Frau Kollegin Lösch, gestatten Sie den Hinweis eines Schulpolitikers, dass es im Zuge der Evaluation Veränderungen an eingebrachten Gesetzentwürfen der Landesregierung gegeben hat, die in diesem Hohen Hause zu einem Konsens bei der Gesetzesverabschiedung geführt haben? Sie sind Sozialpolitikerin, gestatten Sie mir deshalb, diese Zwischenfrage so zu formulieren und auf ein schulpolitisches Thema hinzuweisen.
(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Frau Lösch, geben Sie es ein- fach zu! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wir ha- ben doch sogar in diesem Gesetzentwurf Änderun gen! – Unruhe)
Kollege Schebesta, ich glaube nicht, dass man bei Gesetzentwürfen zwischen Ökologen, Schulpolitikern oder Sozialpolitikern unterscheiden muss.
Das beste Beispiel ist dieser Gesetzentwurf, bei dem die Stellungnahmen und alle kritischen Äußerungen der kommunalen Landesverbände nicht aufgegriffen wurden.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Loben Sie uns doch auch einmal!)
Einigkeit besteht darin, dass – wie wir gehört haben – ca. 30 % der Kinder eines Jahrgangs Förderbedarf aufweisen. Das ist auch das Ergebnis der Evaluation zur Modellphase der Einschulungsuntersuchung. Wenn man dies nun hochrechnet und dabei die bisher benötigten Mittel, die bei Fördermaßnahmen der Landesstiftung zugrunde gelegt wurden, zum Maßstab nimmt, kommt man auf einen Mittelbedarf von 34 Millionen €.
Da frage ich mich schon, wie der tatsächliche Sprachförderbedarf dann mit Mitteln in Höhe von ca. 8 Millionen €, die jetzt von der Landesstiftung bereitgestellt werden, gedeckt werden soll.
Eine Antwort darauf haben wir vorhin vom Kollegen Schebes ta und bei der Ausschusssitzung vom Staatssekretär gehört. Da wurde ausgeführt, dass die Sprachfördermaßnahmen bisher zwei Jahre dauerten. Das ist jetzt der Trick: Wenn man diesen Zeitraum halbiert, also zukünftig nur noch einjährige Maßnahmen durchführt, würde man mit einem finanziellen Aufwand von 14 Millionen € hinkommen.
Aber das heißt, sich doch wirklich nicht am Wohle des Kindes zu orientieren! Anstatt die Mittel zu verdoppeln, wird jetzt der Förderzeitraum halbiert. Da frage ich mich: Wie soll da zukünftig der individuelle Förderbedarf eines Kindes angemessen berücksichtigt werden? Warum war zuvor ein Förderzeitraum von zwei Jahren richtig, während er jetzt auf die Hälfte, nämlich ein Jahr, reduziert wird? Was ist da passiert? Haben sich die Kinder verändert,
weil Sie die Dauer der Sprachfördermaßnahmen auf einmal halbieren können und mit 14 Millionen € hinkommen wollen?
Es kann nicht sein, dass damit das Bestmögliche für das Kind getan wird, sondern da orientiert man sich am geringeren Fördermittelbedarf, Kollege Schebesta.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Volker Schebesta CDU: An der Einschulungsuntersuchung und deren Termin!)
In der Vergangenheit benötigte man noch zwei Jahre, damit ein Kind die bestmögliche Förderung bekommt.
Ein weiterer Kritikpunkt neben der fehlenden Finanzierung der Sprachfördermaßnahmen ist die Form, in der der Sprach entwicklungsstand zukünftig erfasst und gemessen wird.
Da gibt es zwei Schritte; das ist vorhin auch schon ausgeführt worden. Im ersten Schritt kommt das Screening-Verfahren, durchgeführt von den sozialmedizinischen Assistentinnen des Gesundheitsamts. Die ermitteln dann den Förderbedarf bei den Kindern, und diese erhalten dann in einem zweiten Schritt eine Sprachstandsdiagnose. So ist es vorgesehen, so steht es auch in der Stellungnahme zu unserem Antrag.
Unumstritten ist, dass beim Eintritt in den Kindergarten eine frühzeitige Erfassung der Sprachentwicklung der Kinder sinnvoll und notwendig ist, weil nur dann die individuelle Förderung erfolgen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, anstatt auf schnelle Screening-Tests zu setzen, halten wir eine kontinuierliche Beobachtung und Dokumentation für zielführender.
Kollege Noll, jetzt hören Sie einmal zu! Lesen Sie die Stellungnahmen zu den Anträgen, und dann können Sie das nachher in Ihren Ausführungen hier auch vortragen.
Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, Screenings im Rahmen der Einschulungsuntersuchung im Kindergarten durch Beobachtung und Dokumentation zu ersetzen. Das Screening ist ein Test von 20 Minuten, den die sozialmedizinische Assistentin im Rahmen der Einschulungsuntersuchung durchführt. Wir halten diesen Test für nicht notwendig. Die Erzieherin, die im Rahmen des Orientierungsplans für die Beobachtung und Dokumentation ausgebildet wird,
kann durch Beobachtung feststellen, welche Sprachdefizite bei den Kindern herrschen. Da brauche ich kein Screening
Verfahren durch eine sozialmedizinische Assistentin; das kann die Erzieherin durch Beobachtung und Dokumentation im Kindergarten selbst durchführen.
Herr Kollege Schebesta, Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass wir das in unserem Antrag abgefragt haben. Im Augenblick ist die Fort- und Weiterbildung im Rahmen des Orientierungsplans noch nicht abgeschlossen. Der Orientierungsplan wird 2009/2010 flächenhaft implementiert. Das heißt, bis dahin müssen alle Erzieherinnen auch in der Lage sein, zu beobachten und zu dokumentieren. Bis 2010 haben wir also Zeit, die Erzieherinnen entsprechend zu schulen. Deshalb habe ich auch von einem Schnellschuss gesprochen, denn ich finde, in diesem Gesetzentwurf wird viel in Zusammenhang gebracht, was nicht zusammengehört. Das ist Stückwerk, er ist schlampig gemacht. Meinetwegen nehme ich den Vorwurf des Schnell schusses zurück und sage: schlampig gemacht.
Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen. Sie haben Ihre Redezeit bereits weit überzogen.
bis die Sprachförderung gesetzlich geregelt ist, anstatt abzuwarten, bis wir ein ganzheitliches Sprachförderkonzept haben, machen Sie hier Stückwerk und erschweren den Erzieherinnen die Arbeit im Kindergarten. Anstatt die Rahmenbedingungen zu verbessern,
die Ausbildung der Erzieherinnen und die Gruppengrößen zu verändern, machen Sie mit diesem Gesetzentwurf eine weitere Baustelle auf, indem die Arbeit der Erzieherinnen noch komplizierter wird. Die ganzen Regelungen für die Gesundheitsämter – ich meine, das Gesetz soll am 1. Januar 2009 in Kraft treten, und jetzt haben wir November – –
Reden Sie einmal mit den beteiligten Stellen bei den Gesundheitsämtern und den Trägern vor Ort. Da herrscht das helle Chaos, weil alle noch nicht darauf eingestellt sind, diese Einschulungsuntersuchungen ab dem 1. Januar 2009 umzusetzen.
Deshalb können wir dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Wir halten ihn für noch nicht zustimmungsreif, denn er ist schlampig gemacht, und es fehlen wichtige Bestandteile.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nein, Frau Lösch, wir wollen nicht länger warten. Das ist nämlich genau das Problem.
Wir haben keine Zeit mehr. Wir haben keine Zeit mehr, um länger zu warten, sondern wir müssen endlich anfangen. Wir sehen einen dringenden Handlungsbedarf in dieser Frage.
(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Sie ignorieren das Problem! – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP)
Ich darf hier noch einmal den Dank unserer Fraktion ganz besonders an unseren Integrationsbeauftragten Professor Dr. Ulrich Goll abstatten, der dafür gesorgt hat, das wir jetzt und heute diese neue Einschulungsuntersuchung verabschieden können.