(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie haben doch 16 Jah- re mitregiert! Warum haben Sie denn nur Anträge ge- stellt? – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)
Jetzt reden wir alle darüber, dass die Bankenaufsicht offensichtlich nicht richtig funktioniert hat. Wenn Sie mit den Menschen draußen reden, hören Sie, dass sich beide – der kleine Mittelständler und auch der Privatmann, wenn er ein Häusle bauen will und mit seiner Bank in Verhandlungen ist, und die Bank – bis auf die Unterhosen ausziehen müssen – Basel II lässt grüßen – und dass offensichtlich mit staatlicher Duldung die ganz Großen, die die großen Räder drehen, bei allem, was außerhalb des Landes in Zweckgesellschaften usw. abgewickelt wird, was uns in die Risiken hineingeführt hat, weitgehend der Aufsicht entzogen waren. Da steht man staunend davor.
Dann ist es kein Marktversagen, sondern ein Staatsversagen. Der Staat ist seiner Rolle als Regelgeber und Kontrolleur nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
Jetzt zu dem durchaus notwendigen Agieren auf Landesebene. Ich gestehe gern zu: Man ist ja nicht in allem Fachmann, und den Eindruck sollte auch nicht jeder Redner, der da mitredet, immer vermitteln. Aber man sollte schon ein paar grundsätzliche Dinge nach dem gesunden Menschenverstand überlegen. Es gehört auch ein bisschen zur Politik, sich jetzt hier nicht hinzustellen und zu sagen: Wir haben alles besser gewusst; wir haben es vorhergesagt. Alle, die in den Gremien sitzen, hätten es in den Gremien doch auch sagen können. Ich sitze nicht drin.
Wenn es um die Eigenkapitalerhöhung geht, ist uns dazu – übrigens auch im Gespräch mit einem hochrangigen Verbandsvertreter der Genossenschaftsbanken – deutlich gemacht worden, dass es einmal Zeiten gab, in denen die reine Lehre war, eher keinen zu hohen Eigenkapitalanteil anzusammeln.
Aber nun, durch die Krise ausgelöst, wird weltweit genau das verlangt. Warum? Ich verstehe es auch: Wer große Räder drehen muss, muss selbst ein Stück weit mehr Substanz haben. Daher führt kein Weg daran vorbei, dass wir über die rechtlich notwendige Grenze hinaus das Eigenkapital der Landesbank verstärken müssen.
Wir haben uns in intensiver Diskussion darüber ausgetauscht. Lieber Kollege Kretschmann, wir haben uns tatsächlich nicht emotional nach dem Motto „Wir machen alles selbst“, sondern real damit beschäftigt. Da kann ich nun allem zustimmen, was Herr Schmiedel, Herr Mappus und der Ministerpräsident gesagt haben. Wir haben ganz faktisch entschieden, zu sagen: Ja, es macht Sinn, diese Kapitalaufstockung aus eigener Kraft zu schultern.
Allerdings sage ich schon auch noch dazu: Es wird immer vermittelt, am Ende könnten wir noch ein Schnäppchen machen. Der Bund verlangt etwas, wir verlangen etwas. Ich will nichts herbeireden, aber wir haben jetzt eine Krise, die vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten hätte. Deswegen müssen wir auch in dieser Krise nicht noch Schlimmeres herbeireden, aber zumindest gedanklich ein derartiges Szenario vor uns haben.
Aus dieser Überlegung heraus: Wir hoffen, dass es gut geht, und wollen alles tun, damit die Wirtschaft nicht die Einbrüche erleidet. Wenn die Wirtschaft tatsächlich tief in die Rezession ginge, würde es nicht nur die Banken mit ihrer Kreditgewährung betreffen, sondern es würde massiv auch den Haushalt des Landes Baden-Württemberg betreffen. Das heißt, wir sind uns schon bewusst, dass es bei den Steuereinnahmen nicht so weitergehen wird wie in der Vergangenheit.
Aber lassen Sie mich auch dazu einen Kernsatz sagen: Nullneuverschuldung in Schönwetterzeiten hinzubekommen, wenn man auch ein bisschen Glück hat, ist das eine. Wir sind auch sehr stolz darauf. Wenn ich aber – wie von Ihnen, Herr Schmie del – höre, dass wir unter dem Vorwand oder dem Vorzeichen der Krise wieder die Schleusen, wieder Tür und Tor für neue Schulden öffnen sollen, sage ich klipp und klar: Das machen die Liberalen hier nicht mit.
Deswegen geht es uns darum, zu versuchen, eine Lösung zu finden und das ohne Schulden im Landeshaushalt hinzubekommen.
Lassen Sie mich zum zweiten Thema kommen: Bürgschaften und Garantien. Man kann über die Einflussnahme des Bundes in der Tat heftig diskutieren. Bei Eigenkapital ist das sehr viel stärker; bei Garantien muss man noch prüfen, das ist nicht abschließend bewertet. Das gilt auch für die Frage: Was sagt die EU? Die EU würde ich an dieser Stelle übrigens nicht beschimpfen. Sie ist ja der Hüter eines marktwirtschaftlichen Systems, das am Ende der Krise auf jeden Fall revitalisiert und nicht verstaatlicht werden sollte.
Daher kann ich das Agieren der EU als Gremium auf etwas entfernterer Ebene durchaus nachvollziehen, auch wenn es uns nicht immer schmeckt.
Aber noch einmal zu den Bürgschaften. Ich rate uns, schon noch einmal intensiver nachzudenken. Auch der Ministerpräsident hat mehrfach betont, dass man da nicht abschließend festgelegt sei. Jeder in der Bevölkerung weiß – auch im Zusammenhang mit den riesigen Summen im Bundesschirm –, dass Bürgschaften in der Regel nicht fließen. Natürlich gibt es auch eine Gebühr, und sie fließen in der Regel nicht.
Man kann jetzt fragen, wofür man Bürgschaften gibt. Wenn man Firmen mit Kapital ausstattet und – kommt man in Rezessionen – Wertberichtigungen stattfinden müssen, muss man auch bei Bürgschaften damit rechnen, dass tatsächlich Geld fließen muss. Ich will nichts herbeireden. Wenn wir jetzt an der Maßgabe festhalten, möglichst eine Nullneuverschuldung beizubehalten, und das Eigenkapital selbst stemmen, sollten wir unter dem Motto der Risikodiversifizierung – so würde ich persönlich das machen – überlegen: Wenn die Konditionen einigermaßen akzeptabel sind, würde ich durchaus empfehlen, das Risiko bei den Bürgschaften aufzuteilen.
Herr Schmiedel, noch einmal mein Rat. Wir sind da nicht abschließend festgelegt. Wir sollten an dieser Stelle die Situation noch einmal intensiv miteinander prüfen. Ministerpräsident Oettinger hat das zugesagt. Das Ganze soll letztendlich bis zum März 2009 stehen. Wir werden das kritisch-konstruktiv begleiten.
Zum Thema Fusionen. Jetzt wird gesagt, man wolle alle Altrisiken außen vor halten. Übrigens hat der Vorstandsvorsitzende Jaschinski bei der hauptsächlich politisch gewollten Fusion mit der Sachsen LB nach meiner Kenntnis eigentlich immer ein bisschen warnend den Finger gehoben. So viel zum Thema „Wer spielt welche Rolle?“ Er trägt die betriebswirtschaftliche, wir tragen die politische Verantwortung. Er sagt klipp und klar: Ein Großteil der Risiken, die die LBBW derzeit in Form von Abschreibungen realisieren muss, stammen aus der Fusion mit der Sachsen LB und der Landesbank Rheinland-Pfalz.
(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Wer trägt die Verant- wortung?)
Ich glaube aber, mich zu erinnern, dass damals bei den Verhandlungen mit dem Land Sachsen gesagt worden ist: Die Altrisiken bleiben auf jeden Fall beim früheren Träger.
Da stimmt irgendetwas nicht. Womöglich gelingt es gar nicht, Altrisiken und Neurisiken wirklich auseinanderzuklamüsern. Das müssen wir uns bei allen Überlegungen über Fusionen wirklich sehr genau anschauen.
Von der Sparkassenseite wurde – übrigens gegen politischen Willen – zu Recht gesagt: Es gibt zu viele Landesbanken ohne geeignetes Geschäftsmodell. Das hat die Politik letztendlich verhindert. Wir mussten den Sparkassen jetzt zusagen, dass wir seitens der Politik grünes Licht geben und dass man mit dem bisherigen Geschäft an internationalen Kapitalmärk ten ein Stück weit zurückgeht – mangels des Geschäfts vor Ort. Das wird natürlich eine lange Bereinigung notwendig machen.
Wer an der einen Seite Geschäft abbauen muss, der muss, wenn er ein anderes Geschäftsmodell haben will, dieses auch aufbauen. Da darf ich Herrn Jaschinski zitieren: Was bei der LBBW historisch über Jahrzehnte gelungen ist – über die BWBank und die Landesgirokasse –, nämlich Universalbank gerade für den Mittelstand und für Privatkunden zu sein, kann auch bei anderen Landesbanken zehn bis 20 Jahre dauern. Das heißt, wenn die LBBW mit einer Bank fusioniert, die kein solches Geschäftsmodell hat, werden wir zehn bis 20 Jahre lang am Aufbau dieses Geschäftsmodells mitwirken müssen.
Nein. Ich muss noch ein wichtiges Thema aufgreifen, das auch angesprochen worden ist, nämlich die Frage, was eigentlich am Ende dieser Krise steht. In der Historie haben sich bislang am Ende einer Krise immer neue Chancen aufgetan. Hoffentlich – davon gehen wir alle aus – steht auch am Ende dieser Krise ein neuer Aufschwung.
Herr Kollege Mappus, insoweit bin ich vielleicht etwas missverstanden worden. Ich rate, sich nur einmal die Helaba anzuschauen, bei der sich das Land bis auf einen ganz schmalen Teil zurückgezogen hat. Wie steht sie derzeit da? Sie steht gut da.
(Abg. Stefan Mappus CDU: Das Land! Und die Spar- kassen? Die stehen voll drin! Das ist auch Staat! Das ist ein blödes Beispiel!)
Deshalb rate ich uns, so, wie das bei allen Rettungsaktionen auf Zeit seitens des Bundes vorgesehen ist, wenn die Krise überstanden ist, wenn der Kreislauf wieder funktioniert, gemeinsam darüber nachzudenken, wie hoch der Landesanteil an der LBBW sein sollte, bzw. zu prüfen, ob das Land weiterhin Anteile halten muss. Das hat durchaus eine grundsätzliche Bedeutung, auch insofern, als ich behaupte: Nicht zuletzt aufgrund der Eigentümerinteressen und der dadurch vorhandenen Zusammensetzung der Gremien besteht die Schwierigkeit, dass betriebswirtschaftlich Hü und politisch Hott gesagt werden muss. Ich will das für Baden-Württemberg fast zurücknehmen. Aber diese Vermutung liegt nahe.
Wer also jetzt über Gremien nachdenkt und darüber, ob diese richtig aufgestellt sind, muss sich erst einmal über Eigentümerstrukturen unterhalten. Danach – nicht in der jetzigen Situation, aber auf Dauer – halte ich es für legitim, dass wir uns auch einmal über die Frage unterhalten, inwieweit das Land Baden-Württemberg mit eigenem Geld in einer LBBW verankert sein muss. Darüber kann man völlig emotionslos sprechen. Dazu haben wir noch viel Zeit. Aber unsere Generallinie lautet: Der Staat soll nicht Mitspieler, sondern Regelgeber und Kontrolleur sein und sich, wenn möglich – zurzeit geht das nicht, weil wir Vertrauen schaffen müssen –, aus dem Markt zurücknehmen.
Ich glaube, dass wir damit, wie wir jetzt versuchen, diese Krise – bei der wir hoffentlich bei allen unterschiedlichen Sichtweisen zu guten Ergebnissen kommen – gemeinsam zu managen, den Bürgerinnen und Bürgern Rechenschaft darüber geben können, warum wir an dieser Stelle auch viele Steuergelder in die Hand nehmen. Ich glaube, dass wir zu Lösungen kommen werden. Diese dürfen aber nicht dazu führen, dass wir dauerhaft den Marsch zurück in die Staatswirtschaft antreten.
Meine Damen und Herren, unter den Gästen auf der Zuhörertribüne gilt mein besonderer Gruß einer Delegation der Regierung des Kantons Schaffhausen.
Ich begrüße Herrn Regierungsrat Dr. Erhard Meister – er ist Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Tourismus –, Herrn Regierungsrat Dr. Reto Dubach – er ist Minister für Bau, Verkehr und Energie – sowie Herrn Staatsschreiber Dr. Stefan Bilger, den Leiter der Staatskanzlei.
Werte Gäste aus Schaffhausen, ich heiße Sie im Landtag von Baden-Württemberg herzlich willkommen und wünsche Ihnen erfolgreiche Gespräche und einen angenehmen Aufenthalt.