Meine Damen und Herren, wir werden eine weitere Verlagerung lohnintensiver Betriebe erleben. Die Firmen werden gezwungen sein, auch in Zukunft weiter zu rationalisieren. Alle, die von diesen Themen etwas verstehen,
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Dazu gehören Sie nicht! – Abg. Reinhold Gall SPD: Da gehören Sie bestimmt nicht dazu! Bestimmt nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)
(Heiterkeit und Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Wet- zel FDP/DVP – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Da ge- hören Sie nicht mit dazu! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)
Ich kann Ihnen Folgendes sagen – Sie müssen dies wissen, weil Sie vor Ihrer Zeit als Abgeordneter auch einmal berufstätig gewesen sind –:
(Lachen des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD – Verein- zelt Heiterkeit bei der FDP/DVP und der CDU – Zu- rufe – Unruhe)
Es ist einfach so, dass Sie dies nicht aufhalten können. Es ist doch schon heute so, dass viele Pflegedienste – –
(Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Reinhold Gall – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Las- sen Sie sie doch einmal ausreden!)
Wie wollen Sie denn erreichen, dass Pflegedienste aus Polen die Dokumentation dann tatsächlich so machen, wie Sie es wollen? Wie wollen Sie das bei Zeitarbeitsbetrieben durchführen?
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das ist keine Naturge- walt! Reden Sie den Menschen nicht ein, dass das ei- ne Naturgewalt sei! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP)
Meine Damen und Herren, mit Genehmigung des Präsidenten möchte ich noch zitieren: Kurt Lauk, der Präsident des Wirtschaftsrats der CDU, hält die Vorgehensweise für symptomatisch. Im „Focus“ wird er zitiert:
„Mit großer Sorge sieht der Wirtschaftsrat, dass in der Großen Koalition mit jedem Kompromiss neue Bürokratie-Monster geschaffen werden, die für den Bürger immer schwerer verständlich und damit mehr und mehr unberechenbar werden.“
Von schwammigen und unbestimmten Formulierungen spricht auch Arbeitgeberpräsident Hundt. Meine Damen und Herren, wir brauchen andere Lösungen für dieses Problem. Wir brauchen weniger Bürokratie. Wir brauchen mehr netto vom Brutto.
(Lebhafter Beifall bei der FDP/DVP – Beifall bei Ab- geordneten der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Mehr Butter aufs Brot!)
Wir brauchen keine weitere Agentur, keinen Gesundheitsfonds. Wo ich hinschaue, vor allem auch im Umweltbereich – –
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sie haben aber gerade die Spendierhosen an! Mein Lieber! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)
Ich diskutiere jetzt nicht. Das machen wir nachher. – Da muss man Ihnen nur sagen: Da werden Fehlanreize gesetzt. Das ist für unsere Bürger eine Katastrophe. Deshalb kann ich nur froh sein, dass im Moment noch eine gewisse Verhandlungspause besteht, um die größten Klötze hier herauszunehmen.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Ein Glück, dass die nicht mehr Vizepräsidentin ist! Das war ja unwür- dig!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht, denke ich, heute – auch wenn der Titel dieser Debatte etwas in die Irre weist – um den Kompromiss, um den Gesetzentwurf der Berliner Koalition zur Möglichkeit der Einführung branchenspezifischer Mindestlöhne, der uns seit der letzten Woche auf dem Tisch liegt. Wie Sie wissen, hat die Landesregierung das Thema Mindestlohn immer mit sehr viel Skepsis verfolgt. Bei diesem Vorhaben geht es jetzt im Kern darum, das bisher nicht
angewandte Mindestarbeitsbedingungengesetz von 1952 und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu Regelwerken auszubauen, die eine weitgehende Festlegung von Mindestlöhnen durch den Staat ermöglichen sollen. Es geht hier um die Bewertung dieses Kompromisses, der uns jetzt vorliegt.
wenn die wichtigen Interessen berücksichtigt sind und ein angemessener Ausgleich gelingt. Da ist ein Kompromiss ein guter Weg. Ein Kompromiss sollte auch dazu führen, dass politischer Streit dauerhaft beendet ist.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Herr Wolf, das ist nicht ganz das, was Sie als Botschaft erwartet haben! – Gegenruf des Abg. Guido Wolf CDU: Das kommt schon noch! Man muss warten können! – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)
Er ist dann gut, wenn sachlich sinnvolle und handwerklich saubere Lösungen gefunden wurden. Dann ist ein Kompromiss gut und auch verfolgenswert. Beides ist bei dem jetzt vorliegenden Entwurf leider nicht der Fall. Dieser Entwurf ist der erste Grundstein für ein staatliches Lohnsetzungs- und Zensurverfahren, wenn man das so sagen kann.
Aber die Auseinandersetzungen um den Mindestlohn werden weitergehen, und zwar in der nächsten Zeit im parlamentarischen Verfahren und, selbst wenn alles wie geplant kommt, auch noch im Gesetzesvollzug. Denn die Frage, für welche Branchen und auf welchem Weg Mindestlöhne festgelegt werden sollen, ist nach diesem Gesetzesvorhaben noch völlig offen.
Damit ist auch ein Dauerstreit vorprogrammiert. Der Konflikt wird bei der Zeitarbeitsbranche losgehen. Er wird bei den Pflegekräften und auch beim Wach- und Sicherheitsgewerbe weitergehen. Man könnte fast denken, dass das Beispiel der Briefdienstleistungen nicht genug Warnung für das gäbe, was wir vorhaben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Gui- do Wolf CDU: Ja! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genossen von Herrn Zumwinkel!)
Wir haben seit Jahrzehnten ein gut funktionierendes Tarifsys tem, das in der Tat schon große Aufgaben bewältigt hat und gerade wegen seiner Autonomie nicht zu unterschätzen ist. Vor allem haben wir in den bisherigen Gesetzen ausreichend
Möglichkeiten, um die Mitarbeiter, die Arbeitnehmer vor menschenunwürdigen Bedingungen zu schützen. Diese Diskussion sollten wir hier also ohne Schaum vor dem Mund führen können.
Dieses bewährte System soll jetzt neben den bereits bestehenden Schutzmechanismen einen staatlichen Zensor erhalten.
Darüber hinaus ist aus meiner Sicht noch zentral: Wie in vielen Studien vorhergesagt – meine Vorredner haben das auch schon erwähnt – und durch das Beispiel des Postmindestlohns bestätigt wurde, kostet der Mindestlohn Arbeitsplätze und schafft keine.
Rund 5 700 Arbeitsplätze gingen nach Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bisher bei Konkurrenzunternehmen der Post verloren. Insofern ist die Überschrift „Schutz des Mittelstands“, die die heutige Debatte prägen soll, wirklich schwer verständlich. 5 700 Arbeitsplätze – das waren mittelständische Arbeitsplätze – gingen verloren.