wirklich Mut zur Eigenverantwortung, Mut zur Risikobereitschaft, Mut zur Leistungsbereitschaft und ein Stück weit auch Mut zum Wettbewerb zu machen. Wir wollen gemeinsam alles tun, um die gute Leistungsbilanz der vergangenen zehn Jahre dieser Regierung weiter zu verbessern und die Spitzenstellung unseres Landes zu erhalten und auszubauen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir wissen aber auch – wir sind nicht überheblich –, dass wir noch Defizite zu verzeichnen haben. Wir müssen vor allem – da möchte ich jetzt dem, der sagt: „Ihr habt irgendein Thema weggelassen“, entgegenhalten, liebe Frau Vogt: es ist einfach nicht möglich, alles in einer Rede unterzubringen –

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ein bisschen hätte schon hineingehört!)

die Probleme, Chancen und Risiken des demografischen Wandels bewältigen. Das ist für uns die Generallinie, unter

die wir diese Debatte gerne stellen möchten. Denn Sparen ist in der Tat kein Selbstzweck, sondern soll dazu dienen, dass wir endlich Schluss damit machen, Politik zulasten nachfolgender Generationen zu machen. Wir dürfen nicht nur in der Rentenversicherung, nicht nur in der Sozialversicherung, sondern auch in der Haushaltspolitik ganz konkret nicht weiter Politik zulasten nachfolgender Generationen machen. Nichts anderes bedeutet unser generelles Ziel, dass wir Schluss machen müssen mit dem weiteren Marsch in einen Schuldenstaat.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD: Wie?)

Ich freue mich insbesondere, dass Herr Pauli als mutiger Mitstreiter sicherlich mit uns gemeinsam daran arbeiten wird.

In der Tat hat deswegen dieses Thema, weil es ja im Haushalt immer konkret wird, die Neuverschuldung null für 2011, oberste Priorität. Denn wir können und wollen übrigens auch nicht so, wie es gerade in Berlin gemacht wird, an der Einnahmenschraube drehen. Wir können es nicht, weil wir gar keine Steuerautonomie haben; aber wir wollen es auch nicht, weil das immer die einfachste Art ist, Haushalte zu sanieren oder zu konsolidieren.