Protokoll der Sitzung vom 23.04.2009

Es ist vielleicht auch unsere Aufgabe hier im Saal, dafür zu werben. Wir von der CDU-Fraktion sind davon überzeugt, dass das ein wichtiger Baustein für gute Schulen ist; gleichzeitig sind wir aber der Überzeugung, dass die äußeren Strukturen wirklich nur ein Baustein sind. Auf den Inhalt kommt es an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU und Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anträge, über die wir jetzt reden, sind in der Tat nicht mehr ganz taufrisch. Sie sind etwas mehr als ein Jahr alt. Noch älter sind allerdings das Thema und die damit verbundene Ankündigung der Landesregierung, bei der Lehrerbildung eine grundlegende Reform in die Wege zu leiten. Ich glaube, es lohnt sich, heute noch einmal zu rekapitulieren, was da passiert ist.

Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat die Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung eine Ankündigung gemacht. Sie las sich folgendermaßen:

Wir entwickeln zunächst die bisherigen Lehramtsstudiengänge an Universitäten zu bildungswissenschaftlichen Studiengängen in gestufter Bachelor-/Master-Studien struktur, noch stärker ausgerichtet an der schulischen Praxis, weiter. Wir wollen den erziehungswissenschaftlichen Anteil der Ausbildung zum höheren Lehramt an den Universitäten durch einen Ausbau der Kooperation zwischen Pädagogischen Hochschulen und Universitäten stärken. Eine gemeinsame Kommission von Kultusminis terium, Wissenschaftsministerium und Landesrektorenkonferenzen wird bis Ende 2007 entsprechende Vorschläge erarbeiten.

Die Vorschläge kamen. Man hat geredet, man hat getagt, und man hat die Vorschläge versenkt. Die Reform ist ins Stocken gekommen. Das, was an minimalen Anpassungen und Veränderungen übrig geblieben ist, verdient den Namen Reform eigentlich nicht. Ich finde, es ist ein trauriges Kapitel, was da passiert ist. Es ist eine verpasste Chance; denn wir haben in den nächsten zehn bis 15 Jahren einen großen Generationswechsel an den Schulen. Jetzt werden die jungen Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, die in Zukunft in unseren Schulen unterrichten werden. Wer die Reform jetzt verschläft und verpasst, der tut nicht nur den jungen Menschen, die sich in einer entsprechenden Ausbildung befinden, nichts Gutes an, sondern auch unseren Schulen über Jahrzehnte hinweg, weil es in der Tat darauf ankommt, dass die jungen Menschen optimal vorbereitet in dieses Schulleben starten.

Sie werden ja auch mit Schulen reden. Vielleicht reden Sie auch einmal mit Wissenschaftlern. Ich glaube, dass die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung nicht in Ordnung ist, dass die Leute nicht gut auf die schulische Praxis vorbereitet sind, dass es viel zu wenig bildungswissenschaftliche Elemente im Studium gibt. Das pfeifen die Spatzen von den Dächern.

Die Umstellung auf Bachelor und Master wäre eine Chance gewesen, die Studierenden in Lehramtsstudiengängen an den Universitäten, die dort eher wie Fremdkörper neben den fachwissenschaftlichen Ausbildungen laufen, zu integrieren und ein Konzept zu entwickeln, wie diese Menschen besser auf das vorbereitet werden, was sie brauchen. Was wir jetzt erreicht haben, ist allenfalls eine minimale Anpassung. Ich finde es traurig, dass die Chance verpasst wurde.

Heute Morgen war in der Zeitung zu lesen, unsere Landesregierung sei eine Regierung der Bildungsblockierer. Ich glaube, die Überschrift von heute Morgen sollte morgen noch einmal in der Zeitung stehen, denn für das Kapitel „Reform der Lehrerausbildung“ gilt das genauso.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Man muss sich fragen: Was ist da geschehen? Warum ist diese groß angekündigte Reform stecken geblieben? Man konnte von Anfang an merken, dass es nicht so viel Mut in der Diskussion gab. Auf der einen Seite wollte das Kultusministerium seinen Zugriff auf Studieninhalte und Prüfungen nicht hergeben – das Staatsexamen war die Verkörperung davon –, auf der anderen Seite hatten die Universitäten kein großes Interesse daran, sich damit auseinanderzusetzen, dass die Lehramtsstudierenden vielleicht einen Bedarf an anderen Studieninhalten haben als die Studierenden in anderen Bachelor- und Masterstudiengängen, und haben die optimale Passform gesucht, die möglichst wenig Arbeit macht, so, wie bislang auch schon.

Vom Wissenschaftsministerium habe ich eine klare Strategie vermisst, wie man die Reform voranbringen kann, wie man die Umstrukturierung auf Bachelor- und Masterstudiengänge nutzen kann. Ich habe immer vornehme Zurückhaltung verspürt. Deswegen konnte am Ende der Knoten offensichtlich nicht durchschlagen werden.

Immer mehr Bundesländer stellen um. Man muss sich insbesondere als Wissenschaftsminister schon die Frage gefallen lassen: Wie wollen wir bei den Hochschulen für die Umstellung auf die neuen Studiengänge, auf Bachelor und Master, werben, wenn wir sagen: „Unsere eigenen Examensstudiengänge nehmen wir aber davon aus,“ – da scheinen die alten Strukturen die besseren zu sein – „ihr anderen steigt bitte alle um und verabschiedet euch vom Diplom. Bei uns ist das Staatsexamen die optimale Form“?

Ich glaube, man unterläuft den Bologna-Prozess und die Glaubwürdigkeit der neuen gestuften Studienstruktur, wenn man an diesem Punkt nicht konsequent ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Schauen Sie sich einmal an, was in den anderen Bundesländern passiert. Einige haben umgestellt, andere experimentieren. Nehmen wir einmal das Schwesterland Bayern, das bei diesen Veränderungen auch sehr zurückhaltend ist. Aus Bay ern haben wir vor Kurzem vernommen, dass sie wenigstens den Weg freimachen, um an der TU München ein innovatives Modell auszuprobieren. Sie gründen eine „School of Education“ in der Universität, stellen um auf Bachelor und Master und verschaffen der Lehrerausbildung an der Universität einen Ort. Da findet offensichtlich Innovation statt. Die holen

sich die besten Leute in ihre Universität und zeigen, wie es gehen könnte.

Bei uns im Land herrscht Stillstand. Ich finde das bedauerlich und fordere Sie auf, sich noch einmal die Vorschläge anzusehen, die die Grünen-Fraktion vor einem Jahr dazu vorgelegt hat, wie es gelingen könnte, durch weniger Staat und mehr Freiheit für die Hochschulen eine bessere Lehrerausbildung hinzubekommen – durch mehr Praxisnähe, mehr bildungswissenschaftliche Anteile und eine bessere Vorbereitung auf das Schulleben. Wir haben alles schriftlich vorgelegt, und ich bitte Sie, sich das noch einmal zu Gemüte zu führen. Jedes Jahr, das wir bei der Reform verlieren, ist ein verlorenes Jahr für die Schule; dies kann sich auf Jahrzehnte summieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Kleinmann für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, mit einem kleinen Bild zu beginnen – Anschaulichkeit ist ja ein wichtiges Prinzip im Unterricht –: Die Aufgabe, die Lehramtsstudiengänge in die gestufte Studienstruktur Bachelor und Master zu integrieren, scheint mir vergleichbar mit der Aufgabe, um einen Automotor aus einer bestehenden, gut funktionierenden Baureihe herum nun eine neue Karosse zu bauen. Die Herausforderung besteht darin, dass beim Einbau des gut funktionierenden Motors keine Eingriffe vorgenommen werden dürfen, die letztlich seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen könnten.

Ich meine, wir tun gut daran, unsere leistungsstarken Lehramtsstudiengänge – Frau Kollegin, im Übrigen gibt es das bei den Theologen und den Juristen in gleicher Weise; es sind nicht nur die Lehramtsstudiengänge – an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in ihrer Substanz nicht zu verändern. Das gilt meines Erachtens auch für das Staatsexamen, das sich ausgesprochen bewährt hat.

Die Konstruktion, dass beim Ersten Staatsexamen die Prüfung von Hochschullehrern durchgeführt wird, zugleich aber eine weitere Instanz in der Prüfungskommission vertreten ist, liegt nicht nur im Interesse der Prüflinge, sondern ist auch, wie ich meine, eine wichtige Vorkehrung zur Qualitätssicherung. Da es sich bei den Prüfungen um eine wichtige Stellschraube handelt, von der letztlich auch die Qualität des späteren Schulunterrichts maßgeblich abhängt, sollte meines Erachtens daran nicht gedreht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich bin im Übrigen der Meinung, dass sich die Beibehaltung des Staatsexamens zum einen und eine gestufte Studienstruktur zum anderen keineswegs von vornherein gegenseitig ausschließen. Im Gegenteil: Der Staatsexamensstudiengang könnte im Sinne der Polyvalenz als Bachelor-/Master-Studiengang angerechnet werden. Dies müsste natürlich in Abstimmung mit den Anforderungen der Hochschulen und den allgemeinen Bologna-Vorgaben erfolgen. Aber ich denke, hier lässt sich bei gutem Willen aller Beteiligter eine pragmatische Lösung finden. Ich erinnere an Rheinland-Pfalz: RheinlandPfalz hat einen solchen Weg inzwischen ganz offensichtlich

gefunden. Vielleicht lohnt es sich, diesen Weg im Ausschuss einmal näher zu betrachten.

(Abg. Helen Heberer SPD: Hört, hört!)

Man sollte sich umgekehrt auch die Vorteile noch einmal bewusst machen, die die zusätzlichen Bachelor- bzw. Masterabschlüsse im Lehramtsbereich mit sich bringen können. Zunächst werden zusätzliche Berufsfelder außerhalb des klassischen Lehrerberufs erschlossen. Zugleich kann hierdurch auch ein Quereinstieg – wie wir ihn ja alle wollen – in den Lehrerberuf zu einem späteren Zeitpunkt im Leben erleichtert werden.

Eine fundierte pädagogische und didaktische Qualifikation muss selbstverständlich auch in einem solchen Fall erhalten bleiben. Jedenfalls könnte damit, meine Damen und Herren, ein Beitrag zur Förderung der beruflichen Mobilität innerhalb Deutschlands sowie europaweit und international geleistet werden.

Gerade im Lehramtsbereich spielt darüber hinaus noch ein ganz anderer wichtiger Aspekt eine Rolle. Wer beispielsweise im Lauf des Studiums, vor allem bei den ersten praktischen Gehversuchen beim Unterrichten, erkennt, dass er bzw. sie für den Lehrerberuf möglicherweise doch nicht geeignet ist, hat die vier vorangegangenen Semester nicht umsonst studiert, sondern kann einen Abschluss erwerben und damit einen anderen Beruf ergreifen. Diese Problematik wird uns demnächst im Rahmen der Gymnasiallehrerprüfungsordnung hier im Landtag beschäftigen.

Vor allem aus diesen Gründen halte ich eine Integration der Lehramtsstudiengänge in die gestufte Studienstruktur für ein Ziel, das man nicht gänzlich aus den Augen verlieren sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wohlgemerkt: Das Staatsexamen muss und kann auch beibehalten werden. Gerade an den Universitäten, an denen die Ausbildung für das Lehramt an Gymnasien stattfindet, dürfen sich die Lehramtsstudiengänge nicht gegenüber den übrigen Studiengängen isolieren. Die Integration der verschiedenen Studiengänge mit unterschiedlichen Abschlüssen innerhalb eines Fachbereichs ist ein Garant für die fachlich fundierte Ausbildung – das wollen wir ja alle –, die eine wichtige Voraussetzung für eine späterhin fruchtbringende Tätigkeit als Lehrer darstellt.

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Wenn ich von einer Tatsache überzeugt bin, dann davon, dass nur bei einem Lehrer, der fachlich auf festem Boden steht – das sei hier im Parlament ausdrücklich betont –, der sprichwörtliche Funke überspringen kann. Dies gilt für jedes Fach, ganz gleich, ob es Physik, Mathematik, Sport oder Englisch ist. Auch aus diesem Grund ist eine Modularisierung des Studiums sowie die Inwertsetzung der Studienleistungen mit ECTS-Punkten so wichtig, auch wenn jetzt noch keine Einigung bezüglich der Bachelor-/Master-Integration erfolgt ist.

Die Flaschenhalsproblematik, meine Damen und Herren, an der sich der Konflikt bekanntlich entzündet hat, halte ich für ein lösbares Problem, weshalb ich Verlauf und Ergebnis des Abstimmungsprozesses bedauere. Nicht nur als Vorsitzender

des Wissenschaftsausschusses hege ich offen gestanden ein gewisses Verständnis für die Position der Hochschulen. Andererseits denke ich, mit ein wenig Pragmatismus ließe sich eine Lösung finden.

Indes dürften die wirklichen Herausforderungen an anderer Stelle liegen und sich möglicherweise erst im Zuge der konkreten Umsetzung der Integration in eine gestufte Studienstruktur ergeben. Vielleicht wäre es deshalb hier – wie ohnehin grundsätzlich – weise, den Hochschulen vonseiten der Politik so wenig Vorgaben wie unbedingt nötig zu machen und ihnen so viel Gestaltungsfreiheit wie möglich zu lassen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Professor Dr. Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Her ren! Es ist erfreulich, festzustellen, wie viel Einigkeit doch bezüglich der Notwendigkeit der Optimierung der – so sage ich jetzt einmal – Lehrerinnenausbildung gegeben ist. Das kann in der Mitte sowohl mit kleinem „i“ als auch mit gro ßem „I“ geschrieben werden; allerdings handelt es sich meis tens doch um Lehrerinnen. Damit haben wir ein erstes Problem thematisiert: Wir müssen es schaffen, letztlich auch genügend junge Männer für den Lehrerberuf zu gewinnen, und wir müssen wieder dahin gelangen – früher war das der Fall –, dass sich die Besten unter den Abiturientinnen und Abiturienten für ein Lehramtsstudium interessieren und danach die wichtige Aufgabe des Unterrichtens übernehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wenn wir die Lehrer- bzw. Lehrerinnenausbildung zu einem wirklichen Schwerpunkt machen, dann sind, denke ich, ein paar Grundsätze, die von der Obama-Administration formuliert worden sind, auch für uns wirklich wegweisend.

Der Erste ist der „Zero-to-five-Plan“, also die Schwerpunktsetzung auf die frühkindliche Erziehung. Wir haben mit der akademischen Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern damit begonnen, und ich glaube, dass dieser Weg verstärkt fortgesetzt werden muss. Denn in keiner Phase des kindlichen Lebens ist die Bildungsoffenheit und sind auch die Chancen für eine „Neuordnung“ größer als in diesen ersten fünf Lebensjahren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Der zweite Strategiepunkt ist die „No-child-left-behind-Strategie“.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP sowie Abgeordneten der SPD – Abg. Heidero- se Berroth FDP/DVP: Die finnische Lösung! – Abg. Peter Hofelich SPD: Ich habe unsere Beitrittsformu- lare vergessen! – Glocke der Präsidentin)