Protokoll der Sitzung vom 06.11.2008

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir glauben an die Lernfähigkeit aller Menschen,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Selbst an die der Landesregierung!)

wir glauben also auch an die Lernfähigkeit der CDU, auch wenn Sie es uns manchmal sehr schwer machen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU. Sie haben ja bereits in der Vergangenheit Ihre Lernfähigkeit bewiesen. Bei der Ganztagsschule, gegen die Sie hartnäckig gekämpft haben, haben Sie inzwischen erkannt, dass sie notwendig ist. Auch die Benotung der Vergleichsarbeiten, auf der Sie zunächst bestanden haben, obwohl wir deren Abschaffung zwei Jahre lang gefordert haben, haben Sie jetzt abgeschafft.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Bitte geben Sie Ihre Blockadehaltung auf! Lassen Sie eine Entwicklung, die unten ohnehin entsteht, zu.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Ja. – Lassen Sie eine Entwicklung von unten zu! Geben Sie die Blockadehaltung auf! Wir geben Ihnen gern noch weitere Lernunterstützung als individuelle Förderung, u. a. mit diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Zeller das Wort.

(Abg. Walter Heiler SPD: Guter Mann!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wir regen an, die Grundschulempfehlung zur Empfehlung der Schule mit intensiver Beratung der Eltern und Entscheidungsfreiheit der Eltern weiterzuentwickeln.

Wir arbeiten mit an Wegen zu einer schulischen Differenzierung ohne Stigmatisierung. Wir wollen längeres gemeinsames Lernen durch noch weiterzuentwickelnde Differenzierungskonzepte ermöglichen – möglichst bis zur 10. Klasse. Unser gemeinsames Ziel ist eine bessere Qualifikation für alle. So sollen möglichst viele Jugendliche zu einem mittleren Bildungsabschluss geführt und die Abi tursquote und Hochschulzugänge gesamteuropäisch angepasst werden.

Wir sprechen uns für eine flächendeckende Einführung der rhythmisierten Ganztagesschule in gebundener Form aus. Veränderte Lernzeiten mit konsequenter, pädagogischer Rhythmisierung auch im Sekundarbereich müssen angestrebt werden.

Dieses, meine Damen und Herren, ist ein Zitat aus dem Positionspapier „Schulpolitik Baden-Württemberg“ der evangelischen Landeskirchen in Baden-Württemberg.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Aha!)

Da wird deutlich, wohin Bildungspolitik gehen muss. Offensichtlich sind Sie bei der CDU und der FDP/DVP die Einzigen, die noch nicht erkannt haben, dass wir hier längeres gemeinsames Lernen brauchen, um in unserem Land erfolgreich zu sein.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

„Die frühe Auslese ist falsch“, stellt das Ifo-Institut fest. „Schon seit einiger Zeit ist bekannt, dass Schulsysteme, in denen Kinder aus allen Bildungsschichten länger gemeinsam lernen, eine höhere Chancengleichheit bieten.“ Auch dies wird in einer Studie des Ifo-Instituts festgestellt. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten unterstützen genau diese Position. Im Übrigen, Herr Schebesta, ist auch der von Ihnen so hochgelobte Herr Baumert dieser Auffassung. Wenn Sie wollen – ich habe Zitate dabei –, kann ich es Ihnen nachher gern vortragen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ich habe auch welche dabei, Herr Zeller! Nur keine Sorge!)

Alle haben es kapiert: Der Landesjugendring, der Landesschülerbeirat, auch viele Eltern im LEB, alle haben kapiert,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Alle?)

dass wir erfolgreicher sind, wenn wir länger gemeinsam lernen, natürlich einhergehend mit einer Lernkultur.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Die Eisscholle wird kleiner, Herr Schebesta! Lernen Sie schwimmen!)

Alle haben es begriffen: der Baden-Württembergische Handwerkstag, Frau Süssmuth, Herr Späth, Herr Baumert. Ich könnte jetzt die Liste weiter vortragen. Auch der Städtetag und der Gemeindetag sowie viele Schulen und Kommunen haben es begriffen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Landesjugendring!)

Das Problem ist nur: Sie wollen genau jenen Schulen, die diesen Weg gehen wollen, eine solche Schulentwicklung verwehren. Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren können.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem wir klipp und klar sagen: Allen Kommunen, die auf dem Weg hin zu längerem gemeinsamem Lernen sind und die dafür ein schlüssiges Konzept vorlegen, wollen wir die Möglichkeit einräumen, dies auch umzusetzen. Wir wollen nicht, wie Sie es machen, solche Konzepte verbieten.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Unmöglich!)

Ich fand es geradezu einen Hammer, wie Sie reagiert haben, als ein Gymnasium in Meersburg zusammen mit einer Hauptschule eine Kooperation beginnen wollte. Die wollten sich nicht einmal zusammenschließen, sondern kooperieren, in

dem beispielsweise die Hauptschule ihre Kompetenz im Bereich LRS und das Gymnasium seine Kompetenz im Bereich Sprachen zur Verfügung stellen. Diese Kooperation haben Sie, Herr Rau, unterbunden, untersagt. Ich finde das unerträglich, was hier abläuft.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Ihr Kooperationsmodell, das jetzt unter dem Strich dabei herauskommt, ein bisschen Haupt- und Realschule in der fünften und sechsten Klasse zusammenzuführen, ist nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein und wird letztendlich nicht das kaschieren können, was Sie hier zu kaschieren versuchen.

Die 700 kleinen Hauptschulen – so haben Sie in der Stellungnahme zu einem Antrag von uns ausgeführt –, die einzügig sind, sind in ihrer Existenz bedroht. Das haben Sie eindeutig gesagt. Sie wollen jetzt zum 45. Mal einen Versuch unternehmen, die Hauptschule zu retten. Ich sage Ihnen: Auch das wird nicht gelingen, sondern es wird letztendlich nur der Weg übrig bleiben, Kinder gemeinsam lernen zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es unverantwortlich, wenn Sie diesen Prozess, der sich überall in Deutschland abzeichnet, blockieren.

Genauso machen Sie es auch im Ganztagsschulbereich. Sie haben Ganztagsschulen nach baden-württembergischer Art – Halbtagsschulen, Mittagessen und Betreuung – und schieben damit auch die Kosten den Kommunen zu, anstatt wirklich echte gebundene Ganztagsschulen zu schaffen, wie die evangelischen Kirchen dies auch eindeutig verlangen. Auch hier lassen sich diejenigen, die dies von Ihnen fordern, seitenlang auflisten.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Endlos!)

Ich nehme nur den Städtetag, Herr Schebesta,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ja, dazu komme ich auch noch!)

und den Gemeindetag, die seit Jahren mit uns fordern, dass dies endlich im Schulgesetz verankert werden soll.

Wissen Sie, das Paradoxe ist ja: Einerseits verweigern Sie einer Schulart, die Sie selbst ja immer loben – inzwischen gibt es 1 000 Ganztagsschulen in Baden-Württemberg; lassen wir einmal beiseite, was wirklich eine Ganztagsschule ist –, die Aufnahme ins Schulgesetz.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Gibt es eigentlich ein praktisches Problem, weil sie nicht im Schulgesetz stehen? Gibt es deshalb irgendwo ein praktisches Pro- blem?)

Andererseits verweisen Sie, wenn wir integrative Konzepte wollen und Kommunen diesen Weg gehen wollen, auf das Schulgesetz und sagen: Im Schulgesetz steht es nicht drin, wir können es nicht erlauben. So paradox ist Ihre Bildungspolitik!

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich kann Ihnen sagen, Sie werden die Hauptschulstandorte damit nicht stärken, sondern es wird nur dann gelingen, Schulstandorte insgesamt zu stärken, wenn wir sie für den Realschulabschluss öffnen. Das wollen wir. Wir wollen, dass die Hauptschulen, die dies konzeptionell machen wollen, auch einen Realschulabschluss anbieten können. Wir wollen diese unsägliche Grundschulempfehlung – ich erinnere wiederum an das Positionspapier der evangelischen Kirchen – abschaffen und die Beratung in den Vordergrund stellen und den Eltern mehr Entscheidungsrechte geben. Wir wollen, dass neue Schulformen möglich sind.

Wir waren doch zusammen in Schleswig-Holstein. Sie haben doch gesehen, wie groß der Bedarf an Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein ist, und zwar unabhängig von der politischen Zusammensetzung. Es ist nämlich keine parteipolitische Frage mehr, sondern es ist eine Frage der bildungspolitischen Vernunft, endlich so etwas zuzulassen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Und wir wollen, dass die Schulträger, wenn sie eine solche Schulart einrichten wollen, dann auch einen Rechtsanspruch haben, eine solche Schulart einzurichten, und nicht der Kultusminister diese wichtigen Prozesse verhindern kann.