Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Für uns auch!)

Deshalb, Herr Ministerpräsident, wehren wir uns vehement gegen eine politisch getriebene Fusion unserer Landesbank. Jegliche Fusion, die unsere Landesbank eingehen soll, kann nur stattfinden, wenn sie die Stabilität unserer Landesbank erhöht und nicht schwächt.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel und Dr. Birgit Arnold FDP/DVP)

Eine Fusion kann nur stattfinden, wenn sie nicht zulasten der Beschäftigten in Stuttgart, Mannheim oder Karlsruhe geschieht. Diejenigen, die mit uns fusionieren wollen – in München oder in Nordrhein-Westfalen –, müssen erst ihre Hausaufgaben machen. Wer heute zu viel an Bord hat, der muss erst vor Ort abspecken und darf nicht fusionieren zulasten unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Würt temberg.

(Beifall bei der SPD)

Ich teile Ihre Einschätzung, Herr Ministerpräsident, dass die Finanzkrise natürlich auch auf die reale Wirtschaft durchschlägt und dass wir mit einer Rezession in den USA zu rechnen haben. Dies hat Auswirkungen auf die Weltkonjunktur, es hat Auswirkungen auf unsere Exportwirtschaft und verschärft den Wettbewerb auf den heimischen Märkten.

Deshalb ziehen wir daraus drei Schlussfolgerungen für die strategische Ausrichtung unserer Landespolitik. Die erste lautet: Wir müssen alles dafür tun, dass gute und verlässliche Arbeit nicht unter den Druck von Lohndumping, Leiharbeit und unsauberer Arbeit kommt.

(Beifall bei der SPD)

Wir verlangen, Herr Ministerpräsident, auch von der Landesregierung als Arbeitgeber, dass sie mit dieser Philosophie, Arbeitnehmer immer kurzfristiger zu beschäftigen, Arbeitnehmer im Leiharbeitsverhältnis zu beschäftigen, Arbeitnehmer zu möglichst niedrigen Löhnen zu beschäftigen, aufhört. Ist es denn notwendig, dass an der Uniklinik in Freiburg ein Drittel der Beschäftigten befristet arbeiten? Ist das notwendig? Ist es notwendig, dass auch in den Bereichen, in denen das Land als Arbeitgeber Verantwortung trägt, immer mehr Leiharbeit einkehrt? Ist es notwendig, dass bei der Förderbank des Lan des mittlerweile 86 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer beschäftigt sind?

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Von wie vie- len?)

Wenn ich die befristeten Stellen dazunehme, dann ist bei der Förderbank in Baden-Württemberg bereits jeder sechste Ar

beitnehmer befristet beschäftigt. Herr Ministerpräsident, „Kinderland“ ist auch „Elternland“. Wie sollen sich denn Menschen, die unter unsicherer und nicht verlässlicher Arbeit leiden, die nicht wissen, was in zwei Jahren sein wird, mit dem Gedanken an Kinder und Familie anfreunden?

(Beifall bei der SPD)

Hören Sie deshalb auf, in diese unsicheren Arbeitsverhältnisse zu gehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen auch in unserer Rolle als öffentliche Auftraggeber dafür sorgen, dass nicht diejenigen belohnt werden, die mit Lohndumping, mit Leiharbeit, mit Sozialversicherungsbetrug die Preise niedrig halten und das anständige Handwerk, den Mittelstand aus dem Wettbewerb kegeln. Es geht nicht an, dass diejenigen am Ende belohnt werden, die sie sich unanständig verhalten, und diejenigen, die sich anständig verhalten, die Dummen sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir danken an dieser Stelle dem Handwerk in Baden-Würt temberg, dass es uns bei einer ganz wichtigen Maßnahme unterstützt hat, mit der jetzt durch öffentliche Aufträge das anständige, gute, regionale Handwerk bei öffentlichen Aufträgen besser bedacht werden kann, als es in der Vergangenheit der Fall war.

(Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU)

Herr Mappus, Sie haben hier zweimal einen Antrag abgelehnt, die Wertgrenzen zu erhöhen. Sie haben das abgelehnt!

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es! – Abg. Stefan Mappus CDU: Es gibt gar keine Wert- grenzen! Sie lügen! Sie wissen ganz genau, dass es keine Wertgrenzen gibt!)

Deshalb hat das Handwerk auch von der Regierung verlangt – übrigens in Übereinstimmung mit dem Städtetag, dem Gemeindetag und dem Landkreistag –, dass diese Wertgrenzen auf das bayerische Niveau angehoben werden. Sie haben das abgelehnt.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist unglaublich!)

Dann ist Folgendes passiert: Dann sind wir Sozialdemokraten mit der Unterstützung des Handwerks vor Ort marschiert und haben Druck gemacht. Der Druck hat dazu geführt, dass Sie am Ende doch die Wertgrenzen erhöht haben

(Zuruf von der SPD: Genau so war es! – Beifall bei der SPD)

und heute die Bürgermeister Aufträge in der Region vergeben können, und das war gut so.

(Beifall bei der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: Glatt gelogen! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das ist die Unwahrheit, was Sie sagen! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Deshalb wollen wir das Handwerk in Baden-Württemberg noch einmal um Unterstützung bitten für ein weiteres Thema, das wichtig ist,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Mindestlöh- ne! – Abg. Stefan Mappus CDU: Die Mindestlöhne kommen jetzt!)

damit wirklich Arbeit in Baden-Württemberg bleibt und gut bezahlte Arbeit gestärkt wird. Wir haben es zunehmend mit Ausschreibungen zu tun, die nicht in Gewerken vergeben werden, sondern die an Finanzinvestoren vergeben werden. Der Wirtschaftsminister nennt es PPP, Public Private Partnership. Wir wissen aus der „Schwindelwirtschaft“, der Finanzwirtschaft,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: „Schwindelwirtschaft“! – Lachen bei Abgeordneten der CDU)

dass man immer, wenn angelsächsische Begriffe kommen, aufpassen muss. Wenn bei Finanzprodukten im Beiprogramm „Security“ steht, dann ist damit meistens ziemlich viel Unsicherheit verbunden. Und wenn der Wirtschaftsminister von Partnership spricht, dann meint er die Partnerschaft mit Finanzinvestoren, mit Generalunternehmern. Aber bei allem, was hinterher kommt, bei Subunternehmern, geht es ziemlich fies zu.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Bernd Mur- schel GRÜNE – Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: So ist es! Jawohl! – Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU)

Nehmen Sie einmal die Vergabe des Neubaus der Justizvollzugsanstalt in Offenburg.

(Oh-Rufe von der FDP/DVP)

Nehmen Sie dieses Beispiel. Bei der Ausschreibung erhält ein Finanzinvestor den Zuschlag. Der vergibt an einen Generalunternehmer. Der wiederum holt sich die Subunternehmer mit den billigsten Arbeitskräften.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: 109 Subunterneh- mer!)

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit stellt den Bau fünfmal ein, weil Schmu und Lug und Trug herrschen.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Unglaublich! – Mi- nister Ernst Pfister: Wo war das so?)

Gustav-Adolf Haas fragt die Regierung: „Was ist da los?“ Die Regierung antwortet: Das geht uns nichts an. Das ist ein privates Bauvorhaben. Wir kommen erst ins Spiel, wenn der Bau fertig ist und wir den Leasingvertrag abschließen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Bernd Mur- schel GRÜNE – Zuruf von der SPD: Jawohl!)

Es darf doch nicht wahr sein, dass wir zunehmend in PPP-Projekte gehen, die nur Finanzinvestoren stemmen, die nur die Großen stemmen. Züblin freut sich. Das Handwerk kommt

nicht zum Zug, und wenn es zum Zug kommt, dann kommt es nicht auskömmlich zum Zug. Deshalb fordern wir das Handwerk in Baden-Württemberg auf, uns noch einmal zu unterstützen. Wir wollen weiter Druck machen, dass man nicht diesen Irrweg weitergeht. Sie streuen den Leuten Sand in die Augen, wenn Sie behaupten, PPP nütze dem Handwerk.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wir müssen als zweiten Punkt, Herr Ministerpräsident, wenn die Weltkonjunktur nachlässt, dafür sorgen, dass wir zusätzliche Wertschöpfung und Wachstum und Arbeitsplätze aus eigener Kraft im eigenen Land fördern.

Da steht natürlich das Thema der regenerativen Energien, der dezentralen Energieversorgung ganz vorn an. Das sind Wertschöpfungspotenziale, Arbeitspotenziale; es sind Milliarden, die wir sonst in den Nahen Osten, nach Russland oder nach Paris überweisen würden und die so vor Ort bleiben und dort wirksam werden könnten. Und es geht! Schwäbisch Hall erzeugt schon heute 40 % des benötigten Stroms und 50 % der Wärmeleistung vor Ort.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Sehr gut! – Zurufe der Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Hel- mut Walter Rüeck CDU)

Dort wird jetzt ein Energiewald gebaut, und dadurch werden sich diese Anteile noch erhöhen. Im Landkreis Biberach stammen heute schon 20 % des Stroms aus regenerativen Energien. Die Stadtwerke von Mosbach wollen Ende nächsten Jahres alle privaten Haushalte auf ihrem Gebiet – nicht die Industrie, aber alle privaten Haushalte – mit Strom aus regenerativen Quellen versorgen. Wir haben, Herr Oettinger, in Ludwigsburg den Spatenstich für ein Heizkraftwerk gesetzt, in dem Holzabfälle, die andernfalls vor sich hin rotten, verbrannt werden. Dadurch sparen wir 7,5 Millionen Liter Heizöl und erzeugen nebenbei noch 10 Millionen Kilowattstunden Strom. Das Geld bleibt vor Ort, es schafft Arbeit und sorgt für Wertschöpfung.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es uns gelingt, 20 % der Energie, die wir heute in Baden-Württemberg verbrauchen, einzusparen, dann haben wir allein durch diese Maßnahme einen Kaufkraftzuwachs von jährlich 3 bis 4 Milliarden € im Land.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)