Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Und wenn es uns gelingt, einen immer größeren Anteil der Energie dort zu erzeugen, wo sie benötigt wird, wo die Menschen arbeiten und wohnen, dann haben wir noch einmal viele zusätzliche Milliarden Euro an Wertschöpfung, dann gibt es Wachstum und einen Zuwachs an Arbeitsplätzen vor Ort. Das ist unser Weg. Sie helfen mit Ihrem Kurs – „Wir setzen die Atompolitik fort. Wir bleiben beim Atomstrom!“ – Neckarwestheim und Philippsburg. Wir helfen allen anderen 1 107 Städten und Gemeinden, ihre Energie selbst zu erzeugen und hier voranzukommen, Wertschöpfung zu erzielen und Arbeitsplätze zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE)

Herr Ministerpräsident, Sie haben davon gesprochen – das ist auch unbestritten richtig –, dass wir in Baden-Württemberg eine ausgezeichnete Forschungs- und Entwicklungslandschaft haben, um die uns viele beneiden. Es gibt keinen Landstrich in Deutschland, der so gesegnet ist mit Instituten der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung sowie mit exzellenten Universitäten, wie wir sie haben, was die Forschung anbelangt.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das ist jetzt das erste Richtige, was Sie feststellen! – Abg. Dr. Klaus Schü- le CDU: Sehr gut!)

Da muss es aber umso mehr verwundern, Herr Ministerpräsident, dass wir in Bezug auf das, was aus diesem exzellenten Forschungscluster an Neuem herauskommt – Hightech, Exis tenzgründungen –, obwohl wir die beste Plattform haben, gerade einmal Durchschnitt sind. Sie berufen sich ja gern auf die „Wirtschaftswoche“. Deshalb habe ich die Ausgabe von dieser Woche mitgebracht.

(Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU)

Da wird berichtet: Die Mannheimer Ökonomen hatten in elf deutschen Metropolregionen das Gründungsklima im industriellen Hightechbereich untersucht. Wörtlich heißt es in der Studie:

In den vergangenen zehn Jahren hat Stuttgart stetig an Vorsprung eingebüßt und ist jetzt fast auf die Gründungsintensität im Bundesgebiet zurückgefallen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oi, oi, oi!)

Diese Entwicklung stehe im Hightechbereich – wieder wörtlich –„exemplarisch für die Entwicklung der Gründungstätigkeit in ganz Baden-Württemberg“.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Nun wird natürlich der Wirtschaftsminister hierzu befragt; denn das schlug wie eine Bombe ein. Er sagt: Wir brauchen eine Kurskorrektur.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo!)

Das ist richtig. Aber dann tun Sie doch etwas!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Lediglich einen Innovationsrat zu gründen,

(Abg. Ingo Rust SPD: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß …“!)

einen Innovationsrat, der mittlerweile vielleicht zweimal getagt hat – er ist eine wirkliche Schlafmützengesellschaft –,

(Heiterkeit bei der SPD)

und zu sagen, das bringe uns voran, ist, Herr Ministerpräsident, zu wenig. Es ist auch zu wenig, sich darauf zu berufen, dass die Vorgängerregierungen schon viel getan hätten. Das ist ja richtig. 1996 – das war das letzte Jahr der Großen Koalition –

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Schauen Sie sich einmal an, was die SPD damals gesagt hat!)

war Baden-Württemberg, was die Unterstützung der Fraunhofer-Gesellschaft betrifft, die Nummer 1. Heute sind wir vielleicht gerade einmal noch die Nummer 15. Daran ändert es auch nichts, dass Sie, nachdem Herr Bullinger gedroht hat, er wandere jetzt endgültig ab, die Dächer reparieren lassen und dass die Heizungen in Ordnung gebracht werden. Wir brauchen Projektgelder.

(Beifall bei der SPD)

Man muss vor Ort gehen, um zu erfahren, was wirklich los ist. Wir waren im Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie in Pfinztal bei Karlsruhe. Was haben die uns erzählt? Sie wollen einen Kompetenzcluster gründen und tun sich damit unglaublich schwer. Deshalb sind sie mit ihrem Vorhaben, aus organischen Stoffen Leichtbaustoffe zu entwickeln – ein Zukunftsthema par excellence – auch nach Bayern gegangen. Sie haben uns berichtet: In Bayern ist es leichter, 22 Millionen € zu akquirieren als in Baden-Württemberg 600 000 €. Dies wird noch verdreifacht, weil die Landesgelder durch Bundesgeld und Gelder aus der privaten Wirtschaft in jeweils der gleichen Höhe verdoppelt und verdreifacht werden. Das heißt, für ein und dasselbe Kompetenzthema stehen in Bayern demnächst 66 Millionen € zur Verfügung und in Baden-Württemberg 1,8 Millionen €.

(Oh-Rufe von der SPD)

Jetzt kommt der Hammer: Auch dort, wo Sie gar kein Geld geben müssten, wo Sie nur mittun müssten, tun Sie nicht mit. An diesem Institut gibt es eine hohe Kompetenz sowie Patente für ein Zukunftsthema, nämlich für hochleistungsfähige, langlebige Batterien, mit denen man z. B. Strom aus Windenergie vor Ort speichern kann – 70 % Wirkungsgrad und mehr. Das ist ein hochinteressantes Thema, denn das macht diesen Windstrom erst richtig wertvoll, weil er dann eingespeist werden kann, wenn er gebraucht und gut bezahlt wird.

Die Mitarbeiter dort sind fertig mit dem Labor, sie haben ihre Patente. Jetzt wollen sie damit in Serie gehen; sie wollen am Rande des Instituts die Serienproduktion machen. Aber sie müssen es noch weiterentwickeln, und was brauchen sie dazu? Ein Windrad. Dieses Windrad wird nicht genehmigt, weil man vier Windradstandorte im Tal ausgewiesen hat, die erst belegt werden müssen, bevor ein neuer Standort auf dem Berg genehmigt wird.

(Heiterkeit bei der SPD)

Also sagen sie: Wir gehen dorthin, wo wir das Windrad bauen können, nach Rheinland-Pfalz oder nach Bayern. Dann gehen halt die Kompetenz und die Wertschöpfung auch dorthin. – So sieht es aus in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ganz herausragende Beispiele!)

Das, was für diese Batterieproduktion gilt, das gilt auch für das Thema „Stationäre Brennstoffzelle“ am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung in Ulm, das gilt für den Dienstleistungsroboter beim Fraunhofer-Institut in Stuttgart. Nirgendwo kommen sie richtig über die Schwelle von

der Laborphase zur Produktionsphase. Das liegt einfach daran, dass, wie Menno Harms, auch ein Mitglied dieses Innovationsbeirats, gesagt hat, „niemand weiß, was die Landesregierung in der Innovationspolitik will“.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Das ist der Ham- mer!)

Der dritte Punkt, Herr Ministerpräsident, der in den nächsten Jahren immer wichtiger wird – nicht nur wegen der globalen Wirtschaftsentwicklung, sondern auch wegen des demografischen Wandels –, ist, dass wir alle Bildungspotenziale in unserem Land auch wirklich ausschöpfen.

Da sagen Sie, wir hätten keine Unterstützung für unser Konzept „Länger gemeinsam lernen“. Das ist wirklich lächerlich. Sie führen den Buchstaben C in Ihrem Parteinamen, und deshalb will ich mit folgenden Organisationen beginnen, die uns bei der Konzeption „Länger gemeinsam lernen“ unterstützen. Das ist das Katholische Landvolk, das ist die Diakonie, das ist die Caritas, das sind die Evangelische Landeskirche in Baden und die Evangelische Landeskirche in Württemberg. Deshalb gebe ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, einen Rat. Sie haben noch einen Zuspruch in der Bevölkerung von knapp über einem Drittel, nämlich 37 %. Bevor Sie auf 25 %, auf ein Viertel, abrutschen, horchen Sie auf die „befreundeten“ Organisationen Ihrer Partei, die christlichen Organisationen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Es sind aber auch andere: Es sind die Gesamtelternbeiräte, es ist der Handwerkskammertag, es ist die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, es sind die CDU-Sozialausschüsse. Wenn ich Ihnen noch ein paar Personen nennen darf,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Machen Sie doch weiter!)

dann nenne ich Ihnen Lothar Späth, den Sie vorhin lobend erwähnt haben, Rita Süssmuth und den UN-Menschenrechtsbeauftragten.

(Lachen bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Hat der Papst auch etwas dazu gesagt? – Abg. Stefan Mappus CDU: Ist der auch für Sie zuständig, oder ist es jemand anderes? – Lachen des Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU)

Wenn Sie auf den nicht hören wollen, dann hören Sie vielleicht auf ein aktives Mitglied Ihrer Partei, nämlich auf den Präsidenten des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, der am 9. Mai 2008 im „Focus“ gesagt hat – ich zitiere –:

Die CDU muss sich dringend von dem Mantra verabschieden, dass die Hauptschulen gute Bildung in der Breite sichern. Genau das tun sie nicht.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Es sei an der Zeit, die ideologischen Gräben der Siebzigerjahre zu verlassen.

Die CDU muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Hauptschule nicht zu retten ist.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Lassen Sie also Ihre ideologischen Scheuklappen, stellen Sie sich den notwendigen Herausforderungen und der Weiterentwicklung!

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Schauen Sie nicht nur zum Regierungstisch, sondern auch auf die Tri- büne! Dort sind auch Hauptschüler!)

Sie haben gesagt, Sie legten Wert auf eine Unterstützung vor der Schule. Der Ansatz ist völlig richtig. Aber ich frage Sie: Warum dieses Hickhack, warum dieses Trauerspiel um die Finanzierung der Sprachförderung vor Schuleintritt? Das darf doch nicht wahr sein! Sie kommen hierher und sagen: „über eine halbe Milliarde Euro für die Bildungsoffensive“.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)