Protokoll der Sitzung vom 05.11.2008

Wir denken, dass gerade mit diesem Gesetz eine Stärkung der Berufsakademien in Baden-Württemberg verbunden ist. Wir wollen, dass die duale Hochschule Baden-Württemberg als gleichwertig anerkannt wird – bundesweit, im europäischen und im internationalen Vergleich.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Deshalb denke ich auch, dass es für unsere BA-Studenten sehr wichtig ist, dass dieses Gesetzgebungsverfahren erfolgreich zum Abschluss kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf von der FDP/DVP: Sehr gut!)

Zu den neuen Strukturen im Einzelnen. Zunächst einmal werden die bisherigen acht Berufsakademiestandorte einschließlich ihrer drei Außenstellen zu einer neuen dualen Hochschule Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart zusammengefasst. Die duale Hochschule erhält den Status einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts, die zugleich staatliche Einrichtung ist. Wir lehnen uns damit an das US-amerikanische State-University-System an, in dem es zwei Ebenen gibt.

Die Zentralebene besteht aus einem Aufsichtsrat, einem Vorstand und einem Senat, der zuständig ist für die strategischen Entscheidungen und damit für die Richtungsentscheidungen, sowohl was einzelne Studiengänge betrifft als auch was die Verteilung dieser Studiengänge an einzelne Standorte betrifft. Damit ist er auch wichtig für die künftige Entwicklung der Hochschule, also die Profilbildung und Strategieentwicklung dieses Hochschultyps.

Die örtliche Ebene setzt sich zusammen aus dem Hochschulrat, dem Akademischen Senat – bisher die entsprechende Konferenz – sowie dem Rektor bzw. der Rektorin – dem bisherigen Direktor.

Die Ausbildungsstätten erhalten – auch dies ist ein Novum, meine Damen und Herren – einen Mitgliedsstatus und sind damit auch in den Hochschulgremien vertreten. Das heißt, wir wollen an der bewährten Partnerschaft zwischen den Ausbil

dungsstätten einerseits und der Akademiestruktur mit dem Lehrkörper, dem Wissenschaftskörper andererseits festhalten.

Wichtig ist natürlich auch, dass die Steuerung in Haushalts- und Personalangelegenheiten durch die zentrale Ebene erfolgen kann.

Aus der neuen Rechtsform, meine Damen und Herren, ergeben sich im Vergleich zur bisherigen Situation wesentliche Verbesserungen.

Erstens kann die duale Hochschule – weil sie Hochschule ist – künftig akademische Grade anstelle der bisherigen staatlichen Abschlussbezeichnungen verleihen. Die Bachelor- und Masterabschlüsse, die dort künftig vergeben werden, sind wissenschaftlich anerkannt. Dies dient natürlich auch der international anerkannten Qualifikation und der Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten der Absolventen unserer dualen Hochschule.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Zweitens wird für die Professorinnen und Professoren sowie die Hochschulleitung künftig die W-Besoldung gelten. Der Besoldungsdurchschnitt soll in den nächsten zehn Jahren stufenweise an das dann jeweils geltende Fachhochschulniveau angeglichen werden. Derzeit liegt der Besoldungsdurchschnitt an den Berufsakademien bzw. künftig bei der dualen Hochschule rund 4 700 € unter dem der Fachhochschulen. Wir wollen durch eine Angleichung erreichen, dass es zwischen den unterschiedlichen Hochschularten zu einem verstärkten Wechsel von Lehrpersonal kommt. Das kann nicht schaden, stieß aber in der Vergangenheit immer auf Hürden und soll in Zukunft deshalb verbessert werden, um gerade für die Berufs akademien bzw. die künftige duale Hochschule weiterhin qualifiziertes Lehrpersonal zu gewinnen.

Für die Professoren der dualen Hochschule sollen die gleichen Einstellungsvoraussetzungen und statusrechtlichen Regelun gen gelten wie für Professoren an herkömmlichen Hochschulen.

Meine Damen und Herren, trotz der dargestellten Änderungen bleiben die Besonderheiten und Wesensmerkmale der Berufsakademien unverändert. Dies gilt insbesondere für die Mitwirkung der Ausbildungsstätten und den Wechsel zwischen Theorie und Praxis. Das heißt, die Ausbildungsstätten sind auch künftig an allen wesentlichen Fragen der Lehrorien tierung, der Berufsorientierung unserer dualen Hochschule gleichberechtigt beteiligt. Das ist wichtig, um gerade auch die Standortkompetenz der einzelnen Ausbildungsbetriebe zum Ausdruck zu bringen. Wir wollen, dass die duale Hochschule Baden-Württemberg mit der regionalen Wirtschaft sehr eng verflochten und vernetzt ist. Deshalb ist es für uns wichtig, dass das Auswahlrecht der Ausbildungsstätten unangetastet bleibt. Das heißt, nur derjenige wird an der dualen Hochschule Baden-Württemberg studieren können, der einen entsprechenden Ausbildungsvertrag seines Ausbildungsbetriebs mitbringt.

Dadurch, meine Damen und Herren, ist gewährleistet, dass die bekannten Stärken der Berufsakademien fortbestehen: ers

tens die geringe Abbrecherquote und zweitens die hohe Übernahmequote. Wir haben derzeit bei den Berufsakademien Übernahmequoten in der Größenordnung zwischen 85 und 95 %. Meine Damen und Herren, wir alle wissen, wie wichtig es ist, qualifizierten Nachwuchs in unsere Arbeitswelt hineinzubringen. Die Tatsache ist besonders erfreulich, dass junge Menschen, die eine qualifizierte Ausbildung bekommen haben, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten einen zuverlässigen Arbeitgeber haben, der bereit ist, sie nach der Ausbildungsphase zu übernehmen, um sie adäquat einzusetzen und entsprechend ihren Möglichkeiten weiterzuentwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Die duale Hochschule, meine Damen und Herren, wird das Hochschulsystem ergänzen. Das geht nicht zulasten der anderen Hochschulen. Die traditionellen Hochschularten werden nicht tangiert. Studienbewerber können ihre Wahl aus einem größeren Angebot von Hochschulen treffen. Besonders erfreulich ist, dass es uns mit der Umwandlung der Berufsakademie in die duale Hochschule gelingt, zunehmend an den Programmen des Bundes – Hochschulpakt 2020 und anderes – zu partizipieren. Das heißt, wenn wir in den nächsten Jahren perspektivisch, aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs und aufgrund einer stärkeren Studierneigung, zusätzliche Studienplätze aufbauen, schaffen wir es – gerade auch mit der dualen Hochschule und den dort angebotenen Plätzen –, in eine Komplementärfinanzierung des Bundes hineinzukommen. Auch deshalb ist die Umwandlung unserer Berufsakademien in die duale Hochschule wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im Zusammenhang mit diesem Gesetzgebungsverfahren, mit diesem Gesetzentwurf weitere Verbesserungen für alle Hochschularten ansprechen, die heute natürlich auch in die Beratung eingeführt werden.

Der Gesetzentwurf sieht auch Regelungen vor, die allen Hochschulen zugutekommen sollen. Zum einen wird die Möglichkeit geschaffen, den Vergaberahmen für die Besoldung der Professoren durch private Drittmittel aufzustocken. Findet sich ein privater Drittmittelgeber, kann die Hochschule mehr Geld zur Bezahlung ihrer Professoren ausgeben. Voraussetzung hierbei ist, dass die Mittel den Hochschulen ohne Bindung an eine bestimmte Person zur Verfügung gestellt werden.

Diese Regelung erlaubt es somit, ohne Belastung des Landeshaushalts und unter Wahrung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung die Konkurrenzfähigkeit der Hochschulen bei der Gewinnung von Spitzenkräften zu erhöhen. Wenn wir uns einmal – gerade im Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften – das Gehaltsgefälle zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Bereich, insbesondere den Hochschulen, anschauen, müssen wir einfach erkennen, dass dieses Gefälle zugenommen hat. Es ist wichtig, dass wir auch in der Zukunft qualifiziertes Forschungs- und Lehrpersonal an unsere Hochschulen binden.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! Sowohl als auch!)

Wenn wir dieses über Drittmittel seitens der Wirtschaft und seitens von Stiftungen erreichen, dann ist dies auch ein Beitrag, um hoch qualifizierte Fachkräfte im Bereich der Wissenschaft auf Dauer an den Standort Baden-Württemberg zu binden. Wir stehen hier in einem Wettbewerb mit anderen Bundesländern, wir stehen hier in einem europäischen und in einem internationalen Wettbewerb. Deshalb müssen wir alles dafür tun, um qualifizierte Nachwuchswissenschaftler, um qualifiziertes Lehr- und Forschungspotenzial in Baden-Würt temberg zu halten.

Zum anderen, meine Damen und Herren, wird die Erhebung von Studiengebühren noch sozialverträglicher ausgestaltet. Das Thema Studiengebühren, das uns in diesem Hohen Haus auch schon sehr häufig beschäftigt hat, ist ein Thema, das natürlich auch weiterhin auf der Tagesordnung stehen wird. Wir wollen erreichen, dass die Studiengebühren in Baden-Würt temberg noch sozialer ausgestaltet werden.

Künftig, meine Damen und Herren, soll eine Befreiung von Studiengebühren auch dann erfolgen, wenn von drei Kindern nur eines studiert. Dies ist eine klare familienfreundliche Komponente. Wir stehen damit im Vergleich mit den Bundesländern, die Studiengebühren verlangen, sehr gut da. Natürlich wollen wir insbesondere auch kinderreichen Familien ermöglichen, dass noch mehr Kinder aus diesen Familien ein Studium aufnehmen können. Dies können sie ohnehin schon, weil wir in der Tat mit unserem Darlehenssystem keinen sozialen Numerus clausus haben. Aber auf der anderen Seite sehen wir natürlich auch, dass es gewisse Hürden gibt. Diese Hürden wollen wir noch weiter abbauen. Ich denke, mit dieser Regelung ist wirklich ein Beitrag geleistet, dass kinderreiche Familien an unseren Universitäten, an unseren Hochschulen verstärkt partizipieren können.

Zweitens: Wir wollen die Altersgrenze bei der Kindererziehung von acht Jahren auf 14 Jahre anheben. Das heißt, dass bei Erziehungsberechtigten von Kindern bis zum 14. Lebensjahr eine Studiengebührenbefreiung erfolgen kann. Auch dies ist angemessen, damit wir nicht nur von einem „Kinderland“ Baden-Württemberg und einer familienfreundlichen Politik in Baden-Württemberg sprechen, sondern diese auch mit nachprüfbaren Verbesserungen entsprechend versehen und umsetzen.

Die bereits beschlossene Obergrenze beim Zinssatz für Studiengebührendarlehen von 5,5 % erhält ebenso eine gesetzliche Grundlage. Baden-Württemberg liegt damit wirklich im Bereich der niedrigsten Zinsen für Studiengebührendarlehen. Wir denken, dass wir damit auch ein attraktives Instrument haben, dass die Studiengebühren zunehmend über Darlehensaufnahmen finanziert werden können.

Was die Sozialverträglichkeit angeht, wird das Studiengebührenmodell von Baden-Württemberg nach diesen Änderungen einen bundesweiten Spitzenplatz einnehmen. Deshalb bitten wir Sie, meine Damen und Herren, herzlich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Wir hoffen sehr und wünschen, dass dieses Gesetzgebungsverfahren zügig zu einem Abschluss

kommt; denn wir sind uns darüber im Klaren, dass damit einmal mehr die Studienbedingungen verbessert werden, dass wir aber auch im Hinblick auf die Attraktivität des Studienstandorts Baden-Württemberg einen ganz wesentlichen Beitrag leisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Die- ter Kleinmann FDP/DVP: Gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Locherer für die Fraktion der CDU.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Was? Schon wieder? – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Guter Mann! – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Also, überwei- sen an den Ausschuss!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir machen das, was wir am besten können: beste Politik für das beste Ländle.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wer ner Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Wir gehen dabei auch neue Wege, wir gestalten, und wir handeln. Die Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich ist ein Beispiel dafür. Lassen Sie mich zunächst meinen ausdrücklichen Dank an die Landesregierung aussprechen, die die Chancen der Föderalismusreform im Hochschulbereich zielstrebig und innovativ nutzt. Herzlichen Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Beste Politik heißt, die Zukunft zu gestalten. Was liegt da näher als Bildung und Wissen? Ich zitiere gerne Benjamin Frank lin, denn es passt gut in diese finanziell turbulenten Zeiten: „Bildung bringt die besten Zinsen“, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Auch im Hochschulbereich ist Baden-Württemberg spitze. Nicht von ungefähr wird unser Hochschulangebot im In- und Ausland sehr geschätzt, und nicht von ungefähr gehören vier unserer Universitäten im Land zu den insgesamt neun Exzellenzuniversitäten in Deutschland.

Mit dem Zweiten Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich geben wir den Einrichtungen mehr Gestaltungsspielräume. Unser Ziel ist es, im Wissenschaftsbereich noch leistungsfähiger zu werden.

Vor 30 Jahren haben wir eine Erfolgsgeschichte begonnen. Diese Geschichte hat einen Namen: Berufsakademien. Mit dem neuen Gesetz setzen wir den Erfolgsweg fort. Aus den Berufsakademien wird die duale Hochschule Baden-Würt temberg. Damit werden sie mit entsprechenden Strukturen und Merkmalen einer Hochschule ausgestattet und erhalten so überregional und international eine noch höhere Anerkennung.

Meine Damen und Herren, der Wettbewerb um die besten Köpfe hat längst begonnen, und wir wollen dabei ganz vorn mit dabei sein. In den Berufsakademien und dann der dualen

Hochschule Baden-Württemberg werden junge Menschen weiterhin auf hohem Niveau ausgebildet und Theorie und Praxis noch stärker miteinander verbunden. Hier wird aktiv und vorsorgend auch gegen Fachkräftemangel gearbeitet. Dies zeigt übrigens eindeutig – Herr Staatssekretär Birk hat es gesagt –, wie hoch da die Übernahmequote in die Wirtschaft ist.

Nehmen wir z. B. die Berufsakademie Ravensburg in meinem Heimatlandkreis,

(Abg. Norbert Zeller SPD: Die ist auch in meinem Landkreis!)

die ab dem Studienjahr 2009/2010 zusammen mit der Außenstelle Friedrichshafen, Herr Kollege Zeller – da sind Herr Müller und Herr Wetzel dann auch dabei –, den Studiengang „Luft- und Raumfahrttechnik“ anbietet.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

In der Region Bodensee-Oberschwaben, wo sich viele Unternehmen aus dieser Branche angesiedelt haben, ist das wie das passende Rädchen im großen Getriebe. Deswegen sind die Neuerungen im Hochschulbereich genau der richtige Ansatz.