Protokoll der Sitzung vom 23.04.2009

Wir kommen zum Antrag unter Punkt 2 b der Tagesordnung, Drucksache 14/2208. Abschnitt I dieses Antrags ist ein Berichtsteil. Er ist erledigt.

Abschnitt II dieses Antrags beinhaltet ein Handlungsersuchen. Wer für Abschnitt II dieses Antrags ist, der möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Abschnitt abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag unter Punkt 2 c der Tagesordnung, Drucksache 14/4122 (geänderte Fassung). Das ist ein reiner Berichtsantrag. Er ist erledigt.

Jetzt kommen wir noch zum Antrag unter Punkt 2 d der Tagesordnung, Drucksache 14/4210. Abschnitt I dieses Antrags ist ein Berichtsteil. Er ist erledigt.

Abschnitt II dieses Antrags beinhaltet Handlungsersuchen. Darüber muss abgestimmt werden. Wer für Abschnitt II dieses Antrags ist, der möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Abschnitt abgelehnt.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Wir kommen jetzt zu Punkt 3 der Tagesordnung:

a) Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD

und der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Flächenverbrauch in BadenWürttemberg – Drucksache 14/2723

b) Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Ant

wort der Landesregierung – Evaluierung der Maßnahmen bei den Konversionsflächen in Baden-Württemberg – Drucksache 14/3042

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, für das Schlusswort zu b fünf Minuten.

Ich darf für die CDU-Fraktion Herrn Abg. Scheuermann das Wort geben.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wollten die Antragsteller mit diesem Berichtsantrag zum Flächenverbrauch erreichen?

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Wir wollten damit zunächst einmal einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung gegen einen übermäßigen Flächenverbrauch leis ten. Ich meine, ein solcher Beitrag ist bei zahlreichen Gemeinderäten und Bürgermeistern nach wie vor notwendig.

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie Abgeord- neten der Grünen)

Wir wollten weiter die Landesregierung darin unterstützen, jenseits der Schwelle von Argumenten und Appellen Maßnahmen gegen den Flächenverbrauch zu ergreifen. Wir wollten drittens die Landesregierung ermuntern, zusätzlich zu den bereits ergriffenen Maßnahmen weitere wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Ich verspreche mir, dass wir durch den Beitrag der Ministerin und des Ministers in dieser Debatte hierzu noch einiges erfahren werden.

Meine Damen und Herren, warum liegt den Antragstellern dieses Berichtsantrags so viel daran, den Flächenverbrauch einzuschränken? Jeder Quadratmeter unnützer Flächenverbrauch durch Umwidmung von Wald oder freier Fläche in Siedlungsfläche ist schlechthin – ich weiß gar nicht, wie ich mich ausdrücken soll – ein Eingriff in unsere Umwelt. Zur Umwelt gehören die intakten Umweltmedien Boden, Luft und Wasser, und zur Umwelt gehört vor allem auch die Artenviel

falt. In der Mitte einer so verstandenen Umwelt stehen wir als Menschen.

Das Problem beim Flächenverbrauch besteht darin, dass die Beeinträchtigungen durch übermäßige Siedlungstätigkeit die Umwelt, das ökologische Milieu schädigen, ohne dass wir es im Moment als Menschen selbst merken. Aber in diesem Zusammenhang kann man, glaube ich, ohne Weiteres sagen: Wenn wir Menschen eine solche Beeinträchtigung erst einmal merken, dann ist es viel zu spät.

Ich würde mir wünschen, dass ein Großteil von uns mit der gleichen Energie, mit der wir für die Nullneuverschuldung eingetreten sind, auch in diesem Punkt gegen einen übertriebenen Flächenverbrauch eintreten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Guter Mann!)

Finanzielle und haushaltsmäßige Situationen, die wir eventuell durch irgendwelche Maßnahmen ruinieren, sind reparierbar. Aber was wir einmal an der Umwelt ruiniert haben, ist in den seltensten Fällen rückholbar und zu reparieren. Deswegen legen wir so einen gesteigerten Wert auf einen eingeschränkten und vertretbaren Flächenverbrauch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun ist mir natürlich völlig bewusst, dass wir bei diesem Thema Interessenkonflikte haben: Wir haben einen Interessenkonflikt zwischen der Eindämmung des Flächenverbrauchs und der gemeindlichen Planungshoheit.

An dieser Stelle darf ich ganz einfach einmal auf den Vorschlag des Nachhaltigkeitsbeirats von Baden-Württemberg verweisen, der klipp und klar gesagt hat: „Mit Appellen und Argumenten erreichen wir gar nichts“, und ein Instrument empfohlen hat, von dem niemand von uns hier schon einmal gesagt hat, er vertrete das nachdrücklich, nämlich den Flächenverbrauch durch sogenannte Flächenzertifikate in den Griff zu bekommen. Nun sitzen im Nachhaltigkeitsbeirat nicht XY-Leute, sondern jeweils für ihren Fachbereich herausragende Spezialisten. Dieser Nachhaltigkeitsbeirat hat gesagt, dass es überhaupt keine rechtlichen Bedenken gegen die Einführung von solchen Flächenzertifikaten gebe. Folglich kann es erst recht keine rechtlichen Bedenken gegen Maßnahmen geben, über die wir zurzeit diskutieren und die weit unterhalb der Schwelle eines Flächenzertifikats liegen.

Wir haben natürlich auch einen Interessenkonflikt zwischen der Einschränkung des Flächenverbrauchs und dem wirtschaftlichen Wachstum. Hier beobachte ich jetzt eine neue Entwicklung. Denn in Zeiten, in denen wir kaum noch ein Bevölkerungswachstum haben, gibt es eine ganze Reihe von Gemeinden, die auf „Einwohnerklau“ gehen.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Durch möglichst günstige Maßnahmen, Baupreise usw. – zum Teil wird das sogar noch subventioniert – jagen sie nach Einwohnern und nach Gewerbeflächen.

Dazu will ich einfach einmal zitieren, was mein Kollege Thomas Bopp in einem großen Interview in seiner Eigenschaft als Präsident des Verbands Region Stuttgart gesagt hat:

Das ist Ausdruck einer Denkweise aus der Zeit, in der wir noch Bevölkerungswachstum hatten. Auch in der Region Stuttgart wird die Bevölkerung stagnieren oder leicht zurückgehen. Deshalb müssen für die Zukunft andere Rezepte her: Wir müssen weniger auf Quantität und mehr auf Qualität setzen. Wettbewerb unter den Kommunen, der zu mehr Qualität führt, macht Sinn. Wettbewerb, der allein darauf ausgerichtet ist, Menschen und Unternehmen abzuwerben, führt dazu, dass neue Infrastruktur geschaffen werden muss, obwohl diese andernorts bereits besteht. Das schafft neue Verkehrsbedürfnisse, verstärkt den Flächenverbrauch und ist ökologisch und volkswirtschaftlich unsinnig.

Ich habe dem zu dieser neuen Entwicklung, die wir zurzeit beobachten müssen, nichts hinzuzufügen. Kurz und bündig zusammengefasst: Mehr Flächenverbrauch ist unsinnig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich lese hier, meine Sprechzeit sei zu Ende. Aber ich habe doch insgesamt zehn Minuten Redezeit.

Das ist richtig. Normalerweise stehen für die Begründung des Antrags fünf Minuten und nachher in der Aussprache noch einmal fünf Minuten zur Verfügung. Aber wenn Sie die Redezeiten zusammenfassen wollen, Herr Kollege, dann machen wir das so.

Nein. Dann komme ich nachher noch einmal ans Rednerpult und beschäftige mich dann mit den Maßnahmen, von denen ich schon gesprochen habe, die jenseits der Schwelle der Argumente und der Appelle liegen.

Ich bedanke mich vorerst schon einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Stober das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann dem, was Kollege Scheuermann von der CDU hier gesagt hat, nur zustimmen. Ich möchte ergänzend Aussagen unseres Ministerpräsidenten Günther Oettinger aus seiner Regierungserklärung vom Juni 2006 zitieren, die in den Augen der SPD-Fraktion sehr zutreffend waren. Ich glaube, es ist richtig, uns in Erinnerung zu rufen, was hier zu Beginn dieser Legislaturperiode gesagt wurde:

Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten 50 Jahren in Baden-Württemberg so viel Fläche für Siedlung und Verkehr neu beansprucht wie alle Generationen zuvor zusammen. In 50 Jahren der gleiche Flächenverbrauch wie in den vorangegangenen Jahrhunderten! Wenn wir nicht aufpassen, entstehen heute mit Wohn- und Gewerbegebieten … die Altlasten von morgen, für die dann niemand mehr zahlen kann.

Wir nehmen diese Entwicklung nicht hin. Wir machen weiter Druck für eine sparsame Flächennutzung. Wir setzen auf kommunales Flächenmanagement, auf das Bündnis „Fläche gewinnen“ und das „Modellprojekt zur Eindäm

mung des Landschaftsverbrauchs durch Aktivierung innerörtlichen Potenzials“, kurz MELAP genannt.

Mein konkretes Ziel

also das damalige Ziel unseres Ministerpräsidenten –

lautet: Wenn Baden-Württemberg im nächsten Jahrzehnt keinen Einwohnerzuwachs mehr haben wird – bei uns wird die Zahl der Einwohner noch etwa 10 bis 15 Jahre steigen und dann stagnieren –, dann muss auch das Ziel der Politik die „Nettonull“ beim Flächenverbrauch sein. Wenn das Wachstum der Einwohnerzahl zu Ende geht, muss auch die Fläche, die wir haben, für alle gewerblichen und Wohnungsflächen in Baden-Württemberg ausreichend sein.

Diesen Worten des Ministerpräsidenten können wir – ich glaube, das kann ich für alle drei antragstellenden Fraktionen sagen – nur ausdrücklich zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Wir müssen uns aber durchaus die Frage stellen: Wo sind wir heute, drei Jahre danach? Wir haben inzwischen ein Bevölkerungswachstum, das noch nicht stagniert, das aber deutlich zurückgegangen ist. Aber wir haben gleichzeitig einen Flächenverbrauch, der weiter gestiegen ist, und zwar von 8,8 ha pro Tag zu Beginn der Legislaturperiode auf inzwischen 10,3 ha pro Tag.

Wir von der SPD möchten deutlich darauf hinweisen, dass das Parlament durch diesen gemeinsamen Antrag gezeigt hat, dass ihm dieses Thema am Herzen liegt. Nichtsdestotrotz müssen wir uns auch die Frage stellen: Warum erreichen wir nicht das eigentliche Ziel, das wir uns gesetzt haben?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können das Problem erst dann lösen, wenn wir bei diesem Thema auch die kommunale Seite mit ins Boot bekommen. Hier gibt es zwar ohne Zweifel positive Beispiele. Insbesondere die Diskussion – das war ja auch eine gemeinsame Initiative, die wir ergriffen haben – mit den kommunalen Landesverbänden in einer nicht öffentlichen Sitzung des Umweltausschusses hat aber gezeigt, dass das Problem zwar bei einigen Vertretern der Regionalverbände durchaus angekommen ist, aber bei vielen Vertretern der Kommunen nicht angekommen ist.

Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen uns daher im Landesparlament fragen, ob es wirklich auf dieser freiwilligen Ebene weitergehen kann oder ob wir nicht selbst Mittel und Wege finden müssen, um das Problem in den Griff zu bekommen.