Wir nehmen zur Kenntnis, dass eine Rolle rückwärts jetzt natürlich nicht stattfinden kann. Aber wir nehmen auch zur Kenntnis, dass gerade aus diesem Grund der entscheidende Erfolg dieser Verwaltungsreform ausgeblieben ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum auffälligsten Beispiel, nämlich zur Reform der Schulverwaltung. Die Schulämter wurden in die Landratsämter eingegliedert. Jetzt sollen sie wieder ausgegliedert und als eigenständige Landesbehörden betrieben werden. Im Turnen – ich habe diesen Begriff eben schon einmal verwendet – nennt man so etwas eine Rolle rückwärts. Das ist eigentlich eine sehr einfache Turnübung, aber die Rolle rückwärts, die Sie jetzt machen, ist missraten und einfach schlecht gemacht.
Die Regierungspräsidien, also die Aufsicht über die Gymnasien und die beruflichen Schulen, blieben und bleiben außen vor. Wir haben nach wie vor zwei Ebenen. Das führt in der Praxis – das sage ich auch als Bürgermeister – zu sehr viel Doppelarbeit.
Wir haben deshalb einen Änderungsantrag eingebracht, weil wir genau die Zusammenlegung der zwei Verwaltungsebenen Schulamt und Oberschulamt für zwingend erforderlich halten. Die neuen Regionalschulämter sollen als Schulaufsichtsbehörde für alle in ihrem Schulaufsichtsbezirk liegenden Schul arten zuständig sein. Sie sollen die qualifizierte Beratung und Begleitung der Schule bei ihrer Schulentwicklung als Aufgaben erhalten. Sie führen die Fachaufsicht, die Dienstaufsicht über die Schulleiter und die Lehrer, die Aufsicht über die Erfüllung der den Schulträgern obliegenden Angelegenheiten. Durch diese Zusammenlegung, meine Damen, meine Herren, erhalten wir tatsächlich eine Effizienzsteigerung der Schulverwaltung. Durch die Zusammenfassung dieser beiden bisherigen Schulbehörden zu Regionalschulämtern gelingt es, alle Schularten unter einem Dach zu vereinen und hierdurch das Beratungsangebot deutlich zu steigern.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zu den von Ihnen vorgeschlagenen neuen Standorten der Schulämter kommen. Ich habe bereits bei der ersten Lesung auf das neue Schulamt Mannheim hingewiesen. Zum Zuständigkeitsbereich dieses Schulamts gehören dann u. a. auch der Neckar-OdenwaldKreis und z. B. die Gemeinde Hartheim. Sie liegt ca. 150 km von Mannheim entfernt. Es ist so – und das kann man nicht wegdiskutieren, lieber Kollege Herrmann –: Wenn jemand künftig von Hartheim, aus welchen Gründen auch immer, zum Schulamt nach Mannheim muss, dann bedeutet dies eine Tagesreise.
und drei Stunden lang muss er wieder zurückfahren. Meine Damen und Herren, das ist reale Verwaltungsreform im Jahr 2008 in Baden-Württemberg. Da ist die Frage erlaubt: Wo bleibt da bitte die Bürgernähe?
Jetzt komme ich zu unserem Änderungsantrag. Man muss hier in der Tat flexibler reagieren. Da setzt unser Antrag auch an. Denn unser Antrag ermöglicht es, auch auf die geografischen Gegebenheiten zu reagieren und dort Außenstellen einzurichten, wo sie sinnvoll sind und vor allem beim Bürger im Sinne von mehr Bürgernähe in der realen Welt ankommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Jetzt zu einem anderen Punkt, der auch angesprochen wurde, allerdings so, als ob alles so toll wäre, Herr Kollege Herrmann. Ich beweise Ihnen jetzt das Gegenteil. Die bisherige Verwaltungsstrukturreform hat auch bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sehr großer Verunsicherung geführt. Unterschätzen Sie die Auswirkungen auf die Arbeitsleis tung der Mitarbeiter nicht, wenn diese langsam, aber sicher völlig demotiviert werden. Das kann die Folge sein, wenn Sie seitens der Regierung so weitermachen.
Lassen Sie mich stellvertretend hier nur die jüngste Entwicklung beim Amt für Flurneuordnung und Landentwicklung in Karlsruhe nennen. Hier gibt es seitens der Landesregierung offensichtlich Gedankenspiele, die bereits bestehende Dienststelle von Karlsruhe in einen anderen Ort im Landkreis zu verlegen. Das war übrigens auch Inhalt einer Bürgermeisterversammlung von 32 kreisangehörigen Kommunen in der letzten Woche.
Ich habe Sie, Herr Innenminister, in der letzten Sitzung des Innenausschusses auch zu diesem konkreten Fall befragt. Sie haben mir hierzu jedoch eine völlig unzureichende Antwort gegeben.
Deshalb bitte ich Sie heute um eine klare Auskunft darüber, wie es mit diesem Standort weitergehen soll.
In der Koalitionsvereinbarung ist als Ziel die Zusammenführung von Flurneuordnung und Vermessung an einem Standort formuliert. Jetzt soll offensichtlich wieder eine Trennung von Vermessung und Flurneuordnung vorgenommen werden. Dies, meine Damen und Herren, würde die fachliche Zusammenarbeit im operativen Bereich erheblich erschweren und würde die Synergieeffekte, soweit sie nach der Verwaltungsreform 2005 – ich rede jetzt speziell von Karlsruhe – aufgebaut werden konnten, wieder zerstören.
Es gibt im Landkreis Karlsruhe bereits seit 2005 eine gemeinsame Dezernats- und Amtsleitung. Eine örtliche Trennung der Verwaltungen würde erneute Abstimmungsprozesse im Lei
tungsbereich nach sich ziehen. Immer wieder wird seitens der Landesregierung propagiert: Verwaltung aus einer Hand und unter einem Dach. Würde man die Dienststelle in Karlsruhe auseinanderreißen und einen Teil in irgendeine andere Kommune verlagern, würde dieses Ziel geradezu ad absurdum geführt.
Die Mitarbeiter haben mich und auch andere Kolleginnen und Kollegen angeschrieben. Sie sind absolut verunsichert. Ich verstehe die Welt nicht mehr, weil durch ein Auseinanderreißen der Verwaltungen auch hier wieder wesentlich weniger Bürgernähe zu verzeichnen wäre. Hier ist ein Machtwort von Ihnen, Herr Innenminister, gefordert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU – Abg. Klaus Herrmann CDU: Da gibt es keine Machtworte!)
Wir sind gespannt, was Sie zu diesem Punkt beitragen werden. Ich sage vor allem eines: Was wir nicht hinnehmen werden, ist die Aussage: „Der Herr Landrat ist zuständig.“ Der Herr Landrat sagt vielleicht: „Der Herr Innenminister ist zuständig.“ Nein, nein. Sie müssen sich einmal einigen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen, Herr Innenminister.
Letzter Punkt: Effizienzrendite. Wir haben noch immer große Zweifel, dass sich die ins Auge gefassten 20 % realisieren lassen.
Ich habe sehr große Zweifel. Ich formuliere es einmal vorsichtig: Zurzeit ist es relativ ruhig im Land. Da gebe ich Ihnen recht. Wenn es allerdings ruhig ist, dann ist es oft auch verdächtig.
Ich habe in der letzten Sitzung eine glasklare Frage gestellt. Auch hierauf, Herr Innenminister, habe ich noch keine Antwort. Der Landrat des Landkreises Heidenheim hat ja mitgeteilt, dass das Land seit Beginn der Reform im Jahr 2005 bei Zuweisungen an die Landkreise Gebühren abgezogen hat, welche die Landkreise in dieser Höhe gar nicht erhalten haben. Es geht um 13,7 Millionen € im Bereich der Vermessung. 13,7 Millionen €, sagt der Landrat in einem Schreiben vom Juli 2008, fehlen den Landkreisen.
Jetzt mag es ja sein, lieber Kollege Herrmann, dass das Land – ich weiß nicht, welche Summe Sie genannt haben – 200 Millionen € oder welchen Betrag auch immer einsparen wird. Aber wir sagen deutlich: Wir haben nach wie vor die Befürchtung, dass dies zulasten der Kommunen geht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Solange wir keine klare Auskunft erhalten haben, müssen Sie halt darauf gefasst sein, dass wir dies weiterhin behaupten werden.
Ganz zum Schluss darf ich mich auch im Namen der Fraktion noch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort sehr herzlich bedanken, die diese Verwaltungsreform hervorragend umgesetzt haben.
(Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Weiter so! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)
Moment! Zu früh geklatscht. – Jedenfalls sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wesentlich besser als das Gesetzeswerk. Wir werden auch diesem Weiterentwicklungsgesetz nicht zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute eine lange Diskussion, von der wir uns viel erhofft haben,
Ihre Vorschläge, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, überzeugen auch heute nicht. Ihre Korrekturen und Ihre Nachjustierungen überzeugen auch heute nicht. Deshalb gilt für uns etwas Ähnliches wie in den Jahren 2004 und 2005: Diese Verwaltungsreform verfehlt ihr Ziel. Ich will das aus unserer Sicht an wenigen Beispielen verdeutlichen.