Protokoll der Sitzung vom 18.03.2009

(Lachen bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ja, ja. Wir haben Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, die in der Zwischenzeit alle die Nullneuverschuldung erreicht haben. Warum sollen wir denn alle in einem Stabilitätsrat Vorschriften des Bundes über Kennziffern entgegennehmen, an die wir uns halten sollen, Frau Berroth? Warum denn?

(Beifall bei der SPD – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Wenn es bei uns in Ordnung ist, ist es doch gut!)

„Wenn alles in Ordnung ist“: Das ist eine Grundsatzfrage der Verfassung. Es geht nicht danach, ob Sie, Frau Berroth, es gut finden oder nicht.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir brauchen keinen Auf- sichtsrat!)

Es geht nicht nach dem Grundgesetz. Es geht nicht!

(Beifall bei der SPD)

Insofern möchten wir auch das unterstützen, was Herr Kollege Dr. Scheffold in der Plenarsitzung am 1. Oktober 2008 ausdrücklich gesagt hat:

Auf der anderen Seite muss aus unserer Sicht auch klar sein: Die Kompetenz des Landesgesetzgebers, die Kompetenz der Landtage, die Kompetenz, Haushaltsgesetze aufzustellen, muss hoheitlich in diesem Hause und in den anderen Landtagen gewahrt bleiben. Verantwortung darf nicht auf andere Gremien delegiert werden.

Dafür sind wir auch. Sie darf auch nicht auf ein Gremium wie den Stabilitätsrat delegiert werden. Das ist jetzt der Unterschied; darüber sind der Ministerpräsident und wir unterschiedlicher Auffassung. Es gibt auch schon Vorschläge von anderen Landtagen, die dagegen vorgehen werden. Dann wird man sehen, was herauskommt.

Ich habe es für schade gehalten, dass wir ein Gutachten von drei Bundesministerien haben, die uns auf eineinhalb Seiten sofort erklärt haben, warum wir das Recht verlieren müssten. Wir haben auf der anderen Seite ein 32-seitiges Gutachten, Äußerungen von Verfassungsrichtern. Und es gibt keine einzige verfassungsrechtliche Äußerung von Justizministern der Länder. Das ist natürlich auch klar, wenn die Regierungen selbst der Auffassung sind, dass eine solche Verfassungsänderung sinnvoll ist.

Ich sage nur eines: Das Budgetrecht ist das Hoheits- und das Königsrecht des Parlaments. Und das Parlament sind wir.

(Zurufe, u. a. Abg. Reinhold Gall SPD: Bitte vorsich- tig mit „König“!)

Mit „König“ bin ich vorsichtig,

(Heiterkeit)

vor allem mit „Königlicher Hoheit“; da bin ich noch vorsichtiger. Aber das Königsrecht haben wir.

Dieses Recht, Frau Berroth, beinhaltet auch die Kreditaufnahme. Auf Kreditaufnahme können nur wir selbst verzichten, und zwar hier. Das kann weder der Bundestag noch der Bundesrat, der auch keine Vertretung der Landesparlamente ist, sondern der die Vertretung der Länder ist, zulasten unserer Rechte beschließen. Das wollen wir nicht anderen überlassen. Deswegen erklären wir hier: Wir machen eine Änderung der Landesverfassung mit. Darauf gehen wir ein. Da machen wir alles mit.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber nicht alles!)

Da kann man alles noch einmal diskutieren. Dann verzichten wir auf unsere Rechte hier. Aber das geschieht nicht durch den Bundestag. Der kann sich um seine eigenen Dinge kümmern, und das soll er auch machen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: In diesem Satz sind wir einig!)

Das kann er alles machen.

Frau Berroth, es ist doch interessant, wenn man in Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes hineinschreibt, der Bund und die Länder sollten keine Kredite aufnehmen, und dann in Satz 4 steht: Der Bund erfüllt Satz 1, indem er 8 Milliarden € pro Jahr aufnehmen darf.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Da haben Sie recht!)

Das wollte ich Ihnen nur sagen.

(Heiterkeit – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Da sind wir beieinander!)

Was darin sonst noch so steht, will ich Ihnen jetzt gar nicht erzählen, sonst schütteln Sie weiter den Kopf.

Aber auf jeden Fall: Zwei Drittel sind gut; da stehen wir hinter dem Ministerpräsidenten. Beim übrigen Drittel sind wir dagegen, weil das Grundrechte von uns berührt. Darauf wollen wir selbst verzichten; das soll uns nicht der Deutsche Bundestag oktroyieren. Darüber wird es sicherlich noch eine Debatte geben. Ansonsten sind wir der Meinung: Wir sollten das in unserer Landesverfassung regeln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Drexler haben bei mir zu großer Heiterkeit geführt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dazu braucht es ja nicht viel bei Ihnen!)

Ich danke ihm für seine Aussagen. Ich schlage ihm vor, einmal darüber nachzudenken, ob er bei der SPD noch in der richtigen Partei ist. Denn wenn er hier deutlich macht und kritisiert, dass 65 % der Gesamtverschuldung in Deutschland auf den Bund zurückgehen, dann ist das richtig; das war ein guter Punkt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch ein Erbe von der Kohl-Regierung!)

Wenn er deutlich macht, woran eine ganze Reihe von Verbesserungsvorschlägen in der Föderalismuskommission II gescheitert sind, und hierbei auf den Bund verweist, hat er auch recht. Die entscheidende Frage ist nur: Wer stellt denn den Bundesfinanzminister?

(Oh-Rufe von der SPD)

Mir kam der Gedanke, Herr Kollege Drexler: Sie sind der richtige Mann an der falschen Stelle.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich frage mich, warum die SPD nicht Sie zum Bundesfinanzminister gemacht hat. Dann wären wir bei der Frage neuer Verschuldungsregeln vielleicht weiter gekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Herr Kollege, das frage ich mich auch!)

Der Ministerpräsident unseres Landes hat ja eben den Landtag über die Ergebnisse der Föderalismuskommission II unterrichtet, deren Kovorsitzender er als Vertreter der deutschen Länder war. Die Einrichtung dieser Kommission wurde bereits bei der Umsetzung der Ergebnisse der Föderalismuskommission I vereinbart. Damals konnte ein wichtiges Ziel der FDP erreicht werden: Die Wege der politischen Entscheidung wurden durch die Entflechtung von Bund-Länder-Zuständigkeiten verkürzt. Unsere Kompetenz, die Kompetenz der Bundesländer und damit auch der Landtage, wurde mit der Föderalismusreform I in den originären Landesbereichen Bildung und Wissenschaft entscheidend gestärkt. Dafür haben wir an anderer Stelle bei Bundesangelegenheiten auf Mitentscheidungsmöglichkeiten über den Bundesrat verzichtet.

Die bedeutenden Fragen der Neuordnung und Modernisierung der Finanzordnung von Bund und Ländern wurden damals, im Jahr 2001, ausgeklammert. Allerdings wurde damals bereits die Einsetzung der Föderalismuskommission II verbindlich vereinbart, die sich mit der Modernisierung dieser Finanzbeziehungen befassen sollte und nun befasst hat. Für die FDP war bei der Föderalismusreform I die Einrichtung der Föderalismuskommission II die Grundvoraussetzung, die Bedingung für die Zustimmung zu den damaligen Verfassungsänderungen. Ohne diese Zusage hätte es in Bund und Ländern keine Zustimmung der FDP zur Föderalismusreform I gegeben. Es ist also festzuhalten: Die Föderalismuskommission II wäre ohne diesen Beitrag der FDP nicht zustande gekommen. Sie geht wesentlich auf uns zurück.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Auf vier wichtigen Handlungsfeldern hat die interessierte Öffentlichkeit von der Föderalismuskommission II Ergebnisse erhofft und erwartet: zum einen bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, zum Zweiten beim Neuzuschnitt der Bun desländer – Länderfusionen –, drittens bei der Stärkung der Finanzhoheit der Länder, der Steuerautonomie,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

und viertens bei der Begrenzung der staatlichen Verschuldung.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Am Anfang, meine sehr verehrten Damen und Herren, stand die berechtigte Erwartung, dass die Kommission in allen diesen Fragen deutliche Fortschritte erzielen würde. Nicht nur politische Kommentatoren äußerten die Einschätzung, dass solch grundlegende Änderungen nur mit breitester Mehrheit

möglich sind. Für die notwendigen verfassungsändernden Mehrheiten erschien die Zeit der Großen Koalition auf Bundesebene geradezu prädestiniert.

Wenn wir heute die Ergebnisse monatelangen Mühens betrachten, müssen wir nüchtern feststellen: Die großen Erwartungen an die sogenannte Große Koalition wurden wieder einmal – wie in vielen anderen Politikbereichen – nicht erfüllt. Die gerade von vielen Bürgerinnen und Bürgern hier in Baden-Württemberg herbeigesehnte Reform des Länderfinanzausgleichs erfolgt leider nicht. Die vom Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion und Kovorsitzenden der Föderalismuskommission II, Struck, noch vor Kurzem geforderte Fusion kleinerer, weniger leistungsfähiger Bundesländer wurde letzten Endes dann doch ausgeklammert. Die Stärkung der Finanzhoheit der Länder durch eine echte Steuerautonomie erfolgt nicht einmal im Ansatz.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist das We- sentliche!)