Protokoll der Sitzung vom 28.06.2006

In der Tat hat deswegen dieses Thema, weil es ja im Haushalt immer konkret wird, die Neuverschuldung null für 2011, oberste Priorität. Denn wir können und wollen übrigens auch nicht so, wie es gerade in Berlin gemacht wird, an der Einnahmenschraube drehen. Wir können es nicht, weil wir gar keine Steuerautonomie haben; aber wir wollen es auch nicht, weil das immer die einfachste Art ist, Haushalte zu sanieren oder zu konsolidieren.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

Diese Steuererhöhungs- und Abgabenorgie, die derzeit auf Bundesebene stattfindet, ist nicht unser Weg. Im Schwabenland weiß man – dies ist eine uralte Weisheit –: Nicht vom mehr Einnehmen wird man reich, sondern vom weniger Ausgeben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir haben es nun in der Tat selber in der Hand, bei den Ausgaben zu steuern –

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

selbstverständlich unter der Berücksichtigung, dass wir keine überzogenen Annahmen bezüglich des Wachstums machen, aber selbstverständlich im Bewusstsein, dass wir den Rahmen schaffen müssen, damit Wachstum stattfindet; denn sonst sind alle unsere Bemühungen nichtig. Wir werden trotzdem nicht quasi von selbst durch Wachstum diese strukturellen Defizite wegbekommen.

Deswegen hat mich die Diskussion über den „Sanierungsfall Deutschland“ schon ein bisschen gewundert.

(Abg. Ute Vogt SPD: Mich auch! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Müssen wir jetzt den Haus- halt sanieren oder nicht?)

Eben, deswegen müssen wir den Haushalt sanieren. – Wer sich einmal ein bisschen in der Bevölkerung umhört, der merkt doch, dass die Leute latent durchaus spüren, dass wir – egal, wem man jetzt die Schuld zuschieben will – wirklich an dem Punkt sind, wo zwar jeder sagt: „Möglichst nicht bei mir“, aber im Grunde genommen jeder weiß: Wir werden nicht ohne strikte Einschnitte und Einsparungen auskommen. Genau darum geht es jetzt: dass wir ein Ge

samtkonzept entwickeln, das nicht einfach planloses Sparen, zielloses Sparen beinhaltet, sondern wo wir wirklich in der Tat – –

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Was haben Sie in den letzten zehn Jahren gemacht? – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ihr regiert doch schon seit zehn Jahren!)

Das haben wir schon seit zehn Jahren gemacht,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber das Ergebnis war mager, ganz mager!)

aber wir müssen diese Anstrengungen noch verschärfen. Wir haben zum Beispiel das Subsidiaritätsprinzip, um mehr Privattätigkeit vor staatlicher Tätigkeit möglich zu machen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: „Staatsan- zeiger“!)

Wir haben Aufgaben auf freie Träger übertragen.

Frau Vogt, unter privat verstehen wir nicht zwingend AGs, sondern das können bürgerschaftlich Engagierte, Genossenschaften und freigemeinnützige Einrichtungen sein. Das ist doch der Weg, dass der Staat ein Stück weit Aufgaben an die Bürgerinnen und Bürger zurückgibt und dass dadurch nicht nur Risiken entstehen, weil natürlich Arbeitsplätze beim Staat abgebaut werden, sondern dass neue Chancen, neue Arbeitsplätze in der Wirtschaft entstehen. Darum geht es doch letztendlich.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Also jetzt: Wo wird gespart, Herr Dr. Noll? Was wird gestrichen? Wir wollen es wissen! Was wird gestrichen? Nicht kritisieren, streichen! Was denn?)

Dass wir in dieser Aufgabenkritik auch externen Sachverstand brauchen, zeigt sich leider immer wieder, weil man einfach manchmal in der ganzen Diskussion auch fachlichen Rat braucht, wo wir – man ist ja oft, im eigenen Saft schmorend, gar nicht in der Lage, alles auf Anhieb zu erkennen – in der Tat externen Sachverstand mit einbeziehen wollen. Heute früh hat eine erste Sitzung, in der wir das weitere Vorgehen beschlossen haben, stattgefunden. Also wir reden nicht nur davon, sondern wir machen das.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Mehr Gutachten!)

Um dieses Ziel zu erreichen, ist natürlich, Herr Kollege Kretschmann, das Thema Personalkosten – das ist überhaupt keine Frage – der Schlüssel für die Sanierung des Haushalts.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Sie haben moniert, dass man einzelnen Vorschlägen von Ihnen nicht sofort zugestimmt hat. Aber ich sage Ihnen an dieser Stelle: Es geht genau darum, auch einen Dialog mit den Betroffenen zu führen und nicht mit einzelnen Kürzungsmaßnahmen zu kommen, sondern ein Gesamtkonzept

für den Personalbereich zu entwickeln. Das beginnt eben mit allen Fragen der Lebensarbeitszeit. Dazu sage ich klipp und klar: Wir werden nicht wie Müntefering einfach sagen: „Die Lebensarbeitszeit muss jetzt halt erhöht werden“, sondern wir werden uns sehr wohl innovative Gedanken darüber machen, wie wir zunächst einmal das reale Pensionseintrittsalter anheben wollen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Aber fast alle Verbände gibt es seit 50 Jahren, Herr Kollege!)

Ich bin dem Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er ganz konkret – Sie sagen immer, er habe nichts Konkretes gesagt – gesagt hat: Wenn wir durch Coaching, Weiterbildung oder Assistenzprogramme zum Beispiel für Lehrer – sie machen einen großen Teil unserer Beamten aus – das Pensionseintrittsalter anheben können, haben wir einen wirtschaftlichen Vorteil im Haushalt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Diesen Vorteil im Haushalt wollen wir wiederum gezielt an die Lehrerschaft zurückgeben, damit ein Anreiz entsteht. Das sind intelligente Konzepte.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wenn Sie es zurück- geben, ist nichts gespart! – Zuruf des Abg. Rein- hold Gall SPD)

Bei der Wochenarbeitszeit werden wir auf Dauer nicht die unterschiedliche Behandlung von Beamten und Angestellten tolerieren können. Wir werden weiter für eine Gleichbehandlung kämpfen.

(Zuruf von der SPD: Wer hat das denn eingeführt?)

Aber über die jetzige Wochenarbeitszeit der Beamten wird es nicht hinausgehen.

Zum Thema Lebensarbeitszeit: Auch da müssen die Betroffenen mitgenommen werden. Ich bin in der Tat der Meinung, dass wir wirkungsgleich – genau so steht es im Koalitionsvertrag –

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Entwicklungen in der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Beamtenschaft übertragen wollen. „Wirkungsgleich“ heißt zum Beispiel, dass wir uns bei der Erhöhung der Pensionsgrenze auch zeitlich an die Vorgaben halten, die in der gesetzlichen Rentenversicherung gemacht werden. Das heißt, es muss in einem vorhersehbaren Zeitplan vor allem für diejenigen, die bald in Rente bzw. in Pension gehen, gemacht werden. Da bekennen wir uns dazu, das wirkungsgleich zu machen.

Zu dem von Ihnen angesprochenen Bereich der Sonderzahlungen: Da wird man möglicherweise – das hat nichts mit der Rentenversicherung zu tun – schnellere Schritte gehen müssen. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wir wollen das in einem Gesamtkonzept angehen.

Mich hat schon verwundert, Herr Kretschmann, dass Sie das Thema Pensionsfonds so verächtlich dargestellt haben.

Wir haben beschlossen, für die neu einzustellenden Beamten einen Pensionsfonds gründen zu wollen, und zwar erstens mit Blick darauf, dass wir im Jahr 2011 eine Nettoneuverschuldung von null haben werden – und jedes Jahr, in dem wir mit solchen Maßnahmen noch nicht begonnen haben, ist bei Fonds und Kapitaldeckung ein verlorenes Jahr; das weiß man –, und zweitens dient es natürlich ein Stück weit der Transparenz und der Offenlegung der Kosten, die da auf uns zukommen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Was ist mit der Zins- differenz? Sie sind doch eine ökonomische Partei! Was ist mit der Zinsdifferenz? Das ist doch raus- geschmissenes Geld!)

Es gibt, Herr Kollege Palmer, in vergleichbaren Ländern intelligente Konzepte, mit denen man das so regeln kann, dass es unter der Maßgabe, die ich gerade genannt habe, auch ökonomisch Sinn macht.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE – Abg. Boris Palmer GRÜNE: „Es gibt intelligente Konzepte“! Wo? Was?)

Letztendlich muss bei all diesen Sparmaßnahmen eines klar sein: Das Land Baden-Württemberg muss auch in Zukunft als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Der öffentliche Dienst muss genauso leistungsorientierte Elemente erhalten. Der öffentliche Dienst muss attraktiv im Wettbewerb sein, insbesondere wenn wir bei der Föderalismusreform irgendwann tatsächlich zu mehr Wettbewerb kommen.

Zum Thema Nullnettoneuverschuldung: Da wird die Wahrheit immer im Haushalt konkret. Wir haben demnächst einen neuen Doppelhaushalt zu beraten. Wir glauben, dass wir da die erkennbar großen Schritte hin zur Nettonull machen müssen. Wir stellen uns vor, dass im Haushaltsjahr 2008 die Nettoneuverschuldung unter 1 Milliarde € liegen muss, um klar zu machen, dass wir die Schritte zur Nettonullverschuldung im Jahr 2011 vollends schaffen können.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Der erste Schritt ist der schwierigs- te! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Lassen Sie mich, weil Sie, Frau Kollegin Vogt, so verächtlich über die Innovationskongresse und solche Dinge gesprochen haben, eines sagen: Auch da haben wir einen Grundansatz hier im Land Baden-Württemberg, der lautet: Wir wollen, auch unter dem demografischen Aspekt, den Menschen klar machen: Wir bieten euch Zukunftsperspektiven an. Wir bieten euren Kindern Zukunftsperspektiven an für eine exzellente Bildung und Ausbildung, und zwar nicht nur im universitären Bereich, sondern auch und gerade im Hauptschulbereich.

Die Herausforderung, die uns jetzt im Wissenschaftsbereich bevorsteht, ist das, was manche fast als „Überlast“ bezeichnen. Das Wort „Last“ ist da natürlich völlig falsch. Vielmehr müssen wir froh sein, wenn wir die Zahl der Hochschulabgängerinnen und -abgänger steigern können.

Da darf ich einmal ausnahmsweise keinen Rektor einer Hochschule, sondern einen Nicht-Bildungspolitiker, einen

Ökonomen, nämlich Professor Franz – Ihnen wohl bekannt –, zitieren. Er hat wörtlich gesagt:

Wenn die Politik nicht heute damit beginnt, vermehrt in Bildung zu investieren und die Effizienz des Bildungssystems zu erhöhen, ist der künftige wirtschaftliche Abstieg Deutschlands, einschließlich des Landes BadenWürttemberg, in die Drittklassigkeit vorprogrammiert.

Dem ist nichts hinzuzufügen.