Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

Der Mann hat recht, Herr Wirtschaftsminister. Holen Sie den zu sich ins Haus. Sie brauchen solche Leute.

(Beifall bei der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: Der ist aber im Umweltministerium!)

Es geht nicht nur um die Brennstoffzelle, es geht um den Dienstleistungsroboter, es geht um andere Produkte, die in den Forschungslabors fertig entwickelt sind und jetzt zur Marktreife gebracht werden müssen. Dazu jedoch fehlt es jetzt auch an Investoren. Deshalb, Herr Ministerpräsident, schlagen wir vor, dass der Innovationsrat – ich hoffe, es gibt ihn noch –

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

uns einen Bericht über die Produkte gibt, die in den Forschungsanstalten in Baden-Württemberg im Labor fertig sind und die jetzt in die Praxis gehen müssen, um zur Marktreife zu gelangen. Wir müssen einen Bericht über solche Produkte bekommen, und der Wirtschaftsausschuss muss sich dann auf der Grundlage eines solchen Berichts mit der Frage beschäftigen, inwiefern ein Teil der Bürgschaften im Landeshaushalt auch dafür verwendet werden sollte, Investoren ein Stück weit das Risiko abzunehmen, das immer besteht, wenn man mit neuen Produkten auf den Markt geht. Wir müssen das machen.

Wir werden auch im Automobilbau wieder stark sein, aber wir werden dort nach dieser Krise nicht mehr dieselbe Anzahl von Arbeitsplätzen haben. Für andere Industriezweige gilt dies ebenfalls. Deshalb brauchen wir auch neue Themen für die industrielle Produktion in Baden-Württemberg. Das ist unsere Stärke: industrielle Fertigung, industrielle Produktion. Deshalb muss man sich darum aktiv kümmern. Die Dinge sind da, aber es bedarf noch einer Unterstützung durch die öffentliche Hand. Darum werben wir, und wir bitten Sie hierfür um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir aus der Krise gestärkt herauskommen wollen, dann müssen wir uns natürlich auch um das Thema Bildung kümmern.

(Zurufe von der SPD: Ja! So ist es! – Abg. Norbert Zeller SPD: Allerdings!)

Wie stark der Nachholbedarf dort ist, ist klar. Das ist durchaus kein Vorgriff auf die Zukunft, sondern es ist das Aufarbeiten von Versäumnissen der Vergangenheit. Dazu, wie groß der Nachholbedarf dort ist, möchte ich einmal aus einem Artikel der „Stuttgarter Zeitung“ vom 19. November 2008 zitieren, wo einige Zahlen für Baden-Württemberg angeführt werden:

42 % der getesteten 15-jährigen Hauptschüler sind in den Naturwissenschaften nicht weiter als Grundschüler …

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ja toll! – Oh-Rufe von der SPD)

In Mathematik sind es 46 %, und beim Lesen, der Schlüsselkompetenz für jegliches Lernen, sind es sogar 52 %.

Weiter schreibt die Zeitung:

Weder Kultusminister Rau noch Ministerpräsident Oettinger kann es sich angesichts dieser Zahlen leisten, die gute südwestdeutsche Gesamtbilanz weiter als sanftes Ruhekissen zu nutzen. Es ist höchste Zeit für eine durchgreifende Initiative zugunsten der schwachen Schüler.

Die Zeitung hat recht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE)

Das Erste, bei dem man durchgreifen muss, ist doch die Förderung von Anfang an, die Förderung vor der Schule.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Machen wir!)

Das machen Sie. Aber womit machen Sie das denn? Sie machen es mit Testerei. Sie testen nicht nur die Schuleignung,

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

sondern Sie testen auch zwischendurch. Und diese Tests fallen durch. Fast alle Fachleute sagen: Es ist falsch, es bringt nichts.

(Zuruf des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD)

Fördern von Anfang an: Ich lade Sie ein, alle, Herrn Noll, Herrn Mappus – Herrn Kretschmann brauche ich nicht einzuladen; der weiß es –:

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ich weiß es auch! – Zuruf des Abg. Mi- chael Theurer FDP/DVP)

Gehen Sie mit mir einmal in eine Einrichtung, z. B. in der Stadt Leimen. Dort wird im Kindergarten in einem sozialen Brennpunkt ab dem dritten Lebensjahr systematisch gefördert, und zwar von dem Personal, das da ist, mit den Methoden, die man hat. Da bedarf es keines Zwischentests. Da bedarf es keiner Schuleignungsprüfung.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Wir gehen dem Schmie- del nicht auf den Leim!)

Der Grundschulrektor sagt heute: Obwohl 16 Nationalitäten in dieser Schule versammelt sind, obwohl die Einrichtung wirklich in einem sozialen Brennpunkt liegt, kommen alle Kinder gleich gut vorbereitet in die Schule. Das ist der Punkt. Man muss es machen. Es geht nicht darum, noch länger zu tes ten, sondern es geht um Förderung von Anfang an, spätestens ab dem dritten Lebensjahr, für alle Kinder.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Dann kommt die zweite Phase: Die Kinder kommen in die Schule, sie besuchen die Grundschule, und dann kommt die frühe Trennung. Mittlerweile weiß doch aber jeder, dass diese frühe Trennung mit eine Ursache für die schlechten Ergebnisse ist, von denen ich gerade gesprochen habe.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Quatsch! – Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP: Auch wenn man es zum 20. Mal sagt, wird es nicht richtiger! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Auch der Kultusminister geht jetzt doch darauf ein. Auch er stellt doch die Strukturfrage. Aber er gibt die falsche Antwort. Der Kultusminister sagt: Okay, das dreigliedrige Schulsystem wird kritisiert. Dann machen wir es doch viergliedrig!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Machen wir Gymnasium, Realschule, Werkrealschule und Hauptschule. Jetzt gehen die Elterngespräche los. Ich wünsche den Schulleitern noch viel Spaß, wenn sie auf die Fragen antworten müssen: Wie geht es weiter? Was ist denn eigentlich was? Keine Antwort!

Deshalb bleiben wir dabei: Wir brauchen die richtige Antwort. Wir wollen die Hauptschulen weiterentwickeln. Die werden aber erst dann richtig weiterentwickelt, wenn die Grundschul empfehlung abgeschafft wird, wenn es im Grunde genommen zwei Schularten gibt, nämlich eine, die zur Hochschulreife führt, und eine, die zur mittleren Reife führt, und zwar zum Realschulabschluss.

(Beifall des Abg. Norbert Zeller SPD)

Das ist die richtige Antwort: die Hauptschulen so weiterzuentwickeln, dass an jeder Schule ein Realschulabschluss möglich ist. Dann bekommen wir auch die besseren Bildungsergebnisse in Baden-Württemberg, die wir brauchen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Stefan Map- pus CDU und Heiderose Berroth FDP/DVP)

Dann kommt der Schwindel mit der Bildungsoffensive. Das war ja eine ganz tolle Nummer, Herr Ministerpräsident, eine propagandistische Glanzleistung. Hochachtung! Aber wenn Sie mit den Eltern reden und fragen: „Was kommt denn an? Ist etwas von der Bildungsoffensive angekommen?“, hören Sie: „Natürlich nichts.“

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wie auch! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das geht doch jetzt erst los!)

Da sagen Sie: „Kann auch gar nicht; ist ja erst für das nächs te Jahr vorgesehen.“

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das geht doch jetzt erst los!)

Das geht los. Also gut. Dann sage ich Ihnen einmal, wie es losgeht: Umfang der Bildungsoffensive: 528 Millionen €.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Richtig!)

Davon im Haushalt 2009: 49,5 Millionen €. Ein Zehntel!

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Klasse! Da geht es richtig los!)

Dann hat der Bildungshaushalt eine globale Minderausgabe von 13 Millionen € zu stemmen. 7 Millionen € müssen Sie außerdem noch wegsparen. Dann bleiben noch grandiose 30 Millionen € übrig. Von den 30 Millionen € werden 12 Millionen € für zusätzliche Lehrerstellen eingesetzt. Jetzt lesen wir in der Zeitung, dass von diesen 12 Millionen € natürlich auch schon wieder Gelder für Sonderaktionen abgezogen werden, z. B. für Plakate an den Hochschulen in der ganzen Republik. Schon wieder sind 25 Lehrerstellen weg.

Ich sage Ihnen: Das ist ein Schwindel, dass es die Haut anregt! Es kommt nichts an.

Deshalb dürfen wir die 500 Millionen € nicht auf die lange Bank schieben, sondern müssen sie vorziehen, vorziehen gegen Unterrichtsausfall, vorziehen für den schnelleren Über

gang zu kleineren Klassen, vorziehen für individuelle Förderung. Das sind die Themen. Deshalb sollten Sie das nicht in die Ferne schieben, sondern im nächsten Jahr wirksam werden lassen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: Sa- gen Sie auch etwas zur Finanzierung!)