Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

Ich will Ihnen hier ein ungeschminktes Bild nach dem Stand meiner Informationen vortragen. Man muss ja wie ein Detektiv vorgehen, wenn man hier etwas erfahren will. Einsicht in die Unterlagen gibt es nicht.

Zur Erinnerung: Vor Aufhebung der Gewährträgerhaftung im Jahr 2005 saugte sich auch die Landesbank Baden-Württemberg noch kräftig mit günstigen Refinanzierungen voll. Ohne richtigen Plan, was damit zu tun ist, wurde in strukturierte Papiere und teilweise auch in fragwürdige Bankschuldverschreibungen investiert. Die damalige Alternative, die Landesbank auf das zurückzubauen, was das Landesbankgesetz vorsieht, was dem öffentlichen Auftrag entspräche, wurde nicht gewählt; diese Chance wurde nicht ergriffen.

So schlossen sich natürlich auch die politisch Verantwortlichen, die im zuständigen Gremium, dem Verwaltungsrat, sitzen, ein Stück weit dieser Fehlentwicklung an: Alles wurde durchgewunken, u. a. die Fusionen mit der Sachsen LB und der Landesbank Rheinland-Pfalz. Wir wissen heute: Nicht unerhebliche Risiken lasten inzwischen auf unserem Haushalt, auf den Füßen der Steuerzahler von Württemberg, weil das so gemacht wurde.

(Zurufe von der SPD: Und Baden! – Abg. Christine Rudolf SPD: Bei den Sachsen ja noch mehr!)

Baden-Württemberg. Jawohl. – Alle Träger – und das verwundert mich sehr –, nämlich Land, Sparkassen und auch die Stadt Stuttgart, setzen bei diesem Institut in erster Linie auf Gewinnmaximierung. Wie sonst lässt es sich erklären, dass da eine Ertragserwartung

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die ganze Welt ist schlecht!)

Herr Schmiedel, lassen Sie mich doch bitte ausreden – aus einer vormaligen Beteiligung für 539 Millionen € verkauft wurde, noch bevor dieser Ertrag vereinnahmt werden konnte, nur um Haushaltslöcher zu stopfen? Damit hat sich natürlich das Land in die Geiselhaft der Gewinnmaximierung begeben.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt wird Herr Dr. Jaschinski von einigen, die, sage ich einmal, auch zu den Durchwinkern gehören, immer als der Sündenbock hingestellt. Aber genau genommen war er der Erfüllungsgehilfe für die Maxime „Rendite, Rendite – Risiko egal“.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Jaschinski ist ein Durchwinker!)

Diejenigen, die heute das Land zum Ausbügeln dieser Risiken durch Bürgschaften verpflichten wollen, saßen und sitzen auch in den Gremien dieser Bank.

Ich will aus § 11 des Landesbankgesetzes zitieren:

Der Verwaltungsrat beschließt über die Grundsätze der Geschäftspolitik.

Deshalb können Sie sich nicht aus der Verantwortung herausmogeln. Sie – auf der rechten wie auf der linken Seite dieses Parlaments – sind in der Verantwortung schön mit dabei. Herr Mappus, ich hoffe, Sie nehmen sie auch an.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Ingo Rust SPD: Sie halt nicht! Und deswegen nörgeln Sie herum!)

Wir dürfen nicht mitmachen.

Ich sage deutlich: Herr Dr. Jaschinski war eigentlich der Einzige, der in den letzten Wochen Fehlentwicklungen zugegeben hat, und zwar in einem Interview mit der „Südwest Presse“. Es war auch Zeit, dass man einmal zugibt, dass man halt in die falsche Richtung marschiert ist. Aber von allen anderen, die hier Mitverantwortung tragen, wurde das so leider nicht gesehen. Man hätte früher durchgreifen müssen; denn heute haben wir hier im Landeshaushalt alles auf den Füßen des Steuerzahlers aufgedockt.

Die Bank hat ja noch mehr. Sie hat problematische Papiere in einer Größenordnung von 55 Milliarden €, exotisches Material, das man im Fachjargon inzwischen als „toxische Papiere“ bezeichnet, die vor dem Hintergrund des öffentlichen Auftrags einer Landesbank in deren Büchern eigentlich nichts zu suchen haben. Nicht zu vergessen: Allein der öffentliche Auftrag begründet eine staatliche Beteiligung, und sonst nichts.

Jetzt erwarten Sie – vorhin sagte ein Kollege, Sie trügen keine Verantwortung – von uns als Sachwalter der Steuerzahlerinteressen, dass wir Ihnen hier einfach trauen und das auch noch mit durchwinken. Das können wir bei dem, was uns an Informationen vorliegt, und dem, was wir sachlich ermittelt haben, so eben nicht machen.

Man muss jetzt die aktuelle Situation betrachten und sich die Meldungen der letzten vier Wochen vergegenwärtigen. Etwas irreführend für die Öffentlichkeit, meine ich, spricht Herr Dr. Jaschinski von „nur 2 Milliarden € Bewertungsbedarf“. „Nur 2 Milliarden € Bewertungsbedarf“! 2 Milliarden € Verlust! Ich hatte mit unserer Fraktion schon vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass wir diese Risiken bekommen werden. Wir können das sogar belegen. Hier wurde ich ausgelacht, und wir wurden auch gescholten für die Miesmache, die wir betreiben würden. Das Schlimme daran ist – das wirklich Schlimme, und das ärgert mich persönlich –: Ich hatte recht damit.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Jetzt reden wir weiterhin mit rosaroter Brille über eine tolle Landesbank. Herr Dr. Scheffold sprach noch im November von einer exzellenten Landesbank. Das ist eben symptomatisch: Alles kommt bröckelesweise heraus, und Sie machen die Augen nicht vor dem auf, was jetzt wichtig ist und was zu tun ist.

14 Tage später wird ein neues Risiko gemeldet, nämlich 16 Milliarden €. Das sind neue Risiken, die es in den Büchern gibt. Wir erfahren das nicht vom Finanzminister und auch nicht aus dem Haus der Landesbank, sondern wir erfahren das über die Presse. Dann gibt es schnell einen neuen Begriff für diese 16 Milliarden €: „Immunisierung“. Wir reden dann also von „Immunisierung“, und ich habe den Eindruck, das kommt nicht nur von dem Wortakrobaten Dr. Jaschinski, sondern beim Thema Landesbanken sind wir nur so von Verbal akrobaten umgeben, die alles rosarot sehen und schönreden.

Also, 16 Milliarden € Bewertungsverluste sind Abschreibun gen; es sind Wertberichtigungen oder schlicht und ergreifend Verluste. Das muss man der Bevölkerung sagen, und dann kann man auch sagen: Wir müssen als Land hier einsteigen. Aber es sind nun einmal nicht nur „Immunisierungen“, sondern es sind Wertnachteile. Dennoch, die rosarote Brille bleibt auf, sie wird nicht abgesetzt.

Weiterhin wollen Sie einen Plan verwirklichen, der so eigentlich nicht zu realisieren ist. Wenn wir selbst nicht wissen, wie es weitergeht, ziehen wir einen Unternehmensberater heran; der heißt in diesem Fall Roland Berger. Die Zielvorgabe an ihn: Ermittle uns bitte, wie wir zu 3 Milliarden € Gewinn kommen, und das schon im Jahr 2009.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Was?)

Ja, 3 Milliarden €. – Mit seinen schöngefärbten Annahmen schafft es dieser Herr „Weichspüler“ Berger tatsächlich, diesen Gewinn herauszubringen oder zumindest zu prognostizieren, ungeachtet dessen, dass die Bank einen solchen Ertrag in ihrer Vergangenheit noch nie erwirtschaftet hat, und ungeachtet dessen, dass wir in einer Situation der wirtschaftlichen Talfahrt sind. Niemand unter den Banken prognostiziert momentan Gewinnsteigerungen, sondern die sind alle froh, wenn sie das Jahr 2009 heil überstehen.

Wenn ich jetzt aus der Debatte darum herum noch vernehme, dass die Verantwortlichen, mitsamt Berger, bei den Recovery Rates für Lehman Brothers oder auch für all die isländischen Banken und andere Crashs mit Beträgen rechnen, die deutlich über dem liegen, was die Wirtschaftsprüfer im Allgemeinen annehmen, dann schlummern selbst im Jahresabschluss 2008 noch weitere Risiken, über die wir auch heute noch nicht abschließend und sauber informiert worden sind.

(Beifall bei den Grünen)

Weil das Gutachten so schön ist, setzen Träger und Verantwortliche auf „Weiter so, Landesbank Baden-Württemberg!“, „Gewinne machen, koste es, was es wolle!“. Deshalb werden jetzt bei der Landesbank Baden-Württemberg trotz eines Rekordverlusts, trotz bekannter neuer Risiken von 16 Milliarden € Gewinnausschüttungen getätigt. Dies ist nach dem Kreditwesengesetz eigentlich streng verboten. Ich wiederhole: Ausschüttungen sind nach dem Kreditwesengesetz bei Verlusten eigentlich verboten. Aber es werden stille Reserven aufgelöst, um Gewinne darstellen zu können. Man will offenbar auf Zeit spielen, damit man irgendwie über die Wahlen im Jahr 2011 kommt. Nachher wird das wohl auf die Füße fallen.

Zum anschaulichen Vergleich – Frau Berroth sprach unlängst von den leeren Girokonten –: Wenn ich nichts verdiene, mein Girokonto permanent leer ist, dann wechsle ich eben zum Sparkonto, hebe kräftig davon ab und sage dann: Das ist Gewinn. So in etwa funktioniert die Gewinnausschüttungspraxis der Landesbank Baden-Württemberg. Ich sage: unseriös.

(Beifall bei den Grünen)

Was wir von Ihnen einfordern, auch von den Verantwortlichen der Bank, ist: Die rosarote Brille jetzt absetzen, Abkehr von einer Bankenpolitik der Blasen und Scheingewinne!

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Wo gibt es denn bei der BW-Bank Blasen, Herr Kollege?)

Wir dürfen nicht weiter Risiken eingehen, Risiken für das Land aufbauen, die wir irgendwann nicht mehr tragen können. Die Bank und ihre öffentliche Aufgabe müssen doch im Vordergrund stehen und nicht die Gewinnausschüttung.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Was ist denn die Alter- native?)

Das Ganze muss dann auch bitte wettbewerbskonform sein. Ich wundere mich da auch über die FDP/DVP, die gar nicht merkt, dass hier der Wettbewerb eigentlich einseitig beeinträchtigt wird, wenn eine Staatsbank mit dem Steuergeld der hiesigen Bürger bundesweit neue Gewinne einsammeln soll. Für mich als Marktwirtschaftler ist so eine Sache nicht vertretbar.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Ingo Rust SPD: Das ist beim SoFFin auch so! – Gegenruf des Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE: Das ist aber beim SoFFin transparent!)

Wir stehen ebenso wie Sie zu dieser Bank und schlagen Ihnen deshalb vor, den SoFFin für die Eigenkapitalausstattung und auch für die Übernahme von Risiken in Anspruch zu nehmen. Beides sieht der SoFFin vor.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Können Sie uns einmal sagen, was das kostet?)

Ich werde dazu noch kommen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Oh Gott!)

Wir sagen auch: Das, was gestern von Herrn Minister Stächele zum SoFFin vorgetragen wurde, sind eigentlich eher Nebelkerzen. Er sagte gestern Morgen noch hier im Plenum, der SoFFin verlange die sofortige Aufspaltung in eine Good Bank und eine Bad Bank. Einmal abgesehen davon, dass das, was Sie mit den 16 Milliarden € vorhaben, ja nichts anders ist als eine Bad Bank – nur dass wir uns hierüber im Klaren sind –,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Nichts anderes ist das!)

haben wir ihn dann im Finanzausschuss gefragt, wo denn in den Regeln des SoFFin etwas zu Good Bank und Bad Bank steht. Aber er konnte uns nicht zeigen, wo das in diesen Papieren steht. Deshalb muss ich feststellen, dass es nur Nebelkerzen und leider keine Fakten sind.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das habe ich ausführ- lich erklärt! – Unruhe)

Ich hätte das gern gewusst. Vielleicht hätten wir uns in eine andere Richtung bewegt. Es gibt nichts, was Sie dazu als Beleg anführen können.

(Abg. Ingo Rust SPD: Er hat es noch nicht verstan- den! – Gegenruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ihr seid so gescheit!)

Wir haben momentan eine konjunkturelle Talfahrt. Ich glaube, wir werden in den nächsten Monaten in diesem Haus noch schwerwiegende Entscheidungen treffen müssen, damit unsere Wirtschaft nicht zu sehr abfällt. Ich glaube, darüber sind wir uns einig; das sollten wir dann auch tun. Aber wir brauchen das Eigengeld nicht für die Landesbank, sondern explizit für Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur.

Für den langen Horizont bei der Landesbank brauchen wir ein Geschäftsmodell, das auf die Realwirtschaft setzt und nicht nur auf virtuelle Finanzprodukte. Schluss endlich mit den Expansionsfantasien, die zunächst einmal doch nur Anfangsver

luste verursachen! Wir lehnen deshalb eine Landesbank auf Piratenkurs strikt ab.