Helen Heberer

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Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wenn wir eine Konzeption für die künstlerische Entwick lung und Entfaltung im deutschen Südwesten vorlegen, so unterbreiten wir damit zugleich auch eine Konzeption da für, wie die geistigen und kulturellen Grundlagen, die tragfähigen Werte unserer freiheitlichen demokratischen Ordnung, unserer politischen und wirtschaftlichen Frei heit auf Dauer gefestigt und bewahrt werden können und sollen. Dies und vor allem dies ist der wichtigste und vor nehmste Anlass und Grund, warum ich heute mit dieser neuen Kunstkonzeption vor Sie hintrete.
So, meine Damen und Herren, sprach Ministerpräsident Lo thar Späth am 13. Dezember 1989 in seiner Regierungserklä rung zur Kunstkonzeption vor dem Landtag von Baden-Würt temberg.
Diese elementare Bedeutung, diesen Wert misst der aktuelle Ministerpräsident der Kultur offensichtlich nicht bei, sonst wäre er zumindest anwesend.
Im Vorwort zu dieser Kunstkonzeption wird Kultur als integ raler Lebensbestandteil und als eine soziale Notwendigkeit unseres Zusammenlebens definiert, die im Zuge von gesell schaftlichem Wandel und technischem Fortschritt einem stän digen Veränderungsprozess unterworfen ist. In der Tat: Nach 20 Jahren machen eine veränderte Gesellschaft mit einem ver änderten Wertekonsens, ein verändertes Freizeitverhalten der Menschen, eine gänzlich neue mediale Welt, inzwischen völ lig neue Kunstformen, eine in diesem Zeitraum entstandene spürbar andere soziale und wirtschaftliche Situation, verän derte Bildungsgrundlagen und ein anderer Umgang mit dem Faktor Zeit eine Neuorientierung und Neuausrichtung der kul turellen Zielsetzungen in unserem Land notwendig.
Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedarf es noch mehr Mut, als ihn dieser Entwurf bisher zeigt. Denn ihrem eigenen Anspruch nach sind Kultur- und Medienpolitik Ausdruck und Ergebnis einer kontinuierlichen kritischen Diskussion in Par lament und Gesellschaft über unser kulturelles Selbstverständ nis, über legislative Maßnahmen zum Schutz und zur Förde rung der Künste und über die Voraussetzungen einer freien und pluralistischen Kulturlandschaft.
Was also sind nun die neuen Aspekte für eine Fortschreibung der Kunstkonzeption? Ein Zukunftsentwurf? Eine politische Willenserklärung?
Mit der Kunstkonzeption von Hannes Rettich betrat das Land Baden-Württemberg Neuland in Sachen Kulturpolitik. Zum
ersten Mal wagte es ein deutsches Bundesland, Kultur poli tisch zu thematisieren. Schwerpunkt bildete damals neben ei ner Bestandsaufnahme der Ausbau der kulturellen Infrastruk tur. Zahlreiche Gründungen von Kulturinstitutionen folgten.
Nach dem Einzelwerk Rettichs liegt nun, 20 Jahre später – Herr Palm hat es angesprochen –, ein Gemeinschaftswerk, der Entwurf „Kultur 2020“, vor uns, der in einem offenen Dialog zwischen Ministerien, einem – übrigens eigens eingerichte ten – Kunstbeirat, den Kulturinstitutionen, den Kulturschaf fenden und den Vertreterinnen und Vertretern der Landtags fraktionen entstanden ist. Einzig die Kommunen und der Städ tetag als wichtige Partner für das Land und als kommunale Träger der Kultur fehlten in dieser Runde. Das ist bedauer lich.
Dennoch signalisierte diese Kooperation, dass auf einer ge meinsamen Ebene ein Zusammenwirken von Politik, Verwal tung und Machern durchaus möglich ist. Deshalb auch ein Kompliment und ein Dank an alle Akteure, dass dies so kon struktiv gelungen ist.
Diese Zusammenarbeit macht nämlich Hoffnung darauf, dass ein intensiver und konstruktiver Dialog auch in die Zukunft wirkt, neue Vernetzungen ermöglicht und auch schwierige Haushaltslagen auf dieser Basis meistert. Man muss diese Zu sammenarbeit nur mit Mut ausbauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, „Kultur 2020“ beschreibt – neben einer aktuellen Bestands aufnahme unseres an hochrangigen Einrichtungen reichen Landes und der breiten Vielfalt an kulturellen Initiativen – auch neue Aufgabenfelder. So weisen z. B. auch die Empfeh lungen des Kunstbeirats, der sich aus Vertreterinnen und Ver tretern nahezu aller Kunstsparten zusammensetzte, zukunft weisende kulturpolitische Zielsetzungen auf, die auch in die ser Konzeption als wichtige Schwerpunktthemen berücksich tigt sind, wie beispielsweise die kulturelle Bildung – sie wur de schon angesprochen – und die Interkultur, also die Verbes serung der Partizipation von Migrantinnen und Migranten am kulturellen Leben in Baden-Württemberg. Zu verstärken wä ren aus unserer Sicht der Bereich „Kultur und demografischer Wandel“, aber auch die Kreativwirtschaft, Bereiche, die deut lich den gesellschaftlichen und technisch-wirtschaftlichen Wandel signalisieren und neu gestaltet werden müssen.
Kultur ist Voraussetzung für Lernen und Bildung. Lernen und Bildung sind Voraussetzung für Kultur. Kulturvermittlung ist Wertevermittlung. Ich sage dies ausdrücklich, weil ich damit auch eine Antwort auf den Wortbeitrag von Frau Vossschulte in der gestrigen Bildungsdebatte geben will. In diesem Sinn ist übrigens auch der betreffende Entschließungsantrag zu ver stehen, den SPD und Grüne zur heutigen Beratung vorgelegt haben. Ich sage dies auch vor dem Hintergrund der Streichung beispielsweise von Musik- und Kunstunterricht an unseren Schulen. Hierbei stehen die Zahlen des Musikrats im Raum, nach denen 80 % des Musikunterrichts an deutschen Grund schulen ausfallen oder fachfremd unterrichtet werden. Hier besteht in allen Schularten Handlungsbedarf.
Uns ist eine sinnvolle Vernetzung der Bereiche Bildung und Kultur auf politischer und institutioneller Ebene wichtig, et wa über die Beschäftigung eines Kunstbegleiters oder -koor dinators an der Schule – das wurde schon von Herrn Palm an gesprochen –, um eine Stärkung der musischen Fächer, näm lich darstellendes Spiel, Musik und Kunst, zu erreichen. Die angesprochene Vernetzung ist aber auch wichtig, um eine ge zielte Ausbildung der Lehrer sowie der Künstler und der Mit arbeiter an Institutionen zu erreichen, die in die Programme zur kulturellen Bildung eingebunden sind. Denn wie sollen Kunst, Musik, Theater, Tanz und Literatur auf hohem Niveau an Kinder vermittelt werden, wenn die Lehrer und Lehrerin nen in diesen Fächern quasi nur noch nebenher ausgebildet werden?
Auch die Frage der Zuständigkeiten muss auf den Prüfstand gestellt werden. Denn es sind gleich mehrere Ministerien und noch die vier Regierungspräsidien, die in den Bereichen Bil dung, Kultur, Interkultur und Soziales auf unterschiedlicher und eben nicht auf gleicher Ebene agieren.
Ergänzende Anträge, die in großem Konsens und größtenteils fraktionsübergreifend gestellt werden, werden die notwendi gen Handlungsfelder besonders aufzeigen.
Eine weitere große Herausforderung sind die unterschiedli chen Kulturen, aus welchen sich unsere heutige Gesellschaft zusammensetzt. Die immer wichtiger werdende interkulturel le Arbeit muss auf einem Austausch beruhen, bei dem unsere Kulturinstitutionen einerseits Besucher aus anderen Kultur kreisen zu erreichen versuchen, sich andererseits aber auch selbst anderen Formen und Inhalten öffnen.
Bei der Teilhabe wird meist nur die Rezipientenseite, also das Publikum – die Besucher –, betrachtet. Kulturelle Beteili gungsprojekte mit Migrantinnen und Migranten stehen zu we nig im Blickpunkt. Hierbei wird die gemeinschaftsbildende Kraft der Kunst, die in hohem Maß zum Integrationsprozess beitragen kann, noch immer weit unterschätzt.
Ein wichtiger, aber zu wenig berücksichtigter Themenkom plex ist „Kultur und demografischer Wandel“. Vor dem Hin tergrund einer im Durchschnitt zunehmend älter werdenden Gesellschaft sind inhaltliche, ästhetische und infrastrukturel le Konsequenzen einzuplanen. Der dritte Lebensabschnitt der Menschen, die Zeit nach dem Berufsleben, ist längst kein be schauliches Rentnerdasein mehr, sondern voller Aktivitäten mit Sport und Kultur.
Herr Noll hat recht. – Hier liegen Chancen und Aufgaben für unsere Kultureinrichtungen, auch in der Betrachtung des Aspekts des lebenslangen Lernens und der Partizipation an künstlerischen Prozessen. In beiden Bereichen spielt übrigens die Laienkultur, deren Grenzen zum Profibereich immer flie ßender geworden sind, zunehmend eine Rolle.
Auch zum Thema Kreativwirtschaft fehlen in dem vorliegen den Entwurf konkrete politische Weichenstellungen und Kon zepte. Mit der Kreativwirtschaft tut sich ein völlig neues Feld auf. Sie ist ein wichtiger Motor für wirtschaftliche Dynamik. Allein im Jahr 2008 erzielten die rund 240 000 Unternehmen
der Branche bei einem bundesweiten Umsatz von 132 Milli arden € eine Bruttowertschöpfung von 63 Milliarden €. Die se wirtschaftlichen Potenziale müssen in unserem Land weit besser erschlossen werden. Hier sind Strukturförderprogram me aufzulegen und Infrastrukturen für Unternehmensgrün dungen zu schaffen.
Ich habe aus dem großen Themenkanon eines umfassenden konzeptionellen Entwurfs die beiden uns allen sehr wichtigen und großen Schwerpunktthemen herausgegriffen, die auch der Kollege Palm angesprochen hat: kulturelle Bildung und Inter kultur. Ich habe aber auch auf zwei Bereiche hingewiesen, die trotz ihres Zukunftspotenzials wenig Berücksichtigung fan den: der demografische Wandel und die Kreativwirtschaft.
Positiv anmerken möchte ich etwas, was ganz unscheinbar in vier Zeilen innerhalb des Textes steht, aber dennoch eine sehr große Strahlkraft für Baden-Württemberg entwickeln kann und mich ganz besonders freut: die Unterstützung von Bewer bungen aus dem Land für den Wettbewerb um die Kultur hauptstadt Europas. Diese Unterstützung zeigt den Ehrgeiz ei nes stolzen kulturreichen Landes, sich dem europäischen Kul turwettbewerb zu stellen.
Ich möchte einen weiteren, gar nicht unscheinbaren Punkt er wähnen: Sämtliche Parlamentarierinnen aller Fraktionen die ses Hauses haben sich dafür eingesetzt, dass kulturschaffen de Frauen in der Landeskunstkonzeption berücksichtigt wer den. Denn in allen Kultursparten ist eine große Anzahl von Frauen vertreten, die auch auf diesem Feld vollständige Gleichberechtigung und Chancengleichheit erwarten dürfen – dies besonders mit Blick auf Leitungspositionen in den Kul turbetrieben –, aber auch Möglichkeiten zu ihrer Förderung in der Kultur. Dazu wollen wir ihnen verhelfen, und zwar mit den Männern.
Ich weiß. Ich komme gleich zum Ende.
Jawohl. Ich habe noch eine Se quenz.
Ausbaufähig ist aus unserer Sicht der Bereich der Literatur, der trotz weitreichender Wirkung des Stuttgarter Literaturhau ses wie auch der in Freiburg entstandenen Initiativen, trotz ei nes hervorragenden Schriftstellerverbands – von ihm können sich andere Länder eine Scheibe abschneiden –, trotz exzel lenter Bibliotheken und einer Stuttgarter Akademie, in der man die Kunst des gesprochenen Wortes pflegt, in der Kon zeption eher zurückhaltend berücksichtigt wird.
Auch die zeitgenössische Musik sollte im Konzept noch mehr in den Vordergrund treten. Ohne sie läuft die Oper als Kunst
form, das Konzert Gefahr, auf die Werke des traditionellen Kernrepertoires reduziert zu werden.
Zukunftsfähige Ensembles – –
Jawohl, ich bin gleich fertig.
Insgesamt ist allen zu danken, die mit dazu beigetragen ha ben,
dass ein solch umfassendes, gemeinsames Konzept hat ent stehen können.
Man kann also von einem Gemeinschaftswerk sprechen, das in der Erfassung zwar gelungen ist, aber in der mutigen Ziel setzung unvollständig geblieben sein mag.
Es fehlen der Mut und der Wille zur strukturellen Verände rung gerade bei selbstgemachten Problemen. Ich meine damit die Zuschnitte der Ministerien, zwischen deren abgegrenzten Bereichen manche Initiative oftmals zum Erliegen kommt.
Jawohl. Ich beende meine Rede, und zwar mit einem Zitat des großen Malers und mutigen Ver änderers Pablo Picasso.
Kunst muss sein. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Picas so sagte:
Es gibt den Maler, der aus der Sonne einen gelben Fleck macht, aber es gibt auch den, der mit Überlegung und Geschick aus einem gelben Fleck eine Sonne macht.
Möge die Konzeption „Kultur 2020“ die Kraft der Sonne über unsere Kultur in Baden-Württemberg entwickeln, die sie für die Zukunft braucht.
Ich danke Ihnen für Ihre große Aufmerksamkeit.
Herr Staatssekretär, Fusionsver handlungen, wie sie im Moment stattfinden, finden auch in anderen Bundesländern statt. Dort versucht man vonseiten der jeweiligen Landesregierung durchaus, die Standorte zu si chern. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, für Baden-Württemberg den Standort zu halten, nachdem – ich ergänze jetzt Ihre Ausführungen – in der Zwischenzeit die zu nächst erweiterte Sanierungsversion wieder abgespeckt wur de und sich die Sache finanziell etwas günstiger darstellt?
Meine Frage geht in eine ähnli che Richtung: Welche Möglichkeiten sehen Sie, im laufenden Prozess vonseiten des Landes deutliche Signale für ein Inter esse am Erhalt dieses Standorts zu senden? Das wäre ein gro ßes Anliegen.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage der FDP/DVP-Fraktion klärt viele Sachverhalte, verweist auf eine stolze und kreati ve Theaterlandschaft in unserem Land und zeigt doch auch Schieflagen auf, die wir im Auge behalten und auf Dauer be seitigen müssen.
Untersucht wurden die staatlich geförderten Theater und Opern in Baden-Württemberg, aber nicht die freie Theater szene und die sonstige Kunstszene.
Ich weiß es. Deshalb gehe ich jetzt nur auf die Kunstberei che, die Gegenstand dieser Anfrage sind, und nicht auf die an deren Kunstbereiche ein. Das wollte ich damit erklären.
Im Vergleich mit anderen Ländern belegen wir bei der Anzahl der Veranstaltungen und bei der Besucherauslastung die obe ren Plätze. 14 Bühnen in Baden-Württemberg bieten mit
knapp gleich vielen Veranstaltungen für nahezu ebenso viele Besucher gutes Theater, wie es z. B. in Bayern 20 Bühnen ver mögen. Das heißt, es ist insgesamt effizient, bei hohem künst lerischem Anspruch.
Dabei profitieren die großen Mehrspartenhäuser auch durch das Zusammenwirken der eigenen Sparten. Es sei mir die Be merkung erlaubt, dass von den sieben erwähnten Dreisparten häusern in Baden-Württemberg eines in Wirklichkeit vier Sparten betreibt, nämlich das in Mannheim als bundesweit größtes Vierspartenhaus in kommunaler Trägerschaft.
Das muss ich als Mannheimerin hier einmal sagen.
Die Schieflage zeigt sich jedoch in einem Bereich, der die Zu kunft unserer Theater auch wesentlich bestimmen wird, näm lich in der Partizipation und der Gewinnung des Nachwuch ses. So erfahren wir, welches kulturpolitisch wichtige Ziel die Landesregierung damit verfolgt, dass – wohlgemerkt: offen bar nur durch die Unterstützung der Regierungsfraktionen – für die Jahre 2007 und 2008 zusätzliche Mittel in Höhe von 80 000 € für die kulturelle Bildung von Jugendlichen im The aterbereich zur Verfügung gestellt werden. 80 000 € für 19 Bühnen! Es sei die Frage erlaubt, wie die Mittel verteilt wer den, um überhaupt einen sichtbaren Nutzen damit zu erzielen. Mit Verlaub: Das, was da geschieht, ist zu wenig. Es ist ein Nasenwasser, bei dem einem allenfalls die Tränen kommen.
Jedoch soll künftig die Zusammenarbeit zwischen Schulen und professionellen Theatern verstärkt gefördert werden.
Das kommt noch. – Hierfür sind zusätzliche Mittel von 100 000 € aus dem Sonderprogramm „Stärkung der Kunst in der Fläche“ für ganz Baden-Württemberg vorgesehen. Noch so ein Tropfen auf den heißen Stein. Sind das möglicherwei se sogar die Mittel, die aus dem Topf für die freie und Laien szene genommen werden? Das ist mir noch nicht ganz klar. Welche Programme sind für die Städte vorgesehen – diese Frage stellt sich –, und welche Strukturen sind für diese Ein zel- und Modellprojekte überhaupt vorgesehen?
Gleichzeitig entnehmen wir der Antwort der Landesregierung, dass es regelmäßig zusätzliche finanzielle – ich möchte es so nennen – Sahnehäubchen für ohnehin schon gut subventio nierte Häuser gibt, und zwar durch die Landesstiftung. Ich be tone: Das sei wirklich allen von Herzen gegönnt, aber das zeigt natürlich auch eine Schwerpunktsetzung der Landesre gierung auf.
Es werden künstlerische Projekte mit einer zusätzlichen Son derförderung von 7,9 Millionen € durch die Landesstiftung unterstützt, und damit setzt man Schwerpunkte – aber einsei tige. Sie behaupten aber, dass Sie Schwerpunkte im Kinder- und Jugendbereich setzen. Das können Sie doch nicht ernst meinen. Bei dem wichtigen kulturpolitischen Ziel, das die Landesregierung auf dem Feld der kulturellen Bildung ver folgt, kann man Ihnen gar nicht glauben, dass Sie mit diesen Beträgen Schwerpunkte setzen, vor allem nicht, wenn man sich folgende Zahlen ansieht.
Machen wir ein Rechenbeispiel: Nach Angaben des Statisti schen Landesamts werden für Kultur in Baden-Württemberg insgesamt 350 Millionen € ausgegeben, 1 % der Gesamtaus gaben des Landes überhaupt. Das entspricht 33 € pro Jahr und Einwohner. Die in den Kulturausgaben enthaltenen 117 Mil lionen €, die für die Theater ausgewiesen sind, entsprechen 11 € pro Einwohner. Stelle ich dem die 180 000 € für die Kin der- und Jugendarbeit im Theaterbereich gegenüber, über die ich eben gesprochen habe, dann komme ich auf 1,6 Cent pro Einwohner, also 0,016 €.
Rechnen wir jetzt einmal andersherum: Angenommen, wir gä ben 10 Cent pro Einwohner für diese wichtige Aufgabe aus. Dann wären das 1 125 000 € für die Kinder- und Jugendar beit. Würden wir 1 € pro Einwohner ausgeben, kämen wir auf eine Summe von 11 250 000 €. Das sind die Beträge, die ei ne Schwerpunktsetzung erahnen ließen. Ich möchte an Sie ap pellieren, sich an dieser Größenordnung zu orientieren.
Das Problem ist aber: Diese Haltung wird sich vermutlich dann rächen, wenn den Häusern künftig die Besucher weg bleiben. Das könnte schon in zehn oder 15 Jahren der Fall sein, nämlich dann, wenn die nicht mehr kommen, die heute auch nicht eingebunden sind.
Für uns stellt sich ganz einfach die Frage, mit welchen Mit teln und welchen Angeboten die Theater ihre eigene Zukunft sichern können. Dies gelänge durch das Erschließen neuer Be suchergruppen, z. B. mit Angeboten der aktiven Mitgestaltung für Kinder und Jugendliche, mit speziellen Vorstellungsfor men für sie, aber auch durch Angebote für und mit Migran ten. Im Übrigen gilt es unter dem Vorzeichen des demografi schen Wandels, auch das Stammpublikum zu halten. Senio ren sind nicht mehr so gern sehr spät am Abend unterwegs. Auch da muss man sich etwas Neues einfallen lassen.
Bei diesen Aufgaben muss das Land die Bühnen unterstützen; denn es hat dabei eine wichtige Gestaltungsaufgabe. Nehmen Sie das jetzt entschlossen in die Hand, bevor es zu spät ist, und verbessern Sie die Rahmenbedingungen für die theater pädagogische Arbeit an den Bühnen nachhaltig! Wir fordern das schon lange.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Während zurückliegende Haushaltsberatungen immer wieder Befürchtungen aufkommen ließen, dass Kultureinrichtungen in Einsparrunden gezwängt würden, scheinen sich in diesem Haushalt – besonders auch vor dem Hintergrund der finanziellen Situation – Einsicht und Anerkennung des Wertes von Kunst und Kultur in unserem Land durchzusetzen –
sicherlich auch durch Zutun der Opposition.
Vielleicht mögen aber auch manche peinliche kulturpolitische Panne in dieser Legislaturperiode und die Angst vor einem weiteren Imageverlust auf diesem Feld dazu beigetragen haben, dass die Entscheidungsträger dem Thema Kultur in Baden-Württemberg insgesamt eine eher besänftigende und entgegenkommende Note beimaßen.
Die Fortführung des von der Landesregierung auf den Weg gebrachten Sonderprogramms zur Stärkung der Kunst in der Fläche, von welchem die Klein- und Figurentheater, die frei
en Theater, die Kunstvereine und die soziokulturellen Zentren profitieren, ist sehr, sehr löblich.
Sanierungen oder Neubauten wie beim Probenzentrum des Staatstheaters Stuttgart, bei der Musikhochschule in Karlsruhe, die Generalsanierung des Landestheaters Tübingen, die Ausweitung der Studienangebote an den Kunsthochschulen und auch an der Mannheimer Popakademie sowie Anpassungen bei den kommunalen Theatern zur Bewältigung von Kostensteigerungen durch Tarifanpassungen sind wirklich hervorragend.
Unsere Anträge, unsere Anfragen und Anregungen in diese Richtung mögen mit dazu beigetragen haben.
Sie haben sie weitgehend umgesetzt. Ganz herzlichen Dank dafür. – Herr Palm, wir wissen beide, wovon wir reden, ganz sicher.
Die Zuschussempfänger im Kulturbereich sind für diese Unterstützung dankbar und hoch motiviert, ihr Bestes zu geben.
Dennoch – darauf möchte ich auch hinweisen – bleiben in bestimmten Bereichen der Kulturszene Positionen offen, die manche Einrichtung noch ums Überleben kämpfen lassen. Um nur ein Beispiel herauszugreifen, will ich das Theater „Tempus fugit“ in Lörrach nennen,
das mit einem herausragenden Engagement im Kinder- und Jugendbereich Hervorragendes leistet und viel, viel bewegt. Davon brauchen wir mehr. Diese Einrichtungen kämpfen wirklich ums Überleben.
Doch trotz mancher spürbarer Verbesserungen weist der Einzelplan 14 im Kulturbereich keine eindeutige Signatur aus. Nach wie vor geht es der Landesregierung in erster Linie um den Erhalt und den Ausbau traditionsreicher Einrichtungen. Das ist auch ganz richtig so. Sie erkennt auch zunehmend die Möglichkeit, die die freie Kulturszene bieten kann, und beginnt, sie auch besser auszustatten. Das ist ebenfalls sehr zu begrüßen.
Nach wie vor erkennt sie aber nicht die enormen Potenziale gerade im Medienkunstbereich in Baden-Württemberg, und nach wie vor werden die wichtigsten Zukunftsthemen im Kulturbereich nicht konsequent genug ergriffen: die interkulturelle Arbeit, die kulturelle und ästhetische Bildung und eine konsequente Unterstützung der Kreativwirtschaft. Das sind Themen, die im Haushaltsplanentwurf nicht vorkommen, meine Damen und Herren.
Insgesamt fehlt nach wie vor eine klare baden-württembergische kulturpolitische Schwerpunktsetzung, die nach innen
und nach außen den kulturellen Anspruch und eine eigene Zielsetzung des Landes erkennbar macht. Vergleiche mit anderen Bundesländern würden die Unterschiede sehr deutlich zutage treten lassen. Dabei ist auffällig, meine Damen und Herren, dass sich die Empfehlungen des Kunstbeirats, den die Landesregierung extra zur Vorbereitung einer neuen Landeskunstkonzeption einberufen hat, in keiner Weise erkennbar im Haushaltsentwurf wiederfinden. Wofür also die wertvollen Hinweise, wenn man keine Spielräume einräumt, um sie umzusetzen?
Es gibt kaum einen Wortbeitrag aus der SPD-Fraktion zur Kultur, der nicht immer wieder auf die genannten, aber von Ihnen nicht erkannten Felder hinweist. Auch der Kunstbeirat formuliert folgendermaßen:
Die Zukunft der Kultur ist interkulturell. … Darauf muss die Kulturpolitik reagieren.
Er warnt:
Soziale und kulturelle Ausgrenzung gehen … Hand in Hand.
Und er fordert mit konkreten Beispielen die aktive Teilhabe an der demokratischen Gesellschaft durch Kultur.
Auch die kulturelle und ästhetische Bildung sehen die Experten als staatliche Aufgabe und gleichwertigen Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schulen angesichts – ich sage dies mit Nachdruck – dramatisch schwindender Schulstunden in diesen Fächern.
Warum geben Sie diesen richtungweisenden Appellen des Kunstbeirats im Haushalt keinen Raum?
Die Experten und die Kunstkommissionen geben praxisnahe und umsetzbare Hinweise zur Musik, zum Theater, zur Festivallandschaft, zur Auslobung von Staatspreisen, zu notwendigen Beraterstrukturen und einem professionellen Management privater Kunstförderung, zur Museums- und Sammlungspolitik, zur Literaturförderung, zu den Theatern und den audiovisuellen Medien.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie der Kulturpolitik ein eigenes baden-württembergisches und zukunftsgerichtetes Profil, das den kulturellen Reichtum unseres Landes, die Kreativität unserer Kulturschaffenden und die integrierenden Kräfte der Kunst und Kultur in ein sinnvolles und kraftvolles Ganzes zum Wohl unseres Landes führt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt dargestellt, wie die Verhältnisse sind. Welche politischen Möglichkeiten sieht die Landesregierung, über diese schrittweise Erhöhung hinaus eine Verhältnismäßigkeit herzustellen, die zum derzeitigen Zeitpunkt nicht besteht, weil die Berechnungsgrundlagen z. B. Raumgrößen, Orchestergrößen usw. nicht berücksichtigen, sondern es Pauschalen gibt, die die Veranstalter schon jetzt an ihre Grenzen bringen?
Ich nehme einmal ein ganz einfaches Beispiel. Welche Möglichkeiten sehen Sie beispielsweise für Proben von Tanzgrup
pen? Für die Proben müssen GEMA-Gebühren bezahlt werden. Das ruiniert einen Teil der Vereine. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diesen Kahlschlag im Kleinkunstbereich, im Band- und Orchesterbereich, der sich aufgrund dieser Erhöhungen prognostizieren lässt, zu verhindern? Es muss ein Anliegen des Landes sein, einer solchen Entwicklung mit aller Kraft politisch entgegenzutreten.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal von unserer Seite einen herzlichen Dank für diesen umfassenden Bericht zur Musikwirtschaft in Baden-Württemberg, auch wenn hier offenbar keiner weiß, was er damit machen soll.
Der Bericht zeigt die Stärken eines traditionell kulturreichen Landes auf. Er zeigt aber – wenn man genau liest – auch die Handlungsnotwendigkeiten auf, die zur Stärkung und Ausweitung dieser wichtigen Zukunftsbranche führen. Er würde uns an mancher Stelle mit Baden-Württemberg-spezifischen Daten wahrscheinlich jedoch etwas besser helfen – nämlich da, wo nur bundesweite Zahlen enthalten sind –, Prozesse konkreter zu steuern.
Zunächst ist aber festzustellen, dass es sich bei der Musikwirtschaft um einen umfassenden Branchenkomplex handelt, für den entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Die Begründung der Anfrage legt ja auch dar, dass ein kritischer Blick auf die bisherigen Förderpraktiken nötig ist.
Wenn es um die Wirtschaftserlöse allein im Musikbereich in Baden-Württemberg geht – das sind derzeit die hier schon erwähnten 490 Millionen € –, wird deutlich, welchen Stellenwert die Musikwirtschaft in unserem Land bereits erlangt hat. Die Zahl der Firmengründungen im Kreativwirtschaftsbereich nimmt überhaupt stetig und in besonderem Maße zu. In der Bruttowertschöpfung ziehen die Kultur – das ist wichtig – und die Kreativwirtschaft, an der die Musikwirtschaft natürlich einen ganz beträchtlichen Anteil hat
Herr Kollege Walter, das ist auch für Sie wichtig –, inzwischen mit dem Maschinenbau und der Autoindustrie gleich. Der kreative Bereich hat im Übrigen die chemische Industrie bereits überholt. Im kreativen Bereich werden nämlich im Land derzeit mehr als 26,4 Milliarden € erwirtschaftet.
Wichtig ist dabei aber, dass die häufig projektabhängige und vernetzte Form der Arbeit zunehmend auf andere Wirtschaftsbereiche übergreift. Sie veranschaulicht dadurch modellhaft interdisziplinäre moderne Wirtschaftsprozesse. Dies kann als Innovationspotenzial für die gesamte Wirtschaft betrachtet werden, wenn man sie intelligent nutzt. Ich glaube, das müssen wir tun und auch davon lernen.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann stellt hierzu fest:
Es ist ein absolutes Novum, nicht nur für die Bundesrepublik, sondern in ganz Europa, dass die Ressorts für Wirtschaft
Herr Wirtschaftsminister –
und Kultur Hand in Hand arbeiten, um die Kultur- und Kreativwirtschaft zu stärken, eine der wichtigsten Zukunftsbranchen in Deutschland.
Entscheidend im Musikbereich ist durch den enormen Zuwachs an elektronischer Bearbeitung und Verbreitung eine Steigerung des Umsatzes und des Exports bei gleichzeitigem Rückgang der Beschäftigtenzahlen. Auch im Theater- und Orchesterbereich verzeichnen wir Rückgänge im Personalbereich. Gleichzeitig aber verzeichnen wir laut der Vorlage eine Zunahme – hier wird es interessant – an freier Beschäftigung und der Zahl geringfügig Beschäftigter. Was wir jedoch brauchen, sind existenzfähige Arbeitsplätze und Unternehmen. Das war auch der Sinn Ihrer Anfrage.
Aber – jetzt kommt es – diese können wir nur durch die richtige Förderstruktur sichern. Kreative Dienstleistungswirtschaft braucht aber andere Strukturen, als wir sie aus dem Maschinenbau, der Autoindustrie usw. kennen. Musikwirtschaft ist in der Regel kleinteiliger, und Kreativwirtschaft ist im Übrigen in der Regel auch weiblicher.
Denn der Anteil der Frauen bei der Gruppe der Selbstständigen in diesem Bereich ist mit ca. 40 % überdurchschnittlich hoch. Zum Vergleich: Der entsprechende Anteil in der Gesamtwirtschaft liegt bei etwa 7 %. Wir fördern da also ein ganz besonderes Potenzial.
Wir brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, andere Maßnahmen und andere Formen für die Vergabe von Projektmitteln und Krediten. Wir brauchen Vernetzungen zwischen den Unternehmen und verschiedenen institutionellen Ebenen in Hochschulen und Know-how-Transfer, wie dies bereits – Herr Löffler hat es angesprochen – mit der Popakademie in Mannheim begonnen wurde. Der Erhalt der Unabhängigkeit und Flexibilität der funktionierenden Verbände, Netzwerke und der bestehenden regionalen Cluster muss dabei unbedingt gewährleistet bleiben.
Der Schlussbericht der Enquetekommission des Bundestags „Kultur in Deutschland“, über die wir hier schon oft gesprochen haben, umfasst allein mehr als 30 konkrete Handlungsempfehlungen, die der Entwicklung der Kreativwirtschaft dienen. Packen wir es also an! Es geht dabei um eine Bündelung der Kräfte, um die Beachtung europäischer Komponenten und um ein intelligentes Unterstützungskonzept mit und – ganz wichtig für Baden-Württemberg – zwischen den beteiligten Ministerien. Daran arbeiten mehrere, und die müssen auch miteinander kooperieren. Nur dann können wir uns als global führender Kreativstandort positionieren.
Noch etwas zum Schluss. Es geht, wie immer in der Kunst, auch um das Klima, um die Atmosphäre, die Entwicklung und Wachstum in diesem Bereich begünstigen. Im „Handelsblatt“ konnte man kürzlich in einer ganz kleinen Spalte lesen, dass Kommunen, in welchen Kunst und Kreativität einen hohen Stellenwert haben, einen spürbaren Zuwachs an Wirtschaftsunternehmen verzeichnen können. Bereits das Vorhandensein kultureller Erlebnis- und Entfaltungsmöglichkeiten, …
… und zwar nicht nur im Musikbereich, sondern auch sonst, scheint also Unternehmensgründer jedweder Branche in besonderem Maße anzuziehen.
Also: Wo liegen die Potenziale, wo die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten für diesen Wirtschaftsbereich in BadenWürttemberg? Welche Hilfen sind nötig, welche Rahmenbedingungen, welches Klima, welche Atmosphäre begünstigen Entwicklungen und Wachstum in diesem Bereich?
Wenn wir diese Fragen intelligent und kreativ beantworten können und vor allem auch danach handeln, können wir in Baden-Württemberg in einem der wichtigsten Wirtschaftszweige der Zukunft an der Spitze sein. Das hoffe und wünsche ich für uns alle.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist Soziokultur, und was leisten soziokulturelle Zentren in unserem Land? Um nach einer sich auf diese Frage konzentrierenden Bestandsaufnahme die richtige Förderstrategie aufzubauen, ist der heutige Diskurs notwendig.
Kultur hat in unserem Land eine eminent wichtige Aufgabe. Kunst und Kultur sind nicht nur die Grundlage für Wissens- und Wertevermittlung, sondern auch eine notwendige Klammer im Prozess der Integration sozialer und nationaler Gruppierungen und unterschiedlicher Altersgruppen. Sie wirkt nämlich gemeinschaftsbildend und vermag dadurch, Parallelgesellschaften zu verhindern.
Kultur ist kein Ornament. Sie ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut.
So heißt es im Vorwort des Berichts der Enquetekommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“. Soziokulturelle Zentren geben in diesem Sinne Anstoß für soziale, politische und kulturelle Lernprozesse und fördern die Entfaltung kreativer Talente
durch kulturelle und künstlerische Initiativen, und sie bieten so die Möglichkeit zu Partizipation und Interaktion. Sie bie
ten einen individuellen, quartierbezogenen und vor allem niederschwelligen Zugang zur Kultur, und das seit mehr als 30 Jahren. Dabei sind aus meiner Sicht die Anforderungen im ländlichem Raum und in den Großstädten völlig unterschiedlich. Das wurde hier erwähnt. Während sie im ländlichen Raum einen unverzichtbaren Beitrag zur kulturellen Grundversorgung leisten, müssen in den Ballungsräumen mehr und mehr soziale Aufgaben und ergänzende Angebote zu Schule und Ganztagsbetreuung aufgegriffen werden.
Hier gehört die Teilhabe nicht deutscher Bevölkerungsgruppen zu den wichtigsten Zielen. Dabei ist festzustellen, dass die soziokulturellen Zentren gerade auf diesem Feld über eine größere Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft verfügen als die, die derzeit – aus Mangel an finanziellen Mitteln – abgerufen werden.
Dieser unterschiedlichen Aufgabenstellung im ländlichen und im städtischen Raum muss zwingend auch in unterschiedlicher Weise Rechnung getragen werden, und es müssen entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden.
Nach wie vor trifft es zu, dass nicht alle soziokulturellen Aktivitäten, die – wie in der Vorlage erwähnt – zur flächendeckenden Verbreitung beitragen, auch vom Land gefördert werden, weil sie nämlich niemals in den Klub, sprich in die Landesarbeitsgemeinschaft, aufgenommen wurden.
Was aber ist der Status quo der bestehenden 54 Zentren im Land? Zwei zentralen Punkten müssen wir uns bei der Förderung der soziokulturellen Zentren zuwenden.
Der eine Punkt: Für dringend notwendige Sanierungs-, Um- und Ausbaumaßnahmen wurden 5 Millionen € beantragt. Diesem Bedarf könnte mit der Einrichtung eines einmaligen Baumittelsondertopfes abgeholfen werden. Dies wurde in der Vergangenheit durch Staatssekretär Dr. Birk bereits in Aussicht gestellt, und auch die Fraktionen gaben hierzu gegenüber den Vertretern der Landesarbeitsgemeinschaft einstimmig Absichtserklärungen. Die Höhe der Mittel des Sondertopfes wurde allerdings nicht festgelegt. Hier scheint es nun möglich, wie wir heute hören, über den Landesetat hinaus Mittel in Höhe von 2 Millionen € aus dem Konjunkturprogramm II einzusetzen, die ja durch den Kulturstaatsminister im Übrigen um weitere 100 Millionen € für die Kultur erhöht wurden.
Zweiter Akzent: Die laufende Förderung muss angepasst werden. Allein für die angestrebte Förderung im Verhältnis 2 : 1 – – Hier wurde angemerkt, dass mit einem Schlüssel gearbeitet wurde. Herr Palm, da möchte ich ganz besonders auf Ihren Beitrag Bezug nehmen. Der Schlüssel hat den Sinn, dass die Zentren eine Verlässlichkeit bei der Mittelzuweisung haben. Die Aufgaben haben sich verändert. Auch wenn die Kommunen die Mittel aufgestockt haben, muss das Land mitziehen, weil Aufgaben zusätzlich übernommen wurden. Ich habe das besonders für den großstädtischen Raum ausgeführt. Aber auch im ländlichen Bereich hat sich da einiges geändert.
Es fehlen bei dieser Förderung derzeit 820 000 €, wenn man diesen Schlüssel anwendet. Das Land hat für 2009 jedoch le
diglich 150 000 € zusätzlich eingeplant, sodass in der Differenz ca. 670 000 € fehlen. In den folgenden Jahren 2010 und 2011 schreibt sich dieser Fehlbedarf bei den Zentren auf 970 000 bzw. 990 000 € fort. Der Anteil des Landeszuschusses sinkt prognosegemäß in den Folgejahren auf unter 28 %, während er z. B. im Jahr 2006 noch 37,5 % betrug. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Auch wenn die Messe noch nicht gesungen ist, wie dies Herr Palm in einer gemeinsamen Sitzung mit den Vertretern der LAKS noch im Mai dieses Jahres zum Ausdruck brachte – damit wies er natürlich darauf hin, dass die Landesregierung noch mitten im Prozess der Mittelverteilung ist –, so können wir im Anschluss an eine ausführliche Würdigung, die wir hier in der Tat vornehmen, den Zentren in diesem Land, die eine sozial, kulturell und gesellschaftlich wichtige Arbeit leis ten, nicht allen Ernstes schrittweise den Hahn abdrehen, indem wir sie wegsparen.
Ich bin gleich beim Ende.
Um es einmal etwas zugespitzt auf den Punkt zu bringen: Wenn es uns nicht gelingt, die sich in der Arbeit der Zentren vollziehenden wichtigen Integrationsprozesse erfolgreich voranzubringen, jungen Menschen aus sogenannten bildungsfernen oder bildungsnahen Schichten – mit oder ohne Migrationshintergrund – alle Chancen auf Persönlichkeitsentwicklung und kulturelle Bildung, das heißt Bildung im eigentlichen Sinne, zu bieten und damit die Chancen, sich zu Leistungsträgern zu entwickeln, dann können wir angesichts zurückgehender Geburtenraten das Buch nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch gesehen zuklappen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erst in der letzten Woche teilte Kulturstaatsminister Bernd Neumann in Berlin mit, dass das Bundeskabinett …
… – jawohl, ich komme zum Ende – 2010 eine leichte Steigerung des Kulturhaushalts um etwa 20 Millionen € beschlossen hat. Er unterstreicht dabei Folgendes: Kulturausgaben gehören zu den wichtigsten Zukunfts investitionen. Damit will er gerade in den Zeiten der Wirtschaftskrise mit den Etatsteigerungen und zusätzlichen Programmen ein deutliches Signal für die Kultur setzen. Er hat recht, meine Damen und Herren. Tun wir es ihm nach.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere beiden Anträge, die Anlass für unsere heutige Diskussion sind, sind schon über ein Jahr alt – der eine stammt vom Januar 2008, der andere vom April 2008 –, sie sind aber aufschlussreich, weil sie eine wesentliche Veränderung in der Politik der Landesregierung dokumentieren.
In ihrer Stellungnahme zu dem ersten Antrag ging die Regierung noch davon aus, dass die Studiengänge für das höhere Lehramt auf die Bologna-Struktur umgestellt werden. Ein Vierteljahr später, in der zweiten Stellungnahme, war dieses Projekt de facto erledigt.
Wir freuen uns sehr, dass der Automatismus der Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse wenigstens im Fall der Studiengänge für das Lehramt an Gymnasien aufgegeben wurde. Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn auch bei den anderen Studiengängen die Zwangsumstellung zugunsten studien fachbezogener und auch berufsfeldbezogener Umstellungsentscheidungen aufgegeben worden wäre. Aber das ist ein anderes Thema, das wir zu gegebener Zeit – allerdings in nicht allzu ferner Zeit – in diesem Haus diskutieren müssen und diskutieren werden. Denn die Problematik, die die Regierung letztlich zur Umkehr bewogen hat, stellt sich in den nicht schulbezogenen Studiengängen recht ähnlich dar.
Wie geht es also weiter, wenn die Rektoren, wenn die Universitäten auch weiterhin den Zugang für hochschul-, aber nicht arbeitsmarkterfolgreiche Bachelorabsolventen zum Masterstudiengang durch einen engen „Flaschenhals“ erschweren?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute geht es um die Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer. Darauf will ich mich konzentrieren und noch einmal unser Credo zum BolognaProzess und zur Lehrerbildung formulieren. Sie werden merken, wie intensiv sich die Regierung in ihren Stellungnahmen auf dieses Credo eingelassen hat.
In unserem Papier zur Lehrerausbildung aus dem Jahr 2008 beantworten wir die Frage nach der Einbeziehung der Lehramtsstudiengänge in die Bachelor-/Masterstruktur mit einem gemischten Konzept, das die bewährte Grundstruktur der Lehramtsstudiengänge in eine vorteilhafte Verbindung mit dem Bologna-Prozess bringt. Die Modularisierung des Studienangebots mit einer Credit-Point-Zuordnung ist dafür eine notwendige, den Bologna-Prozess aber in sich charakterisierende Voraussetzung.
Es geht uns also, wie Sie sehen, keineswegs um ein allgemeines „Bachelor-Bashing“.
Übrigens lohnt ein Blick auf die tabellarische Zusammenstellung, die den bundesweiten Zusammenhang hinsichtlich des Bologna-Prozesses in den Lehramtsstudiengängen darstellt und die der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 14/2651 angehängt ist. Dort sehen wir alle Varianten: Bologna-Version, Staatsexamen, abgebrochene Modellversuche, zwei unterschiedliche Varianten in einem Bundesland usw. Wer jemals den Flickencharakter der bundesdeutschen Bildungslandschaft beklagt und eine Harmonisierung gewünscht hatte, wird bestürzt sein, was hier als Ergebnis bildungsföderalistischer Entscheidungen zu besichtigen ist. Angesichts dieser Liste beginnen wir allerdings zu ahnen, dass ein exzessiver Wettbewerbsföderalismus für die Lehrerbildung möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
Ich prognostiziere eine neue Diskussion über Sinn und Unsinn länderunterschiedlicher Regelungen im Bildungsbereich. Erste Paukenschläge sind bereits zu vernehmen, z. B. mit der Forderung Annette Schavans nach einem bundesweiten Zentralabitur. Auf weitere Diskussionen sind wir gespannt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal klingt die Wahrheit trivial, und trotzdem muss sie ausgesprochen werden. Die Gesellschaft verändert sich, die Berufswelt verändert sich, die
Schule verändert sich, und zwar dramatisch. In einem solchen Prozess umfassender Veränderung muss sich auch die Lehrerbildung verändern und so gestaltet werden, dass sie den Anforderungen gerecht wird, die eine moderne Wissensgesellschaft heute an sie stellt.
Deshalb plädiere ich ganz entschieden dafür, auf die Lehrerausbildung einen Schwerpunkt zu legen. Die Schulstrukturdiskussion ist wichtig, Finanzierungsfragen sind essenziell, aber am wichtigsten ist, was im Klassenzimmer stattfindet, und darüber entscheidet die Qualität der Lehrerinnen und Lehrer. Das heißt: Die inhaltliche und die pädagogische Ausrichtung der Lehrerbildung müssen neu gedacht und neu gemacht werden. Pädagoginnen und Pädagogen sind aus unserer Sicht diejenigen, die in unserem Land die Grundlagen für Bildung legen, und zwar von der ersten Schulstunde jedes einzelnen Kindes an. Sie schaffen nämlich die Voraussetzungen für lebenslanges Lernen, das Entwickeln der Persönlichkeit, das Zutagefördern besonderer Begabungen und Fähigkeiten, das Vermitteln von Grundwerten, die Grundlagen für Integration, Kommunikation, soziale Prozesse. Lehrer und Lehrerinnen schaffen die Poleposition bei Kindern und Jugendlichen für das Zurechtkommen in unserer gesamten Lebenswelt.
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass die Europäische Kommission die Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung auf die Agenda der europäischen Bildungspolitik setzt. Wir sehen darin nämlich eine Chance, die Lehrerbildung strukturell und inhaltlich zu verbessern. Wir sehen darin eine Verpflichtung des Landes, sich dieser Aufgabe umfassend anzunehmen.
Deshalb sehen die Eckpunkte für eine Reform der Lehrerbildung aus unserer Sicht folgendermaßen aus:
Wir treten ein für ein duales Studien- und Ausbildungskonzept mit einer Stärkung der pädagogischen, psychologischen Grundlagenwissenschaften und der Fachdidaktik, ein verstärk tes Einbeziehen der Berufspraxis durch ein verbindliches Praxisjahr. Bildungsstudiengänge werden nach den jeweiligen Altersstufen anstatt, wie bisher, nach Schularten ausgerichtet – das heißt gleichwertig, nicht gleichartig.
Das Staatsexamen als Abschluss des Lehramtsstudiums wird mit dem Bologna-Prozess verbunden, und die Verantwortung des Landes für Lehrerbildung bleibt erhalten.
Es geht uns um eine Lehrerbildung auf hohem Niveau, die flexibel genug ist, um den schulstrukturellen Veränderungen zu entsprechen, egal, wie schnell, wie gründlich und wie umfassend sie kommen. Auch wenn die Landesregierung mittlerweile bildungspolitische Baustellen zuhauf hat und überall auch Mängel erkennbar werden, würde ich Ihnen dringend eine Konzentration auf das Wesentliche empfehlen. Dazu gehört im Sinne einer Bildungsoffensive ganz bestimmt die Lehreraus- und -fortbildung.
Dann ist da noch etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich jener Bereich der Bildung, der das im Menschen freisetzt, was Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft voranbringt, nämlich Kreativität. Eine Studie des Zentralinstituts für Eu
ropäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, des ZEW, bringt zutage, dass der Erfolg von Unternehmern und Managern zum größten Teil von ihren Soft Skills abhängt. Damit sind nämlich genau die Qualifikationen gemeint, die durch eine kulturelle Bildung erreicht werden und die die Voraussetzung für fast alle in unserer Lebenswelt notwendigen Skills, also Fähigkeiten und Fertigkeiten, sind.
Aus meiner Sicht heißen sie zu Unrecht „Soft Skills“. Man sollte sie passender „Main Skills“ nennen. Das will ich noch einmal betonen. Sie sind ohne die mannigfaltigen Felder der Kultur nicht erfolgreich zu generieren. Deshalb muss auch innerhalb der Lehrerbildung die kulturelle Bildung zur Hauptsache werden, zu Main Skills in den Schulen führen.
In den zurückliegenden Jahren wurden Stunden für Erziehung in den Künsten in den Stundenplänen weggekürzt oder fielen zugunsten der sogenannten harten Fächer aus. Sie wissen, was ich meine – Musik und die ganzen Fächer im Bereich Kultur und Kunst.
Seit einigen Jahren wird aber das, was unter dem breit angelegten Begriff der kulturellen Bildung zusammengefasst wird, wieder interessant, vor allem auch in unseren Nachbarländern, etwa in den Niederlanden, oder in den skandinavischen Ländern, jenen Ländern also, die bei PISA deutlich besser abgeschnitten haben als wir.
Es geht dabei darum, intellektuelle und musische Begabungen auszubalancieren und zu verbinden, das Verständnis für Kulturenvielfalt zu fördern und die ästhetische Urteilsfähigkeit der Kinder zu schärfen und fächerübergreifende Synergien für größere Themenzusammenhänge zu schaffen. Kunst und Kultur schaffen Voraussetzungen für kognitives Lernen – das wissen wir –, vernetztes Denken und kreative Problemlösungspotenziale.
Kulturelle und interkulturelle Bildung stellen eine grundlegende Voraussetzung für Integration dar, und Kultur ist eine verbindende Kraft. Sie schafft nämlich genau jene Schlüsselqualifikationen, ohne die heute kein Betrieb, keine Verwaltung und überhaupt kein Bereich der modernen Wissensgesellschaft auskommt.
Das traditionelle Bildungssystem kann aber diese elementaren Schlüsselqualifikationen ohne speziell darauf vorbereitete Pädagoginnen und Pädagogen, die die Verbindung von Kultur und Bildung herstellen, nicht ausreichend generieren. Deshalb brauchen wir bei fast allen unseren Bildungsbestrebungen eine Wende hin zur Kultur, ich möchte sagen: eine kulturelle Wende. Ohne eine solche kulturelle Wende werden unsere Bildungsbestrebungen und -entwürfe, wie sie so oft in den vergangenen 50 Jahren gemacht wurden, scheitern oder sich in die falsche Richtung entwickeln.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal ganz kurz auf das Einlenken der Regierung zurückkommen, das ich eingangs erwähnt habe. Dieses Einlenken hat auch eine spürbare Implikation der Gemeinsamkeit. Ich denke, das Thema Lehrerbildungsreform ist kein antagonistisches Thema, bei dem es nicht möglich wäre, einvernehmliche Lösungen oder zumindest akzeptable Kompromisse zu erreichen.
Mein allerletzter Satz: Zu solchen Kompromissen möchte ich alle Fraktionen und auch die Regierung auffordern, und zwar für eine bessere Bildung, für eine bessere Qualifikation und für bessere Schulen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nun kommen wir zur kulturellen Daseinsvorsorge, die durch den Vorredner schon angesprochen wurde. Ich stelle hier die Frage: Ist die Kultur so substanziell für unsere Gesellschaft wie etwa Wasser, Strom, die Feuerwehr oder die Straßenbahn?
Meine Damen und Herren, diese Frage muss eindeutig mit Ja beantwortet werden, und zwar in einem doppelten Sinn. Kultur ist Daseinsvorsorge, sowohl für die einzelne Bürgerin, den einzelnen Bürger als auch für die Gemeinde, für das Land selbst, und zwar als funktionierendes Sozialgefüge. Die Wichtigkeit dieser Daseinsvorsorge wird oft unterschätzt, weil Schäden, die durch deren Vernachlässigung entstehen, mittel- und langfristig zwar erheblich sind, kurzfristig aber nicht unmittelbar zutage treten. Fehlendes Wasser aus der Leitung ist nach einer halben Stunde Stadtgespräch, die Einstellung der Zusammenarbeit einer Bibliothek mit den Grundschulklassen z. B. oder der Verlust von Aktivitäten eines kulturellen Zentrums geht dagegen oft sehr geräuschlos vonstatten.
Die Schwierigkeit der Begründung der kulturellen Institutionen oder Projekte, besonders im Finanziellen, liegt in dieser fehlenden kurzfristigen Auswirkung. Das hat der Kulturbereich übrigens mit dem Bildungsbereich gemeinsam, mit dem er nämlich eng verbunden ist; denn Kultur ist Voraussetzung von Lernen und Bildung, und Lernen und Bildung sind Voraussetzung von Kultur.
Herr Mappus, bitte.
Es muss deshalb ein ganz besonderes Anliegen des Landes sein, neben dem nötigen Freiraum, den Kunst und Kultur brauchen, auch ihre Möglichkeiten zu fördern und ihre Struktur zu verbessern, und dies muss sich auch im Landeshaushalt abbilden.
Deshalb sind die zusätzlichen 2 Millionen € für die kommunalen Theater, die eben erwähnt wurden, überlebensnotwendig, um zumindest die Tarifsteigerungen im Personalbereich teilweise auffangen zu können. Es ist wirklich löblich, dass unsere Anträge in diesem Fall unterstützt wurden und das Geld fließen wird. Deshalb wäre auch ein Mehr von 1,5 Millionen € für die freien Theater, wie es anlässlich eines Symposiums von Vertretern der Regierungsfraktionen zugesichert wurde,
für die Grundsicherung dieser Arbeit dringend notwendig, liebe Frau Berroth.
Die Realität sieht allerdings anders aus. Hier ist ein Drittel des Betrags auf der Strecke geblieben.
Deshalb wäre ein Einhalten der Versprechungen der Regierungskoalition für eine Erhöhung der Unterstützung z. B. der
soziokulturellen Zentren um 1 Million € und, Frau Berroth, ein aus Ihrem Munde verkündeter und in Aussicht gestellter Baumittelsondertopf von 3 Millionen € nötig, um den Sanierungsstau nicht bis 2020 weiter vor uns herzuschieben. Sie wären nötig, um dem Rechnung zu tragen, was man diesen Zentren in wohlklingenden Worten immer an Bedeutung zumisst.
Die Realität, meine Damen und Herren, sieht anders aus. Tatsächlich wurden im Entwurf des Haushaltsplans als Mittel für die soziokulturellen Zentren lediglich 150 000 € aus dem Topf für Kunst in der Fläche herausgenommen und dann um noch weitere 17 000 € verbessert. Es fehlen aber weiterhin 800 000 €, die, wie man weiß, schon lange fehlen.
Dabei wurden die ursprünglich einmal in den Förderrichtlinien vorgesehenen 50 % nie umgesetzt. Im Gegenteil, durch die Kostensteigerung einerseits und gedeckelte Zuschüsse andererseits ist man in diesem Bereich inzwischen bei 31,6 % Landeszuschuss angelangt. Hier wird Jahr für Jahr vertrös tet.
Wie soll bei diesem Überlebenskampf noch an eine angestrebte Ausweitung der Zentren gedacht werden, die im Land – sowohl im ländlichen Raum als auch in den Städten – wichtige kulturelle Bausteine von Integration, Gemeinschaftsbildung und ästhetischer Erziehung und Bildung sind? Und warum, meine Damen und Herren, beruft man aufwendig runde Tische ein und weckt nicht nur Hoffnungen, sondern suggeriert Planungssicherheit, verspricht viel und hält wenig? Warum?
Als letzte mögliche Rettungsaktion für die soziokulturellen Zentren empfehlen wir für den investiven Bereich Mittel aus dem zweiten Konjunkturprogramm, in welchem – was übrigens eigens durch die SPD-Bundestagsfraktion erreicht wurde – auch die kulturelle Infrastruktur eine zentrale Rolle spielt. Denn Investitionen in die Qualität und die Vielfalt kultureller Strukturen sind gesamtgesellschaftlich und auch wirtschaftlich sinnvoll und zugleich Investitionen in die Zukunft, auch im Sinne einer kulturellen Daseinsvorsorge.
Meine Damen und Herren, weil hier viel von Freiheit gesprochen wurde, erwähne ich mein Lieblingszitat von Schiller, nämlich: „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“ Geben Sie der Kunst die Möglichkeit und die Freiheit, sich zu entfalten!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Staatssekretär, ist die Landesregierung der Auffassung, dass sich folgende Maßnahmenvorschläge mit der Aufgabe des Landes verbinden lassen bzw. vertragen? Ich nenne erstens das Geschäftsfeld ausländische Patienten, zweitens die Chronikerbetreuung auf der Grundlage von Vereinbarungen mit den großen Krankenkassen, drittens Bau, Bauunterhalt und Infrastruktur in den Händen von renditeverpflichteten Unternehmen und darüber hinaus die Veräußerung von Kliniken oder Teilbereichen an renditeverpflichtete Unternehmen. Sind diese Aufgaben des Landes mit der Forderung zu vereinbaren, die Voraussetzungen für eine international konkurrenzfähige Hochschulmedizin, wie wir sie hier im Land ja haben wollen, zu schaffen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Schlussbericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ umfasst 450 Handlungsempfehlungen für Bund, Länder und Kommunen. Es ist mir die Bemerkung wert, die auch Herr Palm schon gemacht hat, dass der Bericht in Berlin einstimmig – partei- und fraktionsübergreifend – verabschiedet wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf können und müssen wir in Baden-Württemberg aufbauen. Wir haben in den zurückliegenden Ausschusssitzungen über die daraus resultierenden Erkenntnisse und Schlüsse für die Kulturpolitik in Baden-Württemberg diskutiert. Die Landesregierung legte uns hierzu ihre Stellungnahmen vor, die durchweg deutlich machten, mit welch hoher Qualität, Buntheit und Vielfältigkeit sich unsere Kulturlandschaft in Baden-Württemberg darstellt. Das ist richtig, und darauf können wir mit Recht stolz sein. Vergessen wir aber nicht: Dieser Reichtum ist in weiten Teilen das Ergebnis der Bemühungen unserer Vorväter und -mütter, und dieser Reichtum verpflichtet. Gut sind wir und bleiben wir in Zukunft nur, wenn wir nicht stehen bleiben.
Die Kulturpolitik in unserem Land hat eine eminent wichtige Aufgabe. Kunst und Kultur sind nicht nur Basis unseres intellektuellen Potenzials, nicht nur Grundlage von Wissens- und Wertevermittlung, sondern auch eine immer notwendiger werdende Klammer im Prozess der immer noch fortschreitenden Individualisierung, eine integrierende, eine gemeinschaftsbildende Kraft und damit ein Weg, um die Bildung von Parallelgesellschaften zu verhindern. Sie haben das angesprochen, Herr Palm. Die Zentrifugalkräfte der sich entwickelnden Industrie- und Wissensgesellschaft sprengen nämlich unsere Gemeinwesen, wenn es nicht das Korrektiv einer offensiven und großzügigen Kulturpolitik gibt.
Aber statt hoffnungsvoller künstlerisch-kultureller Saat auch den notwendigen Nährstoff und das notwendige Wasser zu geben, werden den Kultureinrichtungen heute doch gedeckelte Haushalte verpasst – ich meine das auch bundesweit –, und die Zuwendung der Landesregierung zur Kultur und zu den Künsten beschränkt sich auf Anfragen, symbolisch aber auch auf Grußworte, die zwar deren zentrale Bedeutung herausheben, aber sie nicht wirklich zur zentralen Aufgabe machen.
Ein solches Kulturverständnis ist unökonomisch. Warum? Es missachtet die gestaltende, die integrierende Kraft der Kunst und der Kultur. Es verspielt die Möglichkeit, mit Kultur und Kunst Voraussetzungen zu schaffen für jenen Bereich der Bildung, der das im Menschen freisetzt, was Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft voranbringt, nämlich Kreativität. Eine Studie des Zentralinstituts für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim bringt zutage, dass der Erfolg von Unternehmern und Managern zu einem weit geringeren Teil von deren kognitiven Fähigkeiten abhängt als von ihren Soft Skills.
Damit sind die Qualifikationen gemeint, die durch eine kulturelle Bildung erreicht werden.
Deshalb ist es an der Zeit, Schwerpunkte für unser Land zu setzen. Ich möchte nichts von dem abstreichen, was wir fördern und unterstützen, nur weil ich es jetzt vielleicht nicht nenne. Ich möchte mich auf einige Punkte konzentrieren.
Neben einer notwendigen Förderung und Weiterentwicklung unserer kulturellen Angebote in allen Sparten – übrigens natürlich auch der Vernetzung zwischen den Sparten und den Institutionen –, neben einer Entwicklung der Medienkultur etwa in Medienzentren, in welchen die Nutzung und Beherrschung der neuen Medien eingeübt wird, und zwar dergestalt, dass Schüler lernen, mit nonverbalen Codes umzugehen – damit ist gemeint: Wie funktionieren Bildsprachen? Welche Bedeutungen werden durch Zeichen und Symbole vermittelt? –, und neben einer Förderung von Existenzgründungen im Kultur- und Kreativwirtschaftsbereich, der schon heute auf Augenhöhe mit der Bruttowertschöpfung der Automobilindustrie ist – damit ist gemeint, dass wir weitere Gründerzentren schaffen, wie wir z. B. ein höchst erfolgreiches in Mannheim mit dem Musikpark haben, und zwar als Ergänzung zu den sehr positiven Aktivitäten der ifex –, neben diesen für unser Land wichtigen kulturellen Entwicklungen müssen wir die kulturelle Bildung zur Chefsache machen. „Bildung hat Konjunktur“, so titelte gestern die „Stuttgarter Zeitung“ zu Recht. Dazu gehört die kulturelle Bildung als existenzielle Grundlage.
Wir beobachten eine sich steigernde Beschleunigung eines kulturellen Wandels bei Jugendlichen – und das im Übrigen international –, wie wir sie noch nie erlebt haben. Die kulturelle Identität unserer nachfolgenden Generation bildet sich aktuell weit weniger über das Buch – das ist, wie Sie das berichtet haben, bei Erwachsenen der Fall, nicht so sehr aber bei Jugendlichen – und weit weniger über das Musikinstrument, über den Dialog im Elternhaus oder gar über eine eigene künstlerische Betätigung, als dies je zuvor der Fall war. Durch die alltägliche, omnipräsente Macht der unterschiedlichsten Medien verliert die traditionelle Kultur bei künftigen Generationen an Akzeptanz, an Würdigung. Man kann nur würdigen und wertschätzen, was man kennt, und diese Kenntnis muss in hohem Maße auch die Schule vermitteln.
Das deutsche System der Halbtagsschule, das noch größtenteils umgesetzt ist, verleitet zu sehr dazu, Kunsterziehung, soweit sie über Singen oder Zeichnen hinausgeht, als Option auf die Nachmittage und damit in die Freizeit zu verlegen. Seit einigen Jahren wird das, was unter dem breit angelegten Begriff „Kulturelle Bildung“ gefasst wird, interessant, vor allem in unseren Nachbarländern Niederlande und Frankreich sowie in Großbritannien und den skandinavischen Ländern.
Ich bin gleich fertig. – Es geht dabei darum, intellektuelle mit musischen Begabungen auszubalancieren, das Verständnis für Kulturenvielfalt zu fördern, die ästhetische Urteilsfähigkeit der Kinder zu schärfen und
fachübergreifende Synergien für größere Themenzusammenhänge zu schaffen. Kunst und Kultur schaffen hier Voraussetzungen für kognitives Lernen, vernetztes Denken und kreative Problemlösungspotenziale.
Kulturelle und interkulturelle Bildung stellen eine grundlegende Voraussetzung für Integration dar. Kultur ist eine verbindende Kraft. Sie schafft genau jene Schlüsselqualifikationen, ohne die heute kein Betrieb, keine Verwaltung, überhaupt kein Bereich der modernen Wissensgesellschaft mehr auskommen kann. Das traditionelle Bildungssystem kann aber diese elementaren Schlüsselqualifikationen ohne eine neu gedachte, neu gemachte und neu institutionalisierte Verbindung von Kultur und Bildung gar nicht ausreichend generieren.
Schlusssatz: Wenn auf diesem Feld nicht auf breitester Ebene Grundlagen dafür gelegt werden, dass Kultur existenziell zum Leben, zur Persönlichkeitsentwicklung gehört, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn es schon in der kommenden Generation kaum mehr Bereitschaft bei den künftigen Steuerzahlern geben wird, hoch subventionierte Einrichtungen wie Theater, Museen usw. weiter zu fördern. Ich hielte es für sinnvoll, wenn wir partei- und fraktionsübergreifend mit einem Landesaktionsplan „Kulturelle Bildung“, und zwar unter Einbeziehung der Empfehlungen des Landeskunstbeirats, die ja noch ausstehen …
… – ich bin beim letzten Satz –, jetzt und gerade jetzt entscheidende neue gesellschafts- und bildungspolitische Schritte einleiten würden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit bei diesem wichtigen Thema.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! In den Antworten und der Stellungnahme der Landesregierung zur Lage der Museen in Baden-Württemberg erhalten wir Auskunft über Finanzen und Struktur, Zukunftsperspektiven und neue Aufgabenfelder der Museen. Dabei
werden die staatlichen Museen als tragende Säulen innerhalb des Netzwerks der Museen in Baden-Württemberg hervorgehoben. Man beachte dabei aber, dass es sich um zehn staatliche Museen in Baden-Württemberg handelt, denen 1 270 Museen in freier Trägerschaft – privat, kirchlich oder kommunal – in 564 Gemeinden gegenüberstehen.
Das macht deutlich, dass diese staatlichen Säulen sehr stark sein müssen.
Wie aber sehen diese Säulen aus? Die Rede ist hier von Personaleinsparungen, von einem Überdenken der Finanzierungssysteme, also einer Umstellung auf den Landesbetrieb – Frau Berroth sprach bereits davon –, sprich Eigenbetrieb, und gleichzeitig von der Bewältigung neuer Anforderungen. Das heißt, diese Säulen werden gegenwärtig gerade erheblich umgebaut. Werden sie dabei etwa geschwächt? Das wollen wir uns ansehen.
Wie sehen also diese neuen Herausforderungen aus? Durch die große Konkurrenz, die heute „Freizeitindustrie“ heißt, muss man sich beim Werben um Besucher sehr viel Neues einfallen lassen, um gleichzeitig den Bildungsauftrag, den Forschungsauftrag, den Auftrag des Erhalts und der Pflege und möglichst auch noch der Erweiterung der Sammlungen zu erfüllen.
Es geht also bei der Wissensvermittlung im Museum um neue Präsentationsformen, um attraktiv und konkurrenzfähig zu sein. Es geht insgesamt um weit mehr Museumspädagogik, als es bisher jemals der Fall war. Das zeigen unsere Museen in der täglichen Praxis. Sie zeigen hier enorm viel Kreativität und Sachverstand. An dieser Stelle ist es nicht unangebracht, den mit großem Engagement auf diesem Feld arbeitenden Häusern sowie ihren Mitgliedern und ihren Mitarbeitern in diesem Sinne zu danken.
Zu der Frage, ob die Landesregierung gedenkt, Zielvereinbarungen mit den Museen einzuführen – und, wenn ja, zu welchen Themen –, kommen in den Antworten und in der Stellungnahme der Landesregierung keine inhaltlichen Vorschläge, sondern es wird eine rein kaufmännische Betrachtungsweise angestellt, die sogar noch durch Controlling und Berichtswesen untermauert wird.
Das ist nicht schlimm, aber es darf nicht das Einzige sein, gnädige Frau.
Ferner wird die angestrebte schrittweise Umwandlung aller staatlichen Museen in Landesbetriebe vorgestellt, und zwar mit Kosten-Nutzen-Rechnungen, die zu erstaunlichen Erfolgen führen sollen. Aber geht dies allein mit betriebswirtschaftlichen Mitteln, bei denen Erfolg nur in Kostendeckungsgraden gemessen wird? Dazu ist unsere Museumslandschaft viel zu differenziert. Wo bleibt konsequenterweise eine inhaltlich differenzierte Zielvorstellung? Einige erfüllen nämlich schwer
punktmäßig Forschungs- oder Bildungsaufgaben und können nicht mit den Einnahmen derer konkurrieren, die mit großen, publikumswirksamen Sonderausstellungen in den Vordergrund treten. Dabei wird überhaupt nicht transparent, welche Museen wann für welche Themen Mittel für große Landesausstellungen erhalten und welche nicht und wer das entscheidet.