Protokoll der Sitzung vom 03.12.2008

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich erteile nun Herrn Abg. Schlachter das Wort.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Hat er noch Rede- zeit?)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf den Einstieg kurz wählen. Herr Mappus, Herr Ministerpräsident, wir teilen Ihre Einsicht, dass wir jetzt eine Landesbank haben, die durch Fusionen, bei denen sie teilweise unabgeschirmt aus Mainz eine Bank übernommen hat, und natürlich auch durch die Finanzmarktkrise selbst Schwierigkeiten hat. Wir sollten sie stützen; darin sind wir uns einig.

Gleichwohl entwickeln solche Krisen immer eine gewisse Eigendynamik, und dies meist nach monatelanger Gesundbeterei und mit dem Ausfluss, dass Geld offensichtlich keine Rolle mehr spielt und – das gilt vor allem für Geld des Landes – zuhauf in die Hand genommen werden soll. Aus unserer Sicht ist das ordnungspolitisch höchst fragwürdig, weil die anderen Säulen der Kreditwirtschaft nicht zu diesem Satz refinanzieren können und zu diesem Satz auch keine staatlichen Avale bekommen. Ich halte das, was wir da tun, ordnungspolitisch wirklich für fragwürdig.

Auf der anderen Seite teile ich Ihre Ansicht, was die Frage der Aufsicht betrifft. Da sollten wir uns zusammensetzen. Ich glaube, da können wir vielleicht miteinander etwas Gutes auf den Weg bringen. Derzeit müssen Schäden, die die Aufsicht nicht frühzeitig erkannt hat, durch den Einsatz von Steuergeldern behoben werden.

Ich denke, wir sollten zweierlei nicht tun: Wir sollten auf der einen Seite den Sparkassen nicht das Kapital entziehen, das sie selbst vor Ort für die Finanzierung des Mittelstands benötigen.

(Beifall der Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE so- wie Dr. Ulrich Noll und Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig! – Abg. Ste- fan Mappus CDU: Machen wir doch nicht!)

Für uns ist nicht nur die Region Stuttgart wichtig, sondern ganz Baden-Württemberg. Darauf müssen wir achten.

Das Geld, das wir für die Überwindung der Krise einsetzen sollen, brauchen wir auch für den Mittelstand; Herr Schmiedel, Sie haben das angerissen. Wir sollten dieses Geld nicht der Landesbank als Eigenkapital zur Verfügung stellen, sondern in Reserve halten für das, was wir in der zweiten Bugwelle, wenn die Finanzkrise bei der Realwirtschaft angekommen ist, selbst brauchen werden. Sie reden momentan von einem Bedarf von 5 Milliarden €. Ich würde vermuten, dass es eher 8 Milliarden € werden.

Wir sagen auch: Wenn die Konditionen nicht gut genug sind – Herr Ministerpräsident, Sie waren bei dem Verhandeln der Konditionen in Berlin dabei; Ihr Parteitag hat nach dem Verhandeln die Beschlüsse getroffen –, empfehle ich: Setzen Sie den Beschluss des Parteitags um! Verhandeln Sie nach! Holen Sie gute Konditionen heraus! Hier zeigt sich, wer kämpfen kann.

(Beifall bei den Grünen)

Aber es kann nicht sein, dass wir jetzt nur eine kurze Rettungsaktion durchführen. Ich möchte an das anknüpfen, was Sie – auch der Herr Ministerpräsident – auch diesmal wieder ansatzweise von Schlachter übernommen haben: Wir brauchen weniger Landesbanken. Sie sagten, wir brauchten nur ein Investmenthaus und nur eine Bausparkasse.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das hat aber nicht Schlachter erfunden! Das haben vorher schon andere gesagt! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rü- eck CDU)

Wir kommen der Sache also langsam näher. Das müssen wir schon tun. Wenn wir jetzt Geld in die Hand nehmen, wenn wir alle Landesbanken in ruhiges Fahrwasser gebracht haben, müssen wir ja überlegen: Was kommt danach? Was machen wir mit dieser öffentlich-rechtlichen Struktur? Unsere Ansicht ist relativ klar: Alles, was wir im öffentlich-rechtlichen Bereich machen, kann und darf nur der Stärkung der Sparkassen dienen. Diese sind nah am Kunden dran. Die Landesbanken müssen hier kein Kundengeschäft aufbauen. Wir brauchen im Grunde nur eine einzige Landesbank, vorzugsweise in Stuttgart, und wir brauchen Sparteninstitute, möglicherweise verteilt auf andere Länder. All diese Institute sollten dann für die

Sparkassen zuständig sein. Das ist eine Bündelung der Kräfte; das bringt uns vorwärts.

Gleichwohl sind wir uns im Klaren darüber: Das kann nicht in einem oder in zwei Jahren gehen. Wir brauchen einige Jahre, um eine solche Struktur für die nachhaltige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Sektors aufzubauen. Aber wir sollten jetzt darüber nachdenken.

Noch ein Wort zur Zweckgesellschaft, die Sie gründen wollen, um diese Beteiligung zu refinanzieren. Ich sage Ihnen dazu: Das ist nichts anderes als ein Schattenhaushalt. Mit Zweckgesellschaften hatten wir bei der Sachsen LB, in Irland usw. schon schlechte Erfahrungen. Lassen wir doch am allerbesten die Finger davon.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Es geht um etwas anderes!)

Die Krise können wir meines Erachtens bewältigen, indem wir Vertrauen schaffen. Vertrauen schaffen wir, Herr Mappus, durch eine klare Aufsicht, aber auch – daran hat es im Fall Baden-Württemberg etwas gemangelt – durch Transparenz.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Haben die Grü- nen Sonderredezeit?)

Wir sind sehr spät informiert worden. Aus der Erfahrung in meinem beruflichen Umfeld sage ich Ihnen: Die Grundsätze sind Solidarität, Selbsthilfe und – was für mich als Kaufmann auch gilt; das sollten wir bei der Landesbankendebatte endlich einführen – Augenmaß, Solidität und vielleicht etwas weniger Größenwahn; das täte uns gut.

Wir sind bereit, Sie bei einer nachhaltigen Lösung – mit einem etwas anderen Weg – zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, die Aussprache ist damit beendet. Tagesordnungspunkt 1 ist somit abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2009 (Staatshaushaltsgesetz 2009 – StHG 2009) – Drucksache 14/3600

Haushaltsrede des Finanzministers

Ich erteile Herrn Finanzminister Stächele das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 1 geht fast nahtlos in den Tagesordnungspunkt 2 über. Ich lege Ihnen gern den Entwurf des Staatshaushaltsplans 2009 vor in dem Bewusstsein, dass damit eine wichtige, eine intensive Diskussion über unsere Wirtschaftssituation und den Arbeitsmarkt fortgesetzt wird.

Ich erinnere an das, was das Jahr 2008 für uns bedeutet hat und noch bedeutet: Es ist eine Zäsur für den Landeshaushalt.

Erstmals seit 36 Jahren kommen wir in diesem Jahr ohne neue Schulden aus, und auch für den Haushaltsentwurf 2009 sind keine neuen Schulden vorgesehen.

(Zuruf des Abg. Ingo Rust SPD)

Die Konsolidierung des Haushalts zeigt erste Früchte. Der Marsch in die Verschuldung ist in Baden-Württemberg gestoppt.

Aber auch die Finanzmarktkrise macht dieses Jahr zu einem historischen Jahr. Das Ausmaß der weltweiten Finanzmarktkrise und der weltweiten Konjunkturabschwächung macht Prognosen für 2009 zugegebenermaßen nicht ganz leicht. Die Bundesregierung und die Forschungsinstitute – auch der Finanzplanungsrat hat sich dem angeschlossen – gingen für die öffentlichen Haushalte von einem leichten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,2 % gegenüber 2008 aus. Inzwischen aber – das wissen Sie – wird vielfach ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung prognostiziert. Die Vorausschau ist also unsicher, und sie ist vielstimmig.

Ich denke, wir dürfen uns davon nicht anstecken lassen. Wir sollten versuchen, durch eine stetige, verlässliche Politik das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen. Aber die Frage muss gestellt werden, welche Folgen die wirtschaftliche Abschwächung hat. Das sind gar viele. Wir schauen natürlich zuallererst auf den Arbeitsmarkt. Gott sei Dank hat die Arbeitslosenquote derzeit einen Tiefstand erreicht, aber sie wird vermutlich wieder steigen.

Zum Glück ist die Ausgangslage besser als bei der letzten Krise zu Beginn dieses Jahrzehnts. Wir haben 2008 mit 40,3 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland den höchsten Beschäftigungsstand seit der Wiedervereinigung. Mit 3,27 Millionen registrierten Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt wurde die niedrigste Arbeitslosenquote seit 1992 gemessen. In der Tat: Die Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts haben gegriffen.

Wir wissen natürlich, dass der wirtschaftliche Abschwung im Grunde schon im zweiten Quartal 2008 begonnen hat. Das weltwirtschaftliche Wachstum hat nachgelassen. Dadurch war der Welthandel, vor allem der Handel zwischen den Industriestaaten, beeinträchtigt. Ich erinnere an die steigenden Preise für Rohstoffe, vor allem für Öl mit 145 Dollar pro Barrel, und an den in jener Zeit überstarken Euro. Damals – das ist kaum sechs Monate her – haben die stark gestiegenen Verbraucherpreise die Europäische Zentralbank wegen der Inflationsgefahren gezwungen, noch am 9. Juli 2008 den Referenzzinssatz auf 4,25 % zu erhöhen. Dies geschah noch im Juli dieses Jahres!

Nun hat die internationale Finanzmarktkrise diese an sich schon schwierigen realwirtschaftlichen Rahmenbedingungen weltweit erheblich verschärft, mit unmittelbaren Auswirkun gen auf die deutsche und natürlich auch auf die baden-würt tembergische Exportwirtschaft. Noch gewichtiger und weitreichender war und ist die Vertrauenskrise in der Finanzwirtschaft; hierüber haben wir ja eben gesprochen.

Die deutsche Politik hat rasch und entschlossen gehandelt. Bund und Länder haben ihre Verantwortung mit dem im Oktober 2008 beschlossenen Finanzmarktstabilisierungsgesetz

wahrgenommen. Das Vertrauen zwischen den Banken muss wieder wachsen. Die Regelungen sollen die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte wiederherstellen. Ganz wichtig ist außerdem: Die Kredit- und Kapitalversorgung der deutschen Wirtschaft muss wieder stabilisiert und für die Zukunft sichergestellt sein.

Die Landesregierung hat dieses Vorhaben unterstützt. Der Ordnung halber muss erwähnt werden, dass wir damit natürlich auch eine Belastung übernommen haben. Im Falle eines Ausfalls beteiligen wir uns als Land Baden-Württemberg mit bis zu 1 Milliarde € an den Lasten. Ob ein solcher Ausfall tatsächlich eintritt, wird sich aber erst in den nächsten Jahren konkret zeigen.

Meine Damen und Herren, unsere mittelständische Wirtschaft ist erst recht auf ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten angewiesen. Es darf wegen einer „Kreditklemme“ nicht zu einer zusätzlichen Konjunkturbremse kommen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das können wir jetzt abkürzen, Herr Stächele! Das war schon durch! – Abg. Katrin Altpeter SPD: Das hatten wir schon!)

Deswegen ganz klar: Es muss jetzt gelten – und das gilt dann auch für die Möglichkeiten des Bürgschaftsrahmens –, dass zuallererst die Banken ihrer Pflicht, Kreditmittel zur Verfügung zu stellen, gerecht werden. Das heißt, dass jetzt nicht der Schirm weggezogen werden darf, wenn der Regen fällt.

Meine Damen und Herren, wir in Baden-Württemberg wissen natürlich – das betrifft unmittelbar den Haushalt –, dass wir stark auf den Export und den Außenhandel angewiesen sind. Der zweitwichtigste Konjunkturimpuls kam zuletzt von den Ausrüstungsinvestitionen. Auch deren Summe wird nach Prognosen der Bundesregierung spürbar sinken, nämlich um bis zu 4,4 %. Hoffnung besteht beim Konsum im Binnenmarkt. Die Prognosen liegen derzeit bei einem Anstieg um 0,3 %. Wir haben die Hoffnung, dass die gesunkenen Ölpreise mithelfen, dass die gesunkenen Lebensmittelpreise mithelfen, dass im Budget der Verbraucher insgesamt vielleicht wieder einiges mehr übrig bleibt. Kurzum: Jetzt ist wichtig, dass die Finanzmärkte wieder in Ordnung kommen und dass wir in der Tat mit unserem Land in eine Wachstumszukunft weitergehen können.

Dabei dürfen wir schon auf die Stärken der baden-württembergischen Wirtschaft vertrauen: Wir hatten im November mit 3,9 % bundesweit die zweitniedrigste Arbeitslosenquote. Baden-Württemberg ist das Land der Innovationen. Es ist wichtig, dass wir jetzt helfen, Zuversicht zu verbreiten. Denn auch laut dem aktuellen Innovationsindex des Statistischen Landesamts stehen wir wieder an erster Stelle der Innovationsregionen in Europa.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Patente!)

Schließlich – auch das ist zu erwähnen –: Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben dankenswerterweise in den letzten Jahren in gemeinsamer Kraftanstrengung Umstrukturierungen durchgeführt und so ihre Unternehmen, unsere baden-württembergischen Unternehmen für den Weltmarkt außerordentlich fit gemacht.

Wir haben gemeinsam mit dem Bund Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht. Es ist gar keine Frage, dass wir bei all dem, was jetzt entschieden wird, ausdrücklich darauf achten müssen, dass durch diese Konjunkturprogramme keine konjunkturellen Strohfeuer ausgelöst werden, dass es nicht nur um Mitnahmeeffekte gehen kann, dass es nicht zu ökonomischen Verzögerungen kommen darf, sondern dass diese Dinge sofort administrativ umgesetzt werden müssen.