Protokoll der Sitzung vom 04.12.2008

(Beifall bei der CDU)

Sie von der Opposition haben offensichtlich nicht zugehört. Baden-Württemberg ist das Land, das sich zuerst und am intensivsten mit dem demografischen, das heißt mit dem gesellschaftlichen Wandel befasst hat.

(Beifall des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Der Bundestag hat sich sage und schreibe drei Legislaturperioden lang, von 1992 bis 2002, in Enquetekommissionen mit diesem Thema beschäftigt, ohne dass die rot-grüne Bundesregierung seinerzeit erkennbare Konsequenzen gezogen hätte.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Aha! – Zurufe von der SPD)

Nordrhein-Westfalen hatte Teilaspekte bearbeitet, aber es gab keine umfassende parlamentarische Aufarbeitung des Themas.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Hört, hört!)

Hessen hat erst 2007 die Arbeit seiner Enquetekommission beendet. Das Saarland hat gar erst 2007 begonnen.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Ja wer regiert denn im Saarland? – Unruhe)

Wer schreit, hat unrecht. – Aus den SPD-regierten Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, die besonders stark betroffen sind, hört man wenig. Wenn man etwas vernommen hat, so war es die Diskussion im brandenburgischen Landtag, als es darum ging, ganze Dörfer zu schließen, um Menschen in stadtnähere Bereiche umzusiedeln.

Anders bei uns. Das erste Institut für Gerontologie wurde bereits in den Achtzigerjahren an der Universität Heidelberg eingerichtet. Wie erwähnt, war Ursula Lehr die erste Leiterin des Zentrums für Alternsforschung. Der Landtag von BadenWürttemberg hat bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode seine außerordentlich umfängliche Arbeit in seinem 364 Seiten umfassenden, vorausschauenden Bericht der Enquetekommission veröffentlicht, der Grundlage für die weitere Arbeit des Hohen Hauses ist. Ministerpräsident Oettinger war allen seinen Kollegen im Bund voraus. Er hat dem Thema mit der Berufung von Frau Dr. Hübner Kabinettsrang gegeben.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ein richtiger Joker ist das aber nicht! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜ- NE)

Nicht so in Rheinland-Pfalz. Die neuesten Zahlen auf der Homepage der Staatskanzlei von Herrn Beck – den müssten Sie kennen –

(Abg. Reinhold Gall SPD: In der Tat!)

stammen aus dem Jahr 2005. Seither war Fehlanzeige.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Elke Brunnemer CDU: Hört, hört!)

Dabei ist die demografische Entwicklung in der Wertigkeit der Aktualität und in ihren Auswirkungen auf die Menschen in unserem Land mit der Finanzkrise und dem Klimawandel vergleichbar. Das sind Themen, die zunächst zwar diskutiert werden, aber in ihrer vollen Auswirkung nicht den Stellenwert zugemessen erhalten, den sie zweifelsohne verdienen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass es dabei um sich gegenseitig beeinflussende Wirkungen u. a. in der Wirtschaft, in der Sozial- und Bildungspolitik, im Hinblick auf die Integration und die Stabilisierung der Solidarsysteme geht.

Die CDU-Landtagsfraktion misst dem Thema ebenfalls große Bedeutung zu. Wir haben eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich ständig und aktuell mit diesem Thema befasst.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Wow!)

Alle Ressorts der Landesregierung sind betroffen. Das zeigen die Ausführungen in der Drucksache 14/3021. In allen Ressorts wurden Initiativen ergriffen, die wir ausdrücklich begrüßen, und die Arbeit geht weiter.

Wichtig ist es mir in diesem Zusammenhang, das Thema in die Gesellschaft hineinzutragen. Wir sehen eine Chance, nicht nur die Belastungen beklagen zu müssen, sondern auch die Entwicklung zu unseren Gunsten nutzen zu können. Wenn auch manche Zahlen Sorgen bereiten: Ich freue mich darüber, dass der Arbeitgeberverband der Chemischen Industrie und die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie ohne Streit in der Öffentlichkeit einen Tarifvertrag abgeschlossen haben, der einen Demografiefaktor beinhaltet. Das ist die Zukunftsfähigkeit, die ich mir wünsche.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Reinhold Gall SPD und Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Genau!)

Es geht gerade darum, kleinere und mittlere Unternehmen demografiefest zu machen. Ein neues Berufsbild „Demografieberater“ kann entstehen, der Firmen aufzeigt, wie sie auf Veränderungen am Markt reagieren müssen und wie sie ihre eigenen Strukturen auf die Zukunft ausrichten müssen.

Wir müssen die rückgängige Zahl von Schul- und Studienabgängern berücksichtigen und die Chancen nutzen, die 2012 durch die zwei Abiturjahrgänge aus G 9 und G 8 entstehen. Wer heute nicht ausbildet, wird morgen Schwierigkeiten haben, qualifizierten Nachwuchs zu bekommen.

Man glaubt es kaum, aber es gibt auch in Baden-Württemberg Geschäftsführer in Firmen, die die Berufsakademie noch nicht kennen, obwohl es ihren Firmen an Ingenieurnachwuchs mangelt. Zukunftsgerichtete Handwerker und Mittelständler haben längst Schulpartnerschaften und Kooperationen mit Haupt- und Realschulen als eine Win-win-Situation erkannt.

Jeder nicht besetzte Arbeitsplatz ist eine Einschränkung des Bruttosozialprodukts. Allein die fehlenden Ingenieure verringern das BSP um 3 % im Jahr. Wenn die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland bis zum Jahr 2030 um die prognostizierten 2,1 Millionen Menschen sinken wird, sinken unweigerlich auch die Wirtschaftskraft und die tragenden Stützen der Sozialsysteme in unserem Land. Dies sind Tatsachen, denen wir ins Auge sehen.

Aus diesem Grund ist das Thema „Demografischer Wandel“ auch ein Bildungsthema. Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner Eröffnungsrede zum Berliner Forum im Oktober dieses Jahres ausgeführt:

Unterschiede und Ungleichheiten in einer Gesellschaft sind historisch gesehen nichts Neues. … Sie sind … auch Ausdruck der Freiheit eines jeden von uns, … Die Herstellung völliger Gleichheit ist weder möglich noch wünschenswert.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Unterschiede und Ungleichheiten machen die Vielfalt unserer Gesellschaft aus, und sie spornen zu Leistung und Anstrengung an.

Aus dieser Erkenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, erwachsen unsere politische Verantwortung und die daraus abzuleitenden Aktivitäten. Die Bildungsinitiative ist auch ein wirksamer Beitrag zur Bewältigung des demografischen Wandels in unserem Land.

Es ist schön, dass wir in Baden-Württemberg, statistisch gesehen, bundesweit die Jüngsten sind und am längsten leben. Es ist schön, dass das Durchschnittsalter in Baden-Württemberg mit 42 Jahren fast ein Jahr unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Es ist schön, dass in Baden-Württemberg die Mädchen damit rechnen können, 83 Jahre alt zu werden, und die Buben immerhin eine Lebenserwartung von 79 Jahren haben. Es ist schön, dass sich zwischen 1991 und 2007 rund 750 000 Menschen für Baden-Württemberg entschieden und Wohnung in unserem Land genommen haben. Das zeigt, die Menschen haben Zuversicht und sehen in Baden-Württemberg bessere Lebenschancen für sich und ihre Kinder. Dies alles macht die

Herausforderungen insgesamt beherrschbarer und bestätigt die gute Politik, die in unserem Land gemacht wird.

Es ist unsere Pflicht, der kommenden Generation Handlungsspielräume zu ermöglichen. Die Verbesserungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden hoffentlich den gewünschten Erfolg bringen, und die Geburtenrate wird hoffentlich den Tiefstand von 1,3 verlassen. Das wird in der kommenden Zeit eine interessante Beobachtung werden.

Dennoch müssen wir Menschen durch attraktive Angebote an Arbeits- und Studienplätzen anreizen, sich für Baden-Würt temberg zu entscheiden. Alle politischen und konzeptionellen Aktivitäten, die zur Steigerung der Attraktivität unseres Landes beigetragen haben, verbinde ich mit der Tatsache, dass wir früher und ernsthafter als andere die demografische Entwicklung nicht nur beschreiben, sondern sie auch als konkrete Chance zur aktiven Gestaltung begreifen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Baden-Württemberg „Kinderland“ und Wachstumsland bleibt.

Mein Dank gilt allen – in den Kommunen, in den Verbänden, in den Kirchen, in der Wirtschaft –, die dazu beigetragen haben, mit engagierter und qualifizierter Arbeit die Aufgaben zu bewältigen. Ich möchte stellvertretend Ihnen, Frau Staatsrätin Dr. Hübner, für die Arbeit danken,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Noch einmal?)

die Sie und die Ministerien – und zwar alle Ministerien – geleistet haben und auch in Zukunft leisten.

Meine Damen und Herren, Frau Altpeter: Sie haben Fragen, wir haben die Antworten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Das kann man von der Frau Staatsrätin nicht sagen! Von Ihnen vielleicht schon eher! Bleiben Sie an dem Thema dran! Das ist besser, als wenn das die Frau Staatsrätin macht! – Zu- rufe von der SPD und den Grünen)

In vielen Parametern der Politik haben wir die besten Voraussetzungen. Sie reden schlecht, was bundesweit als vorbildlich anerkannt ist.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir lassen die Kommunen nicht allein,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Dazu brauchen Sie ja auch die Kommunen!)

sondern wir akzeptieren, dass sie diese Arbeit im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung klug, ideenreich und mit vielfältigen Angeboten ausgestalten. Das ist der Weg, auf dem wir uns befinden, und den werden wir konsequent und erfolgreich weitergehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Sehr gut! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Bravo!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bei den Ausführungen von Frau Hübner, aber auch vom Herrn Kollegen Raab kam mir die Erinnerung, dass in Freiburg bei der Kommunalwahl vor einigen Jahren einmal eine Liste antrat, deren Abkürzung „NLB“ lautete. „NLB“ stand für „nett, lustig, beliebt“, und deren Wahlspruch war: „Alles wird gut, wir kennen den Weg.“

(Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und der SPD)

Ich kann Ihnen aber verraten, dass diese Liste den Sprung in den Gemeinderat nicht geschafft hat, und ich finde das auch gut so; denn Selbstbeschwörung, Frau Hübner und auch Herr Raab, kann Handeln leider nicht ersetzen.