Aber es geht nicht nur um die konjunkturbelebende Wirkung, sondern es geht vor allem auch darum, dass wir mit diesen Mitteln die Schwerpunktbildung – das steht ausdrücklich so drin: Schwerpunktbildung – Kernstadtbelebung, Innenstadtbelebung, Zentrenbelebung vornehmen können, um auf diese Art und Weise unsere Städte so attraktiv zu machen, dass beispielsweise Einzelhändler ein attraktives Umfeld vorfinden und deshalb gar nicht auf die Idee kommen, auf die grüne Wiese zu gehen oder in eine Großstadt zu ziehen, sondern in der Gemeinde bleiben wollen. Ich halte das für ein wichtiges Instrument.
Übrigens in diesem Zusammenhang: Sie alle miteinander können einen großen Beitrag dazu leisten, diesen Prozess noch weiter nach vorn zu bringen.
Ich habe, glaube ich, an anderer Stelle schon einmal darauf hingewiesen, will es jedoch wiederholen, weil mich das wirklich umtreibt: In den nächsten fünf Jahren werden 60 000 Unternehmen in Baden-Württemberg vor der Frage der Unternehmensübergabe stehen. Das sind durch die Bank Mittelständler, Ladengeschäfte, Einzelhandelsgeschäfte, familiengestützte Unternehmen, durch die Bank kleine bis mittlere Betriebe. 60 000 solcher Unternehmen stehen vor der Frage: Was mache ich? Die Seniorchefin oder der Seniorchef geht in den Ruhestand, und noch ist nicht ganz geklärt, wie es weitergehen soll. Wenn es uns gelingt – wir haben deshalb ein Zwölfpunkteprogramm auf den Weg gebracht –, die jungen Leute dafür zu begeistern, diese Geschäfte zu übernehmen, dann ha
ben wir einen wunderbaren Beitrag geleistet, um die Attraktivität einer Innenstadt auch für die Zukunft zu beleben.
Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie alle ohne jegliche Polemik, unter dem Aspekt „Übernahme eines Geschäfts durch Sohn/Tochter“ noch einmal darüber nachzudenken, ob das, was wir in Sachen Erbschaftsteuer gemacht haben, wirklich der Weisheit letzter Schluss war. Ich glaube, wir haben hier einen großen Fehler gemacht.
Bleibt das Thema Mittelstand. Ich will abschließend noch darauf hinweisen – Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss –, dass gerade in dieser schwierigen Zeit, in der wir uns im Augenblick befinden, gerade in den ländlichen Räumen, in den kleinen und mittleren Städten und Gemeinden die angesprochenen Unternehmen – natürlich auch die Einzelhändler, die für die Nahversorgung zuständig sind – schon in schwierige Zeiten kommen, in schwere See geraten.
Deshalb war es richtig, dass die Landesregierung – ich habe das heute auch bekannt gegeben – 1 Million € zusätzlich in die Hand nimmt, um dafür zu sorgen, dass diese kleinen und mittleren Betriebe, wenn sie in Schwierigkeiten kommen, eine entsprechende Beratung erhalten. Diese Beratung ist wichtig, wenn wir deren Existenz tatsächlich erhalten wollen.
Frau Kollegin, Sie haben die Frage gestellt, was die Landesregierung dafür tut, um dieses Ziel, von dem auch Sie zu Recht gesprochen haben, tatsächlich zu erreichen. Ich habe Ihnen einige Punkte genannt, die wir nicht nur angegriffen haben, sondern schon längst aufgegriffen haben, die auch dazu führen, dass erste Erfolge sichtbar sind. Der Einzelhandelsverband lässt jedenfalls verlauten, dass er glaubt, dass die Versorgung mit wichtigen lebensnahen Gütern auch im ländlichen Raum heute einigermaßen vernünftig – ich sage nicht perfekt, sondern einigermaßen vernünftig – geregelt ist. Ich finde, das ist eine Entwicklung, die in den letzten fünf bis zehn Jahren eigentlich ganz gut gelaufen ist. Sie können davon ausgehen, dass wir auch in Zukunft an den Stellschrauben, an denen wir die Möglichkeit haben, zu drehen, Neujustierungen vornehmen werden. Insofern glaube ich, dass man ohne Übertreibung sagen kann: Die Landesregierung ist hier wirklich auf einem guten Weg, um dieses wichtige Ziel zu erreichen.
Wenn nicht einmal der Wirtschaftsminister der Landesregierung weiß, warum er hier eigentlich zu diesem Thema spricht, dann zeigt das nur, welchen Stellenwert dieses Thema bei der Landesregierung hat. Und wenn hier nicht einmal der Landwirtschaftsminister, der Vorsitzender der Kommission Ländlicher Raum ist, anwesend ist, dann zeigt das dasselbe.
Herr Wirtschaftsminister, Sie haben haarscharf an dem Thema vorbeigeredet. Sie haben nämlich überhaupt nicht die Frage behandelt, welche Ergebnisse die bisherigen Instrumente eigentlich zutage gefördert haben. Ich habe Ihnen nachgewie
sen, dass das Thema heute wie auch schon vor sechs Jahren auf der Tagesordnung steht. Offensichtlich haben die Instrumente nicht gegriffen.
Warum geben Sie nicht einmal eine Studie jenseits der Landesregierung in Auftrag, eine neutrale Studie, die nachweist, dass die ganzen Programme, die ganzen Instrumente, die Sie haben, Wirkungen zeigen, und dann erkennen lässt, dass sich dann, wenn man so weitermacht, die Dinge vielleicht ändern? Aber bisher kann ich nur feststellen, dass diese Instrumente nicht wirken und dass Sie dringend aufgefordert sind, sie nachzujustieren, zu optimieren. Nicht mehr wollen wir.
Wir bitten übrigens, diesen Antrag zur weiteren Beratung an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft zu überweisen, weil wir dann auch Gelegenheit haben werden, mit dem anderen zuständigen Minister darüber zu diskutieren.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen nun zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung des Antrags Drucksache 14/2159. Abschnitt I des Antrags ist ein Berichtsteil; er ist durch die Aussprache erledigt.
Die SPD-Fraktion möchte diesen Abschnitt zur weiteren Beratung an den Landwirtschaftsausschuss überweisen lassen. Sie stimmen dem zu. – Es ist so beschlossen.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Rücknahme der Regionalisierungsmittelkürzungen durch im Lokführerstreik eingesparte Bestellerentgelte – Drucksache 14/2191
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Anlass für diesen Antrag ist vor etwa eineinhalb Jahren aktuell gewesen. Sie mögen sich zu Recht fragen, ob es sich lohnt, darüber noch zu diskutieren. Ich würde sagen, der Kern des Antrags – damit auch Abschnitt II des Antrags – ist durch Zeitablauf erledigt. Nichtsdestotrotz ist es ein zeitloses Thema, und deswegen will ich die Chance nutzen, nachdem die Fragen des Schienenpersonennahverkehrs, des öffentlichen Personennahverkehrs fast nur im Ausschuss debattiert werden, auf das Thema des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs einzugehen.
Der Lokführerstreik ist sozusagen nur der Aufhänger, um auf eine Problematik hinzuweisen, die die Pendler im Land, die
Bahnfahrer, mehr und mehr beschäftigt. Es geht darum, dass das Land, gebunden durch den Verkehrsvertrag, nicht in der Lage ist, die Mängel, die der Leistungserbringer, die Deutsche Bahn AG, vorweist, abzustellen. Man kann das wöchentlich abwechselnd in den Zeitungen lesen. In der letzten Woche war es erst wieder der revolutionärer Ansichten völlig unverdächtige Landrat …
… aus dem Rems-MurrKreis, Fuchs, der erklärte, die Fahrgäste im Kreis führen weiterhin dritter Klasse.
Ich kann aus eigener Erfahrung die Zollernbahn nennen, den Pendolino. Anfragen belegen auch, dass es zu viele Phasen gibt, in denen die vereinbarte Leistung nicht erbracht wird; es gibt Verspätungen, Zugausfälle und, und, und. Oder im Sommer heizt die Klimaanlage, anstatt zu kühlen. Das sind untragbare Zustände. Der Zug hat im Volksmund ja auch schon den schönen Namen „Bangladeschi“, weil er offensichtlich manchmal – nicht immer – auf Dritte-Welt-Niveau verkehrt. Das Dilemma lässt sich hier am besten aufzeigen. Das Nichtfunk tionieren einer Klimaanlage ist nach dem Verkehrsvertrag kein Qualitätsmangel. Deswegen wird es auch nicht sanktioniert. Auf diese vielen Missstände möchte ich nochmals hinweisen.
Unsere Forderung war und ist, die jährliche Pönale – das ist natürlich so weit gewährleistet – in die Mittel für den Schienenpersonennahverkehr einzubringen. Der Herr Staatssekretär hat immer wieder dargelegt, dass dies für verschiedenste Maßnahmen geschieht. Aber die Frage war natürlich auch: Kann man das nicht einbringen zur Wiederaufnahme von Zugverbindungen, die aufgrund der Kürzung der Regionalisierungsmittel aus den Fahrplänen gestrichen wurden? Antwort: Das ist ein Einmalvorgang, deswegen kann man die Mittel dafür nicht verwenden. Das ist so weit logisch. Aber kein Einmalvorgang sind natürlich die Mängel der Deutschen Bahn. Mit der Pönale können Sie gesichert immer rechnen. Das ist das Dilemma, in dem wir stecken. Es ist einfach – so sage ich einmal – der gewisse Fatalismus, mit dem das Land diese Mängel der DB hinnehmen muss.
Beim Thema Straßenverkehr übt die Landesregierung schneidig, übermütig Kritik am Bund – manchmal zu Recht; wir fordern das ja auch immer wieder. Aber beim Schienennahverkehr ist sie leise, lasch und stiefmütterlich, was Forderungen an den Bund und vor allem an die DB AG betrifft.
Der Blick zurück fordert auch den Blick nach vorn. Meine Damen und Herren, in den Jahren 2015/2016 läuft der Verkehrsvertrag aus. Wenn wir uns einmal klarmachen, welche Zeiträume wir brauchen, um bis dahin eine angemessene Ausschreibung vorzunehmen, müssen wir, rückwärts gerechnet, etwa im Jahr 2013 ausgeschrieben haben, damit der Anbieter, der den Wettbewerb gewinnt, Zeit hat, Wagenmaterial zu beschaffen. Die Anbieter brauchen dafür zwei, drei Jahre. Schon jetzt sagt die Bahn, es lohne sich nicht, für dem Rems-MurrKreis neues Material anzuschaffen, weil sie nicht weiß, was nach 2015 passiert. Das ist aus Sicht der Bahn nachvollziehbar.
Deswegen meinen wir: Die Landesregierung muss, was die Vorbereitung eines neuen Verkehrsvertrags betrifft, langsam in die Gänge kommen, muss Grundlagen erarbeiten,
aber letztendlich ist das Vorhaben aus vielerlei Gründen gescheitert. Aber es kann ja wohl nicht sein, dass wir da nicht in der Lage sind, eine wettbewerbskonforme Ausschreibung zu machen.
Wir von der SPD haben auch Bedenken, dass Sie das mit dem vorhandenen Personal leisten können. Wenn ich bedenke, wie viele Strecken alle in die Ausschreibung müssen, dann kann ich nur sagen: Ran an die Arbeit, meine Damen und Herren von der Regierung!
Vielleicht kriegen wir dann auch einmal Schlagzeilen wie in Bayern. Dort hat der Übergang des Amts des Verkehrsminis ters von der CSU zur FDP – meine Damen und Herren, das muss man einfach lobend erwähnen – eine schöne Schlagzeile produziert: „Für die Bahn wird es ungemütlich“ – seit die FDP das Verkehrsministerium besetzt, weil dort nun ganz gezielt, und zwar jetzt beginnend, der Wettbewerb herbeigeführt werden soll.
Deswegen ist unsere dringende Aufforderung im Interesse der Zukunftsfähigkeit des Landes und insbesondere auch der ländlichen Räume, über die wir gerade diskutiert haben – da braucht man auch Verkehrsinfrastruktur –: Packen wir es an, für dieses Land im Schienenpersonennahverkehr auf allen Strecken wettbewerbsfähige Ausschreibungsunterlagen zu erarbeiten, und zwar so rechtzeitig, dass gesichert ist, dass der Wettbewerb auch funktioniert.