Sehr verehrte Damen und Herren, Sie sehen: Die Herausforderungen sind groß. Sie sehen aber auch, dass die Politik jetzt gefordert ist wie nie zuvor. Die Politik muss darauf drängen, dass der Staat Handlungsfähigkeit beweist, dass die Kräfte zurückgedrängt werden, die nur darauf setzen, dass der Staat ausgehöhlt wird.
Wir setzen darauf, dass der handlungsfähige Staat in dieser Phase über eine notwendige Verfassungsänderung auch in Zukunft diese Handlungsfähigkeit bewahrt.
Deshalb ist für die SPD-Landtagsfraktion klar: Konjunkturprogramm und Schuldenbremse sind beides Seiten einer Medaille. Wir werden deshalb in den nächsten Monaten die Umsetzung dieser Schuldenbremse parlamentarisch sehr aufmerksam verfolgen.
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wir aber auch! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Der Herr Vizeprä- sident auch!)
Sehr verehrte Damen und Herren, die Gesellschaft wird in den nächsten Monaten darüber zu diskutieren haben, welches Leitbild von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sie haben wird. Die Sozialdemokratie hat sich klar für Folgendes entschieden: Wir brauchen einen effizienten Marktmechanismus, wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, wir brauchen eine selbstlose Bürgergesellschaft in den Kommunen und in den Verbänden.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das sind alles schö- ne Überschriften! Diese Überschriften tragen wir leicht mit!)
Das ist unser Bild, und wir werden Sie in der Zukunft mit der Frage konfrontieren, ob Sie dieses Bild teilen oder weiterhin auf Deregulierung und Schwächung des Staates setzen wollen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu fortgeschrittener Stunde in wirtschaftlicher Zeiteinteilung – –
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was verstehen Sie un- ter „fortgeschritten“? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das kommt darauf an, wann man aufsteht! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Falsches Ma- nuskript! – Weitere Zurufe)
Wir stehen bei diesen Haushaltsberatungen vor einer besonderen Situation. Im Jahr 2009 kommt eine verschärfte Wirtschaftskrise, wenn nicht die schärfste überhaupt auf uns zu. Wir haben sinkende Steuereinnahmen, aber wir haben zurückliegend eine drei Jahre währende Steuerhochkonjunktur gehabt. Trotz dieser Hochkonjunktur haben wir immer noch 42 Milliarden € Schulden. Diese Schulden sind nicht von Monika, Hans und Dieter, sondern da war eher der Claus etwas daran beteiligt.
(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Der da! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sie meinen den Lothar! – Gegen- ruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Lothar stimmt da eher!)
Wenn wir den Haushalt genau betrachten, stellen wir fest, dass er schon jetzt strukturelle Lücken von nach meiner Berechnung 300 bis 350 Millionen € hat. Wenn wir diese strukturelle Entwicklung beenden wollen, müssen wir in den nächsten zehn Jahren 100 Millionen € am Personal und 150 bis 200 Millionen € an den Sachkosten einsparen.
Wir müssen auch die zukünftigen Haushalte entlasten. Wenn wir die Pensionslasten hochrechnen, sind es im Jahr 2030 8 Milliarden €. Ich würde sagen, das ist schlicht und ergreifend nicht finanzierbar. Die Landesregierung hat bei den Pensionen schon ein paar richtige Schritte eingeleitet. Sie hat die Sonderzahlungen reduziert. Wir schlagen – auch wenn der Kollege Herrmann das nicht toll findet – eine Reduzierung der Beihilfesätze bei den gehobenen Diensten
von 70 auf 50 % vor. Das würde 50 Millionen € pro Jahr bringen. Diesen Betrag sollten wir in den Pensionsfonds einlegen. Wir betrachten das als einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich bin gespannt, wie die SPD dazu steht, Herr Kollege!)
Wir bitten insbesondere Sie, sich diesem Gedankengang bei der nächsten Haushaltsberatung anzuschließen.
Wenn wir von Verschuldung reden, ist ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung interessant; denn dabei offenbart sich genau das, was ich vorhin schon als strukturelle Lücke angesprochen habe. Sie beläuft sich in den nächsten drei Jahren auf insgesamt 4,5 Milliarden € – und das auf der Basis einer noch optimistischen Steuerschätzung vom November 2008. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Steuereinnahmen bei der einbrechenden Konjunktur und bei dem, was wir jetzt auf Bundesebene an Entlastungen beschlossen haben, um schätzungsweise 2 Milliarden € niedriger ausfallen werden,
Freilich, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, offenbart diese Finanzplanung auch ein paar toxische Felder. Auf gut Deutsch könnte ich auch sagen: Da sind ein paar faule Ratten im Keller.
Ich meine damit die Darlehen aus dem Jahr 1986 mit Zerobondstrukturen. Die Zinsen hieraus werden uns witzigerweise im Jahr 2011 auf die Füße fallen. Die Belastung liegt schon bei 112 Millionen €. In den folgenden Jahren wird es noch mehrfach solche Zahlungen geben. Da muss man sich überlegen, dass das clevere „Cleverle“ damals für sich und für die CDU sehr weise und in dieser Zeit auch nicht belastend wirkende Finanzierungen vorgenommen hat. Aber sie wirken total fatal; denn uns fallen heute die Schulden auf die Füße, und auch die kommenden Generationen werden dies noch spüren. An diesem System merkt man ganz genau, wie die Politik der letzten Jahre, vor allem die der CDU, gewirkt hat. Diese Politik schlägt heute auf uns zurück, und sie behindert unsere Handlungsfähigkeit für die Zukunft.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aber wir haben ja die CDU zur Vernunft gebracht! – Beifall bei Abgeord- neten der FDP/DVP)
Wir haben allerdings ein weiteres Großrisiko bei den Landesfinanzen; hier spreche ich von Stuttgart 21. Ganz offensichtlich hat die Landesregierung in der Finanzmarktkrise gemeinsam mit Ihnen – Herr Schmiedel, Sie sind ja mit dabei – eine neue Anlageklasse – man könnte sagen: ein neues Asset – erfunden. Wir sagen: Das ist der Fonds für das im Stuttgarter Bahnhof vergrabene Geld.
(Oh-Rufe – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Könnten Sie diesen Baustein endlich einmal rausschmeißen? – Gegenruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)
Herr Dr. Noll, bisher liegt mir keine vernünftige Wirtschaftlichkeits- oder Renditeberechnung vor. Von einem seriösen grünen Haushälter, einem seriösen grünen Banker können Sie ohne Vorlage seriöser Berechnungen kein Geld bekommen.
Deswegen wollen wir die Rücklagen für Stuttgart 21 auflösen und die 345 Millionen € nehmen, um sie den Kommunen als Komplementärmittel für das Konjunkturpaket II zu geben.
(Beifall bei den Grünen – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Katrin Altpeter SPD: Super Idee!)
Unsere Anträge sehen hier Umschichtungen in den KIF von 100 Millionen € pro Jahr vor. Ich glaube, das ist für die Kommunen kalkulierbar und nachhaltig, und es schafft auch Vertrauen.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Oi, oi, oi! E i n Grüner! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Was? – Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt wird es neu!)
In erster Linie gilt dies natürlich für die Sanierung von Straßen und für Grünbrücken. Leider wurde der entsprechende Antrag im Finanzausschuss – trotz inhaltlicher Zustimmung des Kollegen Herrmann – von der CDU und von der FDP/ DVP abgelehnt.
Sie wissen ganz genau, dass uns diese neuen Straßen mit ihren Unterhaltskosten in der Zukunft wiederum auf die Füße fallen werden. Deshalb: Sanieren wir doch jetzt bitte erst einmal das, was kaputt ist, und dann können wir überlegen, ob wir noch neue Straßen brauchen.
Ein paar Worte zur Bildungspolitik. Wir sind der Meinung, dass wir gerade jetzt, in der Krise, in die Bildung investieren müssen.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Wir inves tieren immer in die Bildung, nicht nur in der Krise!)
Bildung ist die Zukunft des Landes. Wir sagen: Kinder, Köpfe, Klimaschutz – das schafft neue Jobs. Deswegen wollen wir einen Sonderfonds Bildungspakt auflegen. Er soll im Einzelplan 12 seriös mit 315 Millionen € finanziert werden. Wir nehmen den demografischen Faktor auf und nutzen dies im Rahmen der Nullneuverschuldungsregel in der Landesverfassung von Baden-Württemberg.
Im Gegensatz zu den Aussagen des Kollegen Herrmann lege ich großen Wert darauf, dass wir alle Maßnahmen, die wir eingebracht haben, durch Umschichtungen sauber finanziert haben. Es entsteht keine zusätzliche Verschuldung durch die Realisierung der Umschichtungs- und sonstigen Anträge der Grünen; das halte ich für sehr wichtig. Wir wollen ebenfalls am Ziel der Nullnettoneuverschuldung festhalten, so, wie es auch
Ein weiteres Thema möchte ich ansprechen. Das ist, wie ich meine, ein weiteres Milliardengrab, sozusagen Stuttgart 21 im Quadrat. Sie und die SPD wollen der Landesbank BadenWürttemberg 5 Milliarden € geben. Über den Betrag als Stütze für die Landesbank Baden-Württemberg sind wir uns einig. Wir sind uns allerdings nicht einig darüber, welchen Weg wir einschlagen wollen. Wir haben alle miteinander dafür gekämpft, dass sich auch das Land stützend hinter den Bundessanierungsfonds, den SoFFin, stellt. Wir waren uns deshalb einig, weil wir wussten, dass die Landesbank Baden-Würt temberg aus Dresden und aus Rheinland-Pfalz natürlich „schwaches Material“ eingekauft hatte, und weil wir auch wussten, dass diese Bank selbst in schwierigen Zeiten war und schwierige Assets in ihren Büchern hatte.