Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die Chance, als Land Baden-Württemberg mit der Novellierung des Landesnichtraucherschutzgesetzes einen Spitzenplatz einzunehmen – wenn Sie unseren Änderungsanträgen zustimmen.
Wir hätten die Chance, mit einem konsequenten Nichtraucherschutzgesetz die positiven Ansätze der letzten Monate fortzusetzen. Denn schneller als bei vielen anderen Gesetzen hat die Umsetzung des Nichtraucherschutzgesetzes bereits deutliche Wirkung gezeigt. So ging der Zigarettenumsatz allein im letzten Jahr um 3,8 % zurück. Wenn man nach Italien schaut, wo der komplette Nichtraucherschutz schon seit 2005 gilt, kann man erkennen, dass die Zahl der Herzinfarkte und die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den letzten drei Jahren deutlich zurückgegangen sind,
genauso übrigens wie in Frankreich, Kollege Hoffmann, wo 82 % der Bevölkerung das generelle Rauchverbot in der Gastronomie für gut bis sehr gut befinden.
Diese Trends, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, wollen Sie jetzt zurückdrehen. Statt die Chance zu ergreifen, zu sagen: „Ja, das sind gute Tendenzen, die wollen wir verstärken; wir setzen die Gesundheit als schützenswertes Gut ganz oben auf die Agenda“, kneifen Sie und rudern zurück.
Es gibt theoretisch zwei Möglichkeiten, auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008 zu reagieren: zum einen mit einem uneingeschränkten generellen Rauchverbot in Gaststätten, also konsequent, und zum anderen mit einem eingeschränkten Rauchverbot mit einem Strauß von Ausnahmen, also inkonsequent.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Sie setzen sich doch im Augenblick sehr dafür ein, dass der Ausnahmenkatalog beim Alkoholverbot reduziert wird.
In den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 12. Februar war unter der Überschrift „Alkoholverkauf – CDU gegen Ausnahmen“ zu lesen, der CDU-Abgeordnete Zimmermann habe geäußert: „Das ist doch ein Käsegesetz.“
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Richtig! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Der ist auch gegen die Wind- kraft!)
Weiter sagte er, die Ausnahmen würden zur Regel, das Gesetz werde damit nutzlos. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie doch konsequent und legen Sie die gleichen Kriterien auch beim Nichtraucherschutzgesetz an!
Lassen Sie uns einen konsequenten Weg gehen und ein Gesetz mit einem klar geregelten uneingeschränkten Rauchverbot in der Gastronomie verabschieden, statt einem Gesetzentwurf mit schwer überschaubaren Ausnahmeregelungen zuzustimmen.
Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, der auf die Abschaffung der Ausnahmen für die Zweiraumkneipen zielt. Wir wollen den Wettbewerbsnachteil für Einraumkneipen dadurch auflösen, dass wir sagen: In allen Kneipen und Gaststätten gilt ein komplettes Rauchverbot.
Warum, verehrte Kolleginnen und Kollegen, soll bei uns nicht möglich sein, was in vielen anderen europäischen Ländern problemlos funktioniert? Stattdessen lassen wir uns auf eine alberne Diskussion um die Unterscheidung zwischen warmen und kalten Würstchen, Brezeln und lauwarmer Suppe ein. Sie schaffen doch damit ein bürokratisches Monster, das nicht kontrollierbar sein wird.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie essen auch lieber eine heiße Suppe! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Seit wann sind lauwarme Würstchen Monster? – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)
Ich will an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen: Für uns steht der Schutz der Bevölkerung im Mittelpunkt unseres politischen Handelns. Wir sind nicht der Auffassung, dass durch diesen Gesetzentwurf ein sachgerechter Ausgleich zwischen dem Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens und den wirtschaftlichen Interessen der Betreiber von Eckkneipen und Diskotheken hergestellt wird.
Hinzu kommen die volkswirtschaftlichen Kosten von durch Rauch verursachten Krankheiten. Wir wollen Nichtrauche
rinnen und Nichtraucher schützen, und das konsequent, und wir wollen einen Paradigmenwechsel. Nichtrauchen muss zukünftig in der Öffentlichkeit als der Normalfall angesehen werden. Das ist besonders im Hinblick auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen und ihrer Haltung gegenüber dem Rauchen wichtig.
Das ist nämlich die Bevölkerungsgruppe, bei der einerseits gesundheitsgefährdende, andererseits aber auch gesundheitsfördernde Verhaltensweisen am tiefsten und am dauerhaftesten geprägt werden. Deshalb bringen wir auch einen zweiten Änderungsantrag ein, der auf ein grundsätzliches Rauchverbot an Schulen abzielt. Wir plädieren für eine Abschaffung der Ausnahmeregelungen in Schulen.
Ich komme zum Schluss. Ein rauchfreies Schulgelände ist der Schlüsselfaktor, um den Einstieg ins Rauchen zu verhindern und den Tabakkonsum bei Jugendlichen zu reduzieren. Dagegen sind begrenzte Rauchverbote, die älteren Schülern und Lehrern das Rauchen in ausgewiesenen Bereichen gestatten, unwirksam.
Dieser Zusammenhang wurde in einer Studie der Universität Boston ganz deutlich aufgezeigt. Aber ich glaube, schon der gesunde Menschenverstand würde ausreichen, um zu erkennen, dass der Einstieg bei Kindern und Jugendlichen in den Nikotinkonsum sinkt, wenn ein konsequentes Rauchverbot im Umfeld herrscht.
Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu, damit der Qualm in deutschen Kneipen bald Rauch von gestern ist und BadenWürttemberg eine Vorreiterrolle beim Nichtraucherschutz in Deutschland einnimmt.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Historie und die Hysterie um das Rauchverbot sind, glaube ich, allen hinreichend bekannt. Wir haben das zigmal hier diskutiert, und ich muss sagen, irgendwann trägt das für mich wirklich hysterische Züge, etwa wenn man gegen ein Denkmal aus Anlass des 125. Geburtstags von Theodor Heuss massive Proteste organisiert, bloß weil „Papa Heuss“ eine Zigarre in der Hand hält,
oder wenn man den Altbundeskanzler Schmidt anzeigt, weil er im Fernsehen raucht. Wollen wir dann auch die Filme mit Humphrey Bogart verbieten? Ich will nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Man kann alles übertreiben.
Uns ist ein effektiver Nichtraucher- und Gesundheitsschutz wichtig. Da muss man aber ehrlich sein. Am schlimmsten belastet sind Kinder, die in Haushalten leben, in denen geraucht wird.
Haben Sie irgendwann einmal eine Initiative unternommen, in einem Haushalt, in dem Kinder leben, das Rauchen zu verbieten?
(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Machen wir es lieber in öffentlichen Räumen! Da können wir eingreifen, in Privaträumen nicht!)
Ich werbe dafür, dass alle rauchenden Eltern wissen, was sie ihren Kindern antun, und dass sie wenigstens zu Hause oder auch im Auto darauf achten. Da gibt es also Punkte, bei denen wir noch genauer hinschauen müssen.
Noch einmal zur SPD: Da ist immer gesagt worden, wir würden es über das Arbeitnehmerschutzgesetz schaffen, das Rauchen in den Kneipen zu verbieten. Warum tun Sie es eigentlich nicht in Berlin, liebe Frau Haußmann? Sie tun es nicht, weil Sie – das weiß ich – einen Riesendruck von Anhängern Ihrer Partei bekämen, die in Kneipen arbeiten. Daran wollen Sie sich nicht die Finger verbrennen.
Dann stellen Sie sich aber nicht scheinheilig hierher. Das könnten wir nämlich auf Landesebene gar nicht regeln.
Lassen Sie mich bei allem Nachdruck, mit dem auch wir für den Nichtraucherschutz eintreten, sagen: Wir wollen ein Schutzgesetz, aber kein Umerziehungsgesetz. Sonst müssten wir das Rauchen in Deutschland wirklich verbieten. Dann wäre es okay und in sich logisch – übrigens mit der Konsequenz des Wegfalls der Steuereinnahmen aus dem Zigarettenkonsum usw.