Die heutige Hauptschule ist für uns keine Restschule. Sie ist nicht die Schule der weniger Gescheiten; sie ist die Schule für diejenigen, die sich mehr auf das Praktische verstehen. Für das Profil und den Geist unserer Schulen macht es einen gewaltigen Unterschied, ob wir unsere Kinder über ihre Schwächen oder über ihre Stärken definieren. Wir wollen die Stärken der Kinder stärken. Dafür sind die Gliederungen des Schulwesens auch in Zukunft der richtige Weg.
Und wir entwickeln unsere Hauptschulen zu Werkrealschulen weiter. Für uns ist die Werkrealschule nicht gleichartig, nicht gleich, aber gleichwertig mit der Realschule. Damit erhöhen wir die Durchlässigkeit unseres Schulsystems weiter. Jede Hauptschule mit mindestens zwei Zügen erhält die Möglichkeit, nach dem zehnten Schuljahr die mittlere Reife zu vergeben. Kleinere Klassen, individuelle Ansprache und Ganztagsbetreuung führen dazu, dass die Werkrealschule der Zukunft den Kindern auf dem Weg in den Arbeitsmarkt mindestens gleich gute Chancen wie die Realschule bieten kann.
Ich stimme der „Pforzheimer Zeitung“ vom 4. September dieses Jahres ausdrücklich zu – ich zitiere –:
... von einem Stillstand im baden-württembergischen Bildungssystem oder davon, dass die Bedeutung dieses Themas verschlafen worden sei, kann nicht die Rede sein.
Gerade erst vor wenigen Wochen haben wir, haben die Fraktionen von CDU und FDP/DVP im Landtag die Qualitätsoffensive Bildung mit 530 Millionen € auf den Weg gebracht.
Mit dem Haushalt 2009 setzen wir die erste Stufe um. Wir halten Wort: Wir erarbeiten ein Konzept, wir bringen es ein, wir verabschieden es, und es wird dann in den Jahren darauf, wie versprochen, finanziert. Die Qualitätsoffensive beginnt 2009. Sie führt dazu, dass die Schule in Baden-Württemberg dauerhaft gestärkt wird.
Wer einfach, wie jüngst der der SPD angehörende Bildungssenator in Berlin, das Niveau von Bildungsabschlüssen senkt, hilft den Kindern nicht. Schulabschluss zum Schnäppchenpreis ist keine Garantie für gute Lebenswege unserer Kinder, im Gegenteil. Für das Leben wie für den Beruf ist entscheidend, was Kinder in der Schule lernen und was nicht. Bildungsgerechtigkeit heißt für uns auch Abschlussgerechtigkeit. Wir setzen unseren Weg einer differenzierten Bildungskulisse in Baden-Württemberg fort.
Dies gilt gerade auch für sozial schwache Kinder und Kinder mit Migrationshintergrund. Hier haben wir Nachholbedarf. Dies sage ich auch selbstkritisch. Durch mehr Ganztagsschulen, durch den Ausbau der frühkindlichen Bildung, durch die Einführung einer notwendigen Zahl an Kinderkrippen, durch die Entwicklung des Kindergartens, der zur Kinderschule wird, wollen wir erreichen, dass die wichtigsten Lebensjahre für Kinder – die nach der Geburt bis zum zehnten Lebensjahr – im Mittelpunkt des Ausbaus und der Investition in die Zukunft stehen. Dies kündige ich ausdrücklich an, weil ich will, dass alle neugeborenen Kinder in Baden-Württemberg – egal, aus welchem Umfeld – gleichermaßen chancenreich sind. Chancengleichheit am Anfang ist mir in besonderem Maß ein Ziel.
Die Qualitätsoffensive Bildung steht für einen Klassenteiler, der schrittweise auf 28 gesenkt wird, steht für 3 200 zusätzliche, neue Lehrerstellen über die bisherige Stellenzahl hinaus, steht für die Stärkung der Hauptschule und der Werkrealschule, steht für den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuung und steht dafür, dass auch in Zukunft das Prinzip „Kurze Beine – kurze Wege“ im ländlichen Raum gilt.
Wir glauben, dass dieses Konzept vor Ort umgesetzt wird. Die Partnerschaft mit den Kommunen ist schon absehbar. Kurzum: Das „Kinderland“ Baden-Württemberg wird mit dieser Qualitätsoffensive weiter realisiert.
Aber wir nehmen bei unseren Maßnahmen weiter die freie Entscheidung von Eltern und Familien sehr ernst. Unsere Anerkennung gilt den Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen möchten, ebenso wie denjenigen, die auf externe Betreuung angewiesen sind. Pflichtbetreuung ganztags wird weiterhin nicht unser Programm für die Kinder in Baden-Württemberg sein.
Dieses duale Konzept mit Betreuung und mit Elternverantwortung kommt auch im Haushalt ganz klar vor: Wir bauen die Betreuungsplätze im Land auf die dreifache Zahl aus. Wir
haben das einkommensabhängige Landeserziehungsgeld im Anschluss an das Elterngeld in Baden-Württemberg für die Zukunft finanziert. Das Programm STÄRKE mit Elternkompetenzen kommt hinzu.
Wir führen flächendeckend neue Einschulungsuntersuchungen ein, und die Sprachförderung wird in Baden-Württemberg flächendeckend angeboten. Die Finanzierung sichern wir ausdrücklich zu.
Kurzum: Nicht wir entscheiden, wo nachmittags die Kinder sind. Dies entscheiden die Eltern. Aber die Elternentscheidung ist für uns die Vorgabe für den Ausbau der öffentlichen Betreuung.
Ich glaube, dass dies sehr wohl dem Leitbild von Familie und Gesellschaft, von Schule und Betreuung in Baden-Württemberg entspricht.
Am anderen Ende des „Kinderlands“ geht es um Wissenschaft, um Lehre und um Forschung. Wenn irgendwo die Politik der Landesregierung von Dritten mit dem Prädikat „erfolgreich“ bewertet wird, dann dort.
Ich danke ausdrücklich den Vorgängerregierungen. Wir bauen in diesen Jahren auf dem Fundament der Regierungen von Lothar Späth
und von Erwin Teufel auf. Hochschulerfolge kommen nicht von jetzt auf nachher. Dass von neun Eliteuniversitäten in Deutschland vier in Baden-Württemberg – besser gesagt, in Baden: Konstanz, Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg – liegen, dass von vielen Anträgen auf Graduiertenschulen, Exzellenzcluster, Zukunftskonzepte die Mehrzahl aus Baden-Württemberg sind, dass Baden-Württemberg vor Bayern das Land der Exzellenz in der Wissenschaft geworden ist, hat mit den letzten 25 Jahren einer Schwerpunktbildung für die Investition in Wissenschaft und Forschung bei Staat, bei Instituten und in der Wirtschaft zu tun.
Wir werden hier nicht nachlassen. Wir werden jetzt investieren, damit unsere Nachfolger in zehn, in 15 und 20 Jahren genauso erfolgreich mit den Wissenschaftlern auf diesem Geschäftsfeld für die Jugend in Baden-Württemberg in die Zukunft gehen.
In keinem anderem Flächenland werden pro Einwohner mehr Akademiker ausgebildet als in Baden-Württemberg. Doch wir werden nochmals einen Anstieg der Studierendenzahlen erleben. In den nächsten vier Jahren werden wir deswegen die Zahl der Studienanfängerplätze in Baden-Württemberg um 16 000 erhöhen. Wir schaffen in Schwäbisch Hall, in Tuttlingen und in Backnang neue Hochschullehrorte, wir stärken die Berufsakademien, kurzum, wir entwickeln unsere tertiäre Bildung so weiter, wie es der Arbeitsmarkt von morgen nachfragt
und wie es die Jugend von heute benötigt. Baden-Württemberg bleibt auch im tertiären Bereich exzellent.
Wir wollen die führende Rolle Baden-Württembergs als Innovationsmotor Deutschlands erhalten und ausbauen. Drei Großprojekte seien dafür beispielhaft genannt: erstens das KIT, das Karlsruher Institut für Technologie. Durch die Fusion der Uni Karlsruhe – einer Eliteuni – mit dem Forschungszentrum Karlsruhe wird mit rund 8 000 Mitarbeitern und einem Budget von einer halben Milliarde Euro pro Jahr eine weltweit angesehene Wissenschaftseinrichtung geschaffen. KIT kommt nicht von ungefähr von MIT; da geht es darum, dass man damit in der Champions League mithalten kann. Ich halte dies für eine ideale und geniale Fusion.
Zweitens: Unser Innovationsrat Baden-Württemberg wird Impulse für das Hochschulland und für die Forschung vorlegen. Die Arbeiten dafür sind im Plan.
Drittens: Bei den wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen, von denen es nirgendwo so viele wie in Baden-Württemberg gibt, deren Gebäude in die Jahre gekommen sind, werden wir in den nächsten Jahren, beginnend mit dem Haushalt 2009, eine Investititons- und Sanierungsoffensive starten, um neue Arbeitsfelder zu erschließen, Erweiterungsbauten zu ermöglichen und bestehende Bauten zu modernisieren, damit der Vorsprung bei der hochschulnahen Forschung in Baden-Würt temberg von Fraunhofer, von Helmholtz, von der DFG, von Steinbeis und von anderen erhalten bleiben kann.
Neben der Haushaltspolitik, neben dem Arbeitsmarkt und der Wirtschaftsförderung, neben dem „Kinderland“ Baden-Würt temberg widmen wir den vierten Schwerpunkt wie in den letzten zweieinhalb Jahren auch in der Zukunft dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Hier haben wir Nachholbedarf. BadenWürttemberg bleibt Wachstumsland. Die Zahl der Einwohner bei uns nimmt zu. Baden-Württemberg ist ein Land der industriellen und gewerblichen Produktion, hier sind Waren, Güter und Menschen zu befördern. In diesem Herzen Europas, wo die Verkehre von Nord nach Süd und von West nach Ost überall durchfließen, müssen wir noch mehr für Schienen, für Wasserstraßen und für Straßen in Baden-Württemberg tun.
Ich möchte Ihnen versichern, dass mir dabei ganz BadenWürttemberg wichtig ist: vom Hochrhein bis vor die Tore von Würzburg, von Karlsruhe bis nach Ulm, von der Gäubahn bis zur Südbahn. Meine Bitte ist: Wenn ein Durchbruch bei einer Straße oder einer Schiene erreicht worden ist, sollten die anderen Regionen nicht neidisch sein. Es kommt jeder dran.
Wenn die eine Schiene, die erfolgreich ist, in anderen Regionen nicht anerkannt wird, erreichen wir in Berlin nichts. Denn leider geht es um Folgendes: Der Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur entscheidet sich in Berlin. Wir müssen in Berlin die Lobbyarbeit fortführen – das tun wir –, und zwar bei Herrn Tiefensee, bei Herrn Steinbrück, bei Frau Merkel.
Wir müssen erreichen, dass dieses Thema in der nächsten Bundesregierung mehr Gewicht erhält und der Verkehrsbereich mehr Mittel bekommt. Wir in Baden-Württemberg haben allein für den Straßenbau, für den Bundesfernstraßenbau fertige Pläne im Volumen von 1,3 Milliarden €, bei denen morgen eine Ausschreibung und in der nächsten Woche ein Baubeginn möglich wäre.
Wir brauchen eine weitere Dreiviertelmilliarde Euro, damit bestehende Maßnahmen, die im Bau sind, durchfinanziert werden können. Für eine weitere Dreiviertelmilliarde Euro haben wir Planungen. Baden-Württemberg könnte in den nächsten Jahren für 2,8 Milliarden € Straßen bauen – keine neuen Straßen, sondern da geht es um die Ertüchtigung bestehender Trassen, um fünfte oder sechste Streifen oder um Ortsumfahrungen.
Wir fordern den Bund zur Bereitstellung von deutlich mehr Mitteln im Schienenwegebau und im Straßenbau auf und sorgen dann dafür, dass diese gerecht im Land verteilt werden, damit dies zu wirtschaftlicher Stärkung, bürgerlicher Entlas tung, mehr Verkehrssicherheit und mehr Lebensqualität in den Städten und Gemeinden führt.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE: Und das geht auf Pump! Das soll der Bund ja offensichtlich auf Pump finan- zieren!)
Wir kämpfen für die Strecke Stuttgart–Ulm genauso wie für Frankfurt–Mannheim oder für die Rheintalbahn, die so ge plant werden muss, dass der Lärm für die Bürger zumutbar ist. Wir kämpfen für die Autobahnen im ganzen Land. Kurzum: Ich will auch in den nächsten zweieinhalb Jahren alles tun, damit der Rückstand im Bereich der Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg Stück für Stück wettgemacht wird. Dies sage ich für alle Räume Baden-Württembergs mit gleichen Schwerpunkten zu.