Die Zeit ist schon sehr knapp. Deswegen haben wir unseren Antrag gestellt. Wenn das Gesetz im Sommer nicht in Kraft tritt, wird alles wackelig werden. Man hört, die Investoren sollten erst einmal 90 % aus eigener Kraft erwerben; dann machen wir vielleicht ein Gesetz für die letzten 10 %. Das heißt, die letzten 10,1 % der Anlieger brauchten sich nur zu einem Kartell zusammenzuschließen – dazu fordern wir sie geradezu auf –, dann könnten sie alles diktieren.
Ich möchte jetzt die Begründung abschließen, damit die Fakten klar sind. Nachher können wir gern diskutieren.
(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Die Fakten sind aber klar! Die Fakten, die Sie vortragen, sind alle klar!)
Nachmittags kam das Staatsministerium hinterher und sagte: „Nein, es wurde nur berichtet. Der Minister hat keinen Auftrag.“
Meine Damen und Herren, manchmal zeigt sich an ganz alltäglichen Dingen leise und doch dramatisch, was eine Regierung kann.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Fastenzeit wirken positive Wirtschaftsnachrichten wie österliche Botschaften. Eine solche Botschaft ist: Die Chemiebranche will in Baden-Württemberg zum Ausbau einer petrochemischen Industrie fast 200 Millionen € investieren. Durch ein Rohrleitungsnetz soll Ethylen fließen, ein Gas, das bei der Aufspaltung von Rohbenzin entsteht und der Grundstoff für die meisten Kunststoffe ist.
Ethylen ist unentbehrlich für die Produktion nahezu aller Verbrauchsgüter – für das Armaturenbrett im Auto ebenso wie für einen Joghurtbecher und ein künstliches Hüftgelenk. Bei der größten deutschen Erdölraffinerie, der MiRO in Karlsruhe, fallen jährlich 80 000 t Ethylen als Nebenprodukt an. Bislang wird das Gas für die Wärmeerzeugung verfeuert. Es auf der Straße oder auf der Schiene zu befördern ist gefährlich und unwirtschaftlich. Ethylen ist leichter als Luft und unschädlich für das Grundwasser. Der Transport durch eine Pipeline ist daher auch umweltpolitisch die Ideallösung.
In Bayern bedient eine 100 km lange Ethylen-Pipeline die petrochemische Industrie. Mit 45 Millionen € subventioniert der Freistaat diese Rohrleitung und sichert so 60 000 Arbeitsplätze.
Wird von der Firma EPS die bestehende Pipeline durch Baden-Württemberg bis nach Ludwigshafen gebaut, das heißt, einen Meter tief in die Erde vergraben, kann diese Leitung wie eine Nabelschnur die petrochemische Industrie entlang der Wertschöpfungskette mit Ethylen versorgen. Keine schlechten Aussichten!
Um eine Pipeline mit einer Trassenlänge von 190 km in Baden-Württemberg zu verlegen, muss sich die EPS mit 5 600 Grundstückseigentümern über die Eintragung einer Dienstbarkeit ins Grundbuch einigen. Diese Verhandlungen laufen seit fast zwei Jahren. Bislang haben 77 % der Grundstückseigentümer vertraglich eine Dienstbarkeit akzeptiert, in Karlsruhe sind es 95 %, im Rems-Murr-Kreis 96 %. Auf der Ostalb
ist man zugeknöpfter. Dort haben sich erst etwas mehr als die Hälfte der Eigentümer mit der EPS geeinigt, obwohl die landwirtschaftliche Nutzung durch die Pipeline nicht beeinträchtigt wird.
Aus unterschiedlichen Gründen stagnieren die Verhandlungen. Einzelne Gesellschafter der EPS werden unruhig. Die Finanzierung des Projekts lässt sich in der momentanen Finanzkrise auf Dauer nicht halten. Das Projekt ist in Gefahr.
In Bayern hat der Landtag ein Rohrleitungs-Enteignungsgesetz verabschiedet. Die Situation in Bayern ist allerdings mit der unsrigen nicht vergleichbar, da dort bereits eine petrochemische Industrie mit Zehntausenden von Arbeitsplätzen besteht. Bei uns muss sich ein vergleichbarer Markt erst noch entwickeln.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ist es! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Dafür muss man etwas tun! – Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Es geht nicht um Enteignung, son- dern es geht um das Wegerecht! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir reden nicht von Enteignung! Das darf man nicht vermischen! Das ist etwas völlig anderes!)
Es mag aus wirtschaftspolitischen Gründen richtig sein, Inves titionen der privaten Wirtschaft politisch und rechtlich mit allen Möglichkeiten zu unterstützen. Der Staat ist aber nicht der Steigbügelhalter privater Interessen, sondern er ist ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtet.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Reinhold Gall: Es geht um 150 000 Arbeitsplätze!)
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr richtig! – Zu- rufe von der SPD, u. a. Abg. Johannes Stober: Es gibt doch ein Gutachten!)
Es reicht aus, ein Wegerecht als Dienstbarkeit in das Grundbuch einzutragen. Auch dafür ist eine Entschädigung zu bezahlen, weil die Duldung dieses Wegerechts das Eigentum einschränkt.