Protokoll der Sitzung vom 12.02.2009

Hinzu kommt der Duktus dieser Personalausgaben. Eine globale Minderausgabe belohnt jeden, der z. B. eine Stelle nicht sofort besetzt. Denn jeder in der Verwaltung ist aufgerufen, einen Beitrag zur globalen Minderausgabe zu leisten. Des Weiteren gibt es eine Reihe von Stellensperrungen und Stellenverlagerungen; dies nimmt für den Gymnasialbereich im Haushaltsplan bereits drei Seiten ein. Das sind fast mehr Seiten, als der gesamte Gymnasialbereich überhaupt hat.

Ich habe mir jetzt erspart, dies alles hochzurechnen und zu ermitteln, wie viele Stellen jetzt noch mit anderen verrechnet werden etc. Spannend ist, dass diese Strategie selbst vor der sogenannten Bildungsoffensive nicht haltmacht. Sie stellen in der Bildungsoffensive für die Senkung des Klassenteilers Lehrer ein, sperren aber gleichzeitig für ein paar Monate einen Teil dieser Lehrerstellen, beispielsweise für Ihre Werbekampagne. Das zeigt: Sie haben keinen Haushalt, der dazu anregt, jede freie Stelle sofort zu besetzen, sondern Ihr Haushalt regt dazu an, bei der Umsetzung möglichst überall Geld einzusparen. Auch das halte ich für ein fatales Signal in einer Zeit, in der man die Versorgung eigentlich verbessern müsste.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir laden Sie dazu ein, über drei Themen nachzudenken. Es liegt auch ein Antrag auf dem Tisch. Wir brauchen mehr

Krankheitsstellvertreter, denn 1 300 Stellvertreter bei 100 000 Lehrerstellen insgesamt reichen einfach nicht aus. Wir müssen endlich das Sommerloch für unsere Oberreferendare, die wir anschließend einstellen wollen, überbrücken. Das muss vielleicht nicht über eine Vollbeschäftigung geschehen; man kann auch über eine Teilzeitbeschäftigung nachdenken, für die die Dotierung in etwa so hoch ist wie das, was diese Personen zuvor als Oberreferendare bekommen hatten. Aber wir müssen dieses Problem lösen. Wir diskutieren dies jedes Jahr aufs Neue im Finanzausschuss, und Sie verweigern sich immer und immer wieder einer Lösung dieses Problems.

Für die beruflichen Schulen brauchen wir mehr, Herr Rau, als jetzt den doppelten Mittlere-Reife-Jahrgang mit 30 Klassen und 45 Stellen zu verbuchen, wenn wir genau wissen, dass etwa 2 500 Schülerinnen und Schüler zusätzlich auf die beruflichen Gymnasien zukommen. Das entspricht etwa 70 Klassen und damit ca. 90 Lehrern; das lässt sich nun einmal nicht anders darstellen.

Ihr Angebot, dass diese Schüler, die jetzt aus dem G 8 wechseln, ja auch nach der zehnten Klasse wechseln können, ist natürlich ein Hohn. Denn Sie treiben Schüler bis zum Ende der neunten Klasse in einen Leistungsstand hinein, der der heutigen mittleren Reife, also der zehnten Klasse im G 9 entspricht, und dann sagen Sie diesen Schülern, wenn diese noch nicht ins berufliche Gymnasium wechseln können: Macht doch einfach ein Jahr länger auf dem G 8! Nun weiß aber jeder, dass die „engen“ Jahrgänge im G 8 in der Unter- und Mittelstufe sind; am Ende wird es dann wieder etwas lockerer. Zu sagen: „Nun macht doch noch ein Jahr länger da, wo es lockerer wird, damit ihr dann am Ende doch noch aufs berufliche Gymnasium kommt“, das halte ich – Entschuldigung – für eine Verhöhnung der Menschen, die das machen wollen.

Wenn man dann noch bedenkt, dass auch diejenigen, die aus der Realschule überwechseln wollen, heute mit einem Numerus clausus zu kämpfen haben, sodass ihnen der Notendurchschnitt gar nichts nützt, den sie ja erbringen müssen, um eine Berechtigung zu erhalten, dann weiß man, dass die Mittel, Herr Rau, absolut nicht ausreichen. Wer das Thema G 8 ernst nimmt, der muss auch das Problem des doppelten MittlereReife-Jahrgangs ernst nehmen und die Mittel hierfür bereitstellen. Dazu laden wir Sie heute mit unserem Antrag ein. Es wäre ein sehr sinnvolles Zeichen, diese drei Punkte hier zu erfassen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Vierter Punkt: Sie verkünden überall den Ausbau der Ganztagsschule. Das taucht jedoch im Haushaltsplan nur im Kleingedruckten auf. Ich finde dort 30 Millionen € für verlässliche Grundschulen – davon fließt ja auch ein Teil in die Ganztagsschulen –, und ich finde dort eine neue Sonderposition in der Bildungsoffensive in Höhe von 2,7 Millionen € für weitere verlässliche Grundschulgruppen, Horte an den Schulen und Ähnliches.

Wenn man dann überlegt, wie Sie Ihr Ganztagsschulkonzept stricken, dann bedeutet das im Moment, dass man im Grundschul- und im Hauptschulbereich relativ gut eine Ganztagsschule beantragen kann, vor allem wenn man die Bedarfe darstellt; schwierig wird es dagegen im Realschul- und im Gym

nasialbereich. Wir haben ja beispielsweise in Karlsruhe, Frau Kollegin, die Situation, dass es ein Begehren nach einer öffentlichen Ganztagsrealschule gibt, dass aber – das war der Zeitung zu entnehmen – gesagt wurde, da müsse ein besonderer Bedarf dargestellt werden.

Hier gibt es einen entsprechend großen Bedarf. Ich war am letzten Samstag bei der Informationsveranstaltung der entsprechenden privaten Realschule. Die wissen gar nicht, wie sie dem Ansturm der Leute gerecht werden sollen. Warum können Sie denn das Ganztagsschulkonzept jetzt nicht so stricken, dass auch solche Bedürfnisse durch das öffentliche Schulsystem aufgenommen werden? Ich kann es Ihnen sagen: Weil Sie es im Haushalt gar nicht abbilden. Sie haben die Ganztagsschulen im Haushalt nicht abgebildet. Die Mittel dafür sind im Grund ein Nebenprodukt des Schülerrückgangs im Grundschul- und Hauptschulbereich. Die Mittel können Sie dann für Ganztagsbeschulung nehmen. Und weil es im Realschulbereich und im Gymnasialbereich eben keine zurückgehenden Schülerzahlen gibt,

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

findet dort – und zwar aus finanzökonomischen Gründen – eine Ganztagsbeschulung nicht statt oder eben nur in der mickrigen Ausstattung wie bei den Gymnasien, bei denen Sie gerade eine Stunde pro Klasse und Woche zusätzlich zur Verfügung stellen wollen. Also: Ganztagsschule angekündigt, doch im Haushalt findet man sie als eigenständige Konzeption nicht wieder. Das wird der eigentliche Grund sein, warum Sie sie auch nicht in das Schulgesetz aufnehmen wollen. Denn dann würden die Kommunen mit Ihnen ganz anders in die Verhandlungen gehen, und das wollen Sie nicht. Also auch bei der Ganztagsschule als bildungspolitischer Schwerpunkt in diesem Haushalt Fehlanzeige!

Ein weiterer Punkt, der völlig fehlt, ist das Thema Schulentwicklung. Wir haben 800 einzügige Hauptschulen – es werden jede Woche mehr –, die in ihrer Existenz bedroht sind.

(Heiterkeit – Abg. Volker Schebesta CDU: „Jede Wo- che“! Ha, ha, ha!)

In jedem Jahr mehr, Herr Schebesta. Ist geschenkt.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das würde ich im Pro- tokoll korrigieren!)

Das sind immerhin zwei Fünftel der gesamten öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg.

Wie gehen andere Bundesländer mit dieser Situation um? Wo gibt es einen konzeptionellen Ansatz für Schulentwicklung, außer dass Sie sagen: „Die dürfen fusionieren, und sonst dürfen sie nichts“? Es gibt auch noch 20 oder 30 Modellprojekte, bei denen man Kooperationen mit Realschulen machen kann. So etwas muss sich dann auch in einem Haushalt wiederfinden. Man muss sehen, dass Sie gewillt sind, einen neuen Aufschlag zu machen, dass Sie mit den Leuten zusammenarbeiten wollen, dass Sie Mittel bereitstellen, um hier eine Konzeption voranzubringen und gemeinsam zu entwickeln.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ich weiß gar nicht, von welchem Land Sie sprechen!)

Nichts von dem findet man hier im Haushalt wieder.

(Unruhe)

Schauen Sie sich einmal in anderen Bundesländern an, wie das dort passiert. Damit werden Sie auf Dauer nicht durchkommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Fazit: Alle Ankündigungen und alle aktuell diskutierten Notlagen finden sich in diesem Haushaltsentwurf durch entsprechende Mittel und durch die Grundstruktur des Haushaltsentwurfs nicht wieder. Hinzu kommt ein Duktus, der jeden eher dazu anregt, Geld einzusparen denn neu Geld auszugeben. Denn Sie müssen – ich habe es dargestellt – hier verschiedene Dinge noch auszugleichen versuchen. Das heißt, mit einem Denken von vorgestern und einem Haushalt von gestern versuchen Sie, die Kinder von heute auf die Gesellschaft von morgen vorzubereiten. Das ist kein Haushalt, der Chancen eröffnet, wie Ihr Fraktionsvorsitzender gestern gesagt hat, sondern das ist ein Haushalt, der Chancen vertut. Deshalb werden wir diesem Haushalt in der Gesamtheit, aber auch in den meisten seiner Einzelpunkte nicht zustimmen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Das Wort erhält Frau Abg. Rastätter für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen unser Bildungssystem so ausgestalten, dass kein Kind verloren geht und dass wir die Bildungspotenziale aller Kinder gut fördern. Davon sind wir in Baden-Württemberg noch sehr weit entfernt. Alle großen Bildungsstudien der letzten Jahre haben uns gezeigt, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien und vor allem Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt werden.

Herr Kultusminister Rau, ich begrüße es ausdrücklich, dass Sie in den Interviews der letzten Wochen ganz deutlich eingeräumt haben, dass wir in unserem Bildungssystem in Baden-Württemberg Migrantenkinder nicht ausreichend fördern. Ich wünsche mir, dass das, was Sie hier angekündigt haben, nämlich dass die Förderung von Migrantenkindern zu einem bildungspolitischen Schwerpunkt von Ihnen wird, in BadenWürttemberg nun auch tatsächlich umgesetzt wird.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Haushalt, der uns jetzt vorgelegt wurde, ist zur Umsetzung dieser Ankündigung überhaupt nichts enthalten. In diesem Haushalt finden wir nichts, was vorgesehen wird, um Migrantenkinder besser zu fördern. Beispielsweise wurde unser Antrag, zur Verbesserung der beruflichen Integration von jungen Migran ten nach der Schule 4,7 Millionen € bereitzustellen, genauso abgelehnt wie das von uns beantragte Stipendienprogramm für Migranten, damit sie in ein Lehrerstudium einsteigen können. Dabei beträgt in Baden-Württemberg die Quote der Schüler mit Migrationshintergrund, die unter 18 Jahre alt sind, 33 %, während die Quote der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund nicht einmal bei 1 % liegt. Migranten als Lehrer, das sind doch die Vorbilder für Kinder und Jugendliche, an denen

sie erkennen können, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, und dass Chancen durch Integration möglich sind. Deshalb fordern wir Sie auf, in ein solches Programm einzusteigen.

(Beifall bei den Grünen)

Wir sind uns in diesem Haus einig, dass bessere Bildungschancen von Kindern schon im Kindergarten notwendig sind. Trotz Ihrer groß angekündigten Bildungsoffensive mit einem Volumen von über 500 Millionen € haben Sie es nicht einmal fertiggebracht, die Sprachförderung, den wichtigsten Bestandteil einer frühen Bildung von Kindern, regulär im Haushalt zu verankern. Kollege Mentrup hat es schon angesprochen: Die Sprachförderung als zentraler Baustein der frühen Förderung von Kindern wird immer noch in einer Art Projektförderung praktiziert. Der Anspruch, den Sie verkünden, bleibt somit weit hinter dem zurück, was Sie tatsächlich machen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Claus Schmie- del SPD)

Kinder lernen nun einmal nicht in Kursen, wie Sie das mit Ihrem Konzept „Schulreifes Kind“ machen, sondern durch eine individuelle Förderung im Kindergarten, im Alltagsleben des Kindergartens. Dafür brauchen wir vor allem eine bessere Qualifizierung der Erzieherinnen. Wir brauchen kleinere Lerngruppen in Kindergärten, und wir brauchen einen Ausbau der Kindergärten. Das ist der erste entscheidende Schritt für eine Qualitätsentwicklung im Kindergarten. Wir Grünen sagen auch:

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wenn die Qualitätssicherung und der Ausbau gesichert sind, dann werden wir uns selbstverständlich auch dafür einsetzen, dass der Kindergartenbesuch gebührenfrei wird.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zim- mermann CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in der Grundschule zeichnet sich noch nicht ab, dass benachteiligte Kinder besser gefördert werden sollen. Auf die Absenkung des Klassenteilers von 31 in der Grundschule müssen wir noch zwei Jahre warten. Auch die Grundschulempfehlung bleibt. Es wird also bei der Trennung der Kinder nach nur vier gemeinsamen Grundschuljahren bleiben.

Wir werden uns deshalb weiterhin dafür einsetzen, dass die Kinder länger gemeinsam lernen dürfen und individuell gefördert werden. Wir beantragen 5 Millionen € für Fortbildung und innovative Schulentwicklung. Wir werden alle Anträge von Kommunen für ein längeres gemeinsames Lernen, für integrative Schulmodelle auch in diesem Jahr weiter unterstützen.

(Beifall bei den Grünen)

Die Bildungsoffensive der Landesregierung enthält zwar einige richtige Elemente, aber sie kommt zu spät, und sie ist auf den Schülerrückgang ausgelegt. Die Absenkung des Klassenteilers erfolgt über einen sehr langen Zeitraum, sodass wir noch sehr lange relativ große Klassen haben werden. Deshalb haben wir einen Bildungspakt vorgelegt, mit dem wir sofort bessere Lernbedingungen in den Schulen schaffen wollen. Ein

zentraler Punkt dabei ist für uns die Ganztagsschule. Die Ganztagsschule in Baden-Württemberg ist nicht viel mehr als eine Halbtagsschule mit Nachmittagsbetreuung.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie wollen Vollzeit- unterricht haben!)

Deshalb bildet sie sich auch im Haushalt nicht ab. Für die Gymnasien steht gerade eine zusätzliche Lehrerstunde zur Verfügung, für die Realschulen sind es zwei und für die Hauptschulen ebenfalls zwei zusätzliche Lehrerstunden. Nur die Schulen, die unter besonderer pädagogischer Aufgabenstellung arbeiten, erhalten einige Stunden mehr. Ein rhythmisiertes pädagogisches Konzept mit professioneller Hausaufgabenbetreuung, mit erweiterten Übungs- und Lernzeiten, mit interessanten, weiterführenden Bildungsangeboten ist mit einer solchen minimalen Ausstattung nicht möglich. Deshalb ist auch eine gute Ganztagsschule unter diesen Bedingungen in Baden-Württemberg derzeit nicht umsetzbar.

(Beifall bei den Grünen)

Wir brauchen also zusätzliche Lehrerstunden. Wir haben in unserem Bildungspakt 400 zusätzliche Lehrerstunden für den Ausbau der Ganztagsschule vorgesehen.

Wir haben auch den Antrag gestellt, 6 Millionen € an Zuschüssen für Mittagessen von armen Kindern an der Schule bereitzustellen. Ich finde es erbärmlich, dass das Land bei der wachsenden Zahl an Ganztagsschulen, in denen das Mittagessen auch aus pädagogischen Gründen für die Kinder wichtig ist – ganz abgesehen davon, dass sie ein gutes, gesundes Mittagessen brauchen –, nicht wie die Kommunen dazu bereit ist, das Mittagessen zu bezuschussen und dafür 6 Millionen € zur Verfügung zu stellen.