Protokoll der Sitzung vom 02.10.2008

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Schlachter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Rust?

Am Ende.

(Zuruf des Abg. Ingo Rust SPD)

Der Finanzminister wurde also einen Tag vor der Sitzung informiert, dass wir ihn fragen wollten. Er gab auf unsere Frage nach dem Zustand der Landesbank Antwort, indem er die Presseerklärung zu den Halbjahreszahlen vom 30. Juni 2008 vorgetragen hat, obwohl er am 18. September eigentlich wissen musste – zum einen stand es in der Zeitung, zum anderen ist er der Oberaufseher über die Banken –, dass sich die Zahlen seit dem 30. Juni 2008 dramatisch nach unten verändert hatten.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Natürlich wusste er das! – Unruhe)

Nach § 18 des Landesbankgesetzes ist das Finanzministerium zusammen mit dem Innenministerium verantwortlich für die Aufsicht über die LBBW. Die Äußerungen unseres Herrn Finanzministers Stächele zeigen mir auf, dass diese Aufsicht ein Prinzip hat, und dieses Prinzip heißt Wegsicht.

(Beifall bei den Grünen – Heiterkeit der Abg. There- sia Bauer GRÜNE)

Eine solche Aufsicht hatten wir bei der IKB; wir hatten eine solche Aufsicht bei der WestLB und bei der Sachsen LB, und bei der KfW – obwohl das keine Bank ist – haben wir auch eine solche Aufsicht. Und das im Musterländle! Ich halte dies für einen echten Skandal.

(Beifall bei den Grünen)

Das Bundesfinanzministerium lädt genau heute u. a. auch Vertreter der Landesbank Baden-Württemberg, der Sparkassenverbände, des Verbands der Volks- und Raiffeisenbanken, überhaupt die gesamte Spitze der Finanzdienstleistungsindus trie zu einem Krisengespräch ein, weil die Sache ernst ist.

Jetzt muss ich mich natürlich fragen: Welchen Krisenplan hat der Finanzminister des Landes Baden-Württemberg? Was hat er für Pläne? Wie will er die Dinge vernünftig hinterfragen?

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Als vor wenigen Tagen die Hypo Real Estate durch den Bund knapp vor der Pleite gerettet wurde, haben sich natürlich erhebliche Abschreibungsbedarfe ergeben, u. a. dann, wenn man Anleihen dieser Hypo Real Estate in den Büchern hat. Da muss man sich doch fragen dürfen: Wie viele Abschreibungen sind es? Wie wird sich heuer das Ergebnis der Landesbank Baden-Württemberg verändern? Möglicherweise auch: Welche Auswirkungen hat es auf die Steuereinnahmen des Lan des?

Ich kann Ihnen sagen: Mein Aufsichtsrat weiß mit Stand ges tern, wie die Raiffeisenbank Dellmensingen steht. Genau das

würde ich eigentlich vom Finanzminister, dem Oberaufseher über die Banken, auch erwarten.

(Beifall bei den Grünen)

Weil wir verhindern wollen, dass es weiterhin eine Aufsicht nach dem Prinzip Wegsicht gibt, haben wir heute diese Aktuelle Debatte beantragt, solange noch Zeit ist und solange wir möglicherweise noch in der Lage sind, zu reagieren.

Ich stehe mit meiner Auffassung nicht allein da; auch Bundesbankpräsident Dr. Axel Weber und der BaFin-Chef Sanio sagen: Die Neuordnung der Landesbanken duldet keinen Aufschub. Er zitiert die Leute zu Gesprächen, im Übrigen auch die Landesbank Baden-Württemberg.

Wir haben Ihnen zu einer solchen Neuordnung einen Vorschlag unterbreitet, und wir stehen dazu. Wir glauben, dass er entwicklungsfähig ist. Wir glauben, dass er für die Sparkassenorganisation gut ist. Denn wir müssen dafür sorgen, dass die permanenten Rufe nach der Privatisierung der Sparkassen endlich aufhören. Ich hoffe, da sind wir uns in diesem Haus einig. Wir schlagen vor, einen Landesbankengipfel abzuhalten, der von unserem Ministerpräsidenten einzuberufen ist. Von wem sonst, wenn nicht von Baden-Württemberg soll die Initiative bei dieser Frage ausgehen? Wir sind stark genug.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Dafür, dass ein Grüner geredet hat, war viel Publikum da! – Gegenruf von der CDU: Zu viel!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Scheffold.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schlachter, Sie haben gesagt, die Schlagzeilen der Zeitungen beschäftigten sich mit den Landesbanken. Ich muss Ihnen sagen: Ich lese im Augenblick in der Wirtschaftspresse andere Schlagzeilen. Wir lesen Schlagzeilen von einer historischen Finanzkrise.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Jetzt lenk doch nicht ab von deinem eigenen Haus!)

Wir lesen Schlagzeilen vom Zusammenbruch amerikanischer Banken, und wir sehen auch Probleme in Europa. Deswegen muss die gesamte Diskussion auch sehr viel breiter aufgezogen werden. Die von Ihnen beantragte Aktuelle Debatte hat ja auch einen ganz anderen Ansatzpunkt. Sie fragen nämlich nach den Auswirkungen der aktuellen Finanzkrise auf das Bankensystem. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die aktuelle Finanzkrise reiht sich ein in viele andere Finanzkrisen, die stattgefunden haben und die bewältigt werden mussten und müssen. In der Vergangenheit sind Finanzkrisen bewältigt worden, und ich bin davon überzeugt, dass auch diese – eine schwierige Finanzkrise – bewältigt werden kann und werden muss.

Der Ausgangspunkt ist immer, dass in einem bestimmten Wirtschaftssektor überzogene Gewinnerwartungen entstehen. Das war 1929 so, als die Aktienmärkte überbewertet waren. Das war 1990 so, als die Immobilienwerte in Japan überbewertet waren. Das war zu Anfang des Jahrtausends so, als die Neue

Ökonomie, die neuen Unternehmen überbewertet waren, und das ist jetzt wieder so, wenn der Immobilienbereich in den USA überbewertet ist.

Deswegen sehe ich eine Veränderung der Finanzwelt. Die Entwicklung geht weg von den Investmentbanken hin zu Universalbanken. Der Ausgangspunkt für die Lösung muss aber dort sein, wo die Schwierigkeiten aufgetreten sind, nämlich in den USA, und nicht in Europa, nicht in Baden-Württemberg und nicht in Deutschland.

Allerdings ist sicherlich zutreffend, dass die Krise herüberschwappt. Wir haben auch in Europa Probleme, die zu bewältigen sind. Wir haben Zusammenbrüche zu verhindern. Ich nenne die Fortis-Bank in Belgien oder die HRE in Deutschland. Es macht natürlich keinen Spaß, wenn man sagen muss: Der Staat soll eingreifen; der Staat soll Steuerzahlergeld aufbringen, um privatwirtschaftlich falsch gelaufene Prozesse zu korrigieren.

Aber die Frage ist natürlich: Wie kann und wie soll ich es anders machen? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Meines Erachtens ist sie richtig entschieden worden. Geld und Kredite sind der Blutkreislauf jeder Volkswirtschaft. Die Banken sind die Pumpe dafür. Wenn nicht mehr genügend Geld zur Verfügung gestellt wird, dann krankt die Volkswirtschaft, und im schlimmsten Fall bricht sie auch zusammen. Deswegen glaube ich, dass die Fragen hier in Deutschland und auch weltweit in die richtige Richtung entschieden werden sollen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Was heißt das?)

Wir werden ja sehen, was heute im Lauf des Tages in den USA entschieden wird.

Natürlich hat eine solche Krise auch Auswirkungen auf Deutschland und auf Baden-Württemberg und auch auf den Landesbankensektor in Deutschland. Die Kapitalmarktkrise erschwert hier Lösungen. Sie setzt uns vor allem unter einen Zeitdruck, unter dem wir sonst nicht gestanden hätten. Die Gespräche der Landesbanken finden ja schon lange statt. Viele Landesbanken suchen Lösungsmöglichkeiten. Sie haben zutreffend darauf hingewiesen – das ist völlig richtig –: Es wird eine Konzentration geben müssen. Für eine Anzahl von sieben Landesbanken gibt es keine Berechtigung. Die einzige Frage, die sich stellt, ist: Wie schnell kann es gehen, und wie schnell muss es gehen, damit daraus eine sinnvolle Lösung erarbeitet wird?

Ich sehe es so, dass die Landesbank Baden-Württemberg in einer komfortablen Ausgangssituation ist. Ich bin Erwin Teufel, Lothar Späth und Günther Oettinger ausgesprochen dankbar dafür, dass diese Landesbank Baden-Württemberg gegründet worden ist und dass sie eine solch schlagkräftige Bank ist, die als einzige der bestehenden Landesbanken überhaupt eine reelle Chance hat, aus einer Position der Stärke heraus in diesen Prozess einzugreifen, und die auch auf heutiger Grundlage gut dasteht.

Wie ist denn die Grundlage der Landesbank Baden-Württemberg? Wir haben – Stand heute – Verluste in Höhe von 60 Millionen €, meine sehr verehrten Damen und Herren. Vergleichen Sie einmal, welche Verluste die Privatbanken haben. Vergleichen Sie einmal, welche Verluste die amerikanischen Banken hatten, welche Verluste die Schweizer Banken hatten und

welche Verluste selbst eine Deutsche Bank in Deutschland in dieser Zeit gehabt hat. Deswegen kann ich voller Selbstbewusstsein für die Politik in Baden-Württemberg sagen: Die Landesbank Baden-Württemberg ist hervorragend aufgestellt. Die Landesbank Baden-Württemberg hat ihre Arbeit hervorragend gemacht, vor allem auch deswegen, weil wir von der Politik keine überzogenen Erwartungen an diese Bank gestellt haben, sondern diese Bank in Ruhe haben arbeiten lassen und sie in Ruhe ihre Erfolge haben erarbeiten lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

An dieser Konzeption wollen wir weiter festhalten. Wir werden mitreden, wir werden mitsprechen, wir werden unsere Aufsichtsverpflichtungen wahrnehmen. Aber wir sehen auch keinen Grund zur Kritik an der bisherigen Arbeit der Landesbank Baden-Württemberg. Diese Arbeit war hervorragend, und wir danken der Landesbank dafür.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Schmid.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal: Wir erleben dieser Tage den Abgesang auf den überdrehten Finanzkapitalismus. Auch deutsche Banker meinten, man müsse ein Renditeziel von 25 % erreichen. Wir wissen inzwischen – viele in den deutschen Banken, in den Sparkassen und Genossenschaftsbanken wussten dies schon davor –, dass dies nicht nachhaltig sein kann.

Wir wissen inzwischen – viele in den deutschen Banken, in den Sparkassen, Landesbanken und Genossenschaftsbanken wussten dies schon davor –, dass nachhaltige Renditen nur im Kundengeschäft, im Geschäft mit Unternehmen, in der Realwirtschaft erreicht werden können.

Deshalb fordert die SPD schon seit Jahren die Bändigung dieses überdrehten Finanzkapitalismus. Wir sind dankbar, dass inzwischen die Bundeskanzlerin dieses Thema aufgegriffen hat. Aber eines ist klar: Wer über die Folgerungen aus dieser Finanzmarktkrise redet, muss darüber reden, welche Regeln wir für die Zukunft aufstellen. Er muss darüber reden, ob es in Zukunft sein kann, dass Manager mit Abfindungen in Millionenhöhe und Börsenoptionen weglaufen, ein halbes Jahr später der Börsenkurs „kaputt“ ist und die Aktionäre quasi enteignet sind.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sehr richtig!)

Das heißt, meine Damen und Herren: Wir müssen über neue Regeln reden, wie es die Holländer tun, wie es übrigens auch die Amerikaner tun. Denn wenn es für irgendwelche Banken staatliche Hilfen gibt, muss klar sein, dass dies auch die Manager, die die Verantwortung für diese Banken tragen, spüren müssen – so, wie es die KfW gespürt hat.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU so- wie der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir wissen zweitens, dass sich das deutsche Bankensystem mit den drei Säulen im Kern bewährt hat. Das sehen wir ge

rade in dieser Krise. Deshalb sollte man, wenn man über Landesbanken und insbesondere über die Landesbank BadenWürttemberg redet, das sehr sorgfältig tun und nicht einerseits sagen, man müsse über einen Krisenplan reden, und andererseits die Landesbank auffordern, jetzt kraftvoll in Fusionen zu gehen. Das ist ein großer Widerspruch, Herr Schlachter.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Was die Landesbank Baden-Württemberg anbelangt, gibt es Fragen, die natürlich damit zusammenhängen, dass die Finanzmarktkrise über das Interbankengeschäft auch die LBBW betrifft. So ist z. B. zu fragen, weshalb die LBBW nicht offensiv konkrete Zahlen genannt hat, was die Beeinträchtigung durch Lehman Brothers anbelangt.