Ich sage noch einmal: Es geht also darum, unserem Parlament wie allen anderen 15 Parlamenten die Rechte zu geben, die, sage ich einmal, im Grunde genommen jeder Gemeinderat hat. Darum geht es.
Da gibt es halt bestimmte Länderparlamente, die das nicht wollen, und zwar unabhängig davon, ob die Regierung von der SPD oder von der CDU geführt wird. Diese Länderparlamente sagen: „Das wollen wir nicht, weil sich Baden-Würt temberg dann stärker stellt.“ Das ist ja immer der Vorwurf. Dann heißt es: Das wollen wir nicht. Das ist das eigentliche Problem, obwohl Baden-Württemberg – und das ist jetzt ein Vorteil – sagen kann: Wir würden ja noch etwas abgeben und zusätzlich etwas zahlen.
Deswegen war unser Vorschlag, die Möglichkeit zu schaffen, Zu- und Abschläge vorzunehmen. Jetzt komme ich darauf, dass wir bisher immer von Zuschlagsrechten gesprochen haben. Ich weiß, dass das die Schwierigkeit ist, Herr Ministerpräsident, aber ich kämpfe nach wie vor noch vehement dafür, dass wir Zu- und Abschlagsrechte bekommen. Ich will kein halbes Recht, nämlich nur Zuschlagsrechte, ich will auch nicht, dass die Länderparlamente in der Öffentlichkeit nur als Zuschlagsparlamente gelten. Es muss zumindest die Chance bestehen, auch Abschläge vorzunehmen, also eine bestimmte Steuerlast seitens des Landesparlaments auch zu reduzieren, wenn es finanziell möglich ist. Deswegen gibt es den Vorschlag, Zu- und Abschlagsrechte bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer im Bereich von 3 bis 5 % nach oben oder unten zu ermöglichen.
Gleiches gilt für die Ländersteuern, und nachdem die KfzSteuer weggeht, sind das nur die Vermögensteuer, die noch gar nicht eingerechnet ist – das wäre die beste Steuer, weil die nicht im Finanzausgleich berücksichtigt wird –, und natürlich die Erbschaftsteuer. Das bloß deshalb, weil vorhin Kollege
Noll herübergerufen hat, 2003 habe die SPD Baden-Württemberg in einem Kongress zur Modernisierung des Staates die Formulierung, die ich gerade benutzt habe, beschlossen.
Das haben wir schon immer gesagt – bloß, damit das klar ist. Denn wir wissen, dass die Freibeträge in Deutschland sehr unterschiedlich sind,
und ein Freibetrag von einer halben Million gibt halt zwei Einfamilienhäuser mit Grundstück in Bremen, aber eine Dreieinhalbzimmerwohnung bei uns in Stuttgart. Deswegen muss da ein Recht bestehen.
Ich sage aber auch gleich dazu: Wer über die Erbschaftsteuer redet, muss wissen, dass wir sie mit 720 Millionen € im Haushalt veranschlagt haben. Wer die Erbschaftsteuer abschaffen will, muss sagen, wie diese Einnahmen ersetzt werden sollen.
Ich sage einfach: Das sind die Probleme. Wenn es uns allen gelingt, dieses Misstrauen abzubauen – – Das Misstrauen verstehe ich deswegen nicht, weil wir ja zusätzlich Geld zahlen. Trotzdem ist dieses Misstrauen vorhanden.
Man muss das einmal am Beispiel New York deutlich machen. New York hat die höchste Vermögensteuer unter allen USBundesstaaten. Nebraska hat überhaupt keine Vermögensteuer. Trotzdem zieht kein Mensch von New York nach Nebraska – weil es dort andere Bedingungen gibt. Es ist also nicht allein die Steuer, die den Ausschlag gibt, wenn die Leute entscheiden, wo sie wohnen wollen und wo sie mit ihren Kindern leben.
Deswegen meine Bitte an Sie alle, zu versuchen, bei Ihren Parteikollegen von der FDP, der CDU usw. in allen Ländern Vertrauen zu schaffen, damit wir im dritten Block diese Rechte bekommen.
Wenn diese Rechte nicht kommen, dann wird die SPD-Landtagsfraktion – das sage ich ganz deutlich – diesem Kompromiss nicht zustimmen können, weil wir nicht zusätzlich Geld zahlen wollen, ohne für die Länderparlamente zusätzliche Rechte im finanziellen Bereich zu bekommen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bedanke ich mich im Namen der FDP/DVP-Landtagsfraktion für die Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten, die uns als Landtag auch die Möglichkeit gibt, kurz vor der „heißen Phase“ in der Föderalismuskommission zu diesem wichtigen Thema Stellung zu nehmen.
Wir sprechen heute über die Föderalismusreform II. Es gab einen ersten Block, der gut über die Bühne gegangen ist. Er hat die Länderrechte gestärkt und dazu geführt, dass die Länder vor allem in Bildung und Wissenschaft ausschließliche Kompetenzen erhalten haben. Jetzt repräsentieren Ländervertreter z. B. bei der europäischen Gesetzgebung im Rat die Bundesrepublik Deutschland.
Bei der Föderalismuskommission II geht es neben den angesprochenen Verwaltungsthemen – Steuerverwaltung, Justiz und Bundesstraßen – im Wesentlichen um drei Themenkomplexe.
Es geht um die Schaffung eines wirksamen Mechanismus der Schuldenbegrenzung, um die Fortsetzung und Wiederholung der seitherigen Schuldenpolitik zu verhindern. Damit geht es also um die Frage eines Verschuldungsverbots. Hierzu hat Herr Minister Dr. Reinhart für die Landesregierung in einem Zeitungsinterview der „Südwest Presse“ am 27. September 2008 erklärt:
Dies ist auch die Position, die die FDP in der Föderalismuskommission und hier im Landtag von Baden-Württemberg vertreten hat und weiter vertritt.
Gleichzeitig sehen wir in einer harten Verschuldungsgrenze, einem harten Verschuldungsverbot auch die Grundlage dafür, die Altschuldenproblematik in Angriff zu nehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir gutes Geld unserer Steuerzahler nun an einen Altschuldenfonds überweisen, wenn gar nicht geklärt ist, ob es in diesen Ländern in Zukunft wieder neue Schulden gibt.
Das heißt, ein Verschuldungsverbot ist doch Grundvoraussetzung dafür, dass wir guten Gewissens sagen können: Wir geben Geld in einen Altschuldenfonds. Dass es Länder gibt, die nicht in der Lage sind, ihre alten Schulden abzubauen, sehen wir auch. Dass die Solidarität auf Dauer eine verlässliche und tragfähige Grundlage erhält, setzt aber zwingend voraus, dass Verschuldung verboten wird. Ansonsten ist das ein Fass ohne Boden.
Das Dritte, was hier angesprochen wurde, ist die Ausgestaltung der Finanzausstattung der Länder, also die Frage der Finanz- und Steuerautonomie. Wir als FDP/DVP plädieren hier ganz klar und schon seit vielen Jahren – auch schon zu Zeiten, in denen das hier noch nicht mehrheitsfähig war – dafür, dass die Länder eine eigene Steuerautonomie mit Zu- und Abschlagsrechten bekommen, sodass sie eine gewisse eigene Gestaltungsmöglichkeit haben.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ein Punkt schwingt in der Kommission eigentlich im Hintergrund mit, ist aber nicht Bestandteil der Kommissionsarbeit: die Reform und die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs. Wir denken, das hätte unbedingt mit hineingenommen werden müssen.
Dazu hatte die FDP-Bundestagsfraktion einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der die Abschmelzung auf 50 % der
Leistungen über 20 Jahre hinweg vorsieht, gleichzeitig aber den bisherigen Plafond garantiert, sodass sowohl die Nehmerländer als auch die Geberländer ein Interesse an einer Reform haben müssten, denn der jetzige Länderfinanzausgleich ist kontraproduktiv. Er setzt die falschen Anreize. Er setzt nicht genügend Anreize, eigene Einnahmen zu generieren und eine Politik zugunsten von Wachstum und Beschäftigung zu betreiben, während man versucht, gleichzeitig die eigenen Ausgaben in den Griff zu bekommen.
Damit sind wir bei einem Bild, das sowohl Sie, Herr Ministerpräsident Günther Oettinger, als auch Ihr Kovorsitzender, Kollege Struck, gebraucht haben. Sie sprechen vom „atmenden Haushalt“ als Leitbild einer zukünftigen Verschuldungsbegrenzungsregelung. Wenn man dieses Bild einmal wörtlich nimmt und auf uns überträgt, dann ist völlig klar: Wenn man nur ausatmet, dann geht einem schnell die Luft aus. Man muss also auch einatmen. Das Leitbild ist, das einzuatmen, was der Körper braucht, und den Rest dann auszuatmen. Deshalb ist das Leitbild eines atmenden Haushalts das Leitbild eines ausgeglichenen Haushalts, also eines Haushalts, der ohne neue Schulden auskommt, also das Leitbild eines Verschuldungsverbots, meine Damen und Herren.
Da stellt sich dann immer die Frage: Wo ist dieses Leitbild denn verwirklicht? Es gibt eine staatliche Ebene, in der wir Mitglied sind, nämlich die Europäische Union, die dieses Leitbild verwirklicht hat. Die EU hat als einzige quasi staatliche Ebene kein Verschuldungsrecht, und es funktioniert trotzdem oder vielleicht gerade deshalb.
Weil es dort funktioniert, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, plädieren wir als FDP/DVP für ein striktes Verschuldungsverbot. Die EU hat ja die Möglichkeit geschaffen, einen Puffer zu bilden. Dort werden die Haushaltsansätze so veranschlagt, dass die Ausgaben generell niedriger angesetzt werden als die Einnahmen. Dieser Puffer wird, wenn er nicht gebraucht wird, zurücküberwiesen. Die FDP/DVP hat vorgeschlagen, dass man diese Rücküberweisungen – in den letzten Jahren hat die Bundesrepublik immer Rücküberweisungen in Anspruch nehmen können – zur Senkung der viel zu hohen Altschulden verwendet.
Es sollte jetzt noch einmal versucht werden, meinen wir, ein solches Modell in dieser Föderalismuskommission umzusetzen. Das heißt Nullneuverschuldung, das heißt nicht 0,5 % des Bruttosozialprodukts, auch nicht 0,75 %, sondern eine strikte Regelung. Das ist unser Vorschlag. Es ist von anderen Rednern schon angedeutet worden, dass das schwierig ist, weil andere Bundesländer da skeptisch sind. Man spricht von Ausnahmen. Ich möchte an dieser Stelle auch klarmachen: Man kann Verschuldungsverbote, die in der Verfassung enthalten sind, mit einer entsprechenden parlamentarischen Mehrheit ändern.
Eines möchte die FDP/DVP in jedem Fall auch: Wir wollen für Katastrophenfälle und für Ausnahmefälle natürlich Verschuldung ermöglichen, aber es muss der Ausnahmefall sein.
Wenn man sich die Haushalte der Bundesländer und des Bun des anschaut, dann stellt man fest, dass die Verschuldung leider der Regelfall geworden ist. Daher ist das richtige Instrument ein Verschuldungsverbot.
Situationen wie jetzt, die gern ins Feld geführt werden – Krisen an Finanzmärkten, Turbulenzen –, sind natürlich Ausnahmesituationen. Den Zusammenbruch des Finanzsystems können wir nicht zulassen, weil das nachhaltig negative Wirkungen auf unsere Realwirtschaft hätte. Das wäre also ein Punkt, der bei einem Verschuldungsverbot ausgenommen wäre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unstrittig ist dabei weiter, dass wir ein Frühwarnsystem brauchen. Das heißt, es muss ein Controlling der Zahlen geben. Und was uns auch wichtig ist: Ohne Sanktionen wird ein Verschuldungsverbot nicht umsetzbar oder nicht praktikabel sein.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wir im Prinzip jetzt am Kern der Reform, an dem sich dann auch der Erfolg oder Misserfolg der Reform messen lassen muss. Wenn es nicht gelingt, ein Verschuldungsverbot, das auch wirklich durchsetzbar ist, zu etablieren, dann sehe ich letzten Endes für die Zukunft des Föderalismus dunkle Gewitterwolken aufziehen. Denn man sollte nicht glauben, dass die Menschen in unserem Land das nicht beobachten und dass gerade Menschen in einem Geberland wie Baden-Württemberg nicht sagen: Kann es eigentlich sein, dass unsere Steuereinnahmen umverteilt werden, dass andere Länder wie das Saarland, das am Tropf des Länderfinanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisungen hängt, einen kostenlosen Kindergartenplatz einführen können und wir nicht?
Dass man das so nicht laufen lassen kann, zeigen europäische Nachbarländer. Schauen wir doch einmal nach Italien. Was ist dort mit dem Tropf Mezzogiorno und den Norditalienern passiert? Die sind auf die Straße gegangen – mit verheerenden Folgen für die Einheit des italienischen Gesamtstaats. Schauen wir einmal nach Belgien. Belgien zerfällt. Wenn man den Zerfall vermeiden will – und ich möchte ihn vermeiden, weil mir die Einheit der Bundesrepublik Deutschland besonders wichtig ist –, dann muss man die finanziellen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland auch mit einer Neuregelung des Länderfinanzausgleichs und mit einem Verschuldungsverbot auf eine neue Grundlage stellen. Dafür werbe ich, dafür werben wir als FDP/DVP, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dabei haben wir es sehr bedauert, dass zu wenig über die Frage gesprochen wird: Wie kann man die Möglichkeit von Länderneugliederungen erleichtern? Das ist ja auch ausgeblendet worden. Man hat gesagt, das sei zu kompliziert, zu schwierig. Aber wir meinen, das sollte doch noch im Hinterkopf behalten werden.
Denn eine Länderneugliederung – hier in Baden-Württemberg haben wir es vorgemacht – kann auch dazu beitragen, dass
Ich fasse zusammen: Es sind viele gute Dinge in der Föderalismuskommission I erreicht worden. Es sind viele gute Vorschläge in der Föderalismuskommission II im Gespräch. Wir hoffen und wünschen, dass es nun gelingt, die entscheidenden Durchbrüche zu erzielen. Dafür wünschen wir Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, und allen anderen Mitgliedern der Kommission einen guten Erfolg, weil dies gerade auch im Interesse unseres Landes Baden-Württemberg liegt. Nachdem in der Föderalismusreform I der große Wurf gelungen ist, sollten wir gemeinsam als Baden-Württemberger noch einmal alles daransetzen, dass die Reform nicht zu kurz springt, sondern auch die finanziellen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland mit einem großen Wurf zukunftsfähig neu geregelt werden.