Wenn man also für Entscheidungen der Länderparlamente ist, muss man auch von dem Hamburger Abkommen wegkommen.
Wir haben ja die Einrichtung einer Qualitätsagentur vorgeschlagen – ein solches Institut wird nun eingerichtet –, die durchaus national – natürlich auf einem internationalen Plafonds – Standards und Evaluationen durchsetzen soll. Es ist höchst vernünftig, so etwas zu machen. Das haben wir ja jetzt mit dem Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen erreicht, sodass der Vorschlag, den die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Grünen eingebracht hat, zunächst einmal zum Teil umgesetzt worden ist.
Es erscheint mir also sehr wichtig, die Kultusministerkonferenz abzuspecken. Nur dann werden die Landtage auch die Möglichkeit haben, wirklich eigenständige Ideen durchzusetzen. Sonst wird es wieder von der Exekutive blockiert.
Ich möchte im Vorgriff auf die Hoffnung, dass das erfolgreich ablaufen wird, noch einmal allen Beteiligten, die daran mitgearbeitet haben, danken, vor allem dem Kollegen Drexler und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Teufel. Es war eine sehr gute und produktive Zusammenarbeit, an die ich noch lange gern zurückdenken werde.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Drexler, wenn man Ihrer Logik folgt und sagt, aus zwei Kranken werde kein Gesunder, wundere ich mich, warum die SPD immer noch eine Gesamtschule fordert. Da argumentieren Sie auch damit, dass zwei Kranke zusammengelegt würden und dann ein Gesunder dabei herauskomme. Wir glauben das nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Das wollen wir doch gar nicht! Erzählen Sie doch keinen Mist!)
Herr Drexler, ich erkläre Ihnen das nachher. – So, wie Sie das Wort aussprechen, sprechen Sie ja von „Förderalismus“. Wir wollen den „Förderalismus“ durch einen echten Föderalismus ersetzen, der Wettbewerb der Bundesländer untereinander und auch eine Entflechtung der Finanzbeziehungen bedeutet, die ja sehr stark nivellieren. Viele Leute in Baden-Württemberg wissen zum Beispiel überhaupt nicht, dass der Schuldenstand ja gar kein Kriterium beim Länderfinanzausgleich ist, sondern die Steuerkraft. Manche empfehlen ja, wir sollten munter Schulden machen – als ob uns das etwas bringen würde. Nur bei denjenigen, die praktisch finanziell am Abgrund stehen, spielt dann der Gesamtschuldenstand wieder eine Rolle. Die kriegen aus dem Bundeshaushalt noch Bundesergänzungszuweisungen.
Deshalb geht es schon darum, wie wir als Land Baden-Württemberg jetzt in die Verhandlungen über die Neuordnung der Finanzbeziehungen hineingehen. Da muss man sich auch einmal ein bisschen mit dem Land Berlin auseinander setzen. Ich finde es schon unglaublich, dass ein Land wie Berlin im Verhältnis mehr Lehrer hat als der Bundesdurchschnitt, mehr Polizei hat als der Bundesdurchschnitt. Da kann man sagen: Gut, das ist eine Großstadt.
Aber vergleicht man dann einfach einmal die Situation von Berlin mit der in Hamburg, sieht man: Da hat Berlin immer noch 30 % mehr Lehrer und hat auch mehr Polizei als Hamburg, obwohl die Städte von der Struktur her, von der Kriminalitätsrate her vergleichbar sind. Da muss man ganz klar fragen: Wie ist denn die innere Einstellung? Manchmal hat man, wenn man mit Vertretern aus Berlin spricht, den Eindruck: Die gucken auf Baden-Württemberg so ein bisschen wie auf die Provinz. Wir sind die kulturelle Provinz. Wir haben nicht die großen Theater wie Berlin. Es ist doch klar: In Baden-Württemberg hat man begriffen, dass Würth zuerst Schrauben verkaufen musste, bevor er Bilder sammeln konnte. Das ist doch der entscheidende Unterschied. Das ist möglicherweise in anderen Bundesländern anders, wo man Kultur pflegt, wo man der Auffassung ist, der Staat müsse den ganzen Kulturbetrieb betreiben, wo man meint, mit mehr Geld und mehr Lehrern könnte man die Probleme lösen. Dabei sind die Probleme gerade in den Schulen in Berlin nicht kleiner als bei uns.
Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir an das Denken herangehen. Wir in Baden-Württemberg haben Menschen, die stärker auf Eigeninitiative, auf Selbstverantwortung, auf die südwestdeutschen Tugenden Fleiß, Kreativität und Erfindergeist – eben auch auf liberale Tugenden – hin orientiert sind.
Meine Damen und Herren, wir müssen diese Diskussion in Deutschland führen, weil das Grundübel und das Grundproblem darin liegt, dass wir in manchen Ländern Politiker haben, die sich auf die Solidarität der anderen Bundesländer und auch auf den Bund verlassen und die ganzen Dinge dann praktisch auf Pump finanzieren.
Deshalb die ganz klare Forderung der FDP/DVP: Erstens ein Verschuldungsverbot für alle Gebietskörperschaften ins Grundgesetz,
zweitens eine echte Steuerautonomie für die Bundesländer und damit auch eine Entflechtung der großen Verteilungswirkungen im Länderfinanzausgleich. Meine Damen und Herren, das muss jetzt verhandelt werden. Das liegt im Interesse des Landes Baden-Württemberg, aber eben auch im Interesse der anderen Bundesländer, weil wir gesehen haben, dass mehr Staatsausgaben nicht zu besseren Ergebnissen führen.
Herr Kollege Theurer, Sie führen ja hier jetzt ziemlich radikale Reden, was den Länderfinanzausgleich und die Länderneugliederung betrifft. Sind denn Ihre Kollegen in den angesprochenen Ländern, in denen Sie mit an der Regierung und im Parlament vertreten sind, Ihrer Meinung?
Verstehen Sie: Mein Landesverband in Schleswig-Holstein hat auf einem Parteitag einen Nordstaat beschlossen. Gibt es denn ähnliche Beschlüsse Ihrer Partei in den Ländern, über die Sie jetzt so herziehen?
(Unruhe – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Herr Kretschmann, aber Ihre Grünen auf Bundesebene machen da nicht mit!)
Das will ich ja gar nicht abstreiten. Ich glaube, da hätten Sie mich jetzt falsch verstanden. Ich habe ja zum Ausdruck gebracht, dass es schwierig ist. Und dass wir als Land Baden-Württemberg beispielsweise Sachwalter unserer Interessen im Deutschen Bundestag brauchen, ist auch klar. Wenn ich mir jetzt die Verhältnisse in der großen Koalition anschaue, dann bin ich der Meinung, dass die FDP-Bundestagsfraktion hier eher der Sachwalter der finanziellen Interessen des Landes Baden-Württemberg sein wird, weil die FDP-Bundestagsfraktion für einen echten Wettbewerbsföderalismus auch im finanziellen Bereich eintritt.
Daher meine ich, wir sollten uns hier nicht gegenseitig vorhalten, welche Parteitagsbeschlüsse auf den Landesparteitagen in Bremen oder in Niedersachsen gefasst worden sind,
sondern wir sollten auf die entscheidende Frage zurückkommen: Wenn wir die Finanzbeziehungen ändern, dann sind die Anreize, Länderneugliederungen vorzunehmen, größer.
Ich glaube, darauf kann man sich verständigen. Denn wenn wir vor über 50 Jahren Baden-Württemberg nicht gegründet hätten, dann wären der südbadische Raum und vermutlich auch der südwürttembergische Raum heute Nettobezieher von Leistungen aus dem Länderfinanzausgleich.
Das heißt, wir gleichen das heute schon innerhalb BadenWürttembergs aus und zahlen in den Länderfinanzausgleich an die anderen 15 Bundesländer ein.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Das war eine Kaffee- satzbehauptung! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Südbaden auf jeden Fall nicht!)
Herr Präsident! Nur noch einen Satz zur Länderneugliederung. In der Tat, Herr Drexler: Allein der kulturelle und der historische Ansatz konnten es ja nicht sein. Sonst gäbe es kein Baden-Württemberg. Aber es war vermessen, Herr Kollege Theurer,
zu meinen, dass Südbaden sich nicht hätte selbst behaupten können. Da dreht sich Leo Wohleb im Grabe um.
(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, das wäre ein Bezie- herland!)
Was meinen Sie, was wir mit der Schweiz, dem Elsass und vielen anderen in guter Zusammenarbeit aufgebaut hätten!
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der SPD – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Ich stelle vielleicht eine Anfrage dazu!)