Protokoll der Sitzung vom 28.06.2006

dass die Haushalte wieder dorthin kommen, wo sie hingehören, nämlich ohne Schulden ausgleichbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Frau Vogt hat hinterfragt, warum es zu einem Interessenverbund zwischen Bayern, Hessen, Hamburg, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gekommen ist.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Gut regierte Länder!)

Ja, warum? Weil diese sechs Länder etwas zu verlieren haben, weil diese sechs Länder – allesamt unionsgeführte Länder – Geberländer in den Finanzausgleichssystemen sind. Diese sechs Länder haben keine Mehrheit; das stimmt.

(Abg. Ute Vogt SPD: Genau!)

Aber weitere kommen nicht hinzu. Aber diese sechs Länder haben eine Mehrheit in der Minderheit, um eine Verfassungsänderung zu verhindern. Deswegen positionieren wir uns mit dem Ziel der Schadensabwehr. Denn die Gefahr besteht doch – siehe Wowereit in Berlin, siehe Bremen, siehe Saarland –, dass andere Länder im Bundesrat, im Bundestag oder gleich vor Gericht versuchen, uns noch mehr wegzunehmen. Deswegen fordere ich Sie auf: Helfen Sie gemeinsam mit! Diese sechs Länder können mit guten Argumenten vor Gericht und im Bundesrat begründen, warum eine Verschlechterung unserer Finanzgrundlage verfassungsrechtlich falsch und ansonsten auch ungerecht ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ein aktuelles Thema ist die Unternehmensteuerreform. Der Vorschlag von Bundesminister Steinbrück liegt vor. Dass es um eine Entlastung der Unternehmen geht, dass die Gesamtertragsteuerbelastung gesenkt werden muss – nämlich die Addition aus Körperschaftsteuer und Gewerbeertragsteuer, derzeit knapp 39 % –, weil andere Länder mit uns um Standorte, Ansiedlung, Investitionen und Arbeitsplätze im Wettbewerb stehen, beispielsweise Österreich oder die Schweiz oder England und Wales, und dort der Ertragsteuersatz deutlich unter 30 % liegt, sind die Gründe, warum Steinbrück zu Recht einen Vorschlag zur Senkung der Gesamtertragsteuerbelastung vorgelegt hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Sätze! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Was bedeutet das für das Land?)

Wir glauben, dass die Gesamtertragsbesteuerung, Kollege Schmiedel, auf unter 30 % im ersten Schritt und mittel- und langfristig auf 25 % sinken muss. Die Frage ist nur: Wie baut man um? Derzeit haben Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer ein in etwa vergleichbares Gewicht.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Steinbrück will die Körperschaftsteuer marginalisieren und die Bemessungsgrundlage der Gewerbeertragsteuer verbreitern. Dies halten wir für den falschen Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Generell – das kommt hinzu –: Wir haben in den letzten Jahrzehnten längst ertragsfremde Steuerbestandteile ge

löscht. Wir haben die Lohnsummensteuer nicht mehr, wir haben die Gewerbekapitalsteuer nicht mehr. Wenn wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt Zinsen auf Fremdkapital, Leasingraten, Miete und Pacht, das heißt alles, was im Grunde kostet und keinen Ertrag darstellt, noch besteuern, dann höhlen wir das Eigenkapital der deutschen Wirtschaft weiter aus. Dann wird nicht nur der Arbeitsplatz, sondern der Sitz verlagert. Das wäre der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP und des Abg. Oswald Metzger GRÜNE)

Frau Vogt sagte zu Arbeitsplätzen kein Wort.

(Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Sie sagte generell, wir hätten kein Konzept und wir sollten endlich etwas tun. Weiter sagte sie, man solle endlich einmal deutlich auftreten, der Industrie – sinngemäß – auf die Finger klopfen. Ich glaube, dass für Arbeitsplätze mit dieser Tonart wenig getan werden kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir als Landesregierung setzen, wenn es um Wirtschaftsförderung geht, zuallererst auf Innovation, auf Forschung, auf Bildung und auf Wissenschaft.

Wenn bundesweit die 3 % erreicht werden sollen, so weise ich darauf hin: Baden-Württemberg verfügt schon über 4 %. In keinem anderen Land, auch nicht in Bayern, wird von Staat, von Instituten und von der Wirtschaft nur annähernd so viel für Grundlagenforschung, für produktionsnahe Forschung getan wie in Baden-Württemberg.

(Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Wie in der Wirtschaft! Bosch ist gerne hier und investiert hier in Baden-Württemberg, in Abstatt, weil die Politik in diesem Land die beste Deutschlands ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Die „Stuttgarter Nachrichten“ schreiben heute: „Neue Jobs nur im Hightechsektor – Land mit guter Ausgangslage“. Wissensintensive Wirtschaftszweige seien nirgendwo so stark verankert wie hier.

Sie sagten, wir sollten endlich einmal etwas für neue Antriebstechniken tun.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Willkommen im Klub! Ich sage nur: Ulm, Stuttgart und Karlsruhe. Wir haben das ZEW in Ulm. Gehen Sie einmal hin! Es lohnt sich – Solar- und Wasserstoffforschung auf höchstem Niveau. Wir haben einen Verbund mit DaimlerChrysler, wir haben die Brennstoffzelle.

(Abg. Ute Vogt SPD: Was tun Sie zur Marktein- führung? Wo ist die Struktur für die Tankstellen?)

Wir stellen unseren Hochschulen dafür in nennenswertem Umfang auch Landesmittel und Stellen zur Verfügung, da

(Ministerpräsident Günther Oettinger)

mit unsere Industrie die Produktionsreife und die Markteinführung schneller erreicht.

(Zurufe von der SPD)

Die Markteinführung ist Sache der Wirtschaft. Die Grundlagenforschung hingegen ist unsere Aufgabe. Diese erfüllen wir. Genau beim Thema „neue Antriebstechniken“, liebe Frau Vogt, hat Baden-Württemberg – das wussten Sie nicht – Ihre Forderungen bereits erfüllt. Wir haben längst getan, was von Ihnen verlangt worden ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Sie haben mich wegen meiner Aussagen zum Thema „Arbeitsmarkt, Arbeitsrecht, Kündigungsschutz, Liberalisierung und Deregulierung“ kritisiert.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Ich will nicht Entlassungen erleichtern. Ich will Einstellungen und die Schaffung von Arbeitsplätzen ermöglichen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

Das ist ein großer Unterschied.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Tatsache ist, dass in den letzten Jahren namentlich Kleinund Mittelbetriebe ihre Lektion gelernt haben. Sie haben früher, wenn die Auftragsbücher voll wurden, aufgrund der chancenreichen neuen Umsätze zusätzliche Leute eingestellt. Wenn aber die Umsätze sanken und die Aufträge ausblieben, blieb die Lohnsumme gleich hoch, und der Betrieb geriet in die Gefahr der Insolvenz. Heute, unter völliger Veränderung der Personalpolitik, stellt ein Handwerksmeister, ein Mittelständler, wenn die Auftragsbücher gefüllt sind, nicht mehr ein, sondern macht selbst Überstunden oder ordnet sie an. Er automatisiert oder verlagert. Das heißt, wir haben im Grunde eine Entwicklung, wonach auch eine gute Konjunktur und 2 % Wirtschaftswachstum auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nichts mehr bringen. Da müssen wir ran.

Deswegen sage ich – ich blicke nicht zurück –: Wer als Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag mit dem geltenden Kündigungsschutz hat, soll ihn behalten – Vertrauensschutz. Aber wäre es nicht überlegenswert, dass in Betrieben mit 20 oder etwas mehr Beschäftigten, wo neue Arbeitsplätze entstehen, für diese – und nur für diese – versuchsweise für drei Jahre gelten soll, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht angewandt wird? Dann haben die Arbeitgeber die Möglichkeit, zu beweisen, dass steigende Umsätze bei weniger Regeln zu mehr Arbeitsplätzen führen. Einen Versuch wäre es wert.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Hire and fire!)

Im Grunde genommen sind Sie mutlos, weil Sie mit den Gewerkschaften dieses Thema nicht besprechen können. Ich glaube, dass ein solcher Versuch abweichend vom geltenden Kündigungsrecht sehr wohl zu neuen Arbeitsplätzen und zu mehr Mut bei den Arbeitgebern in Deutschland führen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Was hat denn das mit Mut zu tun? – Abg. Carla Bregenzer SPD: Befristete Ar- beitsverträge sind doch schon die Regel!)

Frau Vogt, Sie haben mir den Kindergarten des Universitätsklinikums Ulm vorgehalten. Ich habe nachgeschaut und festgestellt, dass Sie exakt die halbe Wahrheit und damit die Unwahrheit dargestellt haben. Richtig ist, dass der Kindergarten – übrigens legen ja die Parlamentarier immer auf die eigenständige Verantwortung der Unikliniken Wert –

(Abg. Ute Vogt SPD: Sie haben doch versprochen, dass es dort Kindergärten gibt, nicht wir! – Gegen- ruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schön zu- hören! – Gegenruf der Abg. Carla Bregenzer SPD: Das fällt uns sehr schwer!)

Augenblick, gleich, ganz ruhig bleiben! – für die bis Sechsjährigen am Uniklinikum geschlossen wird, aber gleichzeitig ein gemeinsamer Kindergarten der Uni und des Klinikums für die Kinder zwischen null und drei Jahren neu gebaut und eröffnet wird.