Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manches wird nicht dadurch besser, dass man nach einem ersten noch einen zweiten und noch einen dritten Anlauf unternimmt. Meine Damen und Herren von den Grünen, das gilt auch und vor allem für den vorliegenden Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes.
Wie sieht denn die aktuelle Lage aus? Jeder Mann, jede Frau hat einen Anspruch auf Akteneinsicht, wenn man Verfahrensbeteiligter ist oder wenn man ein berechtigtes Interesse an dieser Akteneinsicht geltend machen kann. Das ist eine gute und bewährte Praxis. Wir von der CDU-Fraktion sind der Überzeugung, dass wir an dieser Praxis festhalten sollten. Es be
Lassen Sie mich das beweisen. Wir haben in den Sitzungen unserer kommunalen Gremien das Prinzip der Öffentlichkeit. Wer kommt denn in diese Sitzungen? Das ist genau der Personenkreis der unmittelbar Betroffenen oder Verfahrensbeteiligten. Einen darüber hinausgehenden Bedarf an Beteiligung gibt es offensichtlich nicht. Warum sollen wir dann hier eine neue gesetzliche Variante ermöglichen?
Das Zweite: Es besteht auch unter dem Aspekt des Demokratieprinzips keine Notwendigkeit für dieses Gesetz. Wir haben heute auf allen politischen Ebenen vielfältige Formen politischer Beteiligung und Partizipation formeller und informeller Art – auf der kommunalen Ebene Zukunftskonferenz, Zukunftswerkstatt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! So ist es!)
Deswegen sind wir der Meinung, dass wir andere Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung ausreizen müssen. Sie haben eine Gleichung, die heißt: „Demokratie ist gleich Rechte im Quadrat.“ Und wir haben eine Gleichung, die heißt: „Demokratie ist gleich Rechte plus Pflichten.“ Nur dann wird ein Schuh daraus, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und ohne Quadrat!)
Ein Drittes, lieber Kollege Walter: Gerade eben haben Sie sehr viel über Bürokratie, über „bürokratische Monster“ gesprochen. Was Sie hier mit dem Informationsfreiheitsgesetz beabsichtigen, schafft neue Bürokratie.
Sie schaffen in den Verwaltungen erheblichen Aufwand, um darüber zu befinden, ob im Einzelfall Akteneinsicht gewährt bzw. nicht gewährt werden kann. Das wollen wir nicht. Wir lehnen dieses „bürokratische Monster“, wie Sie es vorhin in anderem Zusammenhang selbst genannt haben, ab und sehen deswegen für dieses Gesetz keine Notwendigkeit.
Meine Damen und Herren, es gibt drei Filter, die man bei jedem Gesetzentwurf anlegen sollte: den Bedarfsfilter, den Zweckmäßigkeitsfilter und den Kostenfilter. Bei allen drei Filtern bleibt dieses Gesetz hängen. Wir brauchen es nicht, es ist
sinnlos, und es würde unverhältnismäßige Kosten verursachen. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Wolf, das war ja ein bemerkenswerter Einblick in Ihr Demokratieverständnis.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Oh-Rufe von der CDU – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)
Was Sie in einer Regierungsfraktion von uns in der Opposition unterscheidet, ist, dass wir ein Demokratieverständnis auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern haben. Wenn wir möchten – was Sie offenbar auch wollen –, dass Bürgerinnen und Bürger sich einbringen, dann geht das nur, wenn sie auch die Chance haben, die gleichen Sachinformationen zu erhalten wie die politische Seite.
In diesem Sinne wünschen wir, dass Bürgerinnen und Bürgern Informationen offenstehen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum hierbei ausgerechnet in Baden-Württemberg eine solche Zurückhaltung herrscht. Es gibt in Deutschland elf Informationsfreiheitsgesetze: eines auf Bundesebene und zehn auf der Ebene der Bundesländer. Sechs Bundesländer – darunter eben auch Baden-Württemberg – weigern sich bis zum heutigen Tag, den Bürgerinnen und Bürgern ihr gutes Recht zuzugestehen.
Ich muss Ihnen sagen, insbesondere auch an die Adresse der FDP/DVP: Es ist schon ein Armutszeugnis, dass es trotz der langen Verhandlungen und der langen Debatten nicht gelungen ist, dieses Gesetz heute mit einer Mehrheit – gern auch jenseits der CDU – durchzusetzen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jenseits von uns gibt es gar nichts!)
Ich will einmal die vollmundigen Ankündigungen zitieren. Nicht nur das Wahlprogramm der FDP/DVP sieht vor, dass es ein solches Gesetz geben soll. Auch Ernst Pfister hat in einem Internetforum verkündet, das Gesetzesvorhaben sei – ich zitiere – „ein richtiger Schritt hin zu mehr Transparenz der Verwaltung“.
Hagen Kluck proklamierte, er wolle – ich zitiere – einen „grundsätzlich freien Zugang zu allen in den öffentlichen Verwaltungen vorhandenen Informationen“. Herr Kluck, ich würde mir wünschen, dass Sie nicht nur laut reden, sondern dass
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wir haben noch nicht die absolute Mehrheit! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Die Ziege Lea! – Heiterkeit)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie all das gelesen hätten, was wir in langen Verhandlungen und durch zusätzliche Aufträge auch für die Verwaltung herausgefunden haben, könnte keiner von Ihnen mehr gegen ein solches Gesetz stimmen. Ich will nur ein paar Beispiele zitieren.
Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes – so schreiben die Nordrhein-Westfalen –
Das Land Schleswig-Holstein – regiert von einer Großen Koalition, auch mit CDU-Beteiligung – verkündet, dass die bisherige Praxis völlig geräuschlos laufe.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Was? – Abg. Guido Wolf CDU: Schwarz-Grün! Und wir sind in Baden- Württemberg! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Da sind wir gar nicht in der Bürgerschaft!)
ja, jetzt sind die Grünen dabei; aber das Gesetz wurde in Hamburg schon unter Schwarz-Gelb gemacht –, verkündet, die positiven Erfahrungen – liebe Kolleginnen und Kollegen, das steht in der hamburgischen Stellungnahme – hätten Anlass gegeben, den Anwendungsbereich des hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes nunmehr zu erweitern.
Die Reihe ließe sich noch fortsetzen. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Man muss nicht immer glauben, dass man als einziges Bundesland immer als Allerletztes dran sein muss, wenn es um moderne Reformen geht, wenn es darum geht, Bürgerinnen und Bürgern ihr gutes Recht zu geben.
Wir können uns da mit Fug und Recht an den guten Erfahrungen anderer Länder und auch des Bundes orientieren.
Ich sage Ihnen: Ich halte das auch deshalb für ein Recht der Bürgerinnen und Bürger, weil die Verwaltung nur deshalb ihre Arbeit erledigen kann, weil die Bürgerinnen und Bürger sie mit Steuergeldern finanzieren. Das ist das Geld der Menschen
im Land, die arbeiten und dafür bezahlen, dass die Verwaltung diese Arbeit leistet. Diese Menschen haben ein Recht darauf, dass die Verwaltung so offen und transparent arbeitet, dass diejenigen, die wissen wollen, was mit ihrem Geld wo gemacht wird, auch – wie es das Informationsfreiheitsgesetz dann auch schaffen würde – einen entsprechenden Einblick haben können.