Protokoll der Sitzung vom 23.04.2009

In ihrer Stellungnahme zu dem ersten Antrag ging die Regierung noch davon aus, dass die Studiengänge für das höhere Lehramt auf die Bologna-Struktur umgestellt werden. Ein Vierteljahr später, in der zweiten Stellungnahme, war dieses Projekt de facto erledigt.

Wir freuen uns sehr, dass der Automatismus der Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse wenigstens im Fall der Studiengänge für das Lehramt an Gymnasien aufgegeben wurde. Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn auch bei den anderen Studiengängen die Zwangsumstellung zugunsten studien fachbezogener und auch berufsfeldbezogener Umstellungsentscheidungen aufgegeben worden wäre. Aber das ist ein anderes Thema, das wir zu gegebener Zeit – allerdings in nicht allzu ferner Zeit – in diesem Haus diskutieren müssen und diskutieren werden. Denn die Problematik, die die Regierung letztlich zur Umkehr bewogen hat, stellt sich in den nicht schulbezogenen Studiengängen recht ähnlich dar.

Wie geht es also weiter, wenn die Rektoren, wenn die Universitäten auch weiterhin den Zugang für hochschul-, aber nicht arbeitsmarkterfolgreiche Bachelorabsolventen zum Masterstudiengang durch einen engen „Flaschenhals“ erschweren?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute geht es um die Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer. Darauf will ich mich konzentrieren und noch einmal unser Credo zum BolognaProzess und zur Lehrerbildung formulieren. Sie werden merken, wie intensiv sich die Regierung in ihren Stellungnahmen auf dieses Credo eingelassen hat.

In unserem Papier zur Lehrerausbildung aus dem Jahr 2008 beantworten wir die Frage nach der Einbeziehung der Lehramtsstudiengänge in die Bachelor-/Masterstruktur mit einem gemischten Konzept, das die bewährte Grundstruktur der Lehramtsstudiengänge in eine vorteilhafte Verbindung mit dem Bologna-Prozess bringt. Die Modularisierung des Studienangebots mit einer Credit-Point-Zuordnung ist dafür eine notwendige, den Bologna-Prozess aber in sich charakterisierende Voraussetzung.

Es geht uns also, wie Sie sehen, keineswegs um ein allgemeines „Bachelor-Bashing“.

Übrigens lohnt ein Blick auf die tabellarische Zusammenstellung, die den bundesweiten Zusammenhang hinsichtlich des Bologna-Prozesses in den Lehramtsstudiengängen darstellt und die der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 14/2651 angehängt ist. Dort sehen wir alle Varianten: Bologna-Version, Staatsexamen, abgebrochene Modellversuche, zwei unterschiedliche Varianten in einem Bundesland usw. Wer jemals den Flickencharakter der bundesdeutschen Bildungslandschaft beklagt und eine Harmonisierung gewünscht hatte, wird bestürzt sein, was hier als Ergebnis bildungsföderalistischer Entscheidungen zu besichtigen ist. Angesichts dieser Liste beginnen wir allerdings zu ahnen, dass ein exzessiver Wettbewerbsföderalismus für die Lehrerbildung möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

(Beifall des Abg. Gunter Kaufmann SPD)

Ich prognostiziere eine neue Diskussion über Sinn und Unsinn länderunterschiedlicher Regelungen im Bildungsbereich. Erste Paukenschläge sind bereits zu vernehmen, z. B. mit der Forderung Annette Schavans nach einem bundesweiten Zentralabitur. Auf weitere Diskussionen sind wir gespannt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal klingt die Wahrheit trivial, und trotzdem muss sie ausgesprochen werden. Die Gesellschaft verändert sich, die Berufswelt verändert sich, die

Schule verändert sich, und zwar dramatisch. In einem solchen Prozess umfassender Veränderung muss sich auch die Lehrerbildung verändern und so gestaltet werden, dass sie den Anforderungen gerecht wird, die eine moderne Wissensgesellschaft heute an sie stellt.

Deshalb plädiere ich ganz entschieden dafür, auf die Lehrerausbildung einen Schwerpunkt zu legen. Die Schulstrukturdiskussion ist wichtig, Finanzierungsfragen sind essenziell, aber am wichtigsten ist, was im Klassenzimmer stattfindet, und darüber entscheidet die Qualität der Lehrerinnen und Lehrer. Das heißt: Die inhaltliche und die pädagogische Ausrichtung der Lehrerbildung müssen neu gedacht und neu gemacht werden. Pädagoginnen und Pädagogen sind aus unserer Sicht diejenigen, die in unserem Land die Grundlagen für Bildung legen, und zwar von der ersten Schulstunde jedes einzelnen Kindes an. Sie schaffen nämlich die Voraussetzungen für lebenslanges Lernen, das Entwickeln der Persönlichkeit, das Zutagefördern besonderer Begabungen und Fähigkeiten, das Vermitteln von Grundwerten, die Grundlagen für Integration, Kommunikation, soziale Prozesse. Lehrer und Lehrerinnen schaffen die Poleposition bei Kindern und Jugendlichen für das Zurechtkommen in unserer gesamten Lebenswelt.

Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass die Europäische Kommission die Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung auf die Agenda der europäischen Bildungspolitik setzt. Wir sehen darin nämlich eine Chance, die Lehrerbildung strukturell und inhaltlich zu verbessern. Wir sehen darin eine Verpflichtung des Landes, sich dieser Aufgabe umfassend anzunehmen.

Deshalb sehen die Eckpunkte für eine Reform der Lehrerbildung aus unserer Sicht folgendermaßen aus:

Wir treten ein für ein duales Studien- und Ausbildungskonzept mit einer Stärkung der pädagogischen, psychologischen Grundlagenwissenschaften und der Fachdidaktik, ein verstärk tes Einbeziehen der Berufspraxis durch ein verbindliches Praxisjahr. Bildungsstudiengänge werden nach den jeweiligen Altersstufen anstatt, wie bisher, nach Schularten ausgerichtet – das heißt gleichwertig, nicht gleichartig.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Das Staatsexamen als Abschluss des Lehramtsstudiums wird mit dem Bologna-Prozess verbunden, und die Verantwortung des Landes für Lehrerbildung bleibt erhalten.

Es geht uns um eine Lehrerbildung auf hohem Niveau, die flexibel genug ist, um den schulstrukturellen Veränderungen zu entsprechen, egal, wie schnell, wie gründlich und wie umfassend sie kommen. Auch wenn die Landesregierung mittlerweile bildungspolitische Baustellen zuhauf hat und überall auch Mängel erkennbar werden, würde ich Ihnen dringend eine Konzentration auf das Wesentliche empfehlen. Dazu gehört im Sinne einer Bildungsoffensive ganz bestimmt die Lehreraus- und -fortbildung.

(Beifall bei der SPD)

Dann ist da noch etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich jener Bereich der Bildung, der das im Menschen freisetzt, was Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft voranbringt, nämlich Kreativität. Eine Studie des Zentralinstituts für Eu

ropäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, des ZEW, bringt zutage, dass der Erfolg von Unternehmern und Managern zum größten Teil von ihren Soft Skills abhängt. Damit sind nämlich genau die Qualifikationen gemeint, die durch eine kulturelle Bildung erreicht werden und die die Voraussetzung für fast alle in unserer Lebenswelt notwendigen Skills, also Fähigkeiten und Fertigkeiten, sind.

Aus meiner Sicht heißen sie zu Unrecht „Soft Skills“. Man sollte sie passender „Main Skills“ nennen. Das will ich noch einmal betonen. Sie sind ohne die mannigfaltigen Felder der Kultur nicht erfolgreich zu generieren. Deshalb muss auch innerhalb der Lehrerbildung die kulturelle Bildung zur Hauptsache werden, zu Main Skills in den Schulen führen.

In den zurückliegenden Jahren wurden Stunden für Erziehung in den Künsten in den Stundenplänen weggekürzt oder fielen zugunsten der sogenannten harten Fächer aus. Sie wissen, was ich meine – Musik und die ganzen Fächer im Bereich Kultur und Kunst.

Seit einigen Jahren wird aber das, was unter dem breit angelegten Begriff der kulturellen Bildung zusammengefasst wird, wieder interessant, vor allem auch in unseren Nachbarländern, etwa in den Niederlanden, oder in den skandinavischen Ländern, jenen Ländern also, die bei PISA deutlich besser abgeschnitten haben als wir.

Es geht dabei darum, intellektuelle und musische Begabungen auszubalancieren und zu verbinden, das Verständnis für Kulturenvielfalt zu fördern und die ästhetische Urteilsfähigkeit der Kinder zu schärfen und fächerübergreifende Synergien für größere Themenzusammenhänge zu schaffen. Kunst und Kultur schaffen Voraussetzungen für kognitives Lernen – das wissen wir –, vernetztes Denken und kreative Problemlösungspotenziale.

Kulturelle und interkulturelle Bildung stellen eine grundlegende Voraussetzung für Integration dar, und Kultur ist eine verbindende Kraft. Sie schafft nämlich genau jene Schlüsselqualifikationen, ohne die heute kein Betrieb, keine Verwaltung und überhaupt kein Bereich der modernen Wissensgesellschaft auskommt.

Das traditionelle Bildungssystem kann aber diese elementaren Schlüsselqualifikationen ohne speziell darauf vorbereitete Pädagoginnen und Pädagogen, die die Verbindung von Kultur und Bildung herstellen, nicht ausreichend generieren. Deshalb brauchen wir bei fast allen unseren Bildungsbestrebungen eine Wende hin zur Kultur, ich möchte sagen: eine kulturelle Wende. Ohne eine solche kulturelle Wende werden unsere Bildungsbestrebungen und -entwürfe, wie sie so oft in den vergangenen 50 Jahren gemacht wurden, scheitern oder sich in die falsche Richtung entwickeln.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal ganz kurz auf das Einlenken der Regierung zurückkommen, das ich eingangs erwähnt habe. Dieses Einlenken hat auch eine spürbare Implikation der Gemeinsamkeit. Ich denke, das Thema Lehrerbildungsreform ist kein antagonistisches Thema, bei dem es nicht möglich wäre, einvernehmliche Lösungen oder zumindest akzeptable Kompromisse zu erreichen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Mein allerletzter Satz: Zu solchen Kompromissen möchte ich alle Fraktionen und auch die Regierung auffordern, und zwar für eine bessere Bildung, für eine bessere Qualifikation und für bessere Schulen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Kurtz für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schule ist nur so gut wie der Unterricht, und der Unterricht ist nur so gut, wie die Lehrerinnen und Lehrer sind. Frau Heberer, ich glaube, darin sind wir uns einig. Deshalb ist es der CDU ein besonderes Anliegen, dass die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer fundiert und so gut wie möglich ist.

Wir sind uns sicherlich auch darin einig, dass wir, da sich die Gesellschaft ständig verändert, natürlich auch die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer diesen Veränderungen immer wieder anpassen müssen. Das sind wir nicht nur den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern schuldig, sondern das sind wir auch den Hochschulen und den Ausbildungsbetrieben schuldig.

Heute geht es um die Frage der Umstellung der Studiengänge für das Lehramt an Gymnasien auf die gestufte Studien struktur, auf Bachelor und Master, und um die Frage, ob das Staatsexamen aufgegeben werden soll. Zumindest sind dies die Fragen, die Sie in Ihren Anträgen im vergangenen Jahr gestellt haben.

Dabei handelt es sich allerdings nur um die äußere Struktur dieser Studiengänge. Frau Heberer, wir sind uns sicherlich auch darin einig, dass es nicht auf die äußere Form, sondern auf den Inhalt ankommt.

Wir in der CDU-Fraktion sind davon überzeugt, dass sich das Staatsexamen bewährt hat. Es ist von hoher Qualität. Was gut ist, sollte man nicht vorschnell aufgeben, insbesondere dann nicht, wenn es noch offene Fragen gibt. Diese gibt es ganz offensichtlich. Auch in anderen Ländern ist diese Umstellung noch nicht zur Gänze erfolgt. Insofern sind wir dafür, Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen zu lassen und keine Schnellschüsse vorzunehmen.

Bisher wurde nur die Modularisierung dieser Studiengänge vorgenommen. Außerdem wurde das European Credit Transfer System eingeführt. Das ist insofern gut, als die Lehramtsstudiengänge jetzt auch mit den Fachstudiengängen vergleichbar sind. Es gibt gemeinsame Strukturen, gemeinsame Veranstaltungen, vergleichbare Prüfungsinhalte und – was der CDU immer sehr wichtig ist – Durchlässigkeit.

Das halten wir für einen Vorteil im Sinne der Fachlichkeit des Lehramtsstudiums. Die Fachlichkeit halten wir in diesen Studiengängen für ganz wichtig und fundamental, weil wir der Ansicht sind: Wer junge Menschen an den Gymnasien auf ein Hochschulstudium vorbereiten soll, wer sie darauf vorbereiten soll, dass sie sich in der Wissenschaft bewegen, der sollte

selbst diese Luft geschnuppert haben, der sollte entsprechende Kenntnisse haben und auf diesen profunden Kenntnissen aufbauen können.

Fachkenntnisse in Deutsch, Englisch, Mathematik, Physik oder Geschichte – darin sind wir uns wiederum einig – reichen aber natürlich nicht aus; das gilt heutzutage sicherlich ganz besonders. Wir müssen auch von Gymnasiallehrern zunehmend mehr didaktisches und pädagogisches Wissen verlangen; denn wer mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, dabei vielleicht immer mehr auch ganztägig, wer neben der Bildungs- auch zunehmend Erziehungsarbeit leisten soll, wer sich mit Problemen, die in der Familie und in der Gesellschaft entstehen und dann in der Schule auftauchen, beschäftigen und dies alles auffangen muss, der sollte auch über die entsprechenden Kompetenzen verfügen.

Ich glaube, dass wir mit der vorgesehenen Reform der Ausbildung für Gymnasiallehrer auf einem sehr guten Weg sind; denn wir haben meines Erachtens eine gute Mischung aus Fachwissen und erziehungswissenschaftlichem Wissen gefunden.

Wenn man sich anschaut, was alles vorgesehen ist, kann man manchmal fürchten, dass es der Quadratur des Kreises ähneln würde, diesen ganzen Stoff in zehn Semestern zu bewältigen. Es ist ehrgeizig. Aber wir sind davon überzeugt: Es ist notwendig und richtig. Denn wir müssen die angehenden Lehrerinnen und Lehrer auch auf die Praxis vorbereiten. Sie sollen schon sehr frühzeitig feststellen, ob sie von ihrer Persönlichkeit her geeignet sind, ob sie wirklich Freude an dem Beruf haben. Deswegen ist z. B. ein Orientierungstest vor dem Studium vorgesehen. Auch die Praxiserfahrungen über ein Orientierungspraktikum und über ein Praktikum, das bewertet werden soll, sind jetzt sehr viel früher im Studium angesiedelt. Ich glaube, das ist wichtig.

Einen Punkt möchte ich gern noch hervorheben. Wir haben im Land fast so etwas wie Kompetenzzentren für Erziehungswissenschaft. Wir haben in Baden-Württemberg die Pädagogischen Hochschulen aufrechterhalten. Da gibt es ein enormes Wissen und enorme Kompetenzen. Wir möchten gern, dass sich das mehr mit den Universitäten verzahnt und dass hier zusammengearbeitet wird. Man muss nicht alles an den Universitäten noch einmal neu aufbauen. Diese Vernetzung ist der CDU-Fraktion sehr wichtig. Wir möchten die Pädagogischen Hochschulen und die Universitäten wirklich auffordern, hier noch mehr zusammenzuarbeiten und Berührungsängste aufzugeben.

Wir sind sehr zuversichtlich, dass diese Reformen greifen werden. Wir sind auch davon überzeugt – Frau Heberer, Sie haben gesagt, alles solle besser werden –, dass schon heute in den Schulen sehr gute Arbeit geleistet wird und die Lehrerinnen und Lehrer wirklich das Beste geben, was sie können, und ihren Beruf mit viel Engagement und Idealismus ausüben. Ich glaube, was wir brauchen, ist eine noch stärkere Anerkennung dieses Berufs in der Öffentlichkeit.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Wir müssen das Image des Lehrerberufs wieder verbessern und diesen Beruf stärker anerkennen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Es ist vielleicht auch unsere Aufgabe hier im Saal, dafür zu werben. Wir von der CDU-Fraktion sind davon überzeugt, dass das ein wichtiger Baustein für gute Schulen ist; gleichzeitig sind wir aber der Überzeugung, dass die äußeren Strukturen wirklich nur ein Baustein sind. Auf den Inhalt kommt es an.