Am 8. März letzten Jahres war die Konstituierung der Kommission zur Reform des Föderalismus, Teil II. Seitdem hatten wir in Berlin mehrere ganztägige, halbtägige, über Stunden währende Sitzungen, Arbeitsgruppenberatungen und bilaterale Gespräche. Wir haben Sachverständige angehört und Gutachten eingeholt. Kurzum: Die Materialien für eine Entscheidung über ein Eckpunktepapier und über ein Paket liegen vor. Wir sind auf der Zielgeraden.
Ich glaube, dass diesem Thema für den Staat, für den Föderalismus, für die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand von morgen, für die künftige Politik eine hohe Bedeutung zukommt.
Ich glaube zweitens, dass das Zeitfenster jetzt noch ideal ist, ein Zeitfenster, in dem durch eine gute konjunkturelle Entwicklung, durch eine gute Wirtschaft die Steuereinnahmen gestiegen sind, eine Reihe von Ländern wie Baden-Württemberg aktuell keine Schulden mehr machen und sich der Bund erstmals seit vielen Jahrzehnten vorgenommen und in der mittelfristigen Finanzplanung verankert hat, ab dem Jahr 2011 erstmals Haushalte ohne Aufnahme von neuen Schulden aufzustellen und zu vollziehen.
Das Thema „Haushalte ohne Aufnahme von Schulden“ hat Konjunktur und wird auch in der Öffentlichkeit, bei den Medien, bei den Bürgern als ein wichtiges Ziel, als ein Ziel erfolgreicher Politik anerkannt. Es gibt das Zeitfenster einer Großen Koalition, die – aus CDU/CSU und SPD gebildet – dieses Ziel unterstützt. Es gibt – dies sage ich ausdrücklich – Vertreter der Partei Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, die in der Kommission eher treibende als hemmende Kräfte, die konstruktive und nicht destruktive Mitglieder sind.
Wenn man weiß, dass ab Juni nächsten Jahres der Wahlkampf für die Bundestagswahl ansteht, und wenn man weiß, dass die parlamentarische Beratung entsprechender Gesetzentwürfe, die das Grundgesetz und die Bundeshaushaltsregeln betreffen, ansteht und parallel in den Ländern für die Landesverfassungen und die Landeshaushaltsordnungen Regelungen zu treffen sind, dann wird klar, dass die Kommission ihr Ergebnis noch im Dezember dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat in Form von fertigen Gesetzentwürfen vorlegen muss.
Deswegen haben wir für den 16. und 17. Oktober eine abschließende Klausurtagung angesetzt, und ich schließe eine weitere Sitzung im November – aber dann die wirklich letzte – aus Gründen der Neuordnung der Parteiführung bei den Sozialdemokraten nicht aus.
Ich danke den Partnern. Diejenigen, die mich aus BadenWürttemberg in Berlin begleiten, waren alle partnerschaftlich unterwegs: in der Regierung der frühere Kollege Stratthaus, Kollege Stächele, Kollege Dr. Reinhart vor Ort, aber auch der Koalitionspartner FDP/DVP. Als Mitglieder, die regelmäßig mitwirken und anwesend sind, sind das Kollege Drexler und Kollege Kretschmann, die hier mit Verve und Engagement einen Beitrag leisten, damit ein sinnvoller und nach vorn führender Kompromiss, ein Paket möglich wird.
Im Mittelpunkt stehen die Finanzen, um die sich zunächst einmal alles dreht. Ich sage klar: Es kommt entweder zu einer Paketlösung oder zu keiner Lösung. Eine Einzellösung, ein Einzelergebnis ist für mich nicht denkbar.
Aus der Sicht Baden-Württembergs – auch dies sei deutlich gesagt, mit Blick auf die nächsten Jahre, konkret auf die Zeit der nächsten fünf Jahre – wäre ein Scheitern der Kommission kein Nachteil. Das wäre ein Vorteil, weil uns dann niemand zu solidarischen Leistungen heranziehen kann. Deswegen: Ich bin nicht um jeden Preis an einem Paketergebnis interessiert. Wenn es zu keinem Ergebnis kommt, dann machen wir keine Schulden, dann machen andere Schulden. Wir erhalten uns dann unsere Handlungsfähigkeit, und Bremen, das Saarland, Schleswig-Holstein und andere werden letztendlich den Bach runtergehen. In der Perspektive der nächsten fünf Jahre – nur auf Baden-Württemberg bezogen – würde ein Scheitern für uns bedeuten, dass wir zu keinerlei weiteren solidarischen Pflichten heranzuziehen sind.
Die Schuldengrenze, die wir für uns formulieren – die wir in der LHO schon formuliert haben und später in der Landesverfassung formulieren werden –, ist strenger als alles, was in Berlin diskutiert wird.
Langfristig und gesamtstaatlich betrachtet haben wir hingegen ein Interesse daran, dass die Kommission und später Bundestag und Bundesrat erfolgreich sind. Warum? Wenn in unserem Bundesstaat das Saarland, Bremen, Schleswig-Holstein, neue Länder mittelfristig nicht mehr handlungsfähig sind, fallen sie uns alle auf die Füße. Ein konsequenter Sparkurs in Baden-Württemberg und in anderen Ländern macht doch keinen Sinn, wenn das Sparen in Nachbarländern nicht gelingt. Irgendwann wird alles vermengt. Glaube doch niemand, dass man sich auf Dauer auf einer Insel der soliden Wirtschaft und Haushalte halten kann. Da gibt es genügend Möglichkeiten der Umverteilung in der Bundespolitik. Da gibt es Bundesergänzungszuweisungen, da gibt es den Straßenbau, da kann man auf den einen neidisch sein und dem anderen helfen.
Deswegen bin ich im Interesse Baden-Württembergs und der langfristigen Handlungsfähigkeit aller Länder im föderalen Staat an einem Erfolg der Kommission interessiert.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP, der Abg. Winfried Kretschmann und Franz Untersteller GRÜ- NE sowie der Abg. Wolfgang Drexler und Rainer Sti- ckelberger SPD)
Der erste Angelpunkt muss die Schuldengrenze sein. Der Bund strebt für den Zeitpunkt in drei Jahren erstmalig einen Haushalt ohne neue Schulden an – noch 13 Milliarden € neue Schulden in diesem Jahr, 11 Milliarden € im nächsten Jahr, 5 Milliarden € im Jahr 2010, null im Jahr 2011. Peter Struck hat schon angekündigt, dass dann, wenn die schwarze Null erreicht ist, die Rückzahlung alter Schulden beginnen soll. Baden-Württemberg hat die schwarze Null erreicht und bezahlt schon alte Schulden zurück. Andere Länder tun dies in klei nerem Umfang ebenso. Aber es hat doch wohl keinen Sinn, in einem Jahr eine Punktlandung hinzubekommen und keine Schulden zu machen, wenn man parallel dazu um ein generelles, grundloses Recht, Schulden machen zu dürfen, kämpft.
Die Festlegung eines beliebigen Korridors zur Verschuldung – 0,5 % oder 0,75 % des Bruttoinlandsprodukts, das heißt 12,5
Milliarden € oder 19 Milliarden € pro Jahr – auf Dauer und ohne Begründung, in guten wie in schlechten Zeiten, also ein Schuldenrecht, kann doch wohl nicht der Anspruch einer soliden Finanzpolitik sein.
Damit auch das klar ist: Ganz so stringent, wie es manche in der Kommission sehen – dass Schulden machen generell und ohne Ausnahme verboten sein soll –, stelle ich mir Politik auch nicht vor. Wie im wirklichen Leben muss das Schuldenmachen möglich sein, wenn man in einer Notlage ist oder eine besondere Chance hat, zu investieren.
Dazu nur ein Beispiel: Unterstellt, es käme einmal zu einem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst mit einer Laufzeit von drei Jahren, bei dem im ersten Jahr ein Plus von 6 % und dann keine weiteren Steigerungen vorgesehen sind. Dann wäre man bei einem Landeshaushalt, der zu 50 % durch Personalausgaben geprägt ist, im ersten Jahr angesichts der um 6 % steigenden Ausgaben kaum zu einem Haushaltsausgleich in der Lage, würde im zweiten und im dritten Jahr aber einsparen. Über drei Jahre hinweg könnte man den Haushalt ohne Schulden finanzieren.
In besonderen Jahren, in Notlagen, bei besonderen Investitionen sollte die Schuldenaufnahme auch in Zukunft – wie in der Wirtschaft und in der Gesellschaft – Teil einer handlungsfähigen Politik sein können. Aber ein generelles, grundloses und jährlich wiederkehrendes Schuldenrecht lehnen wir ab.
Nun kommen einige Länder früher und einige Länder später. Aber klar ist: Um das Ziel kommt niemand herum. Bayern 2006, Baden-Württemberg 2008, der Bund 2011, Niedersachsen ebenso, Nordrhein-Westfalen 2013 – spätestens Mitte des nächsten Jahrzehnts sollte das Datum sein, an dem alle Länder zu einem Ausgleich ihrer Ausgaben durch Einnahmen ohne neue Schulden in der Lage sind.
Jetzt tun einige Länder dar, dass dies bei ihnen gar nicht ginge. Konkret sind das Bremen, das Saarland, Schleswig-Holstein. Ich behaupte, dass möglicherweise einige neue Länder im nächsten Jahrzehnt hinzukommen.
Dabei muss man generell sagen: Mir bereitet Sorge, dass noch niemand an die Zeit nach 2019 denkt. Dann wird die Förderung Aufbau Ost auslaufen. Sie wird ihren Höhepunkt im nächsten Jahr erreicht haben. Nie gibt es für den Aufbau Ost mehr Geld als 2009. Danach geht die Förderung in Stufen zurück. Das heißt, Berlin, Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen geht es im nächsten Jahr besser, und danach sinkt die Zufuhr von Finanzmitteln stufenweise jedes Jahr ab. Ob die Situation dort so schnell so viel besser wird, sei dahingestellt.
Meine Vermutung ist, dass man in Berlin, Brandenburg und Thüringen den Haushalt im nächsten Jahr ausgleichen kann, so wie es im letzten Jahr in Berlin bereits möglich war – allerdings kam dort der Verkauf der Landesbank hinzu, ein Sondererlös –, während das Ganze im nächsten Jahrzehnt stufenweise schwieriger wird.
Trotzdem tun einige dar, dass es ohne eine Hilfe nicht gehe. Dabei ist es bei Bremen noch am ehesten unstrittig. Bremen
hat ein langjähriges Defizit von 600 Millionen € Jahr für Jahr. Klar ist: Wenn es nicht gelingt, dass alle an Bord kommen, hat eine Schuldengrenze für den Bund allein wenig Sinn. Denn beim Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt geht es nicht um Bundesschulden und um Länderschulden, sondern um die gesamte Verschuldung der öffentlichen Hand. Entweder gehen wir alle mit ins Boot, oder jeder geht für sich allein seinen Weg.
Ich will, dass alle mit ins Boot kommen. Deswegen lautet unser Vorschlag – er wird in der Kommission auch weitgehend akzeptiert –: Wenn sich Bremen den Weg zumuten will, mittelfristig einen Haushalt ohne Schulden aufzustellen – eine schwarze Null – und ein Delta von 600 Millionen € zu überbrücken, dann ist die Gemeinschaft von Bund und Ländern zu einer Hilfe bis maximal zur hälftigen Höhe bereit.
Hierzu ermitteln wir die Zinsspitzen, indem wir prüfen, was ein Land derzeit im Durchschnitt pro Einwohner an Schuldzinsen für Altschulden bezahlt. Dort, wo diese Schuldzinsen pro Einwohner deutlich über dem Durchschnitt sind – etwa 130 % –, kappen wir den Schuldendienst durch Hilfe, damit er den Haushalt nicht sprengt, sondern ein Haushaltsausgleich möglich wird.
Klar ist aber andererseits: Ich kann dem Landtag von BadenWürttemberg eine Bereitschaft, mitzuhelfen, nur dann empfehlen, wenn die Gegenleistung kommt.
Die Gegenleistung muss erstens aus einer stringenten Schuldengrenze auch in Bremen, im Saarland, in Schleswig-Holstein bestehen, die nicht mehr umgangen werden kann, muss zweitens aus Sanktionen bestehen, die ein Stabilitätsrat verhängt und kontrolliert, und muss drittens aus nachweisbaren Schritten bestehen. Die Zahlungen von bis zu 300 Millionen € von Bund und Ländern für Bremen werden dann gestoppt, wenn der Weg der anderen 300 Millionen € auf null in Stufen nicht nachweisbar ist. So stelle ich mir einen goldenen Zügel im besten Sinn vor, damit der Bürgermeister von Bremen seinen Bürgern Zumutungen nennen kann, weil er ohne Zumutungen und Kürzungen den Zuschuss von Bund und anderen Ländern verliert. Wer das Geld nicht abruft, weil er nicht spart, gönnt sich etwas, bestraft sich aber doppelt. Wer das Geld abruft, indem er spart, bekommt mittelfristig finanzielle und damit auch politische Handlungsfähigkeit.
Ich danke dem Kollegen Kretschmann, der jüngst ein eigenes Papier dafür vorgelegt hat, das ich durchaus akzeptiere: „Entwurf für einen gemeinsamen Vorschlag der Länderbank“. Ich danke dem Kollegen Drexler, der ein Arbeitspapier zum Thema Steuerkompetenzen vorgelegt hat, in dem er zu Recht sagt, dass für Länder etwas mehr finanzielle Eigenständigkeit notwendig ist; Stichwort Zuschlagsrechte.
Gehen wir doch einmal Haushaltsberatungen in den Ländern durch. Ich war in meinem ganzen Leben nie im Finanzausschuss. Das habe ich nie erreicht.
Aber wenn man dort die Einnahmeseite diskutiert, ist da im Grunde „alles geschwätzt“. Die Einnahmen geben die Steu
Eintrittsgelder für die Museen und Justizgebühren ist im Grunde genommen keine Stellschraube vorhanden. Da hat jeder Gemeinderat mit den Hebesatzrechten für Grunderwerbsteuer und für Grundsteuer und mit der Gestaltung der Gebühren – von den Friedhofsgebühren bis zu den Hallenbadeinlasskarten – weit mehr Handlungsspielraum.
Bei den Ausgaben sind wir voll handlungsfähig – Stichwort Stellenplan, Stichwort Übernahme von Tarifverträgen, Stichwort Programme, die freiwillig sind. Dort können wir erhöhen oder kürzen. Ich finde es unbefriedigend und nicht in Ordnung, dass Ihnen zwar das Königsrecht der Haushaltspolitik zusteht, aber bei den Einnahmen im Grunde genommen die Steuerschätzer in die Druckerei gehen und dann sagen, was drinsteht, und nichts für uns zu gestalten ist.
Deswegen glaube ich, dass ein Zuschlagsrecht für Gemeinschaftsteuern der richtige Weg ist. Der Kollege Drexler schlägt ergänzend bei Erbschaftsteuer und Vermögensteuer mehr Gestaltungsmöglichkeiten vor,
Jetzt haben einige Länder die Sorge, dass hier ein Dumpingwettbewerb entstehen könnte. Wissen Sie, wenn dem so wäre, dürften die Gemeinden keine Hebesatzrechte haben.
Denn schon jetzt ist doch mit der Grunderwerbsteuer, mit der Gewerbeertragsteuer und mit der Grundsteuer die Möglichkeit vorhanden, dass der Bürgermeister A dem Bürgermeis ter B einen Industriebetrieb wegnimmt oder dessen Erweiterung vereitelt, indem er die Hebesätze senkt. Dies hält jeder auf kommunaler Ebene für einen sinnvollen Wettbewerb. In Bezug auf den Vergleich etwa der Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen untereinander, im Wettbewerb mit dem Umland oder über die Landesgrenzen hinweg gilt dies auch für die föderale Landkarte insgesamt. Deswegen kann ich nur sagen, gerichtet an die Landtage und die Regierungen anderer Länder: Ein bisschen mehr Mut tut uns gut, wenn man als Landespolitiker in Zukunft noch gestalten will.
Deswegen bin ich dankbar, dass auch Herr Steinbrück vorgeschlagen hat, dass Zuschlagsmöglichkeiten hinzumüssen – übrigens nicht nur als Gestaltungselement, sondern auch damit ein Land Zuschläge erheben muss, wenn es die Schuldengrenze verletzt, um den nächsten Haushalt ohne Schulden vollziehen zu können. Die Schuldengrenze würde eine wunderbare Sanktion beinhalten. Überlegen Sie einmal, 15 Länder würden einen Haushalt ohne Schulden vorlegen, und eine Landesregierung würde Schulden machen
und bekäme dann vom Stabilitätsrat gesagt: „Erhöht die Lohn- und Einkommensteuer um zwei Prozentpunkte on top.“ Dies spürt der Bürger und wird reagieren – vor der Wahl, in Wahlkampfzeiten und nach der Wahl.
Deswegen glaube ich, dass dieses Paket mit Schuldengrenze, Zuschlagsrechten, Sanktionen und mit klaren Zielvereinbarungen, aber im Regelfall ohne Verschuldungsrechte, ein Paket, das nur im Ausnahmefall Verschuldungsrechte einräumt und einen verpflichtenden Tilgungsplan innerhalb von drei bis fünf Jahren zur Voraussetzung macht – nicht bis zum SanktNimmerleins-Tag, sondern noch in der Gegenwart, in der mittelfristigen Finanzplanung –, ein Instrument wäre, mit dem starke Länder und schwache Länder gerecht bedient würden und wo die Länder insgesamt sagen sollten: Das Angebot des Bundes, die Hälfte mitzufinanzieren, kommt im Zweifel nie mehr.