Mit den Versprechungen von Steuersenkungen übrigens auch nicht, Herr Kollege. Ich bin Ihnen, Herr Kollege Oettinger, wirklich dankbar, dass Sie schon am Anfang klipp und klar gesagt haben, dass Sie davor gewarnt haben, mit Steuersenkungen in die nächsten Wahlkämpfe zu gehen, bevor wir nicht eine klare Entschuldungskonzeption haben. Das würde diese nämlich gefährden.
Herr Ministerpräsident. Sie haben die Kommission bisher umsichtig und klug geführt. Ich wünsche Ihnen, Herr Kollege Oettinger, in dieser entscheidenden Phase der Föderalismuskommission viel Durchhaltevermögen und viel Erfolg! Kollege Drexler und ich werden von der Länderparlamentsseite her das Mögliche dazu beitragen, damit dieser Erfolg auch eintritt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach eineinhalb Jahren intensiver Arbeit in der Föderalismuskommission ist zunächst einmal Dank angesagt: Dank dem Ministerpräsidenten für den Vorsitz in dieser Kommission und für die sehr engagierte, kompetente und verantwortungsbewusste Arbeit mit kreativen und auch innovativen Lösungsvorschlägen und ebenso selbstverständlich Dank den beteiligten Ministern Stratthaus und Stächele sowie den mit der Sache befassten Beamtinnen und Beamten. In den Dank will ich ausdrücklich auch die Arbeit des Kollegen Kretschmann und des Kollegen Drexler einbeziehen. Es liegt jetzt ein Eckpunktepapier vor, mit dem ein Gesetzgebungsvorhaben erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, oberstes Ziel muss sicherlich sein, die Nullneuverschuldung auf allen staatlichen Ebenen zu erreichen – beim Bund, bei allen Ländern und bei den Kommunen –, damit die Ausgaben mit dem übereinstimmen, was wir an Einnahmen haben, und wir nicht ständig neue Schulden aufnehmen müssen. Die CDU-Landtagsfraktion hat diesen Kurs der Landesregierung in Baden-Württemberg stets nachdrücklich unterstützt, und wir unterstützen deswegen
selbstverständlich das Ziel der Kommissionsarbeit unter dem Vorsitz unseres Ministerpräsidenten. Dies ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Wenn man sich die demografische Entwicklung ansieht, erkennt man, dass sie in absehbarer Zeit zu einer geringeren Anzahl an Steuerzahlern und auch zu geringeren Steueraufkommen führen wird. Auf der anderen Seite gibt es eine Entwicklung, die im Gesundheits- und im Sozialbereich ständig mehr Ausgaben erfordert. Dass man sich vor diesem Hintergrund das Ziel der Nullneuverschuldung für den Gesamtstaat zum Thema macht, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Deswegen ist es auch die Hauptaufgabe der Kommission gewesen, diese Finanzfragen zu besprechen. Das Hauptthema in der Kommission war sicherlich die Frage der Schuldengrenze.
Wir haben in Baden-Württemberg vorgemacht, wie es gehen sollte: zunächst eine Nullneuverschuldung, dann eine Regelung in der Landeshaushaltsordnung und dann – sogar in diesem Haushaltsjahr – die Altschuldentilgung. An diesem Kurs wollen wir hier in Baden-Württemberg weiterarbeiten, aber diesen Kurs wollen wir auch in der Kommissionsarbeit unterstützt sehen.
Ich bin ausdrücklich dafür dankbar, dass der Kollege Drexler in der Berliner Erklärung der Landtagspräsidenten diesen Kurs auch selbst vorgegeben hat, wenn es da heißt:
Die künftig konsequente Begrenzung der Neuverschuldung muss sich am verfassungsrechtlichen Leitbild eines ausgeglichenen Haushalts ausrichten.
Es darf auch nicht so sein, dass wir dieses Ziel nur einmal punktuell erreichen, sondern wir müssen es selbstverständlich längerfristig erreichen: nicht nur im Jahr 2008, nicht nur im Jahr 2009, sondern eben auch in allen Folgejahren. Es wäre geradezu lächerlich, wenn man das Erreichen dieses Ziels dann damit begleiten würde, dass man sagte: Ab dem nächs ten Jahr können wieder munter und begründungslos – begründungslos; dieses Wort ist entscheidend – Schulden gemacht werden.
Dass es die Notwendigkeit geben kann, in konjunkturell schwierigen Zeiten oder bei Großereignissen wie z. B. Naturkatastrophen neue Schulden zu machen, ist ja unbestritten. Aber wenn dies begründungslos erfolgen und kein enger Spiel raum gesetzt werden sollte, wäre dies überhaupt nicht zu verstehen. Deswegen unterstützen wir das, was unser Ministerpräsident gesagt und auch immer vertreten hat: dass wir eine enge Regelung brauchen und dass wir die Nullneuverschuldung als Ziel mit einer eng begrenzten und begründungspflichtigen Möglichkeit zur Neuverschuldung begleiten müssen. Das ist ordnungspolitisch richtig und wird auch von unserer Fraktion so gesehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Ute Vogt SPD: Ein schönes Schlusswort!)
Das System kann selbstverständlich nur funktionieren, wenn es durch ein Frühwarnsystem begleitet wird, wenn man Kriterien schafft, wie die Einhaltung dieser Regelung auch überprüft werden kann. Da ist es selbstverständlich, dass ein Sta
bilitätsrat – gebildet aus Vertretern der Länder, aus Vertretern des Bundes – darüber wachen soll und dass im Einzelfall auch Sanktionsregelungen gefunden werden müssen und über sie entschieden werden muss.
Auf der anderen Seite muss aus unserer Sicht auch klar sein: Die Kompetenz des Landesgesetzgebers, die Kompetenz der Landtage, die Kompetenz, Haushaltsgesetze aufzustellen, muss hoheitlich in diesem Haus und in den anderen Landtagen gewahrt bleiben. Verantwortung darf nicht auf andere Gremien delegiert werden.
Die schwierigste Frage, die sich uns stellt, ist sicherlich: Wie gehen wir mit den Konsolidierungsmaßnahmen um? Wie gehen wir mit der Frage um, dass wir über den Länderfinanzausgleich, der Baden-Württemberg 50 Jahre lang begleitet hat und in den wir mittlerweile mehr als 60 Milliarden € eingezahlt haben, und über den Solidarpakt II hinaus – das wurde ja schon angesprochen – auch noch Konsolidierungsmaßnahmen unterstützen sollen? Und das bei einem Kurs der Landesregierung hier in Baden-Württemberg, der der Bevölkerung durchaus Opfer zumutet; ich nenne nur die Verlängerung der Lebensarbeitszeit für Beamte, die Rente/Pension ab 67 oder ein Thema wie die Studiengebühren.
Wir sind trotzdem der Auffassung, dass man es unter bestimmten Voraussetzungen vertreten kann und sollte – auch im übergeordneten föderalen Interesse, auch im übergeordneten gesamtstaatlichen Interesse –, an einer solchen Regelung mitzuwirken. Aber es muss klar sein: Die Schuldengrenze, die wir schon besprochen haben, muss dann auch wirklich eng gelten. Das muss als Beitrag zum Föderalismus gesehen werden, weil wir damit auch andere Länder lebensfähig erhalten, die sonst möglicherweise in die Insolvenz und in den Haftungsverbund der anderen Länder und des Bundes fallen würden.
Vor allem sehe ich als zusätzlichen wichtigen Punkt: Es muss auch auf Länderseite eine Steuerautonomie möglich sein. Es macht gar keinen Sinn, dass wir hier nur über die Ausgabekürzungen verfügen können oder gegebenenfalls über eine Kreditaufnahme in den Haushalt eingreifen können, sondern dann muss auch eine Steuerautonomie hinzukommen, die den Ländern zusätzlichen Spielraum gibt. Deswegen begrüße ich, dass das auch von den Ländervertretern, auch von Herrn Drexler, so gesagt worden ist. Allerdings ist da leider noch ein ganz erhebliches Maß an Überzeugungsarbeit bei der SPD-Bundestagsfraktion und teilweise auch bei anderen Ländern nötig.
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sie können alle etwas dazu beitragen, teilweise jedenfalls, auch im Saar- land!)
Auf die Verwaltungsthemen, die angesprochen worden sind, möchte ich im Detail nicht mehr eingehen. Ich möchte lediglich insoweit darauf eingehen, dass ich sage – als Obersatz –: Die Verwaltung muss für die Bürger da sein. Sie muss sich in erster Linie an den Interessen der Bürger orientieren. Verwaltung ist nach unserem Grundgesetz in erster Linie Aufgabe der Länder und nicht des Bundes. Deswegen muss bei allen angesprochenen Themenfeldern stringent auch danach gehandelt werden, dass in erster Linie die Länder diejenigen sind, die betroffen sind, und diese die Arbeit ortsnah, bürgernah erledigen sollen.
Zum Schluss, meine sehr verehrten Damen und Herren: Max Weber hat einmal davon gesprochen, dass Politik das Bohren dicker Bretter sei. Bei diesem Thema kann man mit Sicherheit sagen: Es sind sehr, sehr dicke Bretter. Es sind sehr konträre Aufgabenfelder, und es sind vor allem auch sehr konträre Interessen. So gibt es die A-Länder, es gibt die B-Länder, es gibt die finanzstarken Länder, es gibt die finanzschwachen Länder, und es gibt noch den Bund. Alle zusammenzuführen ist sicherlich eine sehr, sehr schwierige Aufgabe.
Aus meiner Sicht ist das, was geleistet worden ist, erstaunlich. Es sind erstaunlich gute Vorschläge erarbeitet worden, Vorschläge, die eine Möglichkeit bieten, um auf dieser Grundlage auch erfolgreich ans Ziel zu kommen.
Noch einmal: Schuldenbegrenzung muss sein, und der Föderalismus muss gestärkt werden, auch im Sinne von BadenWürttemberg.
(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD, der Grünen und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Guter Mann! Klasse Rede!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man etwas ins Detail geht, wird dieses ganze Paket natürlich erheblich schwieriger als jetzt in der Aussprache. Ich komme nachher noch einmal anhand von Zahlen darauf zu sprechen, was dies z. B. für uns in BadenWürttemberg bedeuten würde.
Klar ist, dass die Schuldenbremse kommen muss. Dazu haben wir drei Vorschläge. Sie reichen von null – das wird vor allem von der CDU propagiert – über 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts – das wird von Herrn Steinbrück propagiert – bis zu 0,75 % des Bruttoinlandsprodukts, was von der SPD-Bundestagsfraktion propagiert wird. Man wird sich irgendwo in der Mitte einigen.
Ich sage nur: Wer für null plädiert, wird viele Ausnahmen zulassen müssen. Wer für einen kleinen Teil Schuldenaufnahme plädiert, muss weniger Ausnahmen zulassen. Je näher wir bei null sind, desto größer wird der Verschuldungsfonds sein, also der Altschuldenfonds. Das können Sie sich ausrechnen. Ich komme nachher noch einmal darauf, damit der Zusammenhang klar wird.
Dass Sanktionen vorgesehen werden, wenn man Geld in einen Altschuldenfonds gibt, ist auch klar. Ohne Sanktionen kann das nicht funktionieren. Die müssen normalerweise auch automatisch kommen. Darüber darf kein Gremium mehr gehen; andernfalls wird es aufgeweicht. Das wird noch eine heiße Debatte vor allem unter den Bundesländern.
Jetzt kommen wir zum Altschuldenfonds. Da war am Anfang klar: Zwei Bundesländer, nämlich Saarland und Bremen, sollen Hilfe erhalten. Die hätten es nach der Berechnung des Finanzministeriums Baden-Württemberg im Übrigen auch verdient. Die Berechnung hat klar ergeben: nur Saarland und Bremen. In der Zwischenzeit haben wir Schleswig-Holstein dabei. Wenn wir Schleswig-Holstein dazunehmen, dann ist Ber
Das sind fünf Bundesländer. Nun sind das nicht sehr große Bundesländer. Aber wenn der Altschuldenfonds von den anderen finanziert werden muss, dann gehen wir bisher davon aus, dass elf andere Länder einzahlen. Es gibt aber außer den Zahlerländern beim Länderfinanzausgleich dann immerhin noch sechs Länder, die sich, soweit ich es höre, derzeit vehement weigern, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, in diesen Fonds einzuzahlen.
Das wird ein großes Problem werden. Ich stelle Ihnen das einmal anhand von Zahlen dar. Wenn nur die fünf Geberländer beim Länderfinanzausgleich drin sind und Sie z. B. einen Fonds mit mindestens 350 Millionen € vom Bund und 350 Millionen € von den Ländern machen, dann würde das bei fünf Ländern allein für Baden-Württemberg 125 Millionen € bedeuten. Wenn es alle anderen mitfinanzieren, bedeutet es eben 80 Millionen €.
Wenn wir auf den Vorschlag des Ministerpräsidenten eingehen und sagen: „Der Fonds braucht 750 Millionen € von den Ländern“, dann müssen Sie davon ausgehen, dass BadenWürttemberg, wenn fünf Länder einzahlen, jedes Jahr 180 Millionen € zusätzlich einzahlen müsste – 180 Millionen €! Das ist fast der Betrag, den wir für eine Gebührenfreiheit im Kindergartenbereich für das Land benötigen, und der würde natürlich ins Saarland gehen, wo es im Übrigen schon den freien Kindergarten gibt.
Ich sage es bloß. – Darüber hinaus wären es, wenn elf Länder einzahlten, bei 750 Millionen € 120 Millionen €. Ich sage nur: Das sind Beträge, bei denen wir in der Föderalismuskommission immer versuchen, deutlich zu machen: Warum soll Baden-Württemberg eigentlich das Geld darüber hinaus zahlen? Das kann das Land eigentlich nur machen, wenn auf der anderen Seite etwas – ich sage es einmal locker – eher der Gestaltungsföderalismus Einzug hält als der Verwaltungsföderalismus. Mit Wettbewerbsföderalismus hat das Ganze noch gar nichts zu tun; das wird ja immer als Totschlagargument benutzt.
Man muss sich die Beträge schon vor Augen führen. Es wird für uns eine ganz schwierige Geschichte, solche Beträge zusätzlich noch einzuzahlen. Denn man muss ja davon ausgehen, dass wir das zehn Jahre lang machen. Multiplizieren Sie einmal die Beträge, die ich Ihnen gerade genannt habe, mit zehn. Dann kommen Sie auf anderthalb Milliarden in zehn Jahren.
Wenn man das macht – das sage ich noch einmal; und die Chance haben wir jetzt –, dann kann man das nur machen, wenn das in einem dritten Block damit verknüpft wird, dass wir endlich mehr Rechte bekommen, dass etwas Substanzielles kommt. Warum sollten wir sonst das Geld zahlen?
Ausgerechnet diejenigen, die das Geld bekommen, sind zumindest in meiner Arbeitsgruppe vehement gegen eine Ausweitung der Rechte der Länderparlamente.
Ich sage auch: Das hat überhaupt nichts mit Wettbewerb und dem Aspekt Nord/Süd zu tun. Sie müssen sich das einmal vor
stellen – wir versuchen das auch den Parlamentsvertretern der neuen Bundesländer deutlich zu machen –: Bisher haben wir nur bei den Ausgaben in unseren Haushalten und bei der Kreditaufnahme Stellschrauben; sonst haben wir ja gar keine. Wenn wir jetzt unsere Entscheidungsspielräume bei der Kreditaufnahme reduzieren, und zwar verfassungsgemäß, hat dieser Landtag von Baden-Württemberg nur noch die Möglichkeit, bei den Ausgaben etwas zu machen, und sonst keine mehr.
Das heißt, wir sind schlechter dran als jeder Gemeinderat. Das kann aber vom Parlamentarismus her nicht sein! Unsere Vorfahren sind 1848 auf den Barrikaden gestanden, weil sie das Etatrecht von den Monarchisten wollten, aber nicht bloß bei den Ausgaben, sondern auch bei den Einnahmen. Deswegen geht es, sage ich jetzt einmal scherzhaft, auch darum.
Verkürzte Geschichte. Sie können auch einen Vortrag halten, aber weil auch andere wegmüssen, habe ich das etwas verkürzt dargestellt.
Ich sage noch einmal: Es geht also darum, unserem Parlament wie allen anderen 15 Parlamenten die Rechte zu geben, die, sage ich einmal, im Grunde genommen jeder Gemeinderat hat. Darum geht es.