Protokoll der Sitzung vom 22.04.2009

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 3:

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Europaausschus

ses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 3. Februar 2009 – Bericht über die Europapolitik der Landesregierung für die Jahre 2007/2008 – Drucksachen 14/4000, 14/4318

Berichterstatter: Abg. Peter Hofelich

b) Beschlussempfehlung und Bericht des Europaausschus

ses zu der Mitteilung des Finanzministeriums vom 20. März 2009 – Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten; hier: Gemeinsames Mehrwertsteuersys tem hinsichtlich der Rechnungsstellungsvorschriften – Drucksachen 14/4228, 14/4317

Berichterstatterin: Abg. Christa Vossschulte

c) Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und Antwort der

Landesregierung – Der Donauraum – eine europapolitische Perspektive Baden-Württembergs – Drucksache 14/2172

d) Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE

und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie: Verortung des „Einheitlichen Ansprechpartners“ – Drucksache 14/2884

e) Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE

und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Für die baden-württembergische Wirtschaft: keine weiteren Verzögerungen aufgrund von Abstimmungsproblemen in der Regierungskoalition bei der Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners – Drucksache 14/3969

Das Präsidium hat für diesen Punkt eine Aussprache mit einer Redezeit von 15 Minuten je Fraktion festgelegt.

Im Präsidium war man der Auffassung, dass man die Aussprache über diesen Tagesordnungspunkt in drei Themenbereiche gliedern sollte: Europapolitik, Donauraum, Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners. Mir liegen jetzt zehn Wortmeldungen vor. Ich schlage vor, dass sich die Fraktionen daran orientieren, dass wir zunächst über die Themenbereiche Europapolitik und Donauraum und am Ende der Debatte über den Themenbereich „Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners“ diskutieren. Vielleicht können sich die Fraktionen darauf einstellen. Dann könnten wir die Regierung in der Art und Weise lenken, dass Herr Minister Dr. Reinhart zur Europapolitik und zum Donauraum redet und Herr Wirtschaftsminister Pfister zur Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners. Können wir so verfahren?

Ich möchte allerdings darauf drängen, dass die Redner die Redezeit je Themenbereich von fünf Minuten einhalten; denn wenn jeder überzieht, können wir nicht vor 14 Uhr in die Mittagspause eintreten.

Das Wort erhält Herr Abg. Blenke für die CDU-Fraktion.

(Abg. Walter Heiler SPD: Hat der Blenke etwas vor, weil er so oft dran ist?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich komme Ihrem Wunsch gern nach und beschränke mich in meinem Redebeitrag auf den Donauraum und den Europabericht.

Herzlichen Dank für den 13. Bericht über die Europapolitik der Landesregierung. Er ist sehr politisch, perspektivisch nach vorn gerichtet, blendet Kritisches aber auch nicht aus. Dafür möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, und Ihren Mitarbeitern ausdrücklich danken.

Der Bericht war geprägt von der erfolgreichen Ratspräsidentschaft unter Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel im Jahr 2007. In dieser Zeit gelang es, den Reformvertrag von Lissabon auf den Weg zu bringen. Wichtig ist, dass wir die Ratifizierung des Reformvertrags noch in diesem Jahr abschließen, um weiterzukommen.

Mit der Einrichtung des Europaausschusses im Landtag haben wir Europa im Land sichtbarer gemacht. Er ist mittlerweile etabliert und arbeitet gut. Damit haben wir die Europapolitik im Land deutlicher akzentuieren können.

Wir von der CDU sehen unsere Hauptaufgabe als Landesparlament in der Europapolitik, die Subsidiarität zu wahren und darüber zu wachen, dass sich die Europäische Kommission, die europäische Ebene ausschließlich mit den Dingen beschäftigt, für die sie zuständig ist und die von ihr erledigt werden müssen, weil sie nicht besser von uns im Land erledigt werden können.

Meine Damen und Herren, bei der Erweiterungspolitik der Europäischen Union setzen wir nach wie vor auf einen raschen Beitritt Kroatiens. Voraussetzung hierfür ist allerdings das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags. Die Europäische Union kann nicht unbegrenzt neue Mitglieder aufnehmen. Das wissen wir. Deshalb müssen erst die Strukturen reformiert werden. Dann kann über Erweiterungen gesprochen werden.

Trotz zahlreicher Erfolge offenbart der Bericht über die Europapolitik der Landesregierung auch Rückschläge und Schattenseiten. Ich erwähne nur die ursprünglich geplante Verkleinerung der Kommission, die jetzt nicht verwirklicht werden kann. Dies wäre jedoch dringend notwendig im Sinne einer Verschlankung und auch im Sinne von Bürokratieabbau. U. a. aus diesem Grunde ist der Bürokratieabbau in der Europäischen Union ins Stocken geraten.

Ich nenne einen weiteren Punkt. Das Anwachsen der Zahl der Agenturen auf europäischer Ebene ist sehr kritisch zu sehen; denn jede neue Agentur bringt neue Bürokratie und neue Aufgaben mit sich. Deshalb sehen wir die Gründung neuer Agenturen sehr kritisch. Als jüngstes Beispiel nenne ich die geplante Unterstützungsagentur im Asylbereich. Die Planungen zu dieser Agentur halten wir in Teilen für unsinnig und für so nicht umsetzbar.

Meine Damen und Herren, auf europäischer Ebene bleibt noch viel zu tun. Die Landesregierung ist dabei, die Europafähigkeit der Landesverwaltung weiter auszubauen.

In Europa selbst übernimmt das Land Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle bei den Kontakten nach Osteuropa. An dieser Stelle möchte ich die Donaustrategie besonders hervorheben. Herr Ministerpräsident, mit der Donaustrategie, die Sie initiiert haben, sind Sie genau auf dem richtigen Weg. Als Quellland der Donau sind wir der Impulsgeber, um neben den bestehenden Netzwerken im Mittelmeerraum und im Ostseeraum ein Netzwerk entlang der Donau zu bilden. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich möchte Ihnen ausdrücklich gratulieren, dass es Ihnen gelungen ist, im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Barroso zu erreichen, dass der Donauraum ebenfalls in den Fokus der Europapolitik in Brüssel gerückt wird. Das ist sehr wichtig. Hierin sehen wir ein Netzwerk für Baden-Württemberg. Wir erwarten von Brüssel, dass ihm genau dieser Stellenwert zugemessen wird.

Der inhaltliche Vorteil einer solchen Vernetzung entlang der Donau liegt auf der Hand. Wir können die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Städtepartnerschaften und dergleichen mehr bündeln und voranbringen. Vor allem können wir aber auch auf europäischer Ebene Mehrheiten entlang der Donau schaffen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Sehr richtig!)

Ein letztes Stichwort sind die Städtepartnerschaften. Das ist nicht unsere Aufgabe, sondern das ist eine kommunale Aufgabe. Ich möchte einfach dafür werben.

Der Herr Ministerpräsident hat einmal gesagt, dass der Rhein in den Fünfzigerjahren die Integrationslinie für Europa war. Jetzt geschieht entlang der Donau der Zusammenschluss des neuen Europas. Bei diesem Zusammenschluss muss sich auch unter den Kommunen etwas auf der Basis von Städtepartner

schaften entwickeln. Das führt die Bürger in Europa zusammen, und das wird dazu führen, dass die Akzeptanz in Europa besser und größer wird und dass Europa zusammenwächst. Die Menschen werden dann erkennen, dass das eben kein Gerippe aus Bürokratie und Kosten ist, sondern dass dadurch eine Wertegemeinschaft für ein friedliches Zusammenleben in Europa gewährleistet ist. Dafür hat Europa und hat die Europäische Union unsere Unterstützung verdient.

Das will ich ausdrücklich auch im Hinblick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni dieses Jahres sagen, bei denen wir die Bevölkerung einfach um eine gute Wahlbeteiligung bitten. Wenn Sie von uns Wahlempfehlungen haben wollen, geben wir diese natürlich gern ab. Darauf wird auch der Kollege Müller nachher noch eingehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Mi- chael Theurer FDP/DVP)

Für die CDU-Fraktion erhält jetzt Herr Abg. Müller das Wort.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Nein!)

Bringen Sie meine Strategie bitte nicht durcheinander! Herr Abg. Müller von der CDU-Fraktion bekommt jetzt das Wort.

(Unruhe – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Wenn ich dann keine Redezeit mehr habe, weiß ich, warum! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Noch ist es so, dass wir selbst bestimmen, wer redet, und nicht der Herr Präsident!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt wird es ein bisschen eng mit den Redezeitminuten, weil unheimlich viel ansteht. Ich will mich auf Leitlinien der Europapolitik der CDU-Landtagsfraktion konzentrieren und mache das jetzt im Stakkato und fast in Form von Überschriften.

Erstens: Wir stärken, begrüßen und unterstützen die Arbeit, die Zuständigkeit und das Handeln der Europäischen Union in der Außen- und der Sicherheitspolitik, der Welthandelspolitik, der Klimaschutzpolitik und der Bekämpfung der Finanzkrise. Ich glaube, dass die EU in all diesen Feldern in den letzten Jahren und in den letzten Monaten ein gutes Bild abgegeben hat.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Zweitens: Wir sind der Auffassung, dass es eine Reihe von großen Aufgaben gibt, die nur im europäischen Maßstab gelöst werden können. Der Wegfall der Grenzen, die Einführung des Euro, eine entsprechende Stabilitätspolitik, eine Antiverschuldenspolitik, der Binnenmarkt und der faire Wettbewerb, die Großforschung und die Energiepolitik sind solche Beispiele. Auch hier begrüßen wir, was in den vergangenen Jahren auf europäischer Ebene geschaffen worden ist, und wollen auf diesem Weg fortfahren.

Drittens: Wir sehen den Gedanken der Freizügigkeit auch nach der Abschaffung der Grenzen noch immer nicht in dem Um

fang erfüllt, in dem wir uns das vorstellen. Deswegen begrüßen wir alles, was geschieht, um den grenzüberschreitenden Verkehr von Jugendlichen und von Arbeitnehmern zu fördern, einen einheitlichen Verbraucherschutz zu erreichen, die Landwirtschaftspolitik zu harmonisieren und ein öffentliches Auftragswesen zu haben, das dem großen Markt Europas gerecht wird. Gerade die Bundesrepublik Deutschland profitiert ja besonders von einem europäischen Markt. Denken wir nur daran, dass 60 % aller Exporte aus Deutschland in den europäischen Raum gehen.

Viertens: Wir begrüßen den Vertrag von Lissabon, weil wir davon ausgehen, dass Europa – jetzt kommen schon die ers ten kritischen Anmerkungen – in Sachen Transparenz, in Sachen Effizienz und in Sachen der demokratischen Legitimation einen Nachholbedarf hat. Wir begrüßen den Vertrag von Lissabon auch, weil hier am Subsidiaritätsprinzip festgehalten werden soll. Auf all diesen Gebieten gibt es Nachholbedarf. Es ist eine Paradoxie, dass die Euroskeptiker in Irland und in Tschechien diesen Vertrag nicht wollen, der genau ihrer Kritik Rechnung tragen würde.

Fünftens: Wir sind der Auffassung, dass man in der Öffentlichkeit deutlich machen muss, dass Deutschland nicht der Zahlmeister Europas ist. Schauen wir einmal an, wie viel wir netto pro Kopf und Jahr in den europäischen Haushalt geben: Das sind ungefähr 80 bis 90 € pro Kopf und Jahr. Vergleichen wir das mit dem, was Baden-Württemberg in den Länderfinanzausgleich gibt: Das sind 200 bis 250 € pro Kopf und Jahr zulasten der Steuerzahler. Ich glaube, diese 80 bis 90 € darf Europa uns wert sein.

(Beifall der Abg. Michael Theurer und Dr. Hans-Pe- ter Wetzel FDP/DVP)

Aber wenn wir über das Geld sprechen, muss man dazusagen: Es muss uns auch darum gehen, dass wir die Verwendung der europäischen Gelder entsprechend kontrollieren. Hier gibt es Defizite, übrigens weniger im Landwirtschaftsbereich als im Bereich des Strukturfonds und des Sozialfonds. Wir brauchen mehr Finanzkontrolle. Wir brauchen in vielen Ländern eine bessere Verwaltung, und wir brauchen eine stärkere Korruptionsbekämpfung.

Sechstens: Wir sind der Auffassung, dass die Europäische Union durch die Beitritte von Ländern wie der Türkei oder der Ukraine nicht überfordert werden darf.