Meine Damen und Herren! Ich er öffne die 92. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württem berg und begrüße Sie.
Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Queitsch sowie den Her ren Abg. Dr. Bullinger, Sckerl und Stratthaus erteilt.
Dienstlich verhindert sind Frau Ministerin Gönner, Frau Staatsrätin Dr. Ammicht Quinn und Herr Minister Professor Dr. Frankenberg.
Bevor ich Tagesordnungspunkt 1 aufrufe, erteile ich Herrn Abg. Schmiedel das Wort zu einer persönlichen Erklärung.
Vielen Dank. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gestern in der De batte über die „Steuer-CD“ bezüglich der Schweiz den Be griff „Schurkenstaat“ gebraucht. Das war falsch. Deshalb neh me ich den Begriff in aller Form und mit Bedauern zurück. Ich entschuldige mich dafür bei den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, die sich dadurch zu Recht beleidigt fühlen.
Den Vorwurf an den Bankenstaat Schweiz, den ich in diesem Zusammenhang erhoben habe, halte ich aufrecht. Es kann nicht sein, dass es innerhalb Europas eine Fluchtburg für Steu erhinterzieher aus allen Ländern, auch aus Baden-Württem berg, gibt. Ändern muss sich auch, dass einzelne Kantone mit Niedrigststeuersätzen einzelne Bürger, aber auch Konzerne anlocken. Darüber werde ich mich heute Nachmittag um 16:00 Uhr auch mit dem Schweizer Generalkonsul unterhal ten.
Schule, Jugend und Sport zu dem Antrag der Fraktion der SPD und der Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Anträge zur Umsetzung der neuen Werkrealschule – Drucksachen 14/5648 (geän derte Fassung), 14/6167
Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die ein leitenden Erklärungen und je fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wir Grünen haben das Gesetz zur Ein führung der Werkrealschule abgelehnt. Wir sehen auch kei nerlei Veranlassung, insbesondere angesichts der vielen und großen Probleme, die sich jetzt bei der Umsetzung, bei der Einführung der neuen Werkrealschule ergeben, unsere ableh nende Haltung zu revidieren.
Es ist richtig, dass wir bei der Hauptschule angesichts der über Jahrzehnte hinweg andauernden Abstimmung mit den Füßen einen großen Handlungsbedarf haben. Das Gymnasium ist in Baden-Württemberg zur „Haupt-Schule“ geworden,
und die Hauptschule ist mit einer Übergangsquote von nur mehr 24 % zur Schule für Migrantenkinder und für Kinder aus sozial benachteiligten Familien geworden.
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das stimmt doch über haupt nicht! Das ist bildungspolitischer Quatsch! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist eine Belei digung für jeden Hauptschüler! Unverschämtheit! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Was ist denn mit der Realschule, wenn das Gymnasium die Haupt schule ist?)
Auch die neue Kultusministerin Dr. Schick kritisiert, wie ihr Vorgänger, die soziale Ungerechtigkeit im baden-württember gischen Bildungswesen.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Oje! Da kriegt man schon am frühen Morgen Sodbrennen! – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)
Aber auch ein neues Stärkungsprogramm für die Hauptschu le wird an diesen Problemen überhaupt nichts ändern können.
Wir haben unzählige Stärkungsprogramme in Baden-Würt temberg erlebt, die immer wieder gescheitert sind. Wir brau chen grundlegende Veränderungen in unserem Bildungswe sen.
Es ist auch richtig, Kolleginnen und Kollegen, dass wir in Ba den-Württemberg einen großen Bedarf an attraktiven, wohn ortnahen Schulstandorten insbesondere im ländlichen Raum haben.
Das Konzept der neuen Werkrealschule ist allerdings von den Metropolen, von den Großstädten aus gedacht. Wir erleben derzeit eine Ausdünnung wohnortnaher Schulstandorte in Ba den-Württemberg. Ihre Werkrealschule ist ein gigantisches Flurbereinigungsprogramm für wohnortnahe Schulstandorte.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wenn Ihr Konzept verwirklicht wird, haben wir doch nur noch eine Schule!)
Betroffen sind vor allem attraktive, innovativ arbeitende klei ne Hauptschulen. Ich nenne einmal die Hauptschulen, die Vor reiterrollen bei der Inklusion von Kindern mit Behinderungen gespielt haben, die diese Kinder seit vielen Jahren in integra tive Schulentwicklungsprojekte und Außenklassen aufgenom men und einen integrativen Unterricht entwickelt haben. Ich nenne die Hauptschulen insbesondere im ländlichen Raum, die hervorragende berufsvorbereitende Maßnahmen und be rufliche Integration entwickelt haben.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Genau diese wer den wir jetzt stärken! – Abg. Ernst Behringer CDU: Das ist offensichtlich eine neue Erkenntnis!)
Davon sind jetzt Schulen in erheblicher Zahl bedroht, die nicht einmal als Außenstellen von neuen Werkrealschulen eine Zu kunft haben werden.
Deshalb sage ich ganz klar für meine Fraktion: Wer den länd lichen Raum stärken will, der muss die Schule im Dorf las sen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut! Klare Ansage! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)
Ich füge hinzu: Wer wie Sie immer die zunehmende Bindungs losigkeit und Orientierungslosigkeit von jungen Menschen be klagt, der muss ihnen Chancen geben, sich im ländlichen Raum in das Gemeinwesen, in die Vereine, in die Verbände zu integrieren. Die Schüler müssen aber auch über die Schu le dort abgeholt werden. Deshalb brauchen wir auch in Zu kunft attraktive Schulstandorte im ländlichen Raum.
Nicht trotz der demografischen Entwicklung, sondern gerade wegen der demografischen Entwicklung brauchen wir einen Aufbruch in neue, attraktive Schulstandorte.
Frau Kultusministerin Schick, wenn Sie jetzt – das hat mich zutiefst erstaunt – in einem Interview in der „Stuttgarter Zei
Denn das Konzept sieht vor, dass die Hauptschulen grundsätz lich durch die neue Werkrealschule ersetzt werden sollen. Des halb sage ich Ihnen: Beruhigungspillen dieser Art werden nicht wirken. Die Kommunen, die Eltern, die Lehrkräfte brau chen keine wirkungslosen Placebos, sondern attraktive, zu kunftsorientierte Bildungskonzepte.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Albrecht Fischer CDU: Genau das machen wir!)