Protokoll der Sitzung vom 23.04.2009

Natürlich verhindert dies nicht jeden Alkoholexzess, aber es baut Hürden auf, die in vielen Fällen ausreichen, einen Exzess zu verhindern.

Um die Verfügbarkeit von Alkohol für Jugendliche einzuschränken, gilt es zunächst, dafür zu sorgen, dass die geltenden Jugendschutzbestimmungen strikt eingehalten werden. Alkoholische Getränke dürfen in Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit nicht an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren abgegeben werden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist Ge- setz!)

Die Abgabe von Bier, Wein und Sekt ist erst ab 16 Jahren erlaubt, Frau Kollegin Berroth. Branntweinhaltige Getränke dürfen erst ab 18 Jahren abgegeben werden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das weiß ich seit etwa 50 Jahren!)

Wer sich als Wirt oder als Ladenbesitzer über diese Vorschriften hinwegsetzt, der begeht kein Kavaliersdelikt,

(Abg. Ingo Rust SPD: So ist es!)

liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern der muss belangt werden. Die zuständigen Stellen sind gefordert, die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen streng zu kontrollieren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Die Jugendschutzbestimmungen allein reichen aber nicht aus. Wir müssen die Zeiten, in denen Alkohol verkauft werden kann, einschränken.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang aus der Stellungnahme der Landesregierung zu dem heute zur Beratung anstehenden Antrag Drucksache 14/2253 vom Februar letzten Jahres:

(Zuruf von der SPD: Ach du liebe Zeit!)

Erwachsene können nach derzeitiger Rechtslage Spirituosen und sonstigen Alkohol ohne zeitliche Einschränkung erwerben. Infolgedessen werden alkoholbedingte Gewalttaten und Ordnungsstörungen in erheblichem Maße auch von Erwachsenen und Heranwachsenden begangen. Zum Schutz des Gemeinwohls bedarf es deshalb einer Regelung hinsichtlich eines zeitlich begrenzten Verkaufsverbots von Alkohol über das Jugendschutzgesetz hinaus.

Dem ist eigentlich überhaupt nichts hinzuzufügen.

Es stellt sich nun im April 2009 die Frage, welche Konsequenzen die Landesregierung aus dieser Erkenntnis vom Februar letzten Jahres gezogen hat.

(Zuruf von der SPD: Keine!)

Der immer wieder angekündigte Gesetzentwurf, mit dem ein nächtliches Verkaufsverbot geregelt werden soll, liegt bis heute nicht vor. In der letzten Plenarsitzung hat der Innenminister davon gesprochen, er werde demnächst – demnächst! – vorgelegt. Bis heute liegt er noch nicht vor.

(Abg. Ingo Rust SPD: Wo liegt er denn jetzt?)

Heute Morgen hat ja ganz schnell noch die Koalitionsrunde getagt. Gut, dass wir unseren Antrag heute auf die Tagesordnung des Plenums genommen haben. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Rainer Sti- ckelberger SPD: So ist es!)

Bei allem Verständnis dafür, dass Gesetze einer sorgfältigen Vorbereitung bedürfen – das ist sicher unstrittig –, sage ich: Man braucht nicht fast anderthalb Jahre, um die rechtlichen Fragen eines nächtlichen Verkaufsverbots zu klären.

(Abg. Ingo Rust SPD: Die brauchen länger!)

Es ist vielmehr so, dass die Landesregierung – wie im Übrigen bei vielen anderen Fragen auch – tief gespalten und handlungsunfähig ist.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Beispiele?)

Deshalb liegt uns bis heute kein Gesetzentwurf vor. Sehen Sie irgendwo einen Gesetzentwurf, liebe Kollegen von der CDU

oder von der FDP/DVP? Ich sehe keinen. Deshalb kann Alkohol von Kindern und Jugendlichen in beliebigen Mengen weiterhin rund um die Uhr, zu jeder Tages- und Nachtzeit beschafft werden.

In der „Stuttgarter Zeitung“ vom 2. Februar 2008 war zu lesen, dass der Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP, Herr Noll – momentan ist er gerade nicht da; er ist immerhin auch suchtpolitischer Sprecher seiner Fraktion –, von einem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot überhaupt nichts hält. CDU-Fraktionschef Mappus dagegen will den Verkauf generell ab 22 Uhr verbieten. Er ist gerade auch nicht da; vielleicht besprechen sie sich.

(Unruhe – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Herr Schmiedel ist auch nicht da!)

Im Dezember letzten Jahres war dann in der „Heilbronner Stimme“ nachzulesen, dass das koalitionsinterne Fingerhakeln weiter andauert und sich Innen- und Justizministerium über die Frage streiten, ob der Alkoholverkauf verboten werden könne, wenn eine Gefährdung vorliege, oder ob es dazu einer „erheblichen Gefährdung“ bedürfe. So ist es zu lesen in der „Heilbronner Stimme“ vom 15. Dezember 2008.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist, mit Verlaub gesagt, bizarr. Wenn ich einen volltrunkenen 15-jährigen Jugendlichen sehe, der in einem kritischen Gesundheitszustand ins Krankenhaus eingeliefert wird und auf der Intensivstation behandelt werden muss, dann ist es mir eigentlich ziemlich egal, ob dies eine Gefährdung oder eine „erhebliche Gefährdung“ darstellt.

Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie nun endlich unverzüglich einen Gesetzentwurf vorlegt, der ein nächtliches Verkaufsverbot regelt. Dies sind wir unseren Kindern und Jugendlichen schuldig. Wir von der SPD-Fraktion wollen endlich Taten sehen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch für die Fraktion GRÜNE.

Zum Glück habe ich andere Zitate von Herrn Dr. Noll dabei.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Gut! – Abg. Dr. Ste- fan Scheffold CDU: Zuerst hören wir nur Worte!)

Genau, erst einmal nur Worte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt mehr als eineinhalb Jahre zurück, dass wir hier im Plenum eine Debatte über das Thema „Alkoholmissbrauch und Ursachen von Alkoholmissbrauch“ hatten und überfraktionell fast einstimmig einen Handlungskatalog, einen Maßnahmenmix verabschiedet haben, der verschiedene Kriterien beinhaltete. Es herrschte Übereinstimmung, dass es zum einen gezielte Präventionsangebote und zum anderen schärfere Kontrollen bei der Einhaltung des Jugendschutzgesetzes und Ahndung bei Verstößen geben solle. Keine Übereinstimmung herrschte hinsichtlich der Einbringung einer Bundesratsinitiative.

Jetzt ist dies eineinhalb Jahre her.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Gut Ding will Weile haben!)

Gestern haben wir schon darüber geredet, dass Schnellschüsse bei diesem Thema nicht angebracht sind. Aber nach eineinhalb Jahren Ergebnisse zu erwarten und nicht nur Worte, ist, finde ich, angemessen. Daher bin ich zutiefst enttäuscht, dass der von der Landesregierung versprochene Gesetzentwurf zur Einführung eines nächtlichen Alkoholverkaufsverbots bis zum heutigen Tag nicht vorliegt.

Wir fordern die Landesregierung auf, diesen Gesetzentwurf schnellstmöglich einzubringen. Ich habe vorhin schon gesehen, dass Innenminister Rech mit irgendetwas gewinkt hat. Vielleicht hat er ihn tatsächlich dabei.

(Heiterkeit des Ministers Heribert Rech)

Wir fordern, dass dieser Gesetzentwurf ein konsequentes Verkaufsverbot von Alkohol in der Nacht vorschreibt.

Ich möchte davor warnen, sich in dieser Sache auf faule Kompromisse oder auf Deals einzulassen. Warum hat die Vorlage des Gesetzentwurfs so lange gedauert? Jetzt zitiere ich wie die Kollegin Haußmann den Kollegen Noll, diesmal aus den „Stuttgarter Nachrichten“. Dort wird in einem Artikel mit der Überschrift „Nächtlicher Alkoholverkauf wird verboten – CDU stimmt Gesetzentwurf zu“ die Aussage des Kollegen Noll wiedergeben: „Wir legen der Sache keine Steine in den Weg.“ Vier Monate später sagt der Kollege Noll genau das Gegenteil. Ich fordere Sie auf, hier dieses Verwirrspiel zu beenden, eine klare, konsequente Position zu beziehen und sich bitte nicht auf Deals oder faule Kompromisse einzulassen, mit denen man die Zustimmung der FDP/DVP erkaufen möchte.

Wenn es um die Verfügbarkeit von Alkohol geht, dann – darin sind wir uns einig; alle Experten sagen, das sei wichtig – kann man nicht auf der einen Seite sagen: „Wir reduzieren die Verfügbarkeit, indem wir ein nächtliches Verkaufsverbot aussprechen“, und auf der anderen Seite dann die Sperrstunde verkürzen. Sich auf den Deal einzulassen, die Sperrzeit am Wochenende um fünf Uhr statt um drei Uhr und unter der Woche um drei Uhr statt um zwei Uhr beginnen zu lassen, ist kontraproduktiv. Das wäre wirklich ein fataler fauler Kompromiss. Wenn es Ihnen ernst damit ist, den Alkoholmissbrauch zu bekämpfen, dann bitte ich Sie, keinen solchen Kompromiss einzugehen, sondern eine klare, konsequente Position zu vertreten, wenn es um die Verfügbarkeit von Alkohol geht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Jetzt möchte ich aber auch noch etwas Positives sagen. Vorhin habe ich erwähnt, dass es auch darum geht, dass Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz zuverlässiger geahndet und die Bußgelder erhöht werden. Nun hat auch dies eineinhalb Jahre gedauert, aber es ist erfolgt. Ich habe die Pressemitteilung des Sozialministeriums gelesen, der zufolge es nun einen neuen Bußgeldkatalog für Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz gibt, die Bußgelder steigen und eine weitgehend einheitliche Festsetzung der Bußgelder gewährleistet wird. Meine Damen und Herren, das ist gut, aber eineinhalb Jahre sind auch in diesem Bereich zu lang. Auch ist dies nur ein Bestand

teil der Maßnahmen zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs.

Nun möchte ich noch einen letzten Punkt ansprechen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten!