Deswegen glaube ich, dass dieses Paket mit Schuldengrenze, Zuschlagsrechten, Sanktionen und mit klaren Zielvereinbarungen, aber im Regelfall ohne Verschuldungsrechte, ein Paket, das nur im Ausnahmefall Verschuldungsrechte einräumt und einen verpflichtenden Tilgungsplan innerhalb von drei bis fünf Jahren zur Voraussetzung macht – nicht bis zum SanktNimmerleins-Tag, sondern noch in der Gegenwart, in der mittelfristigen Finanzplanung –, ein Instrument wäre, mit dem starke Länder und schwache Länder gerecht bedient würden und wo die Länder insgesamt sagen sollten: Das Angebot des Bundes, die Hälfte mitzufinanzieren, kommt im Zweifel nie mehr.
Peter Struck und ich haben vorgeschlagen, dass dieser soli darische Fonds, aus dem die schwachen Länder zur Hälfte Schuldendeckungsbeiträge abrufen können, ein Volumen von 1,0 Milliarden € bis maximal 1,2 Milliarden € umfasst. Die drei Länder und Berlin – Berlin kommt jetzt auch an Bord, hat sich lange eher herausgehalten, ist jetzt dabei – wollen ein Gesamtvolumen von 1,5 Milliarden €. Steinbrück will nur ein Volumen von 0,8 Milliarden €. Aber ich glaube, dass diese Differenz zwischen 0,8 Milliarden € und 1,5 Milliarden € nicht unüberbrückbar ist und der Bund sich noch etwas bewegen wird. Das heißt, daran droht das Ganze nicht zu scheitern; niemand sollte sagen, dass es deswegen nicht geht.
Neben den finanziellen Regeln, zu denen es noch vieles im Detail zu sagen gäbe, geht es auch um Verwaltungsfragen. Ich spreche nur ganz wenige an.
Es darf meines Erachtens nicht sein, dass der Bund über die Verwaltungsthemen Zentralismus pur betreibt. Das heißt, wir schauen uns sehr genau an, wo eine Neuordnung der Kompetenzen sinnvoll ist, und der Bund darf nicht alles automatisch an sich ziehen. Bei der öffentlichen IT z. B. wäre es richtig, wenn die Marktmacht gebündelt würde, wenn die IT vereinheitlicht würde, wenn es gemeinsame Schnittstellen zur Datenübertragung und Datenpflege gäbe. Aber dann sollte dies bitte nicht auf Grundlage eines Bundesgesetzes geschehen, sondern auf Grundlage eines Staatsvertrags des Bundes mit den Ländern, weil es weit mehr IT bei den Ländern gibt und der Bund die Steuerung nicht allein in die Hand nehmen darf.
Ein Benchmarking, das heißt Leistungsvergleiche zur Effizienzverbesserung – bei der Umsetzung von Bundesgesetzen als Beispiel –, scheint mir auch sinnvoll zu sein. Aber auch hier gilt, dass nicht der Bund anordnen darf, sondern dass dem eine gemeinsame Vereinbarung zwischen den Ländern und dem Bund zugrunde liegen muss.
Bei der Steuerverwaltung – drittes Beispiel – glaube ich nicht, dass es richtig wäre, wenn man die Ländersteuerverwaltungen in eine Bundessteuerverwaltung überführen würde. Umgekehrt: Wenn das Finanzamt in der Fläche bleibt, wenn die Finanzbeamten Landesbeamte bleiben, halte ich eine stärkere Vereinheitlichung, eine stärkere Vergleichbarkeit im Steuervollzug, gegebenenfalls auch einige fachliche Weisungen bei
Unternehmen, die in mehreren Ländern produktiv tätig sind, den Ländern gegenüber durchaus für zumutbar.
Einen letzten Punkt spreche ich an: Infrastruktur, Bundesstraßen. Der Bund bietet an – ich will ganz bewusst kurz darauf eingehen –, dass ein Großteil der Bundesstraßen in die Trägerschaft und in die Verantwortung der Länder übergehen soll, indem der Bund sich auf die europaweit wahrnehmbaren Magistralen, die Autobahnen und die Bundesschienenwege, konzentriert und Bundesstraßen an die Länder abgibt. Ich bin im Grundsatz dafür. Warum? In vielen Regionen des Landes, bei vielen Fragen der Ortsumfahrung und der Erschließung, der Wirtschaftsförderung sind Landesstraßen und Bundesstraßen oftmals kaum trennbar. Oftmals hat man Geld für die Bundesstraße und nicht für Landesstraßen und umgekehrt.
Zwischen den GVFG-Mitteln, den Landesstraßenmitteln und den Bundesstraßenmitteln trennen zu müssen ist eigentlich nachteilig für ein regionales Verkehrskonzept. Es gelingt nicht immer so gut wie bei Leonberg–Heimsheim, dass man Baumaßnahmen an kommunalen Straßen, Bundesstraßen und Lan desstraßen zum gleichen Zeitpunkt beginnt, plant und diese in Betrieb nimmt. Deswegen sind wir im Grundsatz an der Übernahme der Bundesstraßenkompetenz interessiert, sofern der Bund uns einen entsprechenden Pauschalbetrag, rechtlich abgesichert, zuweist.
Ihr habt damit Quadratmeter und Grundeigentum.“ Aber in Wahrheit sind dies Lasten und nicht Vermögenswerte. Deswegen erwarten wir, dass der Bund zumindest die Beträge, die er in der mittelfristigen Finanzplanung geben wollte, pauschal den Ländern gibt und das Ganze entsprechend grundgesetzlich abgesichert wird, damit sich der Bund nicht wie bei den Regionalisierungsmitteln nach Jahren sang- und klanglos aus einer alten Zusage verabschieden kann.
Das sind die wesentlichen Eckpunkte; viele kleine kommen hinzu. Ich habe eigentlich die Hoffnung, dass es zu einem Paket kommen kann. Blockieren war bisher im Sinne von niemandem. Niemand hat sich vor Wahlen – auch nicht in Bay ern – entsprechend destruktiv festgelegt. Alle sind kompromissbereit.
Es kommt darauf an, dass in den nächsten Wochen jeder beweglich bleibt. Wenn jeder seine Interessen pur formuliert, dann kommt gar nichts heraus, weil es in der Finanzpolitik von 16 Ländern und dem Bund 17 unterschiedliche Interessen gibt. Wenn jeder Vorteile anstrebt und Kröten schluckt, dann kommt etwas dabei heraus. Dann hätten wir erreicht, dass eine Schuldengrenze, die nicht mehr umgehbar ist, wie sie unsere Haushaltspolitik bereits unterstützt, auf andere Länder übertragen wird und damit der Weg aus der Schuldenfalle für Kommunen, Sozialkassen, Länder und Bund eine historische Leistung des nächsten Jahres werden kann.
Ich glaube unverändert an diese Chance und darf Sie alle bitten, dies entsprechend mitzumachen. Ich bin zu jeder Aus
kunft bereit und danke für eine vielfältige Mithilfe in den letzten eineinhalb Jahren über alle Fraktionen hinweg.
Wenn ich zehn Minuten vor halb vier Uhr gehen muss, dann ist das unhöflich; ich weiß. Aber ich würde sehr gern die Trauerfeier für meinen früheren Berater, Herrn Dr. Steinacher, besuchen. Darum ist mir an einer Beendigung dieser Debatte – gern alsbald die Fortsetzung – gegen Viertel nach drei Uhr gelegen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie der Kollege Drexler von der sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzendenkonferenz so bin ich von der Grünen-Fraktionsvorsitzendenkonferenz in die Föderalismuskommission II delegiert. Wir haben dort kein Stimmrecht, sondern nur Rede- und Antragsrecht.
Es war für mich jedenfalls höchst erfreulich, auch erstaunlich, wie gut wir auf der Länderparlamentsbank über alle Fraktionsgrenzen hinweg zusammengearbeitet haben. Ich glaube, dass die Länderparlamentsbank am weitesten in den Konsensvorschlägen war und das auch einbringen konnte. Es hat auch Freude gemacht, da zu arbeiten, weil dort die Konfliktlinien anders verlaufen, als man das im politischen Alltagsgeschäft gewohnt ist.
Wenn die Kommission scheitern sollte – was ich noch nicht glaube, aber ich bin auch nicht überoptimistisch –, dann daran, weil so manche nicht begriffen haben, dass es in solch einer Kommission – sie ist im Prinzip eine Verfassungskommission; sie soll ja Verfassungsänderungen erwirken – immer um die Frage geht: Was ist eine gute politische Ordnung der Dinge?
Nur wenn man unter diesem Horizont dort arbeitet, kann man zu einem Konsens kommen – der nicht immer nur den eigenen Interessen entsprechen kann. Wenn man jedoch immer nur die eigenen Interessen einbringt, hat man den eigentlichen Charakter der Arbeit verfehlt.
Ich glaube, das Hauptprojekt der Kommission muss jetzt heißen: Wie schaffen wir es, dass in allen 17 Gebietskörperschaften – also im Bund und in den 16 Ländern – wirksame Schuldenbremsen in die Verfassung kommen? Denn wir dürfen uns von den boomenden Steuereinnahmen der letzten Jahre nicht täuschen lassen. Die öffentlichen Haushalte sind mit 1 500 Milliarden € verschuldet, und einige Bundesländer – der Ministerpräsident hat darauf verwiesen – können ihren Schuldendienst nur durch Aufnahme neuer Schulden leisten. In einer solchen Situation merkt man dann, dass die Zinseszinsrechnung, wie man sie in der Schule gelernt hat, leider stimmt.
Ich darf noch einmal in der historischen Betrachtung sagen: Der Artikel 115 des Grundgesetzes, der als Schuldengrenze die Höhe der jeweiligen Bruttoinvestitionen zugrunde legt, hat total versagt. Er hat überhaupt nicht als Schuldenbremse
gewirkt. Im Gegenteil: Zusammen mit der Bestimmung, dass man prinzipiell bei Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts – wie auch immer man dies erklärt – beliebig neue Schulden machen kann, ist dies sozusagen zu einer Ermächtigungsklausel dafür geworden, dauernd neue Schulden machen zu können.
Dieser Artikel hat also versagt, und wir sind deshalb inzwischen wohl einmütig zu der Auffassung gelangt, zu einem formalen Kriterium als Schuldengrenze zu kommen.
Es nützt aber auch gar nichts, theoretische Berechnungen aufzustellen, wenn Länder wie Schleswig-Holstein, Bremen oder das Saarland aus eigener Kraft gar nicht mehr aus der Schuldenfalle herauskommen können. Selbst dann, wenn Schleswig-Holstein all seine Lehrer entlassen würde, hätte das Land noch immer keinen ausgeglichenen Haushalt. Und dies kann man logischerweise nicht von diesem Land verlangen.
In einer solchen Situation nützt es also nichts, über Schuldfragen zu diskutieren. Natürlich haben sich manche der Neh merländer Dinge geleistet, die sie sich bei einer seriösen Finanzwirtschaft nicht hätten leisten dürfen. Aber die Altschulden sind nun einmal da, und wenn diese Länder weiter in der Schuldenspirale versinken, werden der Bund und die anderen Länder – auch wir – insgesamt dafür geradestehen müssen. Ich glaube also, man muss sich von der Vorstellung verabschieden, man könne diese Länder irgendwann „absaufen“ lassen. Das ist völlig ausgeschlossen.
Ich glaube, dass sich diese realistische Sicht bei den allermeis ten Ländern – außer Bayern – inzwischen in der Föderalismuskommission durchgesetzt hat. Aber nach dem Wahldebakel werden auch die Bayern von ihrem hohen Ross herunterkommen und ebenfalls nach realistischen Lösungen suchen müssen. Ich hoffe, dass, wenn nun Herr Seehofer Ministerpräsident wird,
er nicht, wie so manch andere Bayern, die Mainlinie mit dem Polarkreis verwechselt, sondern davon ausgeht, dass Deutschland und die Welt auch noch nördlich der Mainlinie existieren.
Ich nehme an, Herr Ministerpräsident, dass Sie mit ihm in dieser Hinsicht auch noch einmal reden werden.
Herr Kollege Oettinger hat zusammen mit dem Fraktions vorsitzenden Struck die Aufgabe übernommen, ein Paket zu schnüren, dem alle zustimmen können. Ich glaube, die Verabschiedung eines Gesamtpakets im Konsens ist der Schlüssel, und niemand soll glauben, dass man dies irgendwelchen Ländern überstülpen könnte. Es wird nur eine Lösung im Paket geben.
Wir von der Bank der Länderparlamente haben dort natürlich immer einen etwas größeren Spielraum, weil wir, bedingt durch die merkwürdige Konstruktion des Exekutivföderalismus in Deutschland, nicht so direkt in die Dinge verwoben sind, sondern sie zunächst einmal zur Diskussion stellen können. In diesem Sinn haben wir auch Vorschläge in die Kom
mission eingebracht, wie ein solches Gesamtpaket strukturell aussehen kann und wie wir es in der nur noch schmalen Zeitspanne zum Erfolg führen können.
Ich sehe es so: Differenzen gibt es in der Frage, wie die Schuldenbremse aussehen soll. Die meisten unionsgeführten Länder – nicht alle, sondern in der Regel die Geberländer – plädieren für die Aufnahme des Nullverschuldungsgebots in die Verfassung. Andere, wie die sozialdemokratische Bundes tagsfraktion, wollen eine Verschuldungsgrenze von maximal 0,75 % des Bruttoinlandsprodukts. Ich glaube, der Ausweg liegt in einer zeitlich gestuften Begrenzung der Neuverschuldung mit einem dann völligen Schuldenstopp ab 2019.
Herr Kollege Oettinger hat schon darauf hingewiesen, dass viel zu wenig über diesen Stichtag diskutiert wird, an dem der Solidarpakt und auch das Maßstäbegesetz auslaufen. Dann schlägt wirklich die Stunde der Wahrheit. Ich glaube, das ist nicht allen so richtig bewusst. Eine zeitlich gestufte Begrenzung der Neuverschuldung mit dann völligem Schuldenstopp ab 2019 könnte ein Konsens sein zwischen denen, die eine radikale Schuldengrenze wollen, und denen, die noch eine geringe Verschuldung zulassen wollen. Ich glaube, auch das wäre schon ein gehöriger Erfolg.
Aber es ist klar: Die überschuldeten Länder können dem nur zustimmen, wenn sie sich auf eine Konsolidierungshilfe verlassen können. Sonst wären sie völlig handlungsunfähig. Man darf auch nicht vergessen, dass ein zusätzliches Problem aufgetaucht ist. Über Steuern entscheidet bisher der Bund. Es könnte also dazu kommen, dass, wenn der Bund z. B. Steuern senkt, die Länder, die solche Schuldengrenzen eingeführt haben, mit ihrer geänderten Verfassung in enorme Schwierigkeiten kommen, weil sie selbst keine Steuerhebungsrechte haben. Deswegen wird es ohne eine solche Gegenleistung nicht gehen.
Die Berechnungen, die wir angestellt haben, gehen von einer Konsolidierungshilfe für die Problemländer von ca. 1,7 Milliarden € jährlich aus. Das wäre für Baden-Württemberg immerhin ein Volumen von ca. 140 Millionen € jährlich. Das ist schon eine gewaltige Herausforderung für uns. Der Kollege Drexler hält dieses Volumen für zu hoch. Herr Steinbrück spricht von einem Volumen von 700 Millionen € insgesamt. Man wird in den Verhandlungen sehen müssen, was für die überschuldeten Länder das Angebot ist, wo sie bei Schuldengrenzen mitgehen können.
Das ist Verhandlungsgegenstand, und natürlich haben auch wir kein Interesse, von vornherein übermäßig viel Geld aus dem Landeshaushalt da hineinzustecken. Aber ich sehe dazu keine Alternative, wenn das Projekt nicht scheitern soll.
Die Steuerautonomie bei den reinen Ländersteuern und eine Steuerautonomie der Länder bei den Gemeinschaftsteuern sollen in einem engen Rahmen stattfinden, ich könnte mir vorstellen, in einem Rahmen von 5 % nach oben. Dabei hat Ministerpräsident Oettinger schon klugerweise den Kompromiss vorgeschlagen, darauf zu verzichten, Steuern auch senken zu dürfen. Das nimmt denen, die vor einem Dumpingwettbewerb Angst haben,
die Argumente weg. Insofern müsste dies auch möglich sein. Letztlich geht es dabei um Projektfinanzierungen. Das ist der eigentliche Sinn solcher Korridore für Aufsetzer auf die Körperschaft- und Einkommensteuer, wie es andere Länder in Kanada oder in der Schweiz – Staaten, die ebenfalls föderal verfasst sind – mit großem Erfolg machen, ohne dass es da zu irgendwelchen merkbaren Verwerfungen des Nationalstaats kommt.
Gleich, welches Modell, alles muss jetzt in den nächsten Wochen entschieden werden. Jetzt ist es mit der Filibusterei vorbei. Es heißt jetzt: Hopp oder topp. Der deutsche Föderalismus hat jetzt die Chance für eine finanzpolitisch nachhaltige Zukunft. Mit sinkenden Steuerprognosen wird die Aufgabe nicht einfacher.
Mit den Versprechungen von Steuersenkungen übrigens auch nicht, Herr Kollege. Ich bin Ihnen, Herr Kollege Oettinger, wirklich dankbar, dass Sie schon am Anfang klipp und klar gesagt haben, dass Sie davor gewarnt haben, mit Steuersenkungen in die nächsten Wahlkämpfe zu gehen, bevor wir nicht eine klare Entschuldungskonzeption haben. Das würde diese nämlich gefährden.